BT-Drucksache 17/2867

Teilhabe von Frauen in forschungs- und innovationspolitischen Entscheidungs- und Beratungsgremien

Vom 6. September 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2867
17. Wahlperiode 06. 09. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Cornelia Möhring, Agnes Alpers, Nicole Gohlke,
Dr. Rosemarie Hein und der Fraktion DIE LINKE.

Teilhabe von Frauen in forschungs- und innovationspolitischen Entscheidungs-
und Beratungsgremien

Die Ergebnisse wissenschaftlicher Tätigkeit, neuer Verfahren und Technologien,
bestimmen die Lebenswirklichkeit aller Menschen maßgeblich mit. Die For-
schungs- und Innovationsförderung des Bundes steuert dabei nicht nur die stra-
tegischen Schwerpunkte der öffentlichen Wissenschaftseinrichtungen, sondern
setzt auch Anreize für private Investitionen in Forschung und Entwicklung.

Studien zeigen, dass Frauen gegenüber Forschung und Technologie andere An-
sprüche entwickeln und andere Bedarfe haben als Männer. Zugleich formulieren
Wissenschaftlerinnen häufig andere Forschungsfragen als Männer. Besonders
prägnant zeigt sich dieser Umstand etwa in der Medizin und in der Public-Health-
Forschung, in der unterschiedliche Krankheitsbilder und -verläufe bei Frauen
und Männern differenzierte Forschungsstrategien erfordern. Aber auch in der
Technologieentwicklung, etwa in der Informationstechnologie oder der Mobili-
tätsforschung, werden abweichende Bedarfe und Interessen von Frauen häufig
nicht berücksichtigt.

Die Bundesregierung hat diverse Beratungsgremien eingerichtet, die ihr bei der
Erarbeitung von Förderstrategien Unterstützung und Beratung bieten und Stake-
holder einbinden. Zudem existieren Entscheidungsgremien der Forschungspoli-
tik, in die der Bund als Träger etwa der außeruniversitären Forschungseinrichtung
eingebunden ist sowie Gremien, die in den Forschungsorganisationen im Rahmen
wettbewerbsorientierter Verfahren über Förderschwerpunkte entscheiden. Diese
Gremien besitzen eine nachhaltige Gestaltungsmacht für die öffentliche Förde-
rung neuer Verfahren und Technologien und für die Erarbeitung neuen Wissens.
Frauen sind in ihnen bisher stark unterrepräsentiert und die Geschlechter-
perspektive auf die Gegenstände der Beratung meistens nicht vorhanden.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erarbeitet im Rah-
men des so genannten Foresight-Prozesses Erkenntnisse über Szenarien der
technologischen Entwicklung. Akteure aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft
geben Empfehlungen zur Förderpolitik des BMBF. Auch in diesem Bereich ist
eine Genderperspektive einzubeziehen. Mit der „Hightech-Strategie 2020“ hat
die Bundesregierung den innovationspolitischen Handlungsrahmen für die kom-
menden Jahre vorgestellt. Geschlechtsspezifische Fragestellungen oder die Be-
darfe von Frauen spielen dabei leider keine Rolle.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Welche von der Bundesregierung besetzten Beratungsgremien geben als
Haupt- oder Nebenzweck Empfehlungen für die Forschungs-, Innova-
tions- und Technologiepolitik ab (bitte nach federführendem Bundes-
ministerium aufschlüsseln)?

Drucksache 17/2867 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

b) In welchem Verfahren wurden diese Gremien besetzt (Berufung, Ernen-
nung, Ausschreibung, Bewerbung etc.)?

c) Nach welchen Kriterien wurden diese Gremien besetzt?

d) Wie hoch ist der Anteil der Frauen (bitte jeweils einzeln aufführen)?

e) Greift für die Besetzung dieser Gremien das Bundesgremienbesetzungs-
gesetz?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, in welchem Maß hat das Gesetz bisher erfolgreich gewirkt (bitte
einzeln begründen)?

2. a) Welche übergeordneten Entscheidungsgremien der Zuwendungsgeber
existieren zur Steuerung der außeruniversitären Forschungsorganisatio-
nen und der Deutschen Forschungsgemeinschaft e. V. (DFG)?

b) In welchem Verfahren und nach welchen Kriterien wurden diese Gremien
besetzt?

c) Wie hoch ist der Anteil der Frauen in diesen Gremien (bitte jeweils einzeln
aufführen)?

d) Greift bei der Besetzung dieser Gremien das Bundesgremienbesetzungs-
gesetz?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, in welchem Maß hat das Gesetz bisher erfolgreich gewirkt?

