BT-Drucksache 17/3172

Ein nationales Klimaschutzgesetz - Verbindlichkeit stärken, Verlässlichkeit schaffen, der Vorreiterrolle gerecht werden

Vom 5. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3172
17. Wahlperiode 05. 10. 2010

Antrag
der Abgeordneten Frank Schwabe, Ulrich Kelber, Dirk Becker, Marco Bülow,
Gerd Bollmann, Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Oliver Kaczmarek, Dr. Bärbel
Kofler, Ute Kumpf, Dr. Matthias Miersch, Thomas Oppermann, Ute Vogt,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Ein nationales Klimaschutzgesetz – Verbindlichkeit stärken, Verlässlichkeit
schaffen, der Vorreiterrolle gerecht werden

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die langfristige Dimension der Klimapolitik und die Komplexität klimapoliti-
scher Herausforderungen für eine Lebens- und Wirtschaftsweise ohne schäd-
liche Auswirkungen auf das Klima sind Kernbestandteil der Politik geworden.
Gleichzeitig erfordert die Komplexität des Themas, dass Klimapolitik stärker
als lernendes System begriffen und gestaltet werden muss. Diese Herausforde-
rungen machen einen verbindlichen Rahmen für eine zielorientierte und umfas-
sende Klimapolitik nötig. Hierfür bedarf es eines nationalen Klimaschutzgeset-
zes, in dem die Klimaschutzziele verbindlich festgeschrieben werden und
regelmäßig durch eine unabhängige Klimaschutzkommission überprüft wird,
ob die politischen Maßnahmen ausreichend sind, um diese Ziele zu erreichen.
Dabei ist die Einhaltung des internationalen 2-Grad-Ziels der zentrale Bezugs-
punkt.

Um das 2-Grad-Ziel zu erreichen, müssen die Industrieländer und damit auch
Deutschland ihre Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um bis zu
95 Prozent bis zum Jahr 2050 senken. Gelingt dies nicht, riskieren wir einen
Anstieg der globalen Erwärmung um deutlich mehr als 2 Grad bis zu 6 Grad
Celsius mit weltweit gravierenden negativen Folgen, die heute schon bei gerin-
gerem Temperaturanstieg zu sehen sind.

Bis heute sind die Erklärungen der Bundesregierung zur prozentualen Senkung
von Treibhausgasen rechtlich unverbindlich und lediglich Absichtserklärungen.
Die Erfahrungen mit den ersten Beschlüssen zum Klimaschutz haben gezeigt,
dass einerseits weder die benannten Gesamtziele erreicht wurden, anderseits
die Maßnahmen zur zukünftigen Zielerreichung nicht ausreichen. Um mindes-
tens 25 Prozent wollte die Bundesregierung unter Dr. Helmut Kohl die Emissi-

onen bis zum Jahr 2005 senken – zeitweise lag die Messlatte sogar noch höher.
Eine große Rolle für das Absinken der Treibhausgasemissionen spielte dabei
der Einbruch der ostdeutschen Industrie; jedoch stagnierten in Westdeutschland
die Emissionen. Daher konnte auch die Regierung Gerhard Schröder das Ziel
nicht mehr erreichen. Rot-Grün hat dagegen die Grundlagen gelegt, um das
völkerrechtlich verbindliche Minderungsziel nach dem Kyoto-Protokoll zu er-
reichen.

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Umso wichtiger ist es, dass sich alle beteiligten Akteure auf einen verbind-
lichen Zielekanon und entsprechende Maßnahmen verständigen, um aus bloßen
Absichten auch national einen verbindlichen Politikansatz zu machen. Mehr
Verbindlichkeit und ein langfristiger Ansatz bis zum Jahr 2050 sind nicht nur
für den Klimaschutz essentiell, sondern auch für die Wirtschaft. Denn die Wirt-
schaft braucht klare Rahmenbedingungen, auf die sie sich auch über den Tag
hinaus verlassen kann, um die richtigen Investitionen hin zu einer nahezu CO2-
freien Gesellschaft zu tätigen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Entwurf für ein nationales Klimaschutzgesetz vorzulegen. Bestandteile
dieses Klimaschutzgesetzes sollen sein:

