BT-Drucksache 17/3178

Gesundes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen fördern

Vom 5. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3178
17. Wahlperiode 05. 10. 2010

Antrag
der Abgeordneten Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Dr. Hans-Peter Bartels,
Klaus Barthel, Willi Brase, Ulla Burchardt, Petra Crone, Petra Ernstberger, Michael
Gerdes, Iris Gleicke, Klaus Hagemann, Christel Humme, Oliver Kaczmarek,
Daniela Kolbe (Leipzig), Ute Kumpf, Caren Marks, Franz Müntefering, Aydan
Özog˘uz, Thomas Oppermann, Florian Pronold, Sönke Rix, René Röspel,
Dr. Ernst Dieter Rossmann, Marianne Schieder (Schwandorf), Swen Schulz
(Spandau), Stefan Schwartze, Andrea Wicklein, Dagmar Ziegler, Dr. Frank-Walter
Steinmeier und der Fraktion der SPD

Gesundes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen fördern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. 13. Kinder- und Jugendbericht als Grundlage für eine Weiterentwicklung der
Gesundheitsförderung und Prävention in Deutschland

Der 13. Kinder- und Jugendbericht „Mehr Chancen für gesundes Aufwachsen.
Gesundheitsbezogene Prävention und Gesundheitsförderung in der Kinder- und
Jugendhilfe“ (Bundestagsdrucksache 16/12860) stellt die Gesundheitsförde-
rung und Prävention für Kinder und Jugendliche in den Mittelpunkt. Der Be-
richt leistet dabei einen wertvollen Beitrag zur Analyse der drei Systeme Kin-
der- und Jugendhilfe, Gesundheitswesen und Behindertenhilfe. Er sollte daher
eine wichtige Grundlage für die weitere Entwicklung von Initiativen und Pro-
grammen zur Gesundheitsförderung und Prävention in Deutschland sein.

Nach Artikel 24 der UN-Kinderrechtskonvention haben alle Kinder ein Recht
„auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit sowie auf Inanspruchnahme
von Einrichtungen zur Behandlung von Krankheiten und zur Wiederherstellung
der Gesundheit.“ Hierfür zu sorgen stehen in der Bundesrepublik Deutschland
unterschiedliche Systeme in der Verantwortung. An den Übergängen der
Schnittstellen der drei bereits genannten Systeme gibt es noch Reibungsver-
luste. Diese abzubauen und zu verhindern sowie eine intensivere Vernetzung
dieser Systeme müssen Ziel einer gesundheitsfördernden Kinder- und Jugend-
politik sein.
Die Berichtskommission begreift Gesundheit nicht nur als die Abwesenheit von
Krankheit, sondern als ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales
Wohlbefinden. Damit bezieht sie sich auf die 1986 von der Weltgesundheits-
organisation (WHO) verabschiedete Ottowa-Charta, in der es unter anderem
heißt: „Gesundheit wird von Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen
und gelebt: dort, wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben.“

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In dem 13. Kinder- und Jugendbericht wird die Gesundheit von Kindern und
Jugendlichen entlang ihres Lebenslaufs untersucht; dabei werden Kinder und
Jugendliche in fünf Altersgruppen unterteilt. Für Kinder unter drei Jahren sind
Bindung und Autonomie die zentralen gesundheitsrelevanten Themen, für Kin-
der zwischen 3 und 6 Jahren sind dies Sprechen, Bewegen und Achtsamkeit. Bei
den 12- bis 18-Jährigen stehen Körper spüren, Grenzen suchen und Identität
finden im Mittelpunkt. Bei 18- bis 27-Jährigen geht es darum, sich zu entschei-
den, Intimität zu leben und Verantwortung zu übernehmen. Die Empfehlungen
der Kommission, Strategien zur gesundheitsbezogenen Prävention und Gesund-
heitsförderung auf diese lebenslaufspezifischen Entwicklungsthemen auszu-
richten, sind zu begrüßen.

