BT-Drucksache 17/3557

Stand und Perspektive der Nanotechnologien

Vom 27. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3557
17. Wahlperiode 27. 10. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten René Röspel, Iris Gleicke, Dr. Ernst Dieter Rossmann,
Dr. Hans-Peter Bartels, Klaus Barthel, Willi Brase, Ulla Burchardt, Petra
Ernstberger, Michael Gerdes, Klaus Hagemann, Christel Humme, Oliver
Kaczmarek, Daniela Kolbe (Leipzig), Ute Kumpf, Thomas Oppermann, Florian
Pronold, Marianne Schieder (Schwandorf), Swen Schulz (Spandau), Andrea
Wicklein, Dagmar Ziegler, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Stand und Perspektive der Nanotechnologien

Nanotechnologie ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von Anwendungen,
Innovationen und Entwicklungen, die sich typischerweise mit Strukturen und
Prozessen auf der Skala von 1 bis 100 Nanometer befassen. Aus der Nano-
skaligkeit der Partikel eines Stoffes ergeben sich dabei neue Eigenschaften
oder vorhandene Eigenschaften verstärken sich. Diese Potenziale kann sich der
Mensch zu Nutzen machen. Im Mittelpunkt der politischen und wirtschaft-
lichen Diskussion stehen die gezielt bzw. gewollt erzeugten Nanoteilchen so-
wie deren Verwendung und mögliche Folgen. Nanotechnologie gilt als Schlüs-
seltechnologie, von der Anstöße zu innovativen Entwicklungen in den ver-
schiedensten technologischen Bereichen und gesellschaftlichen Anwendungs-
feldern zu erwarten sind.

Auch wenn die Nanotechnologien immer noch in vielen Bereichen der Grund-
lagenforschung zuzurechnen sind, so sind bereits heute viele verbrauchernahe
Produkte mit Nanomaterialien auf dem Markt, zum Beispiel Kleidungsstücke,
Kosmetika oder Computerchips.

Über die möglichen Chancen und Risiken der Technologie und der Produkte
wird in der Gesellschaft diskutiert. Als ein bedeutender Impulsgeber für diesen
wichtigen gesellschaftlichen Diskurs ist dabei die vom damaligen Bundesmi-
nister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Sigmar Gabriel, einge-
setzte NanoKommission zu nennen. Bei der Diskussion zeigt sich einmal mehr
das enorme Potenzial dieser Technologie, insbesondere im Elektro-, Gesund-
heits- und Umweltbereich. Auf Grund der Eigenschaften oder der Struktur
(Nanosysteme) von Nanopartikeln können einige Partikel aber auch Risiken für
Mensch und Umwelt darstellen. Über positive wie negative Wirkungen der Par-
tikel ist bisher viel zu wenig bekannt. Weil das Vorsorgeprinzip bei der Anwen-
dung unabdingbar ist, ist ausreichende Forschung in diesem Bereich und eine

ausführliche Folgenabschätzung unverzichtbar.

Eine frühzeitige gesellschaftliche und politische Begleitung dieser Technologie
ist notwendig, um die enormen Chancen und Potenziale erkennen und nutzen
und möglichen Risiken absehen und begegnen zu können. Die Fraktion der
SPD beschäftigt sich bereits seit vielen Jahren mit Fragen dieser neuen Schlüs-
seltechnologien und hat bereits in der 15. und 16. Legislaturperiode entspre-
chende Anträge in den Deutschen Bundestag eingebracht. Mit diesen Anträgen

Drucksache 17/3557 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

wurde die Bundesregierung vor allem aufgefordert, die für die Erforschung der
Chancen und Risiken notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen und den
gesellschaftlichen Dialog zu intensivieren. Zur effektiven Begleitung und Beur-
teilung der Nanotechnologien sind daher fortlaufend Informationen über den
aktuellen Stand der Forschung, der Entwicklung, des Einsatzes, des Umgangs
und der Entsorgung unabdingbar.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung den derzeitigen Stand zur Heraus-
bildung einer international einheitlichen Definition von Nanomaterialien,
Nanopartikeln etc.?

2. Wie bewertet die Bundesregierung den derzeitigen Stand zur Definition
einer einheitlichen Mess- und Verfahrenstechnik im Bereich der Nano-
technologien?

Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung zur Herbeiführung dieser
Vereinheitlichung unternommen?

3. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung auf europäischer Ebene zur
Korrektur des „Verhaltenskodexes für eine verantwortungsvolle Forschung
im Bereich der Nanowissenschaften und -technologien“ durchgeführt?

4. Wie hoch war und ist der Einsatz von Bundesmitteln für die Forschung und
Entwicklung (FuE) der Nanotechnologien seit 2005 bis heute?

