BT-Drucksache 17/3477

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Anton Schaaf, Anette Kramme, Elke Ferner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD -Drucksache 17/1747- Das Risiko von Altersarmut durch veränderte rentenrechtliche Bewertungen von Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit und der Niedriglohn-Beschäftigung bekämpfen b) zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -Drucksache 17/1735- Risiken der Altersarmut verringern - Rentenbeiträge für Langzeiterwerbslose erhöhen c) zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, Heidrun Dittrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -Drucksache 17/256- Verbesserung der Rentenanwartschaften von Langzeiterwerbslosen d) zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -Drucksache 17/1116- Schutz bei Erwerbsminderung umfassend verbessern - Risiken der Altersarmut verringern e) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Katrin Göring-Eckardt, Fritz Kuhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -Drucksache 17/2436- Mindestbeiträge zur Rentenversicherung verbessern, statt sie zu streichen

Vom 27. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3477
17. Wahlperiode 27. 10. 2010

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Anton Schaaf, Anette Kramme, Elke Ferner,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
– Drucksache 17/1747 –

Das Risiko von Altersarmut durch veränderte rentenrechtliche Bewertungen von
Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit und der Niedriglohn-Beschäftigung bekämpfen

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst,
Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/1735 –

Risiken der Altersarmut verringern – Rentenbeiträge für Langzeiterwerbslose
erhöhen

c) zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst,
Heidrun Dittrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/256 –

Verbesserung der Rentenanwartschaften von Langzeiterwerbslosen

d) zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst,
Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/1116 –

Schutz bei Erwerbsminderung umfassend verbessern – Risiken der Altersarmut
verringern

e) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Katrin Göring-Eckardt, Fritz Kuhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/2436 –

Mindestbeiträge zur Rentenversicherung verbessern, statt sie zu streichen

Drucksache 17/3477 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A. Problem

Zu Buchstabe a

Künftige Rentner tragen nach Einschätzung der Antragsteller als Folge von Ar-
beitslosigkeit und Niedriglohn ein höheres Altersarmutsrisiko als die jetzige
Rentnergeneration. Dem wollen die Initiatoren mit aktiver Arbeitsmarktpolitik
entgegenwirken. Dazu solle u. a. die Schaffung von mehr sozialversicherungs-
pflichtiger Beschäftigung und ein gesetzlicher Mindestlohn gehören. Außerdem
sollten bei denjenigen, denen konkret Altersarmut drohe, die Zeiten von Lang-
zeitarbeitslosigkeit als beitragsgeminderte Zeit gemäß § 263 des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB VI) gewertet werden. Die Rente nach Mindestentgelt-
punkten müsse für Beitragszeiten bis zum 1. Januar 2011 fortgeführt werden.

Zu Buchstabe b

Langzeiterwerbslosigkeit ist nach Darlegung der Initiatoren neben Niedriglöh-
nen, Erwerbsminderung und der Absenkung des allgemeinen Rentenniveaus
eine zentrale Ursache künftiger Altersarmut. Als Gegenmaßnahme müssten die
Träger der Grundsicherung nach dem SGB II für Bezugszeiten des Arbeits-
losengeldes II (ALG II) Beiträge nach der Hälfte des Durchschnittsentgelts über-
nehmen. Außerdem solle die Regelung zur Rente nach Mindestentgeltpunkten
gemäß § 262 SGB VI entfristet und ein gesetzlicher Mindestlohn von 10 Euro je
Stunde eingeführt werden.

Zu Buchstabe c

Die Absenkung der Rentenbeiträge während der Bezugszeiten von Hartz IV ist
nach Ansicht der Antragsteller eine zentrale Ursache für die absehbar zuneh-
mende Altersarmut. Daher müssten die Rentenanwartschaften von Langzeit-
erwerbslosen deutlich verbessert werden.

Zu Buchstabe d

Erwerbsminderung und Erwerbsunfähigkeit werden nach Einschätzung der
Initiatoren immer mehr zum Armutsrisiko. Das gelte sowohl für die Bezugszeit
als auch im Alter. Mit ihrem Antrag will die Fraktion DIE LINKE. erreichen,
dass die Abschläge auf Erwerbsminderungsrenten abgeschafft werden, die Zu-
rechnungszeiten bis zum vollendeten 63. Lebensjahr verlängert und der Zugang
zu Erwerbsminderungsrente erleichtert werden. Darüber hinaus solle man Reha-
bilitation und Wiedereingliederung verbessern.

