BT-Drucksache 17/2908

Trassensicherung für Taktverkehre

Vom 13. September 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2908
17. Wahlperiode 13. 09. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Dr. Harald Terpe,
Cornelia Behm, Bettina Herlitzius, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl,
Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Ingrid Nestle,
Dr. Hermann Ott, Dorothea Steiner, Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Trassensicherung für Taktverkehre

Anders als der Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) hat sich der Schienenper-
sonennahverkehr (SPNV) seit der Bahnreform deutlich positiver entwickelt.
Nicht nur das Angebot, sondern vor allem auch die Nachfrage sind deutlich ge-
wachsen. Die entscheidende Grundlage für die ständig wachsende Zahl von
Fahrgästen im SPNV ist neben modernen Fahrzeugen und häufigerem Fahrten-
angebot das System des integralen Taktfahrplans (ITF), der inzwischen für
nahezu alle Nahverkehrsaufgabenträger die fundamentale Planungsgrundlage
darstellt. Aus Fahrgastsicht werden dabei nicht nur die Abfahrtszeiten (stünd-
lich, halbstündlich usw., je nach Fahrgastaufkommen), sondern auch die An-
schlüsse optimiert. An den Anschlussknoten ist nicht nur das Umsteigen in
andere Züge, sondern auch in Busverkehre und – bei entsprechender Koordinie-
rung mit der DB Fernverkehr AG – in den Fernverkehr mit kurzen Umsteige-
zeiten möglich.

Erfahrungen vor allem aus der Schweiz zeigen, dass der ITF – auch im Fernver-
kehr – einen zentralen Erfolgsfaktor für den Personenverkehr auf der Schiene
darstellt, nicht zuletzt auch im intermodalen Wettbewerb gegenüber den anderen
Verkehrsträgern. Zahlreiche andere Länder sind dabei, ebenfalls ITF-Systeme
einzuführen, u. a. neuerdings sogar auch Frankreich für seinen Hochgeschwin-
digkeitsverkehr.

In Deutschland war es zunächst die Deutsche Bundesbahn, die bereits 1979 ihren
Fernverkehr als ITF-System für den Intercity mit einem Stundentakt optimierte.
Allerdings wird der ITF im Fernverkehr heute oft nicht mehr durchgehalten und
steht häufig relativ unkoordiniert neben den von den Nahverkehrsaufgaben-
trägern entwickelten ITF-Systemen, so dass Anschlüsse häufig nicht oder
nicht mehr funktionieren. 2008 haben daher SPNV-Aufgabenträger, im SPNV
tätige Eisenbahnverkehrsunternehmen und die Fahrgastverbände Verkehrsclub
Deutschland e. V. sowie PRO BAHN e. V. die Initiative „Deutschland-Takt“ ins

Leben gerufen, die sich die Entwicklung eines durchgängigen ITF für Fern- und
Nahverkehr in ganz Deutschland zum Ziel gesetzt hat.

Allerdings ist es mit der Koordination der Rahmenvertragsanträge für die nächste
Rahmenfahrplanperiode, die im Dezember 2010 beginnt, erstmals zu massiven
Konflikten gekommen, weil zwei bis dahin im Fernverkehr nicht tätige Eisen-
bahnverkehrsunternehmen Trassenkapazitäten anmeldeten, die nicht im Rahmen
der sonst üblichen „Fahrlagenplanung“ vorabgestimmt worden waren. Auch

Drucksache 17/2908 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

wenn sich die Konflikte noch in Grenzen gehalten und letztlich die beiden Eisen-
bahnverkehrsunternehmen die Rahmenvertragsangebote überraschend doch nicht
angenommen haben, hat bereits diese noch sehr geringe zusätzliche Nachfrage
die Gefährdung von über viele Jahre hinweg entwickelten ITF-Systemen des
SPNV verdeutlicht. Die Konflikte dürften insbesondere bei Realisierung der ge-
planten europäischen Güterverkehrskorridore massiv zunehmen.

Für den SPNV ist die Situation besonders bedrohlich: Können ihre Trassen nicht
konfliktfrei konstruiert werden (s. § 9 Absatz 3 der Eisenbahninfrastruktur-Be-
nutzungsverordnung – EIBV), unterliegen sie zwangsläufig im Entscheidungs-
verfahren, weil ihre Trassen wegen ihrer kürzeren Länge für den Infrastruktur-
betreiber zu geringeren Trasseneinnahmen als beim konkurrierenden Fern- und
Güterverkehr führen. Jahrelang gewachsene Fahrplansysteme, die eine wichtige
Säule des Erfolgs bei den Fahrgästen darstellen, sind daher massiv gefährdet.

