BT-Drucksache 17/3144

Evaluierung von Sicherheitsgesetzen, Befugnissen, Sicherheitsdateien und Kooperationszentren von Polizei und Nachrichtendiensten

Vom 4. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3144
17. Wahlperiode 04. 10. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Ulla Jelpke, Petra Pau, Raju Sharma, Frank Tempel
und der Fraktion DIE LINKE.

Evaluierung von Sicherheitsgesetzen, Befugnissen, Sicherheitsdateien
und Kooperationszentren von Polizei und Nachrichtendiensten

Seit dem 11. September 2001 wurden in Europa und den Mitgliedstaaten eine
ganze Reihe von Sicherheitsgesetzen und anderen Maßnahmen zum Kampf ge-
gen den Terrorismus beschlossen und umgesetzt. Ihre genaue Zahl ist bis heute
umstritten (siehe unter anderem die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/2366). Um-
stritten waren die meisten Gesetze und Maßnahmen aber auch schon zum Zeit-
punkt ihrer Einführung, und zwar sowohl zwischen den jeweiligen Koalitions-
partnern als auch in der Öffentlichkeit. Evaluierungsklauseln oder die Auf-
nahme von Berichtspflichten waren und sind oft der Versuch, schwierige und
umstrittene Maßnahmen mit dem Versprechen auf Überprüfung ihrer Wirkung
durchsetzen zu können.

Die 79. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat
am 17./18. März 2010 einen Beschluss gefasst, in dem sie die „umfassende wis-
senschaftliche Evaluierung im Sicherheitsbereich“ fordert. Unter indirektem
Bezug auf die Koalitionsvereinbarung spricht sie die Absicht der Bundesregie-
rung an, „nicht nur die in den vergangenen Jahren durch zahlreiche Gesetze neu
geschaffenen Befugnisse und die bestehenden Sicherheitsdateien, sondern auch
die Kooperationszentren, in denen Polizei und Nachrichtendienste zusammen-
arbeiten, zu evaluieren“. Die grundrechtliche Relevanz einer unabhängigen, er-
gebnisoffenen und fundierten Prüfung liege, so die Entschließung, darin, dass
„die Ausweitung der Befugnisse von Polizei und Verfassungsschutz auch in das
Vorfeld der Gefahrenabwehr, zur anlasslosen, oftmals massenhaften Erhebung
personenbezogener Daten unbescholtener Bürgerinnen und Bürger führen
kann.“ (www.bfdi.bund.de).

In der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE
LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/2366 nennt die Bundesregierung zwei so-
genannte Peer-Evaluationen (2004 und 2009) der deutschen Terrorbekämpfungs-
maßnahmen; deren Ergebnisse allerdings „sind nicht öffentlich“ (Antwort der
Bundesregierung zu Frage 3 auf Bundestagsdrucksache 17/2366). Eben dort
werden lediglich drei weitere Evaluierungsaktivitäten genannt: Die Evaluierung
der Financial Action Task Force (FATF) durch die Mitgliedstaaten der EU, das

deutsche Zuwanderungsgesetz (2006 und Ausschussdrucksache 15(4)218) und
der „Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen der nach Artikel 22 Ab-
satz 2 des Terrorismusbekämpfungsgesetzes befristeten Änderungen des Bun-
desverfassungsschutzgesetzes, des MAD-Gesetzes, des BND-Gesetzes, des Ar-
tikel 10-Gesetzes, des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes und des § 7 Absatz 2 des
BKA-Gesetzes“ aus dem Jahr 2004.

Drucksache 17/3144 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

In der genannten Antwort bezeichnet die Bundesregierung selbst lediglich die
beiden europäischen „Peer“-Evaluationen als „externe“ Evaluationen. Anzu-
nehmen ist, dass sie zwar „extern“, aber keineswegs eine Evaluation im Sinne
einer unabhängigen wissenschaftlichen Begutachtung der Maßnahmen ist. Die
Geheimhaltung der Ergebnisse verhindert zudem eine Bewertung durch eine
kritische Öffentlichkeit.