Zu Buchstabe e

Die Streichung der Rentenbeiträge für Arbeitslosengeld-II-Beziehende im Rah-
men des Sparpakets der Bundesregierung führt nach Einschätzung der Antrag-
steller in den nächsten Jahren zu mehr Altersarmut. Um das zu verhindern, for-
dern sie, auf die Streichung zu verzichten. Stattdessen solle man den Betrag von
205 Euro in § 166 Absatz 1 Nummer 2a SGB VI durch den Betrag von 400 Euro
ersetzen und auf dieser Basis aus Steuermitteln Beiträge an die Rentenversiche-
rung zahlen. Während des Bezugs von Arbeitslosengeld I sollten die Beiträge
bis zu einem Mindestbetrag aufgestockt werden. Außerdem solle auch während
des Bezugs von Sozialhilfe ein steuerfinanzierter Mindestbetrag in entsprechen-
der Höhe gezahlt werden. Darüber hinaus müsse gewährleistet werden, dass
langjährig Versicherte auch in Zukunft eine Rente über Grundsicherungsniveau
erhielten.

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/1747 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3477

SPD bei Stimmenthaltung der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN.

Zu Buchstabe b

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/1735 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Zu Buchstabe c

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/256 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Zu Buchstabe d

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/1116 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Zu Buchstabe e

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/2436 mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Kostenberechnungen wurden nicht angestellt.

Drucksache 17/3477 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Antrag auf Drucksache 17/1747 abzulehnen;

b) den Antrag auf Drucksache 17/1735 abzulehnen;

c) den Antrag auf Drucksache 17/256 abzulehnen;

d) den Antrag auf Drucksache 17/1116 abzulehnen;

e) den Antrag auf Drucksache 17/2436 abzulehnen.

Berlin, den 27. Oktober 2010

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Katja Kipping
Vorsitzende

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/3477

Bericht des Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn

A. Allgemeiner Teil

I. Überweisung

1. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 17/1747 ist in der 44. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 21. Mai 2010 an den Aus-
schuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung
und an den Haushaltsausschuss, an den Ausschuss für Wirt-
schaft und Technologie sowie an den Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend zur Mitberatung überwiesen
worden.

Der Antrag auf Drucksache 17/1735 ist in der 44. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 21. Mai 2010 an den Aus-
schuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung
und an den Haushaltsausschuss, den Finanzausschuss, den
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie
an den Ausschuss für Gesundheit zur Mitberatung überwie-
sen worden.

Der Antrag auf Drucksache 17/256 ist in der 19. Sitzung des
Deutschen Bundestages am 28. Januar 2010 an den Aus-
schuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung
und an den Haushaltsausschuss sowie an den Ausschuss für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Mitberatung über-
wiesen worden.

Der Antrag auf Drucksache 17/1116 ist in der 44. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 21. Mai 2010 an den Aus-
schuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung
und an den Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie an den Aus-
schuss für Gesundheit zur Mitberatung überwiesen worden.

Der Antrag auf Drucksache 17/2436 ist in der 55. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 8. Juli 2010 an den Aus-
schuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung
und an den Haushaltsausschuss zur Mitberatung überwiesen
worden

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse

Zu Buchstabe a

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie sowie der
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
haben den Antrag auf Drucksache 17/1747 in ihren Sitzun-
gen am 27. Oktober 2010 beraten und übereinstimmend mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen
die Stimmen der Fraktion der SPD bei Stimmenthaltung der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
dem Deutschen Bundestag die Ablehnung empfohlen. Das
Votum des Haushaltsausschusses lag nicht vor.

Zu Buchstabe b

Der Finanzausschuss sowie der Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend haben den Antrag auf
Drucksache 17/1735 in ihren Sitzungen am 27. Oktober
2010 beraten und übereinstimmend mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen
der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Deutschen Bundestag die
Ablehnung empfohlen. Der Ausschuss für Gesundheit hat
die Vorlage ebenfalls am 27. Oktober 2010 beraten und die
Ablehnung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei
Stimmenthaltung der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN empfohlen. Das Votum des Haushalts-
ausschusses lag nicht vor.

Zu Buchstabe c

Der Haushaltsausschuss hat den Antrag auf Drucksache
17/256 in seiner Sitzung am 25. Februar 2010 beraten, der
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in
der Sitzung am 27. Oktober 2010. Übereinstimmend wurde
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und
FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei
Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
dem Deutschen Bundestag die Ablehnung empfohlen.

Zu Buchstabe d

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie sowie der
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
haben den Antrag auf Drucksache 17/1116 in ihren Sitzun-
gen am 27. Oktober 2010 beraten und übereinstimmend mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimm-
enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem
Deutschen Bundestag die Ablehnung empfohlen. Der Aus-
schuss für Gesundheit hat am selben Tag die Ablehnung mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung
der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN emp-
fohlen.

