BT-Drucksache 17/3345

Atomtransport nach Russland und Atomtransporte der Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt mbH

Vom 21. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3345
17. Wahlperiode 21. 10. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell,
Dorothea Steiner, Oliver Krischer, Dr. Hermann Ott, Bettina Herlitzius,
Ingrid Nestle, Friedrich Ostendorff, Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Atomtransport nach Russland und Atomtransporte der Gesellschaft für
Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt mbH

Die Firma NUCLEAR CARGO + SERVICE GmbH (NCS) plant, 951 bestrahlte
Brennelemente, die aus einem Forschungsreaktor in Rossendorf stammen und
im Zwischenlager Ahaus lagern, nach Russland zu transportieren. Die am rus-
sischen Bestimmungsort, der Atomanlage Majak, herrschenden Bedingungen
stehen seit längerem in der medialen Kritik (vgl. Frankfurter Allgemeine Zei-
tung vom 29. September 2007, OSTSEE-ZEITUNG und Berliner Morgenpost
vom 11. August 2010 und junge Welt vom 8. Oktober 2010). In Majak ereignete
sich am 29. September 1957 eine Explosion, die zu erheblichen radioaktiven
Kontaminationen führte und 20 Jahre lang geheim gehalten wurde.

Offizielle Begründung für den Transport der NCS ist ein im Jahr 2004 zwischen
Russland und den USA geschlossenes Abkommen über eine Rückführung von
in Russland hergestelltem Kernbrennstoff für Forschungsreaktoren in die Rus-
sische Föderation (Russian Research Reactor Fuel Return – RRRFR). „Die
Tageszeitung“ meldete hierzu am 5. Oktober 2010, das sächsische Staatsminis-
terium für Wissenschaft und Kunst als Eigentümerin des atomwaffenfähigen
Materials habe erklärt, der für den Atommüllexport notwendige Staatsvertrag
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Russland sei bis heute nicht
unterschrieben. Die Bundesregierung gibt an, sie begrüße die Rückführung aus
nichtverbreitungspolitischen Aspekten.* Hier stellt sich die Frage, ob eine ge-
ordnete Entsorgung und Endlagerung in Deutschland nicht begrüßenswerter
wäre.

Vor kurzem stand auch ein Atomtransport des GKSS-Forschungszentrums
Geesthacht (GKSS: Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und
Schiffahrt mbH) in der Kritik. Umweltaktivisten hatten am 10. August 2010 in
Geesthacht in Schleswig-Holstein kurzfristig einen geheim gehaltenen Atom-
transport des Forschungszentrums GKSS auf offener Straße gestoppt. Der
Transport, der insgesamt aus zwei Lastern bestand, von denen einer aufgehalten

wurde, beförderte nach Angaben der „Lauenburgischen Landeszeitung“ vom
11. August 2010 45 komplette Brennelemente aus dem mittlerweile abgeschal-
teten Forschungsreaktor FRG-1 der GKSS nach Bremerhaven. Der klar als
Atomtransport gekennzeichnete Konvoi fuhr nach Angaben der „Lauenburgi-

* Vergleiche Brief des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Dr. Norbert
Röttgen an die Abgeordnete Sylvia Kotting-Uhl vom 8. Oktober 2010.

Drucksache 17/3345 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

schen Landeszeitung“ vom 11. August 2010 ohne jedwede Sicherung durch
Polizei- oder andere Sicherheitskräfte.

Wir fragen die Bundesregierung:

Brennelemente-Transport der NCS nach Russland

1. Wann genau (genaues Datum) wurde die Ausfuhr der 951 bestrahlten
Forschungsreaktor-Brennelemente aus dem Zwischenlager Ahaus nach
Russland von der NCS beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkont-
rolle (BAFA) beantragt?

2. Wann genau (genaues Datum) wurde die Ausfuhr vom BAFA genehmigt?

3. Was genau hat das BAFA hinsichtlich des Bestimmungsortes und des Emp-
fängers geprüft?

4. Auf welche schriftlichen Quellen hat sich das BAFA bei der Prüfung aus
Frage 3 gestützt?

Auf welche sonstigen Quellen hat sich das BAFA bei der Prüfung aus
Frage 3 gestützt?

5. Was waren die wesentlichen Ergebnisse der Prüfung aus Frage 3?

6. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über eine radioaktive Kon-
tamination der Umgebung der russischen Atomanlage Majak?

7. Wäre aus Sicht der Bundesregierung eine geordnete Entsorgung und End-
lagerung der 951 Brennelemente in der Bundesrepublik Deutschland aus
nichtverbreitungspolitischen Aspekten ebenfalls zu begrüßen?

8. Worin liegt aus Sicht der Bundesregierung aus nichtverbreitungspoli-
tischen Aspekten der Vorteil des Transports der 951 Brennelemente nach
Russland gegenüber einer geordneten Entsorgung und Endlagerung in der
Bundesrepublik Deutschland?

9. Was genau – welche Verträge, Abkommen etc. zwischen wem – stellt die
Rechtsgrundlage für den Transport dar?

10. Enthalten alle diese Verträge, Abkommen etc. alle notwendigen Unter-
schriften, und wann sind sie rechtsgültig in Kraft getreten?

Auf welche Quelle/Quellen stützt sich die Bundesregierung bei ihrer Ant-
wort hierzu?

11. Inwiefern kann die Bundesregierung den o. g. Bericht der „tageszeitung“
vom 5. Oktober 2010 bestätigen oder dementieren?

GKSS-Transporte

12. Wie viele Atomtransporte der GKSS auf diese Art und Weise (nachts, un-
geschützt) quer durch Norddeutschland haben bisher stattgefunden (bitte
jeweils nach Jahr, Startpunkt, Ziel und Anzahl aufgeschlüsselt)?

13. Wie viele Atomtransporte müssen für den Rückbau des Geesthachter For-
schungsreaktors ab 2013 noch stattfinden?

14. Ist der Bundesregierung der von der „Lauenburgischen Landeszeitung“
vom 11. August 2010 geschilderte Sachverhalt bekannt?

15. Wurde die Polizei nach den Erkenntnissen der Bundesregierung über den
entsprechenden Transport informiert, und falls nein, warum nicht?

Warum erhielt der Transport keinen Begleitschutz, obwohl hochradioaktive

Brennelemente, die ein erhebliches Risiko für die Bevölkerung darstellen
können, transportiert worden sind?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3345

16. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass der Transport eindeutig mit
zahlreichen Gefahrensymbolen als Atomtransport gekennzeichnet war?

17. Wie beurteilt die Bundesregierung diesen Umstand im Hinblick auf die an-
gestrebte Geheimhaltung und die Entscheidung, den Transport ohne Be-
gleitschutz auszustatten?

18. Wie gedenkt die Bundesregierung, die noch folgenden Transporte sicherer
zu gestalten, und in welchem konkreten Zeitrahmen?

Berlin, den 21. Oktober 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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