BT-Drucksache 17/3474

zu dem Antrag der Abgeordneten Karin Roth (Esslingen), Burkhard Lischka, René Röspel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD -Drucksache 17/2135- Deutschlands Verantwortung für die Gesundheit in Entwicklungsländern - Vernachlässigte Krankheiten bekämpfen, Kinder- und Müttersterblichkeit verringern und Globalen Fonds stärken

Vom 27. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3474
17. Wahlperiode 27. 10. 2010

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Karin Roth (Esslingen), Burkhard Lischka,
René Röspel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
– Drucksache 17/2135 –

Deutschlands Verantwortung für die Gesundheit in Entwicklungsländern –
Vernachlässigte Krankheiten bekämpfen, Kinder- und Müttersterblichkeit
verringern und Globalen Fonds stärken

A. Problem

Armutsbedingte, vernachlässigte Krankheiten sind auch heute noch dafür mit-
verantwortlich, dass die Lebenserwartung in den Entwicklungsländern bis zu
30 Jahre unter der in Industriestaaten liegt. Jahr für Jahr sterben Millionen Men-
schen an Krankheiten, die vermeidbar oder behandelbar wären. So haben bis
heute geschätzte 69 Prozent der HIV-infizierten Menschen in den Entwicklungs-
ländern keinen Zugang zu den erforderlichen Medikamenten. Gerade in den am
wenigsten entwickelten Ländern (Least Developed Countries – LDC) sind Ma-
lariainfektionen und -sterblichkeit unverhältnismäßig hoch. Etwa ein Drittel der
Weltbevölkerung ist mit Tuberkulose infiziert.

Seit sich die Weltgemeinschaft im Jahr 2000 auf die Millenniumsentwicklungs-
ziele (Millennium Development Goals – MDG) einigte, ist eines der acht Ziele
die Bekämpfung von AIDS, Malaria und Tuberkulose sowie andere übertrag-
bare Krankheiten (MDG 6), ein weiteres, in Zusammenarbeit mit den Pharma-
unternehmen unentbehrliche Arzneimittel zu erschwinglichen Preisen in den
Entwicklungsländern verfügbar zu machen (MDG 8E). Ein Weg hierzu ist die
Produktion und der Handel mit Generika. Allerdings behindert die Auslegung
von Patentregeln durch die Industrieländer und durch Pharmafirmen den Zu-
gang der Entwicklungsländer zu lebensnotwendigen Medikamenten. Die euro-
päischen Staaten versuchen zudem über sogenannte TRIPS-Plus-Abkommen

(Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen
Eigentums = TRIPS-Abkommen) Generikaproduzenten zu Gunsten der euro-
päischen Pharmakonzerne zu weitreichenden Konzessionen zu zwingen. Hinzu
kommt, dass sich die medizinische und pharmazeutische Forschung, öffent-
liche wie privatwirtschaftliche, weitgehend auf Produktentwicklungen und
Therapiekonzepte für ökonomisch lukrative Gesundheitsmärkte, die Gesund-
heitsprobleme in den wohlhabenden Ländern konzentriert. Die Krankheiten

Drucksache 17/3474 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

armer Länder und armer Menschen sind für eine solche Gesundheitsforschung
nicht profitabel und werden deshalb vernachlässigt.

Der Globale Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria (GF)
spielt auf dem Weg zur Erreichung der MDG eine entscheidende Rolle. Der GF
hat ein notwendiges Finanzierungstableau von 20 Mrd. US-Dollar für die Auf-
füllungsperiode 2011 bis 2013 vorgelegt, mit dem MDG 6 erreicht werden
könnte. Der deutsche Anteil müsste demnach etwa 420 Mio. Euro pro Jahr be-
tragen.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der SPD bei Stimmenthaltung
der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kosten wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3474

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/2135 abzulehnen.