2. Ressourcen von Kindern und Jugendlichen sowie ihrer Familien stärken

Der Großteil der Kinder in Deutschland ist gesund und wächst unter gesund-
heitsförderlichen sozialen Rahmenbedingungen auf. Aber es sind etwa 20 Pro-
zent der Kinder und Jugendlichen gesundheitlich auffällig. Der Bericht ver-
weist an dieser Stelle auf eine Studie des Robert Koch-Instituts (KIGGS), die
eine Verschiebung des Krankheitsspektrums von „akuten zu überwiegend chro-
nisch-körperlichen Erkrankungen und von somatischen zu psychischen Auf-
fälligkeiten“ feststellt.

Die Berichtskommission ist zu Recht besorgt über die Entwicklung, dass Er-
nährungsprobleme, Übergewicht, chronische Erkrankungen wie etwa Allergien
sowie psychische Probleme bzw. Verhaltensauffälligkeiten wie das Aufmerk-
samkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) oder die sogenannten Störun-
gen des Sozialverhaltens einen immer höheren Anteil bei den schulbezogenen
Problemdiagnosen haben. Hier vollzieht sich eine problematische Entwicklung
an der Schnittstelle von alltäglicher und schulischer Lebenswelt, die einher geht
mit einem erhöhten Stresserleben und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern.
Laut Bericht ist beispielsweise ein kontinuierlicher Anstieg der Verschreibungs-
zahlen von Psychopharmaka bei Kindern und Jugendlichen zu beobachten
(Seite 112 des Berichts).

Für Kinder und Jugendliche, die in belastenden Lebenslagen aufwachsen, ist
das Risiko gesundheitlicher Beeinträchtigungen besonders groß. Der 13. Kin-
der- und Jugendbericht bestätigt Erkenntnisse der KIGGS-Studie, wonach Ge-
sundheitsrisiken in bestimmten Bevölkerungsgruppen besonders häufig zu
finden sind: „Gesundheitliche Entwicklung folgt je nach Alter, sozialer Lage,
Geschlecht, sozioökonomischem und kulturellem Hintergrund sowie verfüg-
baren individuellen und institutionellen, privaten und öffentlichen Ressourcen
unterschiedlichen Entwicklungspfaden. In allen Feldern der Kinder- und Ju-
gendhilfe bedarf es einer stärkeren konzeptionellen Orientierung der Strategien
zur gesundheitsbezogenen Prävention und Gesundheitsförderung an diesen Un-
terschieden. Besondere Bedeutung kommt dabei den – geschlechtsspezifisch zu
differenzierenden – Bedingungen des Aufwachsens in Armutslagen, mit Migra-
tionshintergründen und mit Behinderung zu.“

Für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen kommt der Familie eine be-
sondere Bedeutung zu. Hier gilt es, die Ressourcen der Kinder und Jugendli-
chen sowie ihrer Eltern mit dem Ziel zu fördern, die Widerstandsfähigkeit die-
ser Kinder gegen krankmachende Bedingungen zu stärken. Leistungen der
Primärprävention und unterstützende Angebote für Schwangere und junge
Familien im Rahmen regionaler Netzwerke und sozialraumbezogener Ange-
bote, die in einigen Ländern bereits aufgebaut wurden, können bestehenden Ri-
siken im besonderen Maße entgegenwirken. Förderung und Prävention sind die
besten Mittel, um das soziale, physische und psychische Wohlbefinden von
Kindern zu stärken. Um nachhaltig Gesundheitsförderung und Prävention in

Deutschland zu stärken und zu einer weiteren Säule des Gesundheitswesens

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3178

auszubauen, sind entsprechende Initiativen in den Ländern und der Kranken-
kassen durch ein bundeseinheitliches Präventionsgesetz zu ergänzen.