Wir fragen daher die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung die integralen Taktfahrpläne (ITF) des
SPNV, und stimmt sie der These zu, dass diese mit einer Vernetzung vom
Fernverkehr über den Regional- und Nahverkehr bis hin zum Busverkehr im
ländlichen Raum das zentrale Angebotselement für einen erfolgreichen öf-
fentlichen Verkehr darstellt?

Wenn ja, ist es dann eine der Hauptaufgabe der Verkehrspolitik, die Auf-
rechterhaltung und Fortentwicklung des ITF auch von den gesetzlichen Rah-
menbedingungen her, d. h. durch das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG)
und die EIBV, sicherzustellen?

Wenn nein, warum nicht?

2. Inwieweit hält die Bundesregierung den Koordinierungsprozess bei der Erstel-
lung der jährlichen Netzfahrpläne, so wie ihn § 9 Absatz 3 EIBV beschreibt,
für ausreichend transparent, insbesondere auch für die Regulierungsbehörde?

3. Auf welche Art von Schienenverkehr trifft die Definition „ins Netz eingebun-
dener Verkehr“ in § 9 Absatz 4 EIBV zu, und auf welche nicht?

4. Inwieweit plant die Bundesregierung, den Zusatz „ins Netz eingebundener
[…]“ in § 9 Absatz 4 EIBV zu streichen und so für mehr Klarheit bzw. eine
echte Priorisierung des Taktverkehrs zu sorgen?

5. Wie setzt sich aus Sicht der Bundesregierung das Entscheidungsverfahren
fort, wenn Verkehre die erste Priorität von § 9 Absatz 4 EIBV erfüllen: mit der
weiteren Reihenfolge nach § 9 Absatz 4 EIBV (Vorrang für grenzüberschrei-
tende Verkehre, dann für Güterverkehre) oder mit einer sofortigen Fortsetzung
nach § 9 Absatz 5 EIBV, d. h. mittels der Höhe der Trasseneinnahmen?

6. Sind zur Feststellung, ob Verkehre grenzüberschreitend sind, die §§ 2a und 2b
AEG anzuwenden, d. h. müssen insbesondere im Schienenpersonenverkehr
mehr als 50 Prozent aller Fahrgäste eines Zuges diesen zum Zwecke der
Grenzüberschreitung benutzen?

7. Welche Bedeutung hat aus Sicht der Bundesregierung § 9 Absatz 5 Satz 2
EIBV, demzufolge dem SPNV der Vorrang auch vor Fern- und Güterverkeh-
ren eingeräumt werden kann, obwohl dieses „kann“ nirgends, d. h. auch z. B.
nicht in den Schienennetz-Benutzungsbedingungen der DB Netz AG, näher
konkretisiert wird, so dass es diskriminierungsfrei und überprüfbar angewen-
det werden kann?

8. In wie vielen Fällen ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Kann-Vor-
schrift von § 9 Absatz 5 Satz 2 EIBV bisher konkret angewendet worden, und

warum ist dies bei der Konstruktion der Rahmenvertragsangebote für die
nächste Rahmenfahrplanperiode nicht erfolgt?

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9. Plant die Bundesregierung eine Konkretisierung von § 9 Absatz 5 Satz 2
EIBV dahingehend, dass er künftig – allgemein oder unter bestimmten Be-
dingungen – angewendet werden muss?

10. Wie bewertet die Bundesregierung Überlegungen, allen Verkehren Vorrang
einzuräumen, die im Rahmen integraler Taktfahrpläne konstruiert werden,
zumal dabei auch Systemtrassen für den Güterverkehr, insbesondere auch
für den grenzüberschreitenden Güterverkehr in europäischen Güterver-
kehrskorridoren, vorweg eingeplant werden können?

11. Inwieweit und zu welchem Termin plant die Bundesregierung, die Trassen-
vergabe transparenter und eindeutiger zu regeln und dazu – konkret – wel-
che Änderungen in der EIBV vorzunehmen?

Berlin, den 10. September 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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