● Die verbindliche Festlegung mittel- und langfristiger Klimaschutzziele

Im Hinblick auf Investitions- und Planungssicherheit müssen im Klimaschutz-
gesetz die langfristigen Ziele beschrieben werden. Diese Ziele orientieren sich
am sogenannten 2-Grad-Ziel. Hierfür werden im Klimaschutzgesetz die Klima-
schutzziele in Höhe einer Verminderung der Treibhausgasemissionen bis zum
Jahr 2020 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 und bis 2050 um
95 Prozent gesetzlich festgelegt. Die langfristige Zielmarke darf nicht zu der
falschen Annahme führen, dass Handeln erst in Zukunft notwendig wird. Schon
heute müssen die Weichen richtig gestellt werden, damit das Ziel erreicht wer-
den kann. Ein großer Teil der nötigen Investitionen für den Weg hin zu einer
dekarbonisierten Volkswirtschaft erfolgt in langlebige Güter, die mit einem
langlebigen Kapitalstock verbunden sind. Neben Stromnetzen und -speichern
sind dies beispielsweise Kraftwerke oder Gebäude. Das Erreichen der Klima-
schutzziele der Jahre 2020 und 2050 ist ohne nennenswerte Wohlfahrtsein-
bußen erreichbar. Die großen technologischen Fortschritte, die mit den Klima-
schutzmaßnahmen einhergehen, stärken die deutsche Exportindustrie und die
Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.

● Die verbindliche Festlegung von Zwischenzielen

Neben mittel- und langfristigen Emissionsminderungszielen werden im Klima-
schutzgesetz auch nachprüfbare Zwischenziele rechtsverbindlich festgelegt.
Dies sind Emissionsminderungen von 60 Prozent bis 2030 und von 80 Prozent
bis 2040.

● Die Beschreibung eines langfristigen Minderungspfades

Die Gesamtsumme der Treibhausgasemissionen wird jedes Jahr linear verrin-
gert. Da bei einigen Maßnahmen ein längerer Zeitraum vergehen kann, bis die
Maßnahmen zur Minderung des Ausstoßes von Treibhausgasen beitragen kön-
nen, ist eine Übertragung von über das Zwischenziel hinaus gehenden Emis-
sionsminderungen ins Folgejahr („banking“) sowie ein Borgen („borrowing“)
aus dem Folgejahr im begrenzten Umfang möglich. Dabei beachtet das nationale
Klimaschutzgesetz die Vorgaben der Effort-Sharing-Entscheidung der Europäi-
schen Union, die den Mitgliedstaaten ein gewisses Maß an Flexibilität ermög-
licht, indem überschüssige Emissionsminderungen auf das Folgejahr angerech-
net werden können und bis zu 5 Prozent der Emissionen aus dem jeweiligen
Folgejahr geborgt werden können. Jedoch bildet die Effort-Sharing-Entschei-
dung in ihrer gegenwärtigen Fassung nur ein europäisches Minderungsziel von
20 Prozent bis 2020 ab. Demensprechend muss ein nationales Klimaschutzgesetz
im Nichtemissionshandelsbereich Vorgaben machen, die dem nationalen 40-Pro-
zent-Ziel entsprechen. In den einleitenden Erwägungen der Effort-Sharing-Ent-
scheidung ist festgelegt, dass die Effort-Sharing-Entscheidung Mindestverpflich-
tungen beschreibt und strengeren nationalen Regelungen ausdrücklich nicht

entgegensteht.

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Aus den Minderungszielen ergibt sich ein Minderungspfad, der zu einer Ge-
samtsumme an Treibhausgasemissionen in Deutschland im Jahr 2050 führt, die
95 Prozent unter dem Basiswert von 1990 liegt. Dadurch sind ein langfristiger
Minderungspfad beschrieben und für jedes Jahr ein maximal zulässiger Treib-
hausgasausstoß vorgeschrieben. Anhand dieser jährlichen Zwischenziele kann
festgestellt werden, ob die deutsche Klimapolitik noch auf dem richtigen Kurs
ist oder ob nachgesteuert werden muss.

● Sektorale jährliche Minderungsziele für die Bereiche, die nicht dem Emis-
sionshandel unterliegen

Alle Sektoren der Wirtschaft sind gefordert, um die Klimaschutzziele zu errei-
chen. Deshalb werden aus dem Gesamtbudget für Treibhausgasemissionen
Ziele und Emissionsbudgets für einzelne Sektoren erstellt. Für die Einhaltung
der Sektorziele sind die jeweils federführenden Bundesministerien zuständig.
Die Verantwortlichkeit betrifft einerseits die Maßnahmenumsetzung sowie an-
dererseits die Verpflichtung zur Vorlage von Vorschlägen zur Anpassung und
Weiterentwicklung der jeweiligen Politiken und Maßnahmen, insbesondere für
den Fall erkennbarer Zielverfehlungen. Das Gesetz regelt das Verfahren für die
jeweiligen Fortschreibungen der Sektorziele und macht die hierfür notwen-
digen wesentlichen Vorgaben. Schlüsselsektoren sind Gebäude, Straßen- und
Luftverkehr, Abfallwirtschaft sowie die Landwirtschaft.

