BT-Drucksache 17/294

Erprobung von sogenannten Gigalinern im Rahmen eines bundesweiten Feldversuchs

Vom 15. Dezember 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 17/294
17. Wahlperiode 15. 12. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Sören Bartol, Martin Burkert, Michael Groß,
Ulrike Gottschalck, Hans-Joachim Hacker, Gustav Herzog, Johannes Kahrs, Ute
Kumpf, Kirsten Lühmann, Thomas Oppermann, Florian Pronold, Dr. Frank-Walter
Steinmeier und der Fraktion der SPD

Erprobung von sogenannten Gigalinern im Rahmen eines bundesweiten
Feldversuchs

Die Richtlinie 96/53/EG sowie die Vorschriften der Straßenverkehrs-Zulas-
sungs-Ordnung (StVZO) schreiben die zulässige Länge, Ladelänge und Breite
von Sattelkraftfahrzeugen und Lastzügen verbindlich vor. Nunmehr hat die
neue Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass in
einem bundesweiten Feldversuch neue Nutzfahrzeugkonzepte ausprobiert wer-
den sollen.

Es besteht die Gefahr, dass neu dimensionierte Lastkraftwagen wie die Giga-
liner erhebliche Nachteile für den Verkehrsfluss und die Verkehrssicherheit auf
unseren Straßen darstellen können. Heute schon stoßen zum Beispiel im öffent-
lichen Personennahverkehr (ÖPNV) eingesetzte Gelenkbusse an die Grenzen
der Abmessungen der Straßenführung bei Kreisverkehren, Kurven und Orts-
durchfahrten. Mit noch größeren Abmessungen der Fahrzeuge drohen bisher
erzielte Sicherheitsgewinne wieder verloren zu gehen.

Außerdem besteht die Gefahr, dass die Diskussion um die Einführung längerer
Fahrzeuge nur ein erster Schritt hin auch zu schwereren Lkw sein soll und da-
mit dem 60-Tonner der Weg geebnet wird.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hält die Bundesregierung den im Koalitionsvertrag festgeschriebenen bun-
desweiten Feldversuch von neuen Fahrzeugkombinationen mit den Vorga-
ben der EU und der StVZO für vereinbar?

Wenn ja, auf welche rechtliche Grundlage in der StVZO und der Richtlinie
96/53/EG bezieht sich die Bundesregierung in ihrer Bewertung?

2. Welcher Erkenntnisgewinn wird von der praktischen bundesweiten Erpro-
bung sogenannter Gigaliner auf dem deutschen Straßennetz erwartet, der
über die gewonnenen Erfahrungen aus abgeschlossenen bzw. laufenden
Erprobungen solcher Fahrzeugtypen in den Bundesländern und im Ausland
sowie bereits vorliegender Studien hinausgeht?

3. Welche wissenschaftlichen Fragestellungen werden mit dem Feldversuch
untersucht?

Wie sieht das Untersuchungsdesign aus?

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4. Wie werden Fragestellungen des Verkehrsablaufs und der Verkehrssicher-
heit durch den Einsatz von Gigalinern im Rahmen des Feldversuchs adres-
siert und bearbeitet?

5. Welche Fahrzeugkombinationen sind für den Feldversuch vorgesehen, und
wieso gerade diese?

6. Wie bewertet – auf der Grundlage bisheriger Untersuchungen – die Bun-
desregierung Vorschläge, die eine Verlängerung der derzeit gängigen Lkw-
Fahrzeuggrößen um 1,30 m auf eine Gesamtlänge von 17,80 m vorsehen?

7. Wie bewertet – auf der Grundlage bisheriger Untersuchungen – die Bun-
desregierung Vorschläge, die eine Verlängerung der derzeit gängigen Lkw-
Fahrzeugkombinationen auf eine Gesamtlänge von 26,5 m inklusive einem
14,92 m langen Auflieger vorsehen?

8. Welche zusätzlichen Sicherheitsausstattungen (z. B. Rückfahrkamera,
Brems- und Spurhalteassistenzsysteme) sind an den teilnehmenden Fahr-
zeugen vorgeschrieben?

9. Wie werden die teilnehmenden Fahrzeuge gekennzeichnet, so dass andere
Verkehrsteilnehmer sich auf die Überlänge einstellen können?

Werden besondere lichttechnische Einrichtungen (z. B. Konturmarkierun-
gen,Warnleuchten, Seitenleuchten) vorgeschrieben?

10. Welche Gewichtsobergrenze soll für die Feldversuche gelten?

11. Müssen die teilnehmenden Fahrzeuge individuell für den Feldversuch ge-
prüft und genehmigt werden?

Können z. B. sog. Dollys oder Sattelanhänger während des Versuchs an
mehreren Zugmaschinen genutzt werden?

12. Wie viele Speditionen und wie viele Fahrzeuge sollen an diesen Feldversu-
chen teilnehmen?

13. Welche Anforderungen werden an die teilnehmenden Fahrer gestellt?

14. Auf welchen Streckennetzen (z. B. Autobahnen, Landstraßen, städtischen
Hauptverkehrsstraßen) sollen die Feldversuche durchgeführt werden?

