BT-Drucksache 17/2848

Unterstützung der Bundeswehr für grundrechtsrelevante Maßnahmen der schleswig-holsteinischen Polizei

Vom 2. September 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2848
17. Wahlperiode 02. 09. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Petra Pau und der Fraktion DIE LINKE.

Unterstützung der Bundeswehr für grundrechtsrelevante Maßnahmen
der schleswig-holsteinischen Polizei

Das Bundesministerium der Verteidigung hat am 9. April 2010 einen Vorratsbe-
schluss dahingehend getroffen, dem Sondereinsatzkommando (SEK) der schles-
wig-holsteinischen Polizei „bei zeitkritischen Einsatzlagen“ Hubschrauber zur
Verfügung zu stellen (vgl. Bundestagsdrucksache 17/2281). Die Polizeikräfte
sollen dabei zu Einsätzen auf vorgelagerte Inseln befördert werden. Die Maß-
nahme dient der Unterstützung von Tätigkeiten der Polizei, die in Grundrechte
eingreifen und geht auf ein Amtshilfeersuchen des schleswig-holsteinischen In-
nenministeriums zurück. Auf eine Schriftliche Frage der Abgeordneten Ulla
Jelpke (DIE LINKE.) teilte die Bundesregierung am 3. August 2010 einige wei-
tere Details mit (Bundestagsdrucksache 17/2715 zu Nummer 69).

So sei „ungeachtet der grundsätzlichen Billigung“ für jeden Einzelfall ein Amts-
hilfeersuchen erforderlich. Von hoher rechtlicher Bedeutung ist insbesondere die
Aussage, es erfolge „keine Einbindung in die Ausübung polizeilicher Eingriffs-
befugnisse (Vorbereitung und Durchführung)“. Dazu wäre die Bundeswehr auch
nicht befugt.

Es muss jedoch bezweifelt werden, dass diese Aussage sachlich zutrifft. Zwar
kann grundsätzlich auch die Polizei Amtshilfe von Seiten der Bundeswehr erhal-
ten. Dabei ist jedoch strikt darauf zu achten, dass die Unterstützungsleistungen
der Bundeswehr nicht die Kriterien eines Einsatzes im Sinne von Artikel 87a
Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) erreichen. Über die Bestimmungen dieses Ar-
tikels hinaus darf die Bundeswehr also keine Grundrechtseingriffe ausüben. Sie
darf aber auch nicht an polizeilicherseits durchgeführten Grundrechtseingriffen
teilhaben.

Hierzu heißt es in der Rechtsliteratur, es müsse von einer „mittelbar obrigkeit-
lichen Verwendung“ der Streitkräfte ausgegangen werden, wenn deren Tätigkeit
„ein unmittelbar obrigkeitliches Vorgehen Dritter unmittelbar oder mittelbar“ er-
mögliche (Jan-Peter Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, Berlin 2004,
S. 206). Demzufolge wäre zu unterscheiden, ob die Bundeswehr der Polizei
„grundrechtsneutrale“ Unterstützung etwa in Form von Verpflegung oder Unter-
künften gewährt, oder ob von der gewährten Unterstützung die Durchführung
der polizeilichen Maßnahmen entscheidend abhängt. Ist letzteres der Fall, so be-

findet sich die Bundeswehr im Einsatz. Im Falle der hier vorliegenden Unterstüt-
zungsanfrage hat die Polizei selbst darauf hingewiesen, dass sie unzureichende
eigene Kapazitäten zur Auftragserfüllung habe. Die Bundesregierung hat bei
ihrer Antwort auf die Schriftliche Frage nur auf die Aspekte „Vorbereitung und
Durchführung“ abgestellt, aber die hier angesprochene Frage eines „mittelbaren“
Einsatzes nicht berücksichtigt.

Drucksache 17/2848 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie lautet der volle Wortlaut des Amtshilfeersuchens?

2. Wird die Erfüllung eines konkreten Amtshilfeersuchens davon abhängig ge-
macht, dass von der angeforderten Unterstützung der Bundeswehr nicht die
Durchführung der SEK-Maßnahmen entscheidend abhängt und die Unterstüt-
zung daher als mittelbar obrigkeitliche Verwendung der Streitkräfte und mit-
hin als „Einsatz“ im Sinne von Artikel 87a Absatz 2 GG zu bewerten ist?

Wenn nein, warum nicht?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung das Problem mittelbar obrigkeitlicher Ein-
sätze generell, und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Unterstüt-
zungsleistungen der Bundeswehr für Polizeikräfte?

4. Vorausgesetzt, aus Sicht der Bundesregierung wäre es zulässig, mit Bundes-
wehrhubschraubern Polizisten zu transportieren, die auf dem Weg sind, ver-
dächtige Personen festzunehmen, wäre es dann auch aus Sicht der Bundes-
regierung zulässig, Festgenommene mit Bundeswehrhubschraubern zu trans-
portieren?

Wenn ja, wie vereinbart die Bundesregierung dies mit den Einsatzbestimmun-
gen des Grundgesetzes, wenn nein, worin genau sieht die Bundesregierung
den entscheidenden Unterschied zwischen den beschriebenen Alternativen?

5. Welche Stelle innerhalb des Bundesministeriums der Verteidigung ist im Ein-
zelfall konkret entscheidungsbefugt?

a) Ist im Einzelfall denkbar, dass über einen Amtshilfeantrag auf einer Ebene
unterhalb des Verteidigungsministeriums entschieden wird, und wenn ja,
auf welcher Ebene und unter welchen Bedingungen?

b) Ist im Einzelfall eine umfassende rechtliche Prüfung vorgesehen oder nur
noch eine Prüfung unter technisch-organisatorischen Aspekten?

6. Was war aus Sicht bzw. nach Kenntnis der Bundesregierung der konkrete
Anlass für die Einreichung des Amtshilfeersuchens?

a) Wie sind die Einsatzkräfte der schleswig-holsteinischen Polizei bislang auf
die vorgelagerten Inseln gelangt?

b) Aus welchem Grund kommt das schleswig-holsteinische Innenministe-
rium zur Annahme, die bisherigen Kapazitäten reichten künftig nicht mehr
aus, und inwiefern gab es konkrete einschlägige Vorkommnisse?

7. Welche Kapazitäten hat die Bundespolizei, Unterstützung für die schleswig-
holsteinische Polizei zum Lufttransport bereitzustellen?

a) Wie viele Hubschrauber stehen der Bundespolizei hierfür zur Verfügung?

b) Welche Modalitäten sind für die Bereitstellung von Hubschraubern für
Landespolizeien generell sowie im Besonderen für die schleswig-holstei-
nische Polizei vorgesehen?

c) Wie oft ist die Bundespolizei in der Vergangenheit von der schleswig-
holsteinischen Polizei um Bereitstellung von Lufttransportkapazitäten ge-
beten worden?

d) Wie oft musste ein solches Ersuchen abgelehnt werden, und welche Folgen
hatte das für den Einsatz(erfolg) der Polizei?

e) Wie oft war das SEK von einer solchen Ablehnung betroffen?

Berlin, den 30. August 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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