BT-Drucksache 17/2585

Städtebauliche Bedeutung von Bahnhöfen

Vom 9. Juli 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2585
17. Wahlperiode 09. 07. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Bettina Herlitzius, Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann,
Stephan Kühn, Ingrid Nestle, Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Städtebauliche Bedeutung von Bahnhöfen

Bahnhöfe sind nicht nur Verkehrsknotenpunkte. Sie sind darüber hinaus für
viele das Tor zur Stadt und haben damit auch stadtentwicklungspolitisch eine
besondere Rolle in vielen Innenstädten. Bahnhofsgebäude, die als solche ge-
nutzt werden, sind eine elementare Dienstleistung am Kunden der Bahn, des
öffentlichen Nahverkehrs und des öffentlichen Raumes. Bei zahlreichen Bahn-
höfen häufen sich jedoch Beschwerden über ungepflegte Bahnsteige und nicht
beseitigte Schäden an Empfangsgebäuden. Damit werden die vielfachen Be-
mühungen der Länder, Aufgabenträger, Kreise und Gemeinden, durch freund-
lichere Stationen mehr Fahrgäste in die Bahn zu bekommen, ad absurdum ge-
führt.

Bei der Nutzung der Liegenschaften unterteilt die Deutsche Bahn AG (DB AG)
die Bahnhöfe in Empfangsgebäude und Bahnsteige. Bei Bahnhöfen mit niedri-
ger Fahrgastfrequenz werden die Empfangsgebäude nicht mehr als betriebsnot-
wendig angesehen und an private Investoren verkauft. Langfristig möchte die
DB AG nur noch 600 der ca. 3 000 Bahnhofsgebäude in Deutschland selbst
betreiben. Zahlreiche Bahnhofsgebäude wurden bereits an ein Konsortium aus
Patron Capital Limited, London und Procom Invest GmbH & Co. KG Hamburg
verkauft. Die Folgen sind gravierend. In vielen Klein- und Mittelstädten wurden
Empfangsgebäude zweckentfremdet und weder für den Reiseverkehr noch für
die betroffenen Städte aufgewertet. Zu einem attraktiven Bahnverkehr und
Stadtbild gehört jedoch ein gepflegter Bahnhof mit Wartemöglichkeiten, Be-
ratung und Service.

Für den Betrieb und die Modernisierung der Bahnsteige erhebt die DB Sta-
tion & Service AG Stationsentgelte. Die Ausgestaltung dieses Preissystems hat
die Bundesnetzagentur mangels Transparenz für ungültig erklärt. Auch die Ver-
wendung der Entgelte wirft Fragen auf. In den letzten Jahren ist in vielen großen
Bahnhöfen eine Modernisierung zu beobachten. Zahlreiche kleine Bahnhöfe be-
finden sich jedoch in einem schlechten Zustand. Trotzdem führt die DB
Station & Service AG Gewinne an den Gesamtkonzern ab. Ausbleibende Inves-
titionen in Bahnhöfen haben negative Auswirkungen auf die Qualität des gesam-
ten Bahnhofsumfelds und werfen so auch Probleme für die Stadtentwicklung auf.

Drucksache 17/2585 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

Sanierung und Instandhaltung von Bahnhöfen

1. Wie viele der 300 Mio. Euro aus den sogenannten Konjunkturpaketen I
und II zur Sanierung der Personenbahnhöfe sind bisher ausgezahlt worden
(nach Bundesländern aufgeschlüsselt)?

2. Wie viele Einzelmaßnahmen, die im Sonderprogramm Personenbahnhöfe
der DB Station & Service AG am 24. April 2009 vom damaligen Infrastruk-
turvorstand der DB AG, Stefan Garber, vorgestellt wurden, wurden in den
sechs Arbeitspaketen bisher realisiert?

3. Kann die Bundesregierung garantieren, dass die Mittel im vollen Umfang
für den ihnen zugedachten Zweck der Bahnhofssanierung bis zum Auslau-
fen der Konjunkturprogramme ausgegeben werden?

4. Welche regulären Mittel aus dem Bundeshaushalt (ohne Konjunkturpakete)
sollen in den Jahren 2010 bis 2014 für die Sanierung von Personenbahnhöfen
bereitgestellt werden?