Zu Buchstabe e

Das Votum des Haushaltsausschusses lag nicht vor.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Zu Buchstabe a

Künftige Rentner trügen ein größeres Risiko, im Alter arm zu
sein, als die heutige Rentnergeneration. Gründe dafür lägen
in längeren Zeiten der Arbeitslosigkeit und im Niedrig-
einkommen. Dem wollen die Antragsteller u. a. mit aktiver
Beschäftigungspolitik entgegenwirken. Dazu sollten die
Schaffung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung, eine
an die Produktivitätsentwicklung angepasste Lohnentwick-
lung wie auch ein gesetzlicher Mindestlohn als untere Ein-
kommensgrenze beitragen. Außerdem müssten Zeiten von
Langzeitarbeitslosigkeit und Beschäftigung mit Niedriglohn
rentenrechtlich besser bewertet werden als bisher – nämlich
als beitragsgeminderte Zeit, die erst im Rahmen der Gesamt-
leistungsbewertung ihren tatsächlichen Wert erhalte. Das
solle zumindest für diejenigen gelten, denen Altersarmut
drohe. Unternehme man in dieser Frage nichts, drohe die
Pflichtversicherung an Legitimation zu verlieren, wenn ein

Drucksache 17/3477 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

wachsender Teil der Versicherten nur noch Anwartschaften
auf dem Niveau der Grundsicherung im Alter erwerbe.

Zu Buchstabe b

Durch die Kürzungen der Rentenansprüche von Erwerbs-
losen seit Mitte der 90er-Jahre ist Altersarmut nach Darle-
gung der Initiatoren nach längerer Erwerbslosigkeit pro-
grammiert. Besonders im Osten Deutschlands seien künftig
Armutsrenten zu erwarten. Eine bessere Absicherung von
Zeiten der Arbeitslosigkeit sei daher notwendig. Die Folgen
und Kosten der mangelnden Absicherung dürften weder bei
den Betroffenen noch bei Kommunen oder Rentenkassen
abgeladen werden, da Langzeiterwerbslosigkeit und Alters-
armut gesamtgesellschaftliche Probleme seien. Als Gegen-
maßnahmen fordern die Antragsteller eine deutliche Verbes-
serung der rentenrechtlichen Absicherung Langzeiterwerbs-
loser. Die Träger der Grundsicherung nach dem SGB II
müssten für Zeiten des Arbeitslosengeld-II-Bezugs Beiträge
nach der Hälfte des Durchschnittsentgelts übernehmen. Für
Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld II entstünde da-
durch ein Rentenanspruch von 0,5 Entgeltpunkten. Des Wei-
teren wird gefordert, die Rente nach Mindestentgeltpunkten
gemäß § 262 SGB VI zu entfristen und einen Existenz
sichernden, flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn
von 10 Euro je Stunde einzuführen.

Zu Buchstabe c

Die soziale Sicherung von Langzeiterwerbslosen ist nach
Ansicht der Antragsteller durch sozialpolitische Einschnitte
massiv verschlechtert worden. Mit der Abschaffung der
Arbeitslosenhilfe sei der Bezug der Rentenbeiträge zum frü-
heren Entgelt für diese Personengruppe gestrichen worden.
Daraus hätten sich Rentenbeiträge in Höhe von etwa 78 Euro
monatlich ergeben. Die große Koalition der Fraktionen
CDU/CSU und SPD habe diesen Betrag noch einmal nahezu
halbiert. Inzwischen sei Altersarmut für Langzeiterwerbs-
lose programmiert. Deren Rentenanwartschaften müssten
deutlich verbessert werden. Dazu sollten weitere Anstren-
gungen kommen, um langjährig Versicherten einen Renten-
anspruch deutlich oberhalb des Grundsicherungsniveaus zu
sichern.

Zu Buchstabe d

Historisch sei Erwerbsunfähigkeit und -minderung eines der
ersten sozialen Risiken gewesen, die man sozialstaatlich ab-
gesichert habe, wie die Antragsteller ausführen. Nach wie
vor bildeten sie auch heute noch für viele Menschen ein zen-
trales Lebensrisiko. So bezögen rund 19 Prozent der Neu-
rentner eine Erwerbsminderungsrente. Die dafür ursäch-
lichen Arbeitsbelastungen hätten in den vergangenen zwei
Dekaden nicht mehr abgenommen, sondern sich eher ver-
schoben. Die Absicherung des Erwerbsminderungsrisikos
habe sich aber durch einen seit 2000 erschwerten Zugang
und die Absenkung des Rentenniveaus massiv verschlech-
tert, so dass die durchschnittliche Erwerbsminderungsrente
nur noch knapp über dem Grundsicherungsniveau liege. Um
das zu ändern, fordern die Initiatoren, die Abschläge auf Er-
werbsminderungsrenten abzuschaffen und die Zurechnungs-
zeiten bis zum vollendeten 63. Lebensjahr zu verlängern.
Darüber hinaus müsse der Zugang zu Erwerbsminderungs-
zeiten erleichtert werden.