● Die Verpflichtung der Bundesregierung in regelmäßigen Klimaschutzberich-
ten über den Stand des Klimaschutzes, der Fortschritte und Maßnahmen zu
berichten

Die Bundesregierung erhält regelmäßige Berichtspflichten gegenüber dem
Deutschen Bundestag, dem Bundesrat und der deutschen Öffentlichkeit. Die
Bundesregierung berichtet einmal im Jahr dem Deutschen Bundestag und dem
Bundesrat über die Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Deutschland
sowie über die Weiterentwicklung und Konkretisierung der Strategie zur An-
passung an den Klimawandel. Dies geschieht auf der Basis regelmäßiger statis-
tischer Erhebungen. Der Bericht enthält auch Überprüfungen, ob mit den be-
schlossenen Klimaschutzmaßnahmen die Ziele erreicht werden können. Sollte
die Gefahr bestehen, dass bestehende Klimaschutzmaßnahmen nicht ausrei-
chen, muss die Bundesregierung darlegen, welche zusätzlichen Maßnahmen sie
zur Zielerreichung eingeleitet hat bzw. einleiten wird.

Im Falle der Überschreitung der nach Sektoren festzulegenden Reduktion der
Emissionen, die nicht vom EU-Emissionshandel erfasst sind, legt der zustän-
dige Minister im Rahmen der jährlichen Berichtspflicht der Bundesregierung
zur Entwicklung der Treibhausgasemissionen dem Deutschen Bundestag und
dem Bundesrat die Gründe für die Verfehlung dar und einen Bericht mit Maß-
nahmen vor, mit denen die Überschreitung ausgeglichen werden soll.

● Die Verpflichtung der Bundesregierung, regelmäßig bereichsübergreifende
Klimaschutzpläne mit Politiken und Maßnahmen aufzustellen und zu verab-
schieden

Das Klimaschutzgesetz verpflichtet die Bundesregierung, regelmäßig bereichs-
übergreifende Klimaschutzpläne aufzustellen und zu verabschieden, dem Deut-
schen Bundestag vorzulegen und im Dreijahresrhythmus zu bewerten und fort-
zuschreiben. In diesen Klimaschutzplänen muss die Bundesregierung darlegen,
mit welchen Maßnahmen sie die Klimaschutzziele erreichen will. Die Klima-
schutzpläne enthalten die kurz-, mittel- und langfristigen Emissionsminde-
rungsziele sowie die Minderungsziele für die verschiedenen Sektoren, konkrete
Maßnahmen zur Erreichung der Gesamt- und Sektorziele, konkrete Maßnah-
men zur Sicherung der notwendigen Infrastrukturentwicklungen sowie ein fort-

laufendes Monitoring der Klimaschutzmaßnahmen.

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● Die Schaffung eines unabhängigen, nicht weisungsgebundenen Gremiums,
das kontinuierlich die Erreichung der Klimaschutzziele kontrolliert und Vor-
schläge zur Erreichung der Ziele unterbreitet