5. Welche Eigenmittel will die DB AG in den Jahren 2010 bis 2014 in die
Sanierung von Bahnhöfen investieren?

6. Wie hoch ist das Instandhaltungsbudget für die Bahnstationen in den einzel-
nen Bundesländern (bitte nach Jahren und Bundesländern aufgeschlüsselt
seit 2004 angeben)?

Verkauf von Bahnhofsgebäuden

7. Nach welchen Kriterien werden bzw. wurden die Entscheidungen über den
Verbleib der Bahnhofsgebäude im Besitz der DB AG getroffen?

8. Wie viele Bahnhofsempfangsgebäude wurden in den letzten zehn Jahren
verkauft (bitte nach Jahren und Bundesländern aufschlüsseln)?

9. Wie viele der verkauften Gebäude befinden sich an Bahnstationen mit akti-
vem Schienenpersonennahverkehr (bitte nach Jahren und Bundesländern
aufschlüsseln)?

10. In welcher Weise wurden die Kommunen bei der Verkaufsofferte eingebun-
den?

11. Wie viele Bahnhofsempfangsgebäude wurden an private Investoren ver-
kauft (bitte nach Jahren und Bundesländern aufschlüsseln)?

12. Mit welchen Auflagen wurden Bahnhofsgebäude an private Investoren
hinsichtlich öffentlicher Zugänglichkeit, Vorhaltung von Warteräumen und
Toiletten, Barrierefreiheit und Sanierung verkauft?

13. Welche der an private Investoren verkauften Bahnhofsgebäude werden den
Fahrgästen weiterhin zur Nutzung als Warteraum oder (Reise-)Service-
einrichtung zur Verfügung stehen (bitte Standorte nach Bundesländern sor-
tiert auflisten)?

14. Wie viele Euro wurde bisher von Patron Capital und Procom Invest inves-
tiert, die sich beim Erwerb einer zweiten Tranche von Empfangsgebäuden
verpflichtet hatten, 15 Mio. Euro innerhalb von fünf Jahren zu investieren?

15. Wie viele Bahnhofsempfangsgebäude wurden an Gemeinden verkauft (bitte
nach Jahr und Bundesländern aufschlüsseln)?

16. Mit welchen Auflagen wurden Bahnhofsgebäude an Gemeinden hinsicht-
lich öffentlicher Zugänglichkeit, Vorhaltung von Warteräumen und Toilet-
ten, Barrierefreiheit und Sanierung verkauft?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2585

17. Wie viel Geld wurde in den letzten zehn Jahren durch Bahnhofsverkäufe
eingenommen (bitte nach Jahren und Bundesländern aufschlüsseln)?

18. In welchem Umfang sind die Einnahmen aus den Verkäufen in die jeweilige
Station geflossen (bitte nach Stationen aufschlüsseln)?

19. Wie bewertet die Bundesregierung den Verkauf von Bahnhofsgebäuden, als
Teil von bahnnotwenigen Liegenschaften im Sinne des § 20 des Bundes-
eisenbahnneugliederungsgesetzes und vor dem Hintergrund der staatlichen
Infrastrukturverantwortung nach Artikel 87e Absatz 4 des Grundgesetzes,
an private Investoren?

20. Wie bewertet die Bundesregierung den Verkauf von Bahnhofsgebäuden als
Teil eines Planfeststellungsverfahrens an private Investoren?

21. Wie viele Bahnhöfe sollen in den nächsten drei Jahren verkauft werden?

Wie hoch sind die aus den Verkäufen erwarteten Einnahmen?

Stationsentgelte

22. Wie hoch waren die Einnahmen aus den Stationsentgelten in den Jahren
2005 bis 2009, und welche Einnahmen werden für die Jahre 2010 bis 2014
von der DB Station & Service AG in die Mittelfristplanung eingestellt?

23. Wie bewertet die Bundesregierung die Einschätzung der Bundesnetzagen-
tur, nach der die Entgelte der DB Station & Service AG mit den eisenbahn-
rechtlichen Vorschriften nicht vereinbar und damit ungültig sind?