Zu Buchstabe e

Die Rentenbeiträge für Arbeitslosengeld-II-Beziehende sind
aus Sicht der Antragsteller nach wie vor notwendig. Nur so
könne sichergestellt werden, dass alle Arbeitslosengeld-II-
Beziehenden Anspruch auf Erwerbsminderungsrente und
Rehabilitationsleistungen hätten. Auch wer beispielsweise
zwischenzeitlich selbständig gearbeitet habe und Arbeits-
losengeld II beantrage, könne so einen Anspruch auf Er-
werbsminderungsrente neu aufbauen. Außerdem sollten
auch Arbeitslose und andere Grundsicherungsbeziehende
einen nennenswerten Rentenanspruch erhalten. Um dies zu
erreichen, sei ein Mindestbeitrag sinnvoll, bei dem ein Ein-
kommen von 400 Euro unterstellt werde. Bei höheren
Rentenanwartschaften ergäbe sich das Problem, dass eine
große Zahl Erwerbstätiger geringere Rentenanwartschaften
erhielte oder ein relativ hoher Mindestbeitrag erhoben wer-
den müsste. Die Maßnahmen sollten aus Steuermitteln finan-
ziert werden. Hintergrund auch dieser Initiative ist der
Regierungsbeschluss, als Teil des Sparpakets die Beiträge
zur Rentenversicherung für Arbeitslosengeld-II-Beziehende
zu streichen. Dies werde in den nächsten Jahren die Alters-
armut steigern. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
fordert darüber hinaus, auch die Beiträge von Arbeitslosen-
geld-I-Beziehenden auf diesen Mindestbeitrag aufzustocken
und eine Regelung einzuführen, wonach auch für Beziehe-
rinnen und Bezieher von Sozialhilfe ein steuerfinanzierter
Mindestbeitrag in entsprechender Höhe gezahlt werde.

III. Öffentliche Anhörung von Sachverständigen
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung der
Vorlagen auf den Drucksachen 17/1747, 17/1735, 17/256
und 17/1116 in seiner 29. Sitzung am 7. Juli 2010 aufgenom-
men und die Durchführung einer öffentlichen Anhörung
beschlossen. Die Beratungen über den Antrag auf Druck-
sache 17/2436 wurde in der 30. Sitzung am 12. Juli 2010 auf-
genommen und ebenfalls eine öffentliche Anhörung be-
schlossen. Diese fand in der 32. Sitzung am 27. September
2010 statt.

Die Teilnehmer der Anhörung haben schriftliche Stellung-
nahmen abgegeben, die in der Ausschussdrucksache
17(11)263 zusammengefasst sind.

Folgende Verbände, Institutionen und Einzelsachverständige
haben an der Anhörung teilgenommen:

● Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
(BDA)

● Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)

● Statistisches Bundesamt

● Deutsche Rentenversicherung Bund

● Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)

● Sozialverband Deutschland (SoVD)

● Sozialverband VdK Deutschland e. V.

● Volkssolidarität Bundesverband e. V.

● Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband

● Prof. Dr. Johann Eekhoff

● Prof. Dr. Gerhard Bäcker

● Prof. Dr. Richard Hauser

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/3477

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberver-
bände (BDA) lehnt neue rentenrechtliche Regelungen ab.
Altersarmut sei in Deutschland selten und das bestehende
gegliederte Alterssicherungssystem gegenwärtig gut in der
Lage, auskömmliche Altersrenten zu gewährleisten. Außer-
dem habe der Gesetzgeber mit der „Grundsicherung im
Alter“ bereits ein spezielles unteres Auffangnetz für Perso-
nen im Rentenalter geschaffen. Um das Risiko künftiger
Altersarmut weiter zu begrenzen, müsse besonders die Er-
werbsbeteiligung gesteigert werden. Mehr Beschäftigung
insbesondere von Frauen und Älteren, die Verlängerung der
Lebensarbeitszeit und der berufliche Aufstieg durch Bildung
seien die Schlüssel, um bereits in der Erwerbsphase keine
Sicherungslücken im Alter entstehen zu lassen. Wichtig sei
aber, dass künftig alle Erwachsenen staatlich geförderte
Altersvorsorgeverträge („Riester-Rente“) abschließen könn-
ten.

Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB)
kommt zu dem Schluss, dass Altersarmut nicht ausschließ-
lich durch Änderungen im Rentenversicherungsrecht ver-
mieden werden könne. Dazu gehöre auch eine gute Arbeits-
marktentwicklung und verbesserte individuelle Erwerbsbio-
graphien. Grundsätzlich hält das IAB die Vorschläge aus
verteilungspolitischer Sicht der Betroffenen für nachvoll-
ziehbar. Mit ihrer Umsetzung wären aber kontraproduktive
Effekte für den Arbeitsmarkt verbunden. So würde sich eine
Steuerfinanzierung negativ auf den Arbeitsmarkt auswirken.
Anreizwirkungen für Beschäftigte und Arbeitslose könnten
verloren gehen. Stattdessen solle in die Aus- und Weiterbil-
dung investiert werden, damit Menschen auf die erwartete
Flexibilität und die längere Lebensarbeitszeit vorbereitet sei-
en. Ein hoher Mindestlohn sei dagegen kein Allheilmittel, da
dieser für Teilzeitbeschäftigte oder geringfügig Beschäftigte
nicht zur Gewährleistung einer Rentenanwartschaft oberhalb
des Niveaus der Grundsicherung im Alter führen würde.