Durch das Klimaschutzgesetz wird ein unabhängiges, nicht weisungsgebunde-
nes Gremium eingerichtet, das kontinuierlich die Erreichung der Klimaschutz-
ziele kontrolliert und Vorschläge zur Erreichung der Ziele unterbreitet. In der
Kommission erhalten der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Rat für
nachhaltige Entwicklung, der Wissenschaftliche Beirat für globale Umweltver-
änderungen sowie namhafte Wissenschaftler Sitz und Stimme. Diese Klima-
schutzkommission erstellt jährlich einen Bericht, in dem die Klimaschutzpläne
der Bundesregierung überprüft werden und über Fortschritte oder Probleme
beim Erreichen der Klimaziele berichtet wird. Dieser Bericht wird der Bundes-
regierung, dem Bundesrat, dem Deutschen Bundestag und der Umweltminister-
konferenz der Länder übergeben und wird dort zeitnah debattiert. Die Bundes-
regierung nimmt zu diesem Bericht Stellung. Diese Berichte enthalten auch
Handlungs- und Forschungsempfehlungen zur Bewältigung der Klimakrise. Sie
bewerten, wie sich aktuelle und absehbare Trends bei den Treibhausgasemis-
sionen mittel- und langfristig auswirken, und beobachten aktuelle und absehbare
energie-, land-, abfall- und forstwirtschaftliche Entwicklungen mit besonderer
Beachtung der europäischen Einbindung sowie derjenigen Entwicklungen, die
die Erreichung der langfristigen Emissionsminderungsziele signifikant behin-
dern könnten. Erforderlichenfalls nimmt die Klimaschutzkommission zu aktuel-
len Anlässen kurzfristig Stellung. Sie berät den zuständigen Minister und das
Parlament bei der Festlegung oder Verschärfung der Klimaschutzziele und der
hierfür notwendigen Maßnahmen. Sie fördert durch Presse und Öffentlichkeits-
arbeit das Bewusstsein für die Probleme des Klimawandels. Die Klimaschutz-
kommission überprüft, ob Deutschland seine Verpflichtungen einhält, die es in
internationalen Verhandlungen abgegeben hat. Sollte die Bundesregierung
„neue und zusätzliche Gelder“ in internationalen Verhandlungen zugesagt ha-
ben, so müssen diese Gelder haushaltstechnisch neu und zusätzlich sein und dür-
fen nicht mit bestehenden Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit verrechnet
werden. Des Weiteren überprüft die Klimaschutzkommission die deutsche Stra-
tegie zur Anpassung an den Klimawandel und nimmt dazu in ihren Berichten
Stellung.

● Ein europarechtskonformer Minderungspfad

Die Klimaziele und der Minderungspfad müssen europarechtskonform sein.
Nach den Regelungen des Klima- und Energiepakets der EU ist ab 2013 zwi-
schen Klimaschutzmaßnahmen innerhalb und solchen außerhalb des europäi-
schen Emissionshandels zu unterscheiden. Da für den Emissionshandel mit
Beginn seiner dritten Phase ab dem Jahr 2013 eine einheitliche, EU-weite Emis-
sionsobergrenze gilt, können sich die Mitgliedstaaten keine eigenen Minde-
rungsziele im Emissionshandel setzen. Für den Emissionshandelbereich kann
ein deutsches Klimaschutzgesetz somit keine jährlichen Zwischenziele setzen.
Die Bundesregierung muss sich daher auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass früh-
zeitig Caps für die längerfristige Perspektive eingeführt werden, die dafür sor-
gen, dass der EU-Emissionshandel seinen wichtigen Teil beim Erreichen des
95-Prozent-Ziels im Jahr 2050 wahrnehmen kann. Der Emissionshandel umfasst
zurzeit die Energieerzeugung sowie die größeren Anlagen der energieintensiven
Industrie wie Stahlwerke, Raffinerien und Zementwerke. Sollte der Emissions-
handel nicht auf weitere Sektoren ausgeweitet werden, so müssen für die nicht
erfassten Sektoren auf nationaler Ebene entsprechende Minderungspflichten de-
finiert werden. Denn alle Sektoren müssen Beiträge zur deutlichen Minderung
des Ausstoßes von Treibhausgasen erbringen. Die allgemeinen Minderungsver-
pflichtungen für die Bereiche, die nicht dem Emissionshandel unterliegen, regelt

die Effort-Sharing-Entscheidung, welche die zu erbringenden Minderungen auf
die Mitgliedstaaten nach ihrer Leistungsfähigkeit aufteilt. Dieser Bereich um-

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fasst bisher die Sektoren Verkehr, Haushalte, Gewerbe, Dienstleistungen und
Landwirtschaft. Zur Umsetzung dieser europarechtlichen Vorgaben übernimmt
das deutsche Klimaschutzgesetz für den Zeitraum 2013 bis 2020 im Bereich
außerhalb des Emissionshandels die jährlichen Zwischenziele des Effort-Sharing
und passt sie dem deutschen Gesamtminderungsziel von minus 40 Prozent bis
zum Jahr 2020 an.

Die Emissionsminderung geschieht im Inland und wird durch Instrumente wie
Clean Development Mechanism (CDM) oder Joint Implementation (JI) nur er-
gänzt.