3. Gesundheitswesen und Kinder- und Jugendhilfe besser vernetzen

Als eine weitere Erkenntnis ist aus dem 13. Kinder- und Jugendbericht abzulei-
ten, dass sich alle mit Kindern und Jugendlichen arbeitenden Stellen vernetzen
müssen. Es ist dabei ein wichtiges Ziel, Kinder- und Jugendhilfe mit den ver-
schiedenen Akteuren des öffentlichen und privaten Gesundheitswesens enger
zu verzahnen, damit gesundheitsbezogene Prävention und Gesundheitsförde-
rung im Kindes-, Jugend- und jungen Erwachsenenalter besser gelingen kann.

Ein besonderes Kooperationswissen ist Voraussetzung für eine reibungslose
Verzahnung. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verschiedener Systeme müs-
sen mehr Kenntnisse voneinander haben, die Möglichkeiten und Grenzen des
jeweiligen Partners kennen und das eigene Vorgehen zur Gesundheitsförderung
und Prävention darauf abstimmen. Denn trotz guten Willens gelingt die Zusam-
menarbeit der Kinder- und Jugendhilfe mit den verschiedenen Institutionen und
Akteuren des Gesundheitswesens vor Ort nicht immer, Schnittstellenprobleme
bestehen regelmäßig.

Alle politischen Ebenen sind gefordert, Lücken bei der Förderung eines gesunden
Aufwachsens, bei der Vernetzung von Strukturen zur Etablierung von Maßnah-
men für frühe Förderung und für frühe Hilfen aufzudecken und zu schließen. Bei
der Überprüfung und Weiterentwicklung bundesgesetzlicher Regelungen müssen
die Schnittstellen zwischen dem Achten Buch Sozialgesetzbuch – Kinder- und
Jugendhilfe – (SGB VIII), dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch – gesetzliche
Krankenversicherung – (SGB V), dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch – Reha-
bilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX) sowie dem Zwölften
Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) besondere Beachtung finden.

4. Inklusion für alle Kinder und Jugendlichen verwirklichen

Alle Maßnahmen sind an einer Inklusionsperspektive auszurichten, damit Aus-
sonderung von Anfang an vermieden wird. Es besteht die Notwendigkeit, In-
klusion vor allem für Kinder, die in Armut aufwachsen, für Heranwachsende
mit Migrationshintergrund und für Mädchen und Jungen mit behinderungsbe-
dingten Handlungseinschränkungen zu verwirklichen. Tageseinrichtungen für
Kinder und Schulen dürfen nicht „aussondern“, sondern müssen die Vielfalt
und die Inklusion von Kindern – unabhängig von Geschlecht, Milieu, sozialer
und ethnischer Herkunft, Behinderung und Religion – fördern.

Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen betont
„das Recht von Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Höchstmaß
an Gesundheit ohne Diskriminierung aufgrund von Behinderung“. Die Ver-
tragsstaaten sind angehalten, „alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um zu
gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu geschlechts-
spezifischen Gesundheitsdiensten, einschließlich gesundheitlicher Rehabili-
tation, haben.“ Das gilt selbstverständlich auch für Kinder und Jugendliche mit
Behinderungen.

Kinder und Jugendliche mit Behinderungen haben Bedürfnisse, wie sie jedes
Kind entwickelt. Kinder mit und ohne Behinderung sind jedoch unterschied-
lichen Leistungssystemen zugeordnet. Auch hier gibt es Schnittstellenprob-
leme: Für Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung und für Kinder
und Jugendliche, die von einer solchen Behinderung bedroht sind, ist die Kin-
der- und Jugendhilfe vorrangig vor der Sozialhilfe leistungsverpflichtet (§ 35a
SGB VIII). Die vorrangige Leistungszuständigkeit für Kinder und Jugendliche
mit wesentlicher körperlicher oder geistiger Behinderung bzw. für Kinder und
Jugendliche, die von einer solchen Behinderung bedroht sind, liegt demgegen-

über bei der Sozialhilfe (§ 10 Absatz 4 SGB VIII). Kinder und Jugendliche mit

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einem erzieherischen oder einem behinderungsspezifischen Bedarf, der aus
einer drohenden seelischen Behinderung resultiert, sind demnach dem Leis-
tungssystem „Kinder- und Jugendhilfe“ zugeordnet, während für Kinder und
Jugendliche mit einer drohenden körperlichen oder geistigen Behinderung das
Leistungssystem „Sozialhilfe“ zuständig ist.