3. a) Wie hoch ist der Anteil der Frauen in den Senaten der außeruniversitären
Forschungsorganisationen und der DFG (bitte einzeln aufführen und ex-
terne Wahlmitglieder getrennt darstellen)?

b) Nach welchen Kriterien und in welchem Verfahren wurden die externen
Wahlmitglieder der Senate der außeruniversitären Forschungsorganisatio-
nen besetzt?

c) Greift für die Senate das Bundesgremienbesetzungsgesetz?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, in welchem Maß hat das Gesetz bisher erfolgreich gewirkt?

d) Wie hoch ist der Anteil der Frauen in den Senatskommissionen und -aus-
schüssen der Forschungsorganisationen und der DFG (bitte einzeln auf-
führen)?

4. Wie hoch ist der Anteil der Frauen unter den wissenschaftlichen Mitgliedern
der außeruniversitären Forschungsorganisationen, die auch die Leitung der
Institute stellen (bitte einzeln aufführen)?

5. a) Wie hoch ist der Anteil der Frauen in den Versammlungen der Wissen-
schaftlich-Technischen Räte (WTR) der außeruniversitären Forschungs-
organisationen?

b) Wie hoch ist der Anteil der Frauen in den Kuratorien der Institute der
außeruniversitären Forschungsorganisationen?

6. Wie hoch ist der Anteil der Frauen in den Präsidien der außeruniversitären
Forschungsorganisationen (bitte einzeln aufführen)?

7. a) Wie hoch ist der Anteil der Frauen an den Mitgliedern der Nationalen
Akademie Leopoldina, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaf-
ten acatech sowie der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissen-

schaften?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2867

b) Nach welchen Kriterien und in welchem Verfahren werden die Mitglie-
der der genannten Akademien benannt?

c) Wie hoch ist der Anteil der Frauen in den Präsidien der genannten Aka-
demien?

8. Inwiefern sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, den Anteil von
Frauen in beratenden und entscheidenden Gremien der Forschungs- und
Technologiepolitik zu erhöhen?

9. Strebt die Bundesregierung eine Steigerung der Beteiligung von Frauen in
den genannten Beratungs- und Entscheidungsgremien an?

Wenn ja, welche Anteile für Frauen strebt die Bundesregierung mit welchen
Maßnahmen an?

10. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die Gremien, in
denen sie selbst das Recht zur Ernennung oder Berufung wahrnimmt, zu
einem der Parität entsprechenden Anteil mit Frauen zu besetzen?

11. Wie erklärt die Bundesregierung, dass trotz des seit 1994 geltenden Bundes-
gremienbesetzungsgesetzes bis heute keine Parität in der Besetzung der Be-
ratungs- und Entscheidungsgremien erreicht wurde?

12. Wann wird die Bundesregierung den Fünften Gremienbericht vorlegen?

13. Existiert ein interministerieller Prozess in der Bundesregierung zur Integra-
tion geschlechtsspezifischer Fragestellungen in der FuE-Projektförderung
(FuE – Forschung und Entwicklung)?

Wenn ja, welche Bundesministerien sind in welcher Form daran beteiligt?

14. Werden Fragen der Geschlechterperspektive regelmäßig in die Ausschrei-
bungen für die Forschungsförderung der Bundesministerien integriert?

Wenn nein, welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um
eine solche Integration zu erreichen?

15. Gibt es eine Evaluation der Anwendung der Arbeitshilfe zu § 2 der Gemein-
samen Geschäftsordnung der Bundesministerien „Gender Mainstreaming in
Forschungsvorhaben“?

Wenn nein, warum nicht, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

16. In welchen Forschungsfeldern neben der Medizin- und Gesundheitsfor-
schung sieht die Bundesregierung besonderen Bedarf für die Forschung?

17. Inwieweit bezieht die Bundesregierung die Genderperspektive in die Strate-
gien und Instrumente der Innovationsförderung, etwa der KMU-Förderung
(KMU – kleine und mittlere Unternehmen), der Clusterförderung oder der
Förderung zur Elektromobilität, ein?

18. Warum wurden geschlechterspezifische Bedarfe und Sichtweisen auf For-
schung und Innovation bei der Erarbeitung der „Hightech-Strategie 2020“
außen vor gelassen, obwohl diese wichtige Impulse für Innovationen und
marktfähige Produkte setzen können?

19. Inwieweit setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass im Rahmen des zu-
künftigen 8. EU-Forschungsrahmenprogramms eine stärkere Berücksichti-
gung der Geschlechterdimension integriert wird und Gender Action Plans
wieder zur Grundanforderung bei der Begutachtung von Projektanträgen
werden?

Berlin, den 6. September 2010
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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