BT-Drucksache 17/2708

Freigabe von Stasi-Akten zur BND-Vergangenheit

Vom 4. August 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2708
17. Wahlperiode 04. 08. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Sevim Dag˘delen, Ulla Jelpke, Petra Pau, Frank
Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Freigabe von Stasi-Akten zur BND-Vergangenheit

Wie aus aktuellen Presseveröffentlichungen (z. B. Berliner Zeitung vom 12. Juli
2010) hervorgeht, wurden im April 2010 von Seiten der Birthler-Behörde (Bun-
desbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen
Deutschen Demokratischen Republik – BStU) Akten freigegeben, die die Ver-
wicklung früherer BND-Agenten (BND – Bundesnachrichtendienst) in das NS-
Regime dokumentieren. Vor dem Hintergrund der seit Jahren angekündigten
historischen Aufarbeitung der BND-Geschichte ist es äußerst verwunderlich,
dass die jetzt veröffentlichten Akten auf Betreiben des Bundesministeriums des
Innern bis in die jüngste Zeit hinein gesperrt waren. Dies lässt den verbal ver-
kündeten Willen zur historischen Aufklärung der BND-Geschichte zumindest
zweifelhaft erscheinen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie begründet die Bundesregierung die Sperrung der fraglichen MfS-Akten
(MfS – Ministerium für Staatssicherheit) zur Vergangenheit einzelner ehe-
maliger BND-Agenten, und wer hat die Sperrung wann verfügt?

2. Trifft es zu, dass die Sperrung der fraglichen Akten seitens der Bundesregie-
rung auch mit Verweis auf § 37 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (StUG) er-
folgte, und welche dort formulierte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit
bzw. welche Nachteile für das Wohl des Bundes bzw. der Länder hätten sich
nach Ansicht der Bundesregierung aus einer früheren Veröffentlichung erge-
ben?

3. Wie sind die Abläufe im Allgemeinen genau, wenn die Stasi-Unterlagen-Be-
hörde (BStU) auf Akten stößt, die möglicherweise unter § 37 StUG fallen?

Also zum Beispiel:
– Wer informiert wen?
– Wer sperrt die entsprechenden Akten?
– Welche Informationen erhält der Antragsteller über die Gründe der Sper-

rung, und welche Rechtsmittel stehen ihm zur Verfügung, um eine Heraus-
gabe gegebenenfalls zu erzwingen?
– Kann die Bundesregierung eine Sperrung verfügen, und wenn ja, auf
welcher Rechtsgrundlage?

– Wer innerhalb der BStU hat dann Zugang zu solchen eingestuften Akten?
– Wer ist berechtigt, solche Sperrungen aufzuheben?

4. Wie waren diese Abläufe in dem konkreten Fall, wer war von Seiten der
Bundesregierung an dem Sperrungs-/Entsperrungsverfahren beteiligt?

Drucksache 17/2708 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
5. Wird das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) zur Kontrolle der
Geheimdienste über solche Vorfälle informiert, und wann ist das in diesem
Fall geschehen?

6. Wie erklärt sich die Bundesregierung die detaillierten Informationen aus
den hier zur Diskussion stehenden Akten in den Printmedien (beispiels-
weise Berliner Zeitung vom 12. Juli 2010)?

7. Was hat die Bundesregierung unternommen, nachdem ab 2001 die CIA-
Akten (CIA – Central Intelligence Agency) über die Organisation Gehlen,
der BND-Aufbauorganisation freigegeben und ihr Inhalt bekannt wurde?

8. Haben Bundesregierung und BND eigene Rechercheaufträge an die BStU
erteilt, nachdem sie öffentlich bekannt gegeben haben die BND-Vergangen-
heit aufarbeiten zu wollen?

9. Was hat zum aktuellen Meinungswandel der Bundesregierung bezüglich
der Veröffentlichung der Akten geführt?

10. Wie umfangreich ist der jetzt in diesem Zusammenhang von der Birthler-
Behörde veröffentlichte Aktenbestand, und wie vielen ehemaligen BND-
Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern bzw. Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
anderer staatlicher Sicherheitsdienste wird in diesen Akten eine Verbindung
zum NS-Regime unterstellt?

11. Welchen bzw. wie vielen dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werden
in den Akten zeitweise oder kontinuierliche Verbindungen zu welchem
Zeitpunkt zu welchen Sicherheits- und Geheimdiensten der (ehemals)
Westalliierten nachgewiesen?

12. Wie bewertet die Bundesregierung den Wahrheitsgehalt der jetzt veröffent-
lichten Akten, und hat sie eine eigene Prüfung der dort behaupteten NS-
Vergangenheit von früheren BND-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern vor-
genommen, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

13. Seit wann hat die Bundesregierung Kenntnis von dem jetzt veröffentlichten
Aktenbestand zum BND, und welche Schlussfolgerungen hat sie, außer der
ursprünglichen zur Nichtveröffentlichung, aus dieser Kenntnis gezogen?

14. Wie begründet die Bundesregierung die Sperrung von zwei Aktenbänden
aus dem Gesamtbestand von 27 Aktenbänden des betreffenden MfS-
Forschungsvorgangs, und was genau macht die Besonderheit dieser beiden
Aktenbände gegenüber dem Restbestand aus?

15. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass für eine umfassende und
kritische Aufarbeitung der Geschichte des Kalten Krieges die Offenlegung
aller Akten aller am Kalten Krieg beteiligten Staaten erforderlich wäre, und
wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung?

16. Wie ist der aktuelle Stand der immer wieder angekündigten wissenschaft-
lichen Aufarbeitung der BND-Geschichte, und bis wann rechnet die Bun-
desregierung mit einem Ergebnis?

Berlin, den 3. August 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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