BT-Drucksache 17/2869

Inhaftierung von abgeschobenen Syrern in Damaskus

Vom 6. September 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2869
17. Wahlperiode 06. 09. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Petra Pau, Frank Tempel
und der Fraktion DIE LINKE.

Inhaftierung von abgeschobenen Syrern in Damaskus

Von Beginn an wurde das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Arabischen Republik Syrien geschlossene so genannte Rückübernahmeabkom-
men wegen möglicher Gefahren für nach Syrien abgeschobene abgelehnte Asyl-
suchende scharf kritisiert. Im Jahr 2009 sorgte vor allem der Fall Khaled Kenjo
für Aufsehen, der unmittelbar nach seiner Ankunft von einem syrischen Sicher-
heitsdienst inhaftiert und wochenlang festgehalten wurde. Er ist inzwischen wie-
der in Deutschland, nachdem ihm die Flucht in die Türkei gelungen war und der
Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) ihn dort als
Flüchtling registrierte. Die Bundesrepublik Deutschland hat ihn dann von dort
wieder aufgenommen.

Dabei ist Khaled Kenjo nicht der Einzige, der nach seiner Abschiebung am Flug-
hafen in Damaskus festgenommen und für einen längeren Zeitraum von einer
der syrischen Sicherheitsbehörden festgehalten wurde. Zuletzt dokumentierte
die Internetseite www.kurdwatch.org einen solchen Fall. H. H. und K. H. sind
bei ihrer Abschiebung am 27. Juli 2010 unmittelbar am Flughafen festgenom-
men worden, während der Rest der sechsköpfigen Familie einreisen konnte. Die
Betreiber der genannten Internetseite mutmaßen, dass die beiden wegen in
Deutschland begangener Straftaten inhaftiert worden seien, wobei unklar sei,
wie die syrischen Sicherheitsbehörden von diesen Straftaten erfahren haben.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele syrische Staatsangehörige und weitere Personen mit einer anderen
oder ohne Staatsangehörigkeit aus Syrien wurden seit 2009 nach Syrien ab-
geschoben, wie viele davon auf Grundlage des deutsch-syrischen Rücküber-
nahmeabkommens (bitte nach Quartalen und die Gesamtzahl auch nach Bun-
desländern aufschlüsseln)?

2. Wie viele der Betroffenen waren zum Zeitpunkt ihrer Abschiebung seit we-
niger als sechs, seit mehr als sechs bzw. mehr als zehn Jahren in Deutschland
aufhältig?

3. Wie viele der auf Basis des Abkommens abgeschobenen, mutmaßlich syri-

schen Staatsangehörigen verfügten über syrische Passpapiere?

4. Wie viele der auf Basis des Abkommens nach Syrien im genannten Zeitraum
abgeschobenen Personen verfügten über keine gültigen syrischen Pass-
papiere und erhielten stattdessen ein „Emergency Travel Certificate“ oder ein
EU-Laissez-Passer oder andere Passersatzpapiere?

Drucksache 17/2869 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
5. Wie viele Personen mit mutmaßlich syrischer Herkunft oder Staatsange-
hörigkeit wurden 2009 und 2010 zur Identitätsfeststellung der syrischen
Botschaft oder sonstigen Vertretern Syriens vorgeführt oder dorthin einbe-
stellt (bitte im Detail ausführen)?

6. Welche Informationen werden den syrischen Behörden über die aus
Deutschland abgeschobenen Personen übermittelt, und gehören dazu auch
Angaben zu Asylverfahren, nachrichtendienstliche oder polizeiliche Er-
kenntnisse oder Angaben zu Strafverfahren und Verurteilungen?

7. Ist insbesondere die Formulierung aus dem Durchführungsprotokoll zum
Rückübernahmeabkommen (BGBl. 2008 II Nr. 21, S. 815 ff.), dem Aufnah-
meland sollten „Informationen über sonstige im Einzelfall bei der Übergabe
erforderliche Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen“ übermittelt werden da-
hingehend zu verstehen, dass solche Angaben zu Strafverfahren und Verur-
teilungen übermittelt werden?

8. Auf welche Art werden solche Informationen übermittelt, und welche Mög-
lichkeit gibt es für die Betroffenen zu den Informationen Stellung zu neh-
men, sie zu korrigieren oder ihre Übermittlung ganz oder teilweise zu ver-
hindern?

9. Wie viele Bundespolizisten waren jeweils bei den einzelnen Abschiebe-
maßnahmen im abgefragten Zeitraum als Begleitpersonal an Bord der Flug-
zeuge?

10. Wird den syrischen Behörden die Begleitung durch Bundespolizisten im
Vorfeld der entsprechenden Abschiebemaßnahmen angekündigt?

Geht die Bundesregierung davon aus, dass die syrischen Sicherheitsbehör-
den in solchen Fällen mit erhöhter Sensibilität auf die Ankunft in Beglei-
tung Abgeschobener reagieren und eine erhöhte Neigung besteht, sie bei
ihrer Ankunft am Flughafen zu verhören?

11. Wie viele Fälle aus den Jahren 2009 und 2010 sind der Bundesregierung be-
kannt, in denen aus Deutschland abgeschobene Personen aus Syrien von
den Sicherheitsbehörden in Syrien befragt bzw. verhört wurden?

In wie vielen Fällen wurden Abgeschobene nach ihrer Ankunft in Syrien
festgehalten, inhaftiert oder verschwanden, und für welche Zeiträume?

12. Welche weiteren Fälle sind der Bundesregierung außer dem des Khaled
Kenyo bekannt, in denen Abgeschobene selbst untergetaucht oder wieder
aus Syrien geflohen sind?

13. Was ist der Bundesregierung über den Verbleib und die Lebensumstände
von H. H. und K. H. bekannt?

14. Verfolgt die Bundesregierung auch in anderen Fällen das Schicksal und den
Verbleib von Abgeschobenen, und wie stellt sie den Schutz und die Wah-
rung ihrer Rechte sicher?

Berlin, den 3. September 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.