15. Sind die Feldversuche auf vorher geprüfte und genehmigte Routen be-
schränkt?

16. Wozu werden die gewonnen wissenschaftlichen Erkenntnisse des bundes-
weiten Feldversuchs genutzt?

17. Wie ist ein mutmaßlicher betriebswirtschaftlicher Effizienzgewinn bei der
Einführung neuer überlanger Lastzugkombinationen zu beurteilen, wenn
gleichzeitig das zulässige Gesamtgewicht unverändert bleibt?

18. Wie beurteilt die Bundesregierung vorhandene Bedenken, die in Pilotpro-
jekten mit Gigalinern auf bundesdeutschen Straßen nur einen ersten Schritt
hin zu der Einführung des 60 Tonnen schweren Lkws sehen?

19. Wie aussagekräftig sind Erkenntnisse mit Gigalinern mit einem zulässigen
Gesamtgewicht von 40 Tonnen, falls dieses später doch auf 60 Tonnen he-
raufgesetzt werden soll, und müsste dann möglicherweise ein solcher
Pilotversuch erneut durchgeführt werden?

20. Welche Auswirkungen auf die allgemeine Verkehrssicherheit müssen bei
der Zulassung von Gigalinern zum allgemeinen Straßenverkehr berück-
sichtigt werden?

21. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zu dem Problem vor,
dass neu dimensionierte Lastzugkombinationen zu rollenden Verkehrs-

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hemmnissen werden könnten, da sie möglicherweise zu erheblich längeren
Überholvorgängen führen und nur schwer in Lkw-Kolonnen auf den Bun-
desfernstraßen wieder einscheren können?

22. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zur Kompatibilität von
neuen Nutzfahrzeugkonzepten mit der bestehenden Infrastruktur bei Brü-
cken, Kurven und Kreisverkehren vor?

23. Welche Konsequenzen hätte eine Einführung neuer Nutzfahrzeugkonzepte
für die ohnehin schon begrenzte Kapazität von Lkw-Parkplätzen?

24. Wie bewertet die Bundesregierung Befürchtungen, dass es mit der Einfüh-
rung von neuen Fahrzeugkombinationen zu besonders gravierende Verän-
derungen bezüglich der Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrs-
trägern Straße und Schiene hin zum Straßengüterverkehr kommen wird?

Welche Verlagerungswirkungen von der Schiene zur Straße – unter Einbe-
ziehung auch des alpenquerenden Verkehrs – sind zu erwarten?

25. Welcher Beitrag wird nach Ansicht der Bundesregierung von größeren und
schwereren Nutzfahrzeugkonzeptionen für eine nachhaltige Mobilität, ins-
besondere was Schadstoffausstoß und Verkehrslärm betrifft, ausgehen?

26. Wie groß ist das Investitionsvolumen alleine für das deutsche Transport-
gewerbe, wenn es entsprechend den Berechnungen der Bundesanstalt für
Straßenwesen bereits bis 2015 zu einem Anteil der neuen Lastzugkombina-
tionen von 45 Prozent der gesamten Transportleistung im Fernverkehr
käme?

27. Mit welchem Aufwand können quantitative Angaben über den Aufwand
zum Ersatz bzw. zur Verstärkung von Pfeilern bei Kreuzungsbauwerken
im Bundesfernstraßenbereich infolge einer möglichen Zulassung von
60-t-Lastzugkombinationen mit deutlich höheren Anpralllasten erstellt
werden?

28. Wann wären Rückhaltesysteme für 60-t-Lastzugkombinationen verfügbar
bzw. mit welchen Kosten pro durchschnittlichem Straßenkilometer müsste
dabei gerechnet werden, um die bestehenden Schutzeinrichtungen an Stra-
ßen, die einem Anprall mit längeren und/oder schwereren Fahrzeugen nicht
standhalten können, adäquat zu ersetzen?

29. Wie viele Tunnel wären alleine im Verlauf von Bundesfernstraßen hinsicht-
lich zu erhöhender Anforderungen an die Sicherheitsausstattung innerhalb
der Tunnelbauwerke bei einer möglichen Zulassung längerer und/oder
schwererer Lastzugkombinationen und der damit möglichen höheren
Brandgefahr zu überprüfen, und welche Kosten entstünden dadurch?

30. An wie vielen Bahnübergängen und Verkehrsknotenpunkten müsste die
vorhandene Signalisierung und Schrankensteuerung für die längeren
Räumzeiten des Gleis- bzw. Kreuzungsbereichs bei größeren Fahrzeuglän-
gen angepasst werden?

31. Welche gängigen Containerbehältergrößen sind derzeit im Seefrachtver-
kehr in den deutschen Seehäfen und darüber hinaus in der Automobillogis-
tik vorherrschend, und welche Erfordernisse ergeben sich daraus für neue
Lkw-Nutzfahrzeuggrößen?

In welchen Ausmaß hat in diesem Zusammenhang der 48- bzw. 45-Fuß-
Container eine besondere Bedeutung?

Berlin, den 15. Dezember 2009

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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