Mit der Zusammenführung aller Kinder und Jugendlichen ohne Unterschei-
dung nach Behinderung und Erziehungsschwierigkeiten im Leistungssystem
Kinder- und Jugendhilfe könnten Schnittstellenprobleme beseitigt und die För-
derung dieser Kinder verbessert werden. Wichtig sind dabei die Ausweitung der
integrativen Förderung behinderter Kinder in Kindertageseinrichtungen und
Schulen sowie die Verbesserung der Zugänge von Eltern mit körperlich oder
geistig behinderten Kindern zu Angeboten der Erziehungs- und Familienbera-
tung. Die verbindliche Verabredung solcher Ziele und die Ausfinanzierung ent-
sprechender personeller, sachlicher und logistischer Mehrbedarfe sollen im
Rahmen eines nationalen Bildungspakts zwischen Bund und Ländern erfolgen.

5. Gesundheitsförderung in der frühkindlichen Bildung und Betreuung sowie
in Schulen stärken

In Angeboten der frühkindlichen Bildung und Betreuung sowie in Schulen wer-
den Weichen für ein gesundes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen ge-
stellt. Diese soziale Infrastruktur ist auch ein wichtiger Baustein zur Bekämp-
fung von Kinder- und Jugendarmut.

Laut dem 13. Kinder- und Jugendbericht hat das Thema Gesundheit in den Ein-
richtungen der Kindertagesbetreuung und in der Kindertagespflege eine große
Bedeutung. Gesundheitliche Prävention und Gesundheitsförderung sind in den
Bildungsplänen der Länder sowie im Curriculum des Deutschen Jugendinsti-
tuts e. V. für die Kindertagespflege verankert. Allerdings gibt es große Unter-
schiede in der Ausgestaltung und Umsetzung dieser Bildungspläne. Künftig
müssen Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflegestellen noch stärker
als Orte der Gesundheitserziehung verstanden werden.

Der Bericht stellt überdies fest, dass die schulbezogene Gesundheitsförderung
eine besondere Bedeutung hat und weiter gestärkt werden muss. Das allge-
meine Wohlbefinden von Kindern kann vor allem in den Schulen als Lebens-
und Lernorte gesteigert werden.

In den Schulgesetzen aller Länder ist festgelegt, dass die Schulen einen Auftrag
zur Gesundheitsbildung, -erziehung und -förderung haben. Einzelne Schul-
fächer wie z. B. Sachkunde und Sport sind dabei hervorzuheben. Die Gesund-
heitsförderung in Schulen ist vor allem dann nachhaltig, wenn Kooperationen
mit Partnern aus den Bereichen Jugend-, Familien- und Sozialpolitik eingegan-
gen werden. In diesem Zusammenhang hat die Jugendsozialarbeit bzw. Schul-
sozialarbeit (§ 13 SGB VIII) eine hervorgehobene und gesundheitsfördernde
Funktion, weil entsprechende Träger der Schulsozialarbeit beispielsweise So-
zialverhalten in Schulen fördern (z. B. in Form von Streitschlichtprogrammen)
und zu einem lernfördernden Schulklima beitragen. Deshalb sollte die Ver-
netzung von Schulen mit der Kinder- und Jugendhilfe – insbesondere mit der
Jugendsozialarbeit – weiter intensiviert werden.