Das Statistische Bundesamt bestätigt, dass der Antrag der
Fraktion der SPD korrekte Angaben zu den Ergebnissen der
Statistik der Europäischen Union über Einkommen und Le-
bensbedingung (EU-SILC), der Statistik der Empfänger von
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß
SGB XII, des aktuellen Berichts „Soziale Mindestsicherung
in Deutschland“ und dem Anstieg der Gesamtzahl der Emp-
fänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminde-
rung seit 2003 mache. Außer dem Antrag der Fraktion der
SPD beziehe sich lediglich der Antrag der Fraktion DIE
LINKE. auf Daten der amtlichen Statistik.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund begrüßt das Ziel,
Altersarmut zu verhindern. Zu beachten sei aber, dass sich
die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) am Grundsatz
der Lohn- und Beitragsbezogenheit orientiere. Strukturellen
Problemen in der Erwerbsphase müsse mit Lohn- und Ar-
beitsmarktpolitik entgegengewirkt werden. Darüberhinaus
sei bei Maßnahmen im Rahmen der GRV Zielgenauigkeit
beim begünstigten Personenkreis besonders notwendig. Eine
niedrige gesetzliche Rente jedenfalls sei kein guter Indikator
für Altersarmut, da die Betroffenen möglicherweise zusätz-
lich über anderes Einkommen verfügten. Altersarmut sei
aktuell noch kein Problem. Trotzdem seien Maßnahmen zu
ihrer Verhinderung innerhalb der GRV zu implementieren.
Andernfalls könne die Erhebung von Pflichtbeiträgen in
Frage gestellt werden, wenn Versicherte trotz langjähriger

Beitragszahlung im Alter eine gesetzliche Rente erhalten,
die niedriger als die ohne Beitragszahlung erlangte Grund-
sicherung ausfalle.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßt die An-
träge als richtigen Schritt, um Altersarmut zu verringern.
Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit sollten mit mindestens
der Hälfte des Durchschnittsentgelts bewertet werden, da
dies verfassungsrechtlich geschützte Anwartschaften be-
gründe. Da es sich bei Massen- und Langzeitarbeitslosigkeit
um ein gesellschaftliches Phänomen handle, sei eine Finan-
zierung durch steuerfinanzierte Beiträge der Grundsiche-
rungsträger an die gesetzliche Rentenversicherung sachge-
recht. Die Verlängerung der Rente nach Mindesteinkommen
könne die Altersarmut weitgehend zurückdrängen – zusam-
men mit der Einführung eines Mindestlohns und dem Aus-
bau der gesetzliche Rentenversicherung zu einer Erwerbs-
tätigenversicherung. Darüber hinaus fordert der DGB eine
bessere Absicherung bei Erwerbsminderung im System der
gesetzlichen Rentenversicherung. Am effizientesten sei dies
in einer obligatorischen Versicherung für alle Erwerbstätigen
zu erreichen. Gerade Beschäftigte mit hohem Erwerbsmin-
derungsrisiko seien meist nicht in der Lage, eine zusätzliche
Versicherung zu bezahlen.

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) lehnt die geplante
Abschaffung der Rentenversicherungsbeiträge beim ALG-II-
Bezug ab. Eine bessere rentenrechtliche Absicherung der
Langzeitarbeitslosigkeit müsse sich an 50 Prozent des Durch-
schnittsverdienstes orientieren. Allein dadurch könnten ver-
fassungsrechtlich geschützte Rentenanwartschaften erwor-
ben werden. Der SoVD unterstützt eine befristete Verlänge-
rung der Rente nach Mindesteinkommen in der Funktion
eines „Übergangsinstruments“ für zurückliegende Zeiten der
Niedriglohnbeschäftigung. Im Übrigen sei eine bessere ren-
tenrechtliche Absicherung der Niedriglohnbeschäftigung
über die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns zu er-
reichen. Auch die Forderungen nach Abschaffung der Ab-
schläge bei Erwerbsminderungsrenten sowie nach Verlänge-
rung der Zurechnungszeit findet Unterstützung beim SoVD.
Vor der Gewährung von Erwerbsminderungsrenten gelte es,
das Entstehen von Erwerbsminderungen durch verstärkte
Prävention und Rehabilitation zu verhindern. Ein erleichter-
ter Zugang zu Erwerbsminderungsrenten sei aber problema-
tisch. Erwerbsgeminderte Beschäftigte sollten durch beson-
dere Förderung in die Lage versetzt werden, auf dem Ar-
beitsmarkt aktiv werden zu können.