Im Beschluss der 79. Konferenz heißt es zu der Evaluierung des Terrorergän-
zungsbekämpfungsgesetzes sogar, sie sei „eine inhaltlich und methodisch defi-
zitäre Selbsteinschätzung“ gewesen (a. a. O.).

Wohl auch dieser offensichtlichen Defizite wegen wurde im Artikel 5 des
Gemeinsame-Dateien-Gesetzes und der dort geforderten Evaluation bis zum
Dezember 2011 festgelegt, dass ein „wissenschaftlicher Sachverständiger“ hin-
zugezogen werden soll. Für die anstehende Evaluierung der Antiterrordatei soll
dies die Firma Ramboll Management sein. Dabei steht keineswegs die grund-
und bürgerrechtliche Problematik der Antiterrordatei im Mittelpunkt der Begut-
achtung. Die Bundesregierung nennt als Aufgabe lediglich die umfassende
Bewertung und Analyse des Instruments Antiterrordatei im Hinblick auf seine
gesetzlich definierte Zielsetzung (Schreiben des Bundesministerium des Innern
auf Ausschussdrucksache 17(4)89 vom 4. August 2010). Wesentliches Ziel sei
es, schon vorhandene Erkenntnisse der einen Behörde „leichter zugänglich“ zu
machen, wenn ihre Verknüpfung mit denen anderer Sicherheitsbehörden zur
Terrorismusbekämpfung beitragen kann (ebd. S. 3/4).

Die in der Koalitionsvereinbarung angekündigten und teilweise gesetzlich ver-
ankerten Evaluierungen werfen also eine ganze Reihe methodischer und politi-
scher Fragen auf.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche deutschen Gesetze und Verordnungen im Sicherheitsbereich enthal-
ten Evaluierungsklauseln, wer ist jeweils Adressat der Evaluierung, und wer
soll sie durchführen (bitte Berichtspflichten und Evaluierungsklauseln ge-
trennt aufführen)?

2. Welche der seit 2001 im Sicherheitsbereich verabschiedeten deutschen Ge-
setze und Verordnungen und darin enthaltenen Befugnisse wird die Bundes-
regierung in dieser Legislaturperiode evaluieren (bitte jeweils mit vorgese-
henem Datum auflisten)?

3. Welche dieser Evaluierungen sind per Gesetz vorgesehen, und welche führt
die Bundesregierung aus welchen Gründen ohne gesetzliche Verpflichtung
durch?

4. Für welche der vorgesehenen Evaluierungsmaßnahmen wurden schon Aus-
schreibungen durchgeführt, und welche Ziele wurden dabei jeweils für die
Maßnahme festgelegt?

5. Wer, außer der Firma Ramboll Management, hat sich am Ausschreibungs-
verfahren zur Evaluierung der Antiterrordatei beteiligt?

6. Welche Kooperationszentren im Sicherheitsbereich, in denen Polizei und
Nachrichtendienste zusammenarbeiten, werden in dieser Legislaturperiode
bis zu welchem Zeitpunkt evaluiert?

7. Wie waren die EU-Delegationen der ersten (8. bis 12. Dezember 2003 und
8. bis 12. Februar 2004) und zweiten (25. bis 27. November 2009) Peer Eva-
luation der deutschen Terrorbekämpfungsmaßnahmen einschließlich der
entsprechenden Gesetzgebung zusammengesetzt, und wer hat diese Zusam-

mensetzung festgelegt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3144

8. Welche Terrorbekämpfungsmaßnahmen und welche Gesetze waren jeweils
Gegenstand dieser Evaluationen?

9. Die Terrorbekämpfungsmaßnahmen welcher Mitgliedstaaten der Europäi-
schen Union wurden wann einer solchen Peer Evaluation unterzogen, und
in welcher Form war die Bundesrepublik Deutschland daran jeweils betei-
ligt?

10. Wem wurden welche Ergebnisse jeweils zugänglich gemacht?

11. Was war jeweils der Anlass oder die Begründung für die Evaluierungen?

12. Welche Terrorbekämpfungsmaßnahmen und Kooperationszentren werden
auf europäischer Ebene regelmäßig evaluiert, wer führt die Evaluierungen
durch, und wer unterrichtet wen über die jeweiligen Ergebnisse?

Berlin, den 4. Oktober 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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