Vor allem bleibt der Ausbau flächendeckender Ganztagsschulen weiterhin ein
wichtiges Ziel, weil gerade hier eine gezielte Förderung der Gesundheit von
Kindern und Jugendlichen und eine Vernetzung mit Kooperationspartnern wie
der Jugendhilfe besonders gut möglich sind. Entsprechende Schritte sollten im
Rahmen eines anzustrebenden nationalen Bildungspakts verabredet und umge-
setzt werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/3178

II. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. zur besseren Vernetzung der Leistungssysteme

– gemeinsam mit den Ländern Schnittstellenproblematiken zwischen den
drei Systemen Kinder- und Jugendhilfe, Gesundheitswesen und Behin-
dertenhilfe zu identifizieren und weitere Schritte für eine verlässliche und
geregelte Kooperation zwischen verschiedenen Akteuren dieser Systeme
bei den Ländern anzustoßen bzw. auf Bundesebene umzusetzen. Dazu
gehört beispielsweise eine Verbesserung der Aus-, Fort- und Weiterbil-
dung von Fachkräften, die im Bereich der gesundheitsbezogenen Förde-
rung von Kindern und Jugendlichen tätig sind, damit Gesundheitsförde-
rung fachlicher Standard wird;

– die in § 81 SGB VIII geregelten Kooperationspflichten der Träger der öf-
fentlichen Jugendhilfe durch korrespondierende Kooperationspflichten
weiterer Partner zu ergänzen. Da die Aufgaben verschiedener Koopera-
tionspartner im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz der Länder zu re-
geln sind, wird die Bundesregierung aufgefordert, bei den Ländern darauf
hinzuwirken, dass die einschlägigen Landesgesetze entsprechend über-
prüft und ergänzt werden;

2. zur Verbesserung der Gesundheitsförderung, Prävention, Inklusion und Teil-
habe

– die in § 16 SGB VIII geregelten Leistungen zur allgemeinen Förderung
der Erziehung in der Familie im Zusammenhang mit den Hilfen zur Er-
ziehung gemäß § 27 ff. SGB VIII zu überprüfen und weiterzuentwickeln;

– die Initiativen zur Entwicklung regionaler Netzwerke für frühe För-
derung und primärpräventive Unterstützungsangebote für Schwangere
und junge Familien in den Ländern zu unterstützen sowie durch ein bun-
deseinheitliches Präventionsgesetz zu ergänzen. Ein entsprechender Ge-
setzentwurf ist zeitnah vorzulegen;

– in die nationale Gesundheitsberichterstattung verstärkt die Bereiche Er-
nährung, Bewegung, Sprach- und Kommunikationskompetenz und die
psychosoziale Entwicklung sowie ihren sozioökonomischen Status ein-
zubeziehen;

– durch den Bund geförderte Initiativen, Projekte und Programme zur Ge-
sundheitsförderung und Prävention bei Kindern und Jugendlichen syste-
matisch zu evaluieren und die ressortübergreifende Forschung in diesem
Bereich zu intensivieren;

– die vorhandenen Rechtsgrundlagen für den Einsatz von Hebammen zu
prüfen und ggf. weiterzuentwickeln sowie gemeinsam mit den Ländern
entsprechende Rahmenbedingungen für den Einsatz von Familienhebam-
men zu schaffen. Damit sollen regelhafte psychosoziale und medizinische
Beratung und Betreuung von Eltern mit Kindern, beginnend bei der
Geburt und während der ersten Lebensmonate durch Familienhebammen
sichergestellt werden, wobei ein besonderes Augenmerk auf Eltern mit be-
sonderen Belastungen zu richten ist. Die Erfahrungen aus den Projekten,
in denen besonders qualifizierte Hebammen als Familienhebammen
schwerpunktmäßig mit besonders belasteten Familien gearbeitet haben,
sind hierbei auszuwerten. Dabei ist darauf zu achten, dass die anzustreben-
den Regelungen die Zusammenarbeit zwischen Familienhebammen und
den Fachkräften der sozialpädagogischen Familienhilfe fördern;

– gemeinsam mit den Ländern verstärkt Maßnahmen für eine gelingende
Inklusion von jungen Menschen unabhängig von Behinderung, sozialer