Der Sozialverband VdK Deutschland e. V. begrüßt die
Zielsetzung der Anträge. Zumindest solange eine Verbesse-
rung der Beschäftigungssituation nicht gelinge, müsse Ar-
mutsvermeidung eine Aufgabe der gesetzlichen Rentenver-
sicherung als solidarischer Pflichtversicherung sein. Wer
dort lange pflichtversichert sei, müsse im Alter eine deutlich
über dem Grundsicherungsniveau liegende Rente erhalten.
Ansonsten würde die gesetzliche Rentenversicherung an
Akzeptanz verlieren. Neben der Verbesserung der renten-
rechtlichen Bewertung von Langzeitarbeitslosigkeit und
Niedriglohnbeschäftigung sei es zur Verhinderung von
Altersarmut erforderlich, Dämpfungsfaktoren zu streichen
und die Kindererziehungszeit von drei Jahren je Kind auf
Frauen auszuweiten, die vor 1992 geborene Kinder erzogen
hätten. Außerdem solle die Pflege von Angehörigen wie die
Kindererziehungszeiten bewertet werden. Die Rente mit 67

Drucksache 17/3477 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sei auszusetzen, solange es nicht ausreichend Arbeitsplätze
für 64-Jährige gebe.

Der Volkssolidarität Bundesverband e. V. begrüßt das An-
liegen der Anträge, Altersarmut zu verhindern. Die vorge-
schlagenen Maßnahmen seien aber faktisch nachsorgende
Korrekturen in der gesetzlichen Rentenversicherung. Um
wirksam und dauerhaft Altersarmut zu bekämpfen, müssten
primär in der Erwerbsphase Änderungen erfolgen. Eine
spürbare Verbesserung der rentenrechtlichen Absicherung
Langzeitarbeitsloser sieht der Verband im Vorschlag der Lin-
ken. Aber auch die anderen Vorschläge bedeuteten Schritte
in die richtige Richtung. Eine pauschale Regelung ohne Be-
rücksichtigung individueller Erwerbsbiographien sei ebenso
gerechtfertigt wie eine Finanzierung aus Steuermitteln, da es
sich bei Langzeitarbeitslosigkeit um ein gesamtgesellschaft-
liches Problem handle. Die vorgeschlagene Erleichterung
des Zugangs zu Erwerbsminderungsrenten bedürfe der Prä-
zisierung.

Da mangelnde Absicherung in der Gegenwart zu zurückge-
henden Leistungsansprüchen in der Zukunft führe, tritt der
Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband e.V. dafür ein,
Zeiten der Arbeitslosigkeit künftig stärker anspruchsfördernd
zu berücksichtigen. Insbesondere das Modell der bewerteten
Anrechnungszeiten sei zu begrüßen. Aus Akzeptanzgründen
müsse aber eine durchgehende Besserstellung Erwerbsloser
gegenüber Beschäftigten im Niedriglohnbereich mit Hilfe der
vorgeschlagenen Begrenzungen vermieden werden. Eine
Verlängerung der Rente nach Mindestentgeltpunkten bis zum
1. November 2011 sei verteilungspolitisch sinnvoll, da Gut-
verdienende mit freiwillig reduzierter Arbeitszeit nicht mit
benachteiligten Vollzeitbeschäftigten gleichzustellen seien.
Eine darüber hinausgehende Verlängerung sei zu prüfen. Die
Berichtspflicht nach § 154 Absatz 4 SGB IV sei ernst zu neh-
men, da aus Sicht des Verbandes die Anhebung der Alters-
grenze erst erfolgen könne, wenn Weiterbildung und Gesund-
heitsförderung im Betrieb ausgebaut seien.

Nach Ansicht des Sachverständigen Prof. Dr. Johann
Eekhof ist eine Aufwertung von Rentenanwartschaften nicht
sinnvoll. Es könne aus dem Bezug von ALG II oder einer
Niedriglohnbeschäftigung nicht zwingend auf Bedürftigkeit
im Alter geschlossen werden, da vergangene und zukünftige
Erwerbssituationen sowie sonstige Lebensumstände unbe-
rücksichtigt blieben. Rentenansprüche sollten sich aus-
schließlich nach eingebrachten Leistungen richten. Eine so-
ziale Mindestsicherung sei durch die auf Grundlage einer
Bedürftigkeitsprüfung gewährte Grundsicherung im Alter
gewährleistet. Die vorgeschlagene Erhöhung diskriminiere
diejenigen, die nicht gesetzlich versichert seien, diese aber als
Steuerzahler mitfinanzieren müssten. Die von der Bundesre-
gierung beabsichtigte Anerkennung des ALG-II-Bezuges als
Anrechnungszeit sei angemessen, da so bestehende Ansprü-
che auf Erwerbsminderungsrente erhalten blieben. Alternati-
ve Maßnahmen gegen Altersarmut sieht Prof. Dr. Johann
Eekhof in der Steigerung der Beschäftigung mithilfe des
Abbaus von Beschäftigungshindernissen und einer besseren
Bildungspolitik und in der längeren Lebensarbeitszeit, da so
zusätzliches Einkommen erwirtschaftet und höhere Renten-
ansprüche erworben werden könnten.