● Die Verpflichtung, bei Zielverfehlungen zusätzliche Haushaltsmittel für den
Klimaschutz zur Verfügung zu stellen

Ein Klimaschutzgesetz ist nur dann wirksam, wenn es möglichst effektive
Sanktionen für den Fall enthält, dass die Ziele nicht erreicht werden. Die Effort-
Sharing-Entscheidung sieht neben Berichts- und Aktionspflichten Sanktionen
vor. Sollten die Minderungen der Treibhausgasemissionen eines Mitgliedstaates
die Ziele nicht erreichen, so wird das Budget für das Nachfolgejahr sowie die
Verwendung von JI/CDM eingeschränkt. Mit ihrem Inkrafttreten ist die Ent-
scheidung unmittelbar geltendes Recht in Deutschland geworden, so dass sie
zwingende Mindestvorgaben für einen Sanktionsmechanismus in einem deut-
schen Klimaschutzgesetz für den Zeitraum 2013 bis 2020 in Bezug auf nicht die
Nichtemissionshandelsbereiche enthält. Sollte ein Mitgliedstaat die Sanktionen
nicht einhalten, so steht das Vertragsverletzungsverfahren zur Verfügung. Da
dieses Verfahren sehr viel Zeit in Anspruch nehmen kann, bedarf es eines wei-
teren Instruments, um kurzfristig auf Zielverfehlungen reagieren zu können.
Deshalb enthält das deutsche Klimaschutzgesetz eine finanzielle Selbstver-
pflichtung des Bundes. Diese Selbstverpflichtung bestimmt, dass bei Zielver-
fehlungen eine Verpflichtung besteht, zusätzliche Haushaltsmittel für den
Klimaschutz zur Verfügung zu stellen. Die Selbstverpflichtung orientiert sich
am nationalen 40-Prozent-Minderungsziel bis 2020, nicht an den geringeren
Minderungsverpflichtungen der Effort-Sharing-Entscheidung in ihrer gegen-
wärtigen Form, da diese sich am europäischen 20-Prozent-Ziel orientiert, für
dessen Erreichung Deutschland weit weniger als 40 Prozent Minderung leisten
muss.

● Gleichklang zwischen der Klimaschutzpolitik des Bundes und der Bundes-
länder

Die Länder richten ihre jeweilige Willensbildung an den bundesweiten Zielen
aus. Soweit erforderlich, werden Regelungen auf Länderebene so angepasst,
dass die Maßnahmen zur Emissionsminderung umgesetzt werden können. Die
Bundesregierung identifiziert gegebenenfalls Regelungsbereiche, die entspre-
chend angepasst werden sollen, und legt eine entsprechende Initiative vor.
Soweit die Länder solchen Regelungen mehrheitlich nicht folgen können, legen
sie einen alternativen Regelungsvorschlag vor, so dass jeweils bezeichnete Maß-
nahmen in gleichwertiger Weise umgesetzt bzw. die damit verbundenen Ziele er-
reicht werden. Die Bundesregierung schließt mit den Bundesländern gegebenen-
falls verbindliche Zielvereinbarungen für die Verantwortungs- und Handlungs-
bereiche ab, für die die Kompetenzen ganz oder überwiegend bei den Ländern
liegen. Nur so kann eine kohärente deutsche Klimapolitik erreicht werden.

● Eine regelmäßige Überprüfung der Klimaschutzziele

Die Klimaschutzziele werden regelmäßig daraufhin überprüft, ob sie an neue
wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst werden müssen.

● Europäischer Kontext
Die Einführung eines Klimaschutzgesetzes wird in vielen EU-Mitgliedstaaten
diskutiert; in Großbritannien wurde es schon im Jahr 2008 eingeführt. Neben

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Klimaschutzgesetzen in möglichst allen EU-Mitgliedstaaten ist ein Klima-
schutzgesetz analog zum britischen Climate Change Act auf europäischer
Ebene als Rahmen für das Monitoring und die Weitentwicklung des Klimapa-
kets sowie die mittel- und langfristigen Ziele sinnvoll, denn die Energie- und
Klimapolitik Deutschlands wird heute sehr stark von europäischen Vorgaben
geprägt. Solange es jedoch noch kein EU-Klimaschutzgesetz gibt, ist ein natio-
nales Gesetz notwendig.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung des Weiteren auf,

sich auf EU-Ebene und gegenüber anderen EU-Mitgliedstaaten für ein EU-
Klimaschutzgesetz ähnlich dem britischen Climate Change Act einzusetzen.

Berlin, den 5. Oktober 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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