Lage und ethnischer Herkunft umzusetzen. Dabei ist die Zusammenfüh-

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rung aller Kinder und Jugendlichen ohne Unterscheidung nach Behinde-
rung und Erziehungsschwierigkeiten im Leistungssystem Kinder- und
Jugendhilfe (SGB VIII) anzustreben;

– keine Kürzungen beim Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ vorzuneh-
men und es mit seinen nichtinvestiven, sozialintegrativen Komponenten
innerhalb der Städtebauförderung beizubehalten. Vor dem Hintergrund der
sozialräumlichen Häufung von Gesundheitsproblemen in Problemquartie-
ren muss Gesundheitsförderung als ein Schwerpunkt des Programms wei-
ter ausgebaut werden. Die bestehenden Strukturen in den Quartieren
(Kitas, Schulen, Quartiersmanagment etc.) bieten ideale Anknüpfungs-
punkte für Präventionsarbeit im unmittelbaren Lebensumfeld. Um ein
bewegungsfreundliches und gesundes Wohnumfeld zu schaffen, müssen
soziale Stadtentwicklung und Gesundheitsförderung stärker verknüpft
werden;

– darauf hinzuwirken, das Lebensumfeld von Kindern und Jugendlichen so
zu gestalten, dass sie ihr Bedürfnis nach Bewegung, Spiel und Sport aus-
leben können. Ein Ziel muss dabei sein, allen Kindern und Jugendlichen
den Zugang zu Sportvereinen zu ermöglichen;

3. zur Verbesserung der Infrastruktur für Kinder und Jugendliche

– im Rahmen eines nationalen Bildungspakts zwischen Bund und Ländern
eine Steigerung der Ausgaben für Bildung zu verabreden sowie verbind-
liche Vereinbarungen für den weiteren bedarfsgerechten Ausbau der Bil-
dungs- und Betreuungsinfrastruktur zu treffen. Wichtig sind dabei unter
anderem verbindliche Vereinbarungen

– hinsichtlich einheitlicher Qualitätsstandards unter Einbeziehung der
Aspekte Gesundheitsförderung und Inklusion,

– für eine Fachkräfteoffensive bei Erzieherinnen und Erziehern,

– für den flächendeckenden Ausbau von Ganztagsangeboten der früh-
kindlichen Bildung und Betreuung für ein- bis sechsjährige Kinder,

– für den flächendeckenden Ausbau von Ganztagsschulen,

– für die schrittweise Einführung gebührenfreier Betreuungsangebote,

– für eine bessere Personal- und Sachausstattung von inklusiven Kitas,
Kindergärten und Schulen;

– für die Schaffung eines inklusiven Bildungssystems, eine schrittweise
Abschaffung der Förderschulen sowie die ausreichende Deckung des
förderpädagogischen Bedarfes in den Regelschulen;

– zur Sicherung der Bildungsteilhabe, etwa über einen bedarfsgerechten
Schulsozialfonds für ein kostenloses warmes Mittagessen an Kitas
und Schulen und für Lernmittelfreiheit;

– für einen kostenlosen Förderunterricht überall sowie für eine flächen-
deckende Schulsozialarbeit;

– für die notwendige langfristige Absicherung der zusätzlichen Bil-
dungsmittel von Bund und Ländern;

– für eine gemeinsame Initiative zur Überwindung des verfassungs-
rechtlichen Kooperationsverbotes im Grundgesetz;

– dem Deutschen Bundestag jährlich über die Entwicklung der vereinbar-
ten Maßnahmen des nationalen Bildungspakts zu berichten;

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4. den Nationalen Aktionsplan „Für ein kindergerechtes Deutschland 2005 –
2010“, der das gesunde Aufwachsen von Kindern als ein Schwerpunktthema
beinhaltet, über 2010 hinaus fortzuschreiben;

5. einen Gesetzentwurf vorzulegen, der zum Ziel hat, Kinderrechte im Grund-
gesetz zu verankern und damit der Kinderrechtskonvention der Vereinten
Nationen und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in der
Verfassung Rechnung zu tragen.

Berlin, den 5. Oktober 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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