Nach Ansicht des Sachverständigen Prof. Dr. Gerhard
Bäcker bedarf es zur Vermeidung künftiger Altersarmut
einer Doppelstrategie von Ordnungsreformen auf dem Ar-

beitsmarkt und Reformen im Rahmen der Rentenversiche-
rung. Niedrige Entgeltpunkte hätten zwar nicht automatisch
zur Folge, dass Altersarmut zunehme. Aber so werde die
Schwelle zwischen Grundsicherungsanspruchsniveau und
Rentenleistungen zunehmend verwischt. Damit werde die
Legitimation der Rentenversicherung als Pflichtversiche-
rung gefährdet. Die Grundsicherung im Alter sei eine fürsor-
getypische Leistung mit Bedürftigkeitsprüfung. Als solche
sei sie immer mit Stigmatisierung verknüpft. Insofern könne
ein Verweis auf Grundsicherung im Alter nicht die beste
Lösung sein. Diese müsse im Rahmen der Rentenversiche-
rung gefunden werden. Trotz positiver Entwicklungen am
Arbeitsmarkt sei es nicht gelungen, Langzeitarbeitslose pro-
portional an der Entwicklung zu beteiligen. Insofern seien
auch Reformen am Arbeitsmarkt, wie die Verhinderung von
Lohndumping und ein flächendeckender unterer Lohn, not-
wendig. Zu beachten sei aber, dass solche vorgelagerten
Reformen auf dem Arbeitsmarkt erst sehr langfristig wirkten
und an der Rentenanwartschaftssituation der bereits jetzt Be-
troffen wenig ändere.

Der Sachverständige Prof. Dr. Richard Hauser unterstützt
die Zielsetzung der Anträge. Eine geeignete Maßnahme zur
Vermeidung von Altersarmut könne aber nur eine nachträg-
liche Aufstockung zum Zeitpunkt des Renteneintritts auf
eine Höhe oberhalb der Grundsicherungsschwelle sein. Der
Sachverständige vertritt ein Modell der Rente nach Mindest-
beitragszeiten. Bei Personen, die 30 oder mehr Jahre pflicht-
versichert waren und keine Rentenanwartschaft in Höhe von
30 Entgeltpunkten erreicht hätten, solle die Rente so berech-
net werden, als ob sie 30 Entgeltpunkte erreicht hätten. Alle
anderen in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehen-
den Begünstigungen würden unverändert bleiben. An der
Erwerbsminderungsrente kritisiert Prof. Dr. Richard Hauser
die Abschläge bei Inanspruchnahme vor dem 63. Lebens-
jahr. Eine Verlängerung der Zurechnungszeit bis zum 63. Le-
bensjahr sei sozialpolitisch gerechtfertigt. Der geforderte
leichtere Zugang zu den Erwerbsminderungsrenten berge
aber die Gefahr des Missbrauchs. Ein Mindestlohn in Höhe
von 10 Euro könne lediglich langfristig zur Vermeidung von
Altersarmut beitragen.

Weitere Einzelheiten können der Ausschussdrucksache
17(11)263 im Internet auf der Seite des Ausschusses für
Arbeit und Soziales unter www.bundestag.de entnommen
werden.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Anträge auf
den Drucksachen 17/1747, 17/1735, 17/256, 17/1116 und
17/2436 in seiner 37. Sitzung am 27. Oktober 2010 abschlie-
ßend beraten.

Zu Buchstabe a

Der Ausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der
SPD bei Stimmenthaltung der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Deutschen Bundestag
die Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/1747 emp-
fohlen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/3477

Zu Buchstabe b

Der Ausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Deutschen Bundestag die
Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/1735 empfohlen.

Zu Buchstabe c

Der Ausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Deutschen Bundestag
die Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/256 empfoh-
len.

Zu Buchstabe d

Der Ausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Deutschen Bundestag
die Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/1116 emp-
fohlen.

Zu Buchstabe e

Der Ausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD, FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Deutschen Bun-
destag die Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/2436
empfohlen.