5. Mit welchen Mitteln ist in diesem Bereich in den einzelnen Bundesministe-
rien zu rechnen?

6. Wie hoch waren die staatlichen Mittel für FuE weltweit im gleichen Zeit-
raum für diesen Bereich?

Welche Länder stehen dabei in der FuE-Förderung an der Spitze?

7. Welchen Mittelansatz stellt die Europäische Union für den Bereich FuE
von Nanotechnologien im 7. Forschungsrahmenprogramm zur Verfügung?

Welchen Anteil erhält Deutschland davon?

8. Wie viel Bundesmittel sind in den einzelnen Bundesministerien im Zeit-
raum 2009 bis 2012 für die Sicherheitsforschung im Bereich der Nanotech-
nologien vorgesehen?

9. Wie hoch ist im Zeitraum 2009 bis 2012 der Prozentanteil für Sicherheits-
forschung an den gesamten Bundesausgaben für Nanotechnologie gewesen
bzw. geplant?

10. Wie hoch sind in Deutschland die Ausgaben der Industrie für Sicherheits-
forschung im Bereich der Nanotechnologien?

11. Fördert die Bundesregierung Forschungsprojekte, die sich mit dem gesell-
schaftlichen Bedarf an Nanoprodukten und möglichen Alternativen be-
fasst?

12. Wie werden die durch die Bundesregierung finanzierten Programme zur
Sicherheitsforschung mit ähnlichen Programmen der Bundesländer, der
Wirtschaft, den europäischen und internationalen Partnern abgestimmt?

13. Wie hoch ist der Anteil der Sicherheitsforschung in vergleichbaren Ländern
(insbesondere Russland, USA, Frankreich, Großbritannien und China)?

14. Welche Anstrengung hat die Bundesregierung bisher unternommen, damit
sich die speziellen Anforderungen an einen sicheren Umgang mit Nano-

materialien noch besser in der EU-Chemikalienverordnung REACH wider-
spiegeln?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3557

15. Welche Ergebnisse, wie in dem Antrag auf Bundestagsdrucksache 16/12695
gefordert, hat die Prüfung nach sachgerechter Entsorgung von synthetischen
Nanomaterialien ergeben?

16. Wie hoch schätzt die Bundesregierung das Potenzial der Umwelt- und
Ressourcenschonung durch den Einsatz von Nanotechnologie für die
Zukunft ein?

Lässt sich die bisherige Einschätzung oder eine tatsächliche Ressourcen-
schonung bereits quantitativ darlegen?

17. Kann nach Ansicht der Bundesregierung die Nanotechnologie einen Bei-
trag zur Lösung der Welternährungsproblematik liefern, und wenn ja, wie?

18. Sind der Bundesregierung Produkte bzw. Forschungen im Bereich Nano-
Enhancement bekannt?

19. Fördert die Bundesregierung Forschung im Bereich Nano-Enhancement,
und wenn ja, wie?

20. Wie bewertet die Bundesregierung Nano-Enhancement unter ethischen
Aspekten?

21. Welche ethische Begleitforschung der Nanotechnologien werden durch die
Bundesregierung mit welcher Summe gefördert?

22. Bei welcher Anwendung von Nanotechnologien hat die Bundesregierung
ethische Bedenken?

23. An wie vielen Lehrstühlen wird in Deutschland Nanotechnologie gelehrt
bzw. sich mit diesen Techniken befasst?

24. Inwieweit existiert nach Wissen der Bundesregierung im Bereich der
Nanotechnologien ein Fachkräftemangel, und wenn dieser existiert, was tut
die Bundesregierung, um die Bundesländer bei der Beseitigung des Man-
gels zu unterstützen?

25. Schützen nach Auffassung der Bundesregierung die derzeitigen Arbeits-
schutzregelungen angemessen vor den Gefahren beim Umgang mit Nano-
materialien?

26. Wo sieht die Bundesregierung innerhalb der Nanotechnologie den höchsten
Forschungsbedarf?

27. Werden Produkte, die neue Eigenschaften dank Nanomaterialien besitzen,
derzeit durch die Bundeswehr genutzt, und wenn ja, welche sind das?

28. Ist die Anschaffung solcher Produkte bei der Bundeswehr für die nächsten
Jahre geplant, und wenn ja, welche?

29. Welche militärisch verwertbare Forschung wird im Bereich der Nano-
technologien in Deutschland gefördert?

30. Wie hoch sind die Finanzmittel, die weltweit (insbesondere Russland,
USA, Frankreich, Großbritannien und China) in die militärische Forschung
verausgabt werden?

31. Von welchen militärischen Einsatzmöglichkeiten der Nanotechnologie geht
die Bundesregierung weltweit in näherer Zukunft aus?

32. Sieht die Bundesregierung im Bereich der Nanotechnologien eine Dual-
use-Problematik?

Wenn ja, in welchem Bereich, und wie wird damit umgegangen?