Berlin, den 27. Oktober 2010

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Dagmar Wöhrl
Vorsitzende

Sabine Weiss (Wesel I)
Berichterstatterin

Karin Roth (Esslingen)
Berichterstatterin

Helga Daub
Berichterstatterin

Niema Movassat
Berichterstatter

Uwe Kekeritz
Berichterstatter

dass Gesundheit ein Menschenrecht sei. Mit dem vorliegen-
den Antrag der SPD-Fraktion werde eine detaillierte
III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag in seiner 21. Sit-
zung am 27. Oktober 2010, der Rechtsausschuss hat den

Roadmap für die Politik der nächsten Jahre geliefert. Sie hält
den gegenwärtigen Mittelansatz des Globalen Fonds zur Be-
kämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria (GF) für die
nächsten Jahre für zu niedrig und verweist auf die Notwen-
Drucksache 17/3474 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Sabine Weiss (Wesel I), Karin Roth (Esslingen), Helga
Daub, Niema Movassat und Uwe Kekeritz

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
17/2135 in seiner 55. Sitzung am 8. Juli 2010 zur Federfüh-
rung an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung und zur Mitberatung an den Auswärtigen
Ausschuss, den Rechtsausschuss, den Ausschuss für Wirt-
schaft und Technologie, den Ausschuss für Familie, Senio-
ren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für Gesundheit, den
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, den
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung und den Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage
Zur Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele (Millen-
nium Development Goals – MDG) MDG 6 – Bekämpfung
von AIDS, Malaria und Tuberkulose sowie andere übertrag-
bare Krankheiten – und MDG 8E – in Zusammenarbeit mit
den Pharmaunternehmen unentbehrliche Arzneimittel zu
erschwinglichen Preisen in den Entwicklungsländern ver-
fügbar zu machen – und damit verbunden eine Senkung der
Kinder- und Müttersterblichkeit zu erreichen schlagen die
Antragsteller im wesentlichen vor, das vereinbarte Ziel der
0,7-Prozent-ODA-Quote einzuhalten, dafür Sorge zu tragen,
dass die Entwicklungsländer mindestens 15 Prozent ihres
Haushaltsbudgets für das Gesundheitswesen einsetzen, ins-
besondere aber dem GF für seine Arbeit und zur Erreichung
der MDG ausreichend und verlässlich Mittel zur Verfügung
zu stellen. Für die Förderperiode 2011 bis 2013 würde dies
mindestens 420 Mio. Euro pro Jahr bedeuten. In diesem Zu-
sammenhang soll die „zwei Drittel/ein Drittel Regelung“ für
multilaterale/bilaterale ODA-Mittel (ODA – Official Deve-
lopment Assistance) aufgegeben werden. Darüber hinaus
sollen neue Ansätze wie Public Private Partnerships und Pro-
duktentwicklungspartnerschaften (Product Development
Partnerships – PDP) mit einem eigenen Haushaltstitel nicht
unter 100 Mio. Euro gefördert werden. Mit Rücksicht auf die
besondere Bedeutung der Medikamentenversorgung soll bei
den Neuverhandlungen für ein TRIPS-Nachfolgeabkommen
dafür Sorge getragen werden, dass das Ziel einer ausreichen-
den Versorgung der Entwicklungsländer mit preiswerten
Medikamenten oberstes Ziel eines solchen Abkommens
wird. Ferner soll die Grundlagenforschung für neue Thera-
pieansätze vorangetrieben sowie Maßnahmen gegen die Ab-
wanderung von Fachkräften aus Entwicklungsländern in
Industrieländer entwickelt und umgesetzt werden. Schließ-
lich soll eine Genderstrategie erarbeitet und im GF imple-
mentiert werden.

seiner 29. Sitzung am 27. Oktober 2010, der Ausschuss für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat den Antrag in
seiner 25. Sitzung am 27. Oktober 2010, der Ausschuss für
Gesundheit hat den Antrag in seiner 20. Sitzung am 6. Okto-
ber 2010, der Ausschuss für Menschenrechte und humanitä-
re Hilfe hat den Antrag in seiner 22. Sitzung am 27. Oktober,
der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung hat den Antrag in seiner 23. Sitzung am
27. Oktober 2010, der Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union hat den Antrag in seiner 23. Sitzung
am 27. Oktober 2010 beraten.