24. Wie ist, nach Kenntnis der Bundesregierung, der Stand der Erarbeitung
eines diskriminierungsfreien Entgeltsystems, das ab dem 1. Mai 2010 gel-
ten sollte?

25. In welchem Umfang werden die Einnahmen aus den Stationsentgelten zum
Unterhalt der Bahnstationen insgesamt genutzt (bitte nach Bundesländern
aufgeschlüsselt darstellen)?

26. In welchem Umfang werden die Einnahmen aus den Stationsentgelten zum
Unterhalt der Empfangsgebäude genutzt (bitte nach Bundesländern aufge-
schlüsselt)?

27. Wie hoch waren die Gewinne der DB Station & Service AG, die an die
DB AG abgeführt wurden, in den Jahren 2005 bis 2009, und mit welchen
Gewinnen kalkuliert die DB AG aus diesem Geschäftsfeld in den Jahren
2010 bis 2014?

28. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Gewinne der
DB Station & Service AG im Unternehmen zur weiteren Sanierung von
Bahnhöfen verbleiben und nicht an die DB Holding abgeführt werden
sollten?

29. In welchem Umfang werden nach Kenntnis der Bundesregierung die Ein-
nahmen aus den Stationsentgelten einzelner Stationen auch zum Unterhalt
dieser Station genutzt?

30. Gibt es in der Bundesregierung Pläne, die Investitionen in einzelne Stationen
an das Aufkommen von Stationsentgelten einzelner Stationen zu koppeln?

Falls ja, wie sehen diese aus?

31. Wie werden Qualität und Service der Bahnstationen überprüft, dokumen-
tiert und bewertet?

Falls ja, wo sind diese Berichte einzusehen?

Drucksache 17/2585 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Ausstattung von Bahnhöfen

32. Wie wird die Bundesregierung bei der Festlegung von Basisleistungen von
Bahnhofskategorien gemäß den Allgemeinen Bedingungen für die Nutzung
der Infrastruktur von Personenbahnhöfen der DB Station & Service AG
(ABP) beteiligt?

33. Wie bewertet die Bundesregierung, dass 85 Prozent der deutschen Bahn-
stationen nach den ABP keinen Anspruch auf Wetterschutz haben?

34. Wie bewertet die Bundesregierung, dass elementare Ausstattungsgegen-
stände, wie Sitzgelegenheiten, Bahnhofsuhren oder Lautsprecher, bei klei-
neren Stationen nicht mehr vorhanden sind und nicht vorhanden sein müs-
sen?

35. Wie viele Bahnstationen sind mit Stand 1. Juli 2010 noch nicht barrierefrei,
und wie viele Projekte zur Herstellung von Barrierefreiheit sollen bis Ende
2011 noch fertiggestellt werden (bitte nach Bundesländern und Stations-
kategorien aufschlüsseln)?

36. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf, die Zuständigkeit bzw. Ar-
beitsteilung zwischen DB Station & Service AG und Kommunen bezüglich
Erhalt und Pflege von Bahnstationen und ihrem Umfeld neu zu regeln?

37. Wie bewertet die Bundesregierung, dass Barrierefreiheit in den Basisleis-
tungen keiner Bahnhofskategorie nach den ABP enthalten ist?

38. Nach welchen Kriterien werden die Instandhaltungsbudgets für Bahn-
stationen bemessen und überprüft?

39. Wie viele Bahnstationen verfügen weder über einen Schalter noch über
einen DB-Fahrkartenautomaten, an denen Fahrplanauskünfte getätigt wer-
den können (bitte nach Stationskategorien aufschlüsseln)?

40. Wie hoch ist der Anteil der DB-Fahrkartenautomaten, an denen Fahr-
planauskünfte auch für Anschlussfahrten mit Verkehrsunternehmen, die
nicht zur DB AG gehören, angezeigt werden?

41. Sieht die Bundesregierung einen besonderen Bedarf, Briefkästen an Bahn-
höfen aufzustellen, der über die allgemeinen Vorgaben in der Post-Univer-
saldienstleistungsverordnung hinausgeht?

Berlin, den 9. Juli 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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