Drucksache 17/3557 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

33. Sieht die Bundesregierung im Bereich der Nanotechnologie potenzielle
Missbrauchsmöglichkeiten durch Terroristen?

Wenn ja, wo sieht sie dabei die größten Gefahren, und wie werden diese
minimiert?

34. Wie hoch ist derzeit der Umsatz mit Produkten, die Nanomaterialien ent-
halten – in Deutschland, Europa und weltweit?

35. Von welchen Nanopartikeln (Größe, Form, Stoff) gehen nach heutigem
Stand der Wissenschaft die größten Gefahren aus?

36. Wie steht die Bundesregierung zu einer nationalen bzw. europaweiten
Registrierung aller Produkte, in denen Natomaterialien enthalten sind?

37. Wie viele Produkte, die Nanomaterialien enthalten, werden nach Wissen
der Bundesregierung derzeit in Deutschland vertrieben, und welchen Be-
reichen sind diese zuzuordnen?

38. Existieren heute in Deutschland bereits Produktgruppen, in denen nur noch
Produkte mit Nanomaterialien verkauft werden?

Wenn ja, welche sind das?

39. Wie viele Produkte mit Nanomaterialien werden nach Wissen der Bundes-
regierung in Deutschland verkauft, die eine Aufnahme in den menschli-
chen Körper intendieren?

40. Wie viele und welche Arzneimittel sind der Bundesregierung bekannt, die
Nanomaterialien enthalten?

41. Wie viele und welche Medizinprodukte sind der Bundesregierung bekannt,
die Nanomaterialien enthalten?

42. Ist der Bundesregierung bekannt, ob und in welchen medizinischen Thera-
pien Nanomaterialien zum Einsatz kommen?

43. Ist der Bundesregierung bekannt, inwieweit Lebenszyklusanalysen von
Nanoprodukten zur umfassenden Bewertung durchgeführt werden?

44. Fördert die Bundesregierung Forschungsprojekte, die auf Lebenszyklus-
analysen von Nanoprodukten abzielen bzw. Methodik dazu entwickeln?

45. Werden nach Wissen der Bundesregierung in Deutschland bzw. Europa
Nahrungsmittel verkauft, in denen Nanomaterialien enthalten sind?

Wenn ja, welche sind das?

46. Wie steht die Bundesregierung zur Einführung einer nationalen bzw. euro-
päischen Kennzeichnung von Verbraucherprodukten, in denen Nano-
materialien enthalten sind (Unterscheidung bitte nach Produktgruppen)?

47. Welche Produkte, die Nanomaterialien enthalten, werden nach Kenntnis
der Bundesregierung derzeit auf dem deutschen Kosmetikmarkt ver-
trieben?

48. Entstehen nach Auffassung der Bundesregierung gesundheitliche Gefahren
bei der Auftragung von Sonnencreme mit Nanopartikeln auf durch Sonnen-
brand verletzte Haut?

49. Sieht die Bundesregierung bei Mundwasser und Zahncreme mit Nano-
partikeln gesundheitliche Gefahren für die Konsumenten?

50. In welcher Anwendung von Nanotechnologien innerhalb des Gesundheits-
bereichs sieht die Bundesregierung derzeit das höchste Potenzial?

51. Mit welcher Summe hat die Bundesregierung in den letzten fünf Jahren

Nanotechnologie im Gesundheitsbereich gefördert?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/3557

52. Welche neuen Produkte werden auf Grund dieser Förderung voraussicht-
lich in den nächsten fünf Jahren auf den Markt kommen?

53. Geht die Bundesregierung davon aus, dass durch den Einsatz von Nano-
technologie das deutsche Gesundheitssystem nachhaltig finanziell entlastet
wird?

54. Wie viele und welche Verbraucherprodukte sind der Bundesregierung be-
kannt, in denen silberhaltige Nanopartikel enthalten sind, welche durch
Abrieb, Nutzung in die Umwelt gelangen könnten?

55. Welche repräsentativen Umfrageergebnisse zum Wissen und zur Ein-
stellung der deutschen Bevölkerung zum Thema Nanotechnologie sind der
Bundesregierung bekannt, und was sind die Ergebnisse?

56. Gibt es dabei unterschiedliche Ergebnisse in ähnlichen Umfragen in ver-
gleichbaren Ländern?

57. Existieren nach Wissen der Bundesregierung weltweit ähnliche Einrichtun-
gen wie die deutsche NanoKommission?

58. Ist das Format der NanoKommission nach Einschätzung der Bundesregie-
rung auch für andere Technikfelder, wie zum Beispiel der synthetischen
Biologie, geeignet?

59. Arbeitet die Bundesregierung (eventuell mit der Wirtschaft) daran, ein Leit-
bild für den Umgang mit Nanotechnologien zu entwickeln?

Berlin, den 27. Oktober 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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