Der Auswärtige Ausschuss empfiehlt mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, FDP und DIE LINKE. gegen die
Stimmen der Fraktion der SPD bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Antrag abzu-
lehnen.

Der Rechtsausschuss, der Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie, der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend, der Ausschuss für Gesundheit, der Ausschuss
für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, der Ausschuss
für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
und der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union empfehlen mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der
SPD bei Stimmenthaltung der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Antrag abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat den Antrag in seiner 19. Sitzung am
27. Oktober 2010 beraten. Er empfiehlt mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP, gegen die Stimmen der
Fraktion der SPD bei Stimmenthaltung der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Antrag ab-
zulehnen.

Die Fraktion der CDU/CSU respektiert die im Antrag vor-
genommene Situationsbeschreibung, weist die 34 Einzelfor-
derungen aber mit Rücksicht auf fehlende Finanzierungsvor-
schläge als unrealistisch und unverantwortlich zurück. Der
Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung sei der einzige Haushalt,
ausgenommen der Etat für Bildung, bei dem keine Kürzun-
gen vorgenommen worden seien.

Die Fraktion der SPD unterstreicht die Bedeutung der Ge-
sundheitspolitik in Entwicklungsländern als Voraussetzung
für eine erfolgreiche Bekämpfung von Armut und betont,
Antrag in seiner 26. Sitzung am 27. Oktober 2010, der Aus-
schuss für Wirtschaft und Technologie hat den Antrag in

digkeit der Bekämpfung der bisher vernachlässigten Krank-
heiten. Entsprechend müssten die von der Bundesregierung

Berlin, den 27. Oktober 20

Sabine Weiss (Wesel I)
Berichterstatterin

Niema Movassat
Berichterstatter
10

Karin Roth (Esslingen)
Berichterstatterin

Helga Daub
Berichterstatterin

Uwe Kekeritz
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/3474

veranschlagten Mittel des deutschen Anteils auf eine Höhe
von etwa 420 Mio. Euro pro Jahr verdoppelt werden. Auch
die Mittel für Produktentwicklungspartnerschaften (Product
Development Partnerships – PDP) müssten erhöht werden.
Besondere Bedeutung komme der Frage der Generika-Ver-
sorgung zu. Hier solle die Bundesregierung im Rahmen der
Handelsabkommen mit Indien darauf achten, dass kosten-
günstige Generika auch in Zukunft noch hergestellt werden
könnten. Im Übrigen sei die Zeit reif für eine Reform der
Weltgesundheitsorganisation (WHO). Um Doppelstrukturen
zu vermeiden, bedürfe es einer verbesserten Zusammen-
arbeit zwischen WHO, dem GF, GAVI (The Global Alliance
for Vaccines and Immunisation) und anderen multilateralen
Initiativen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hält die Inten-
tion des Antrags grundsätzlich für unterstützungswürdig
und plädiert mit Rücksicht auf eine veraltete Datenbasis,
beispielsweise im Bereich der Müttersterblichkeit, und die
Nichteinbeziehung der Ergebnisse der MDG-Konferenz in
New York und der Wiederauffüllungskonferenz des GF
sowie eine fehlende Schwerpunktsetzung bei den Forderun-
gen dafür, diesen Antrag zurückzuziehen und einen gemein-
samen neuen Antrag zu formulieren. Einer Verdopplung der
Mittel für den GF, wie im Antrag gefordert, stimmen die
Grünen nicht zu. Sie verweisen auf ihre Forderung von
300 Mio. Euro jährlich bis 2012. Die im Antrag geforderte
Stärkung der WHO als Koordinations- und Kontrollinstanz
verdiene Unterstützung, da die WHO derzeit die einzige da-
für auch demokratisch legitimierte Organisation sei.

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