BT-Drucksache 17/2547

Nuklearer Katastrophenfall - Ökonomische Folgen

Vom 9. Juli 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2547
17. Wahlperiode 09. 07. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn,
Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Dr. Hermann Ott,
Brigitte Pothmer, Dorothea Steiner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Nuklearer Katastrophenfall – Ökonomische Folgen

Ein nuklearer Katastrophenfall (nukleares Ereignis) hätte, wie die Bundesregie-
rung in ihrer Antwort vom 19. April 2006 (Bundestagsdrucksache 16/1249) auf
die Kleine Anfrage „Gefahren der Atomenergie“ zum Ausdruck brachte, z. B. in-
folge eines Terrorangriffs „katastrophale Auswirkungen“.

Die Prognos AG kam 1992 auf Schäden in Höhe von 10,7 Bio. DM, was infla-
tionsbereinigt heute 7,4 Mrd. Euro entspräche. Neuere Untersuchungen über das
zu erwartende Ausbreitungsverhalten der Boden- und Luftkontaminationen
lassen eher noch höhere Schäden erwarten.

Der zu erwartenden Schadenssumme steht eine deutlich niedrigere Deckungs-
vorsorge der Kernanlagenbetreiber gegenüber, die gerade einmal auf 2,5 Mrd.
Euro begrenzt ist. Hiervon sind etwa 256 Mio. Euro durch die Deutsche Kern-
reaktor-Versicherungsgemeinschaft (DKVG) versichert. Die restliche Summe in
Höhe von etwa 2 244 Mio. Euro ist im Rahmen eines Solidarvertrages der Ober-
gesellschaften der Kernkraftwerksbetreiber durch testierte, innerhalb eines Jahres
liquidierbare finanzielle Sicherheiten abgedeckt, die dem zweifachen Betrag der
Garantiezusagen, also rund 4 489 Mio. Euro entsprechen. Über diese Beträge
hinaus haften die Kernanlagenbetreiber (d. h. z. B. die Kernkraftwerk Krümmel
GmbH & Co. oHG im Fall von Krümmel oder die RWE AG im Fall von Biblis)
mit ihrem Vermögen prinzipiell unbegrenzt. Ob die im Falle eines nuklearen Er-
eignisses betroffenen Unternehmen oder ihre Muttergesellschaften in den Fällen,
in denen diese aufgrund von Patronatserklärungen o. Ä. mithaften, tatsächlich
über die 2,5 Mrd. Euro Deckungsvorsorge hinaus zum Schadenersatz beitragen
können, ist fraglich, da der Unternehmenswert nach dem nuklearen Ereignis ver-
mutlich drastisch unter dem Wert liegen dürfte, den das Unternehmen noch am
Tag vor dem nuklearen Ereignis gehabt hatte. Davon wären aber nicht nur un-
mittelbar die Aktionäre betroffen, sondern mittelbar auch die Fremdkapitalgeber.

Zudem müssten die Rückstellung für Rückbau und Entsorgung erhöht werden,
da deren Kosten bei einem nuklearen Ereignis deutlich steigen dürften. Auch hier
würde sich die Frage stellen, ob das Unternehmen die Rückstellungserhöhung

überhaupt leisten kann, wenn die für die Rückstellungsbildung notwendigen Ein-
nahmen aufgrund des nuklearen Ereignisses und entsprechender Nichtproduk-
tion der Anlage wegfallen.

Da die von den Unternehmen aufbringbare Haftungssumme im Falle eines
nuklearen Ereignisses vermutlich lediglich weniger als 0,1 Prozent der Scha-
denssumme ausmachen dürfte, stellt sich die Frage, wer für die übrigen Kosten
faktisch wird aufkommen müssen.

Drucksache 17/2547 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir befinden uns somit in einer Situation, in der einige wenige Unternehmen
Milliarden Gewinne einfahren, solange kein nukleares Ereignis eintritt, im Falle
eines nuklearen Ereignisses der Großteil der Kosten von der Allgemeinheit zu