Die Fraktion der CDU/CSU kritisierte, dass die vorliegen-
den Anträge ohne ausreichende Faktenbasis abgefasst seien.
Die Vorschläge seien falsch und würden daher abgelehnt.
Auch für die Koalition der CDU/CSU und FDP sei die Ver-
meidung von Altersarmut ein wichtiges Anliegen. Um ziel-
genau und mit Weitblick agieren zu können, werde man da-
her bald eine Kommission zur Vermeidung von Altersarmut
einsetzen, die ihre Vorschläge noch in dieser Wahlperiode
vorlegen werde. Die Entwicklung bei den Erwerbsminde-
rungsrenten sehe man ebenfalls mit Sorge. Dieses Thema
werde die Kommission in ihre Arbeit einbeziehen.

Die Fraktion der SPD forderte, dass mehr zur Vermeidung
von Altersarmut getan werden müsse. Dazu wolle sie u. a.
die geltende Regelung zur Rente nach Mindestentgeltpunk-
ten verlängern. Das schütze die Menschen, die jetzt nach
langer Arbeitslosigkeit in Rente gingen. Alle anderen Maß-
nahmen entfalteten erst später Wirkung. Die Bundesregie-
rung solle ihre Pläne fallen lassen, die Rentenbeiträge für
Hartz-IV-Beziehende zu streichen. Diese Beiträge begründe-
ten zwar keine ausreichende Rentenhöhe, sichere aber den
betroffenen Menschen Ansprüche beispielsweise auf Reha-
bilitationsmaßnahmen. Bisher sei die Bundesregierung die
Antworten schuldig geblieben, wie Rehabilitationsbedarf für

Hartz-IV-Beziehende künftig gedeckt werden solle. Die An-
träge der beiden anderen Fraktionen verfolgten zwar die
richtige Zielrichtung, hätten aber Schwächen in den Detail-
regelungen.

Die Fraktion der FDP verwies ebenfalls auf die geplante
Kommission zur Vermeidung von Altersarmut. Das Gre-
mium werde so bald wie möglich mit seiner Arbeit beginnen
und die Gesetzgebung vorbereiten. Dabei werde die Koali-
tion das Äquivalenzprinzip als Kern der Rentenversicherung
stärken. Weder zur Feststellung noch zur Vermeidung von
Altersarmut könne allein die Rentenversicherung herange-
zogen werden. So müsse zur Feststellung von Altersarmut
nicht nur das Einkommen, sondern beispielsweise auch Ver-
mögen berücksichtigt werden. Es müsse ein präventiver und
nicht ein nachsorgend-kompensatorischer Ansatz, wie ihn
die Opposition fordere, gewählt werden.

Die Fraktion DIE LINKE. forderte, künftig höhere Bei-
träge für Langzeiterwerbslose in die Rentenkassen einzuzah-
len. Das sichere den betroffenen Menschen Ansprüche in der
Rentenanwartschaft und auf Rehabilitation. Allerdings kön-
ne das nur ein Baustein gegen Armut im Alter sein. Außer-
dem müsse u. a. die Rentenregelung nach Mindestentgelt-
punkten entfristet werden. Das würde überwiegend Frauen
zu Gute kommen, wie Studien belegten. Besonders wichtig
sei die Einführung eines bundesweiten gesetzlichen Min-
destlohns nicht unter 10 Euro pro Stunde, damit Versicherte
Rentenansprüche über dem Grundsicherungsniveau aufbau-
en könnten. Wegen unterschiedlicher Auffassungen zur
Rente nach Mindestentgeltpunkten und der eigenen weiter-
gehenden Lösung bei den Rentenbeiträgen für ALG-II-
Beziehende werde man sich beim Antrag der Fraktion der
SPD der Stimme enthalten. Der Antrag der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werde abgelehnt, da er u. a. zu
geringe Rentenansprüche begründen würde.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kritisierte, dass
bisher Auftrag und Mitglieder der geplanten Regierungs-
kommission unbekannt seien. Man begrüße, dass die Koali-
tion künftig Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit als Anrech-
nungszeiten in der Rentenversicherung berücksichtigen
wolle. Es bleibe aber als Problem, dass keine neuen An-
sprüche auf Erwerbsminderungsrenten oder Rehabilitation
aufgebaut werden könnten. Durch die Maßnahmen der
Bundesregierung würden die Belastungen auf die Beitrags-
zahler verschoben, statt von allen Steuerzahlern finanziert zu
werden. Das nehme der Rentenkasse Spielräume. Dem Vor-
stoß der Fraktion der SPD könne man nicht zustimmen, da er
insgesamt zu kompliziert abgefasst sei. Bei den Vorschlägen
der Fraktion DIE LINKE. fehlten die Finanzierungsvorschlä-
ge und es werde nicht berücksichtigt, dass Erwerbstätige mit
geringem Einkommen geringere Ansprüche erhielten. Die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schlage Mindestren-
tenbeiträge, die einem Einkommen von 400 Euro entsprä-
chen, und eine Aufstockung von geringen Rentenansprüchen
im Nachhinein vor.

Berlin, den 27. Oktober 2010

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
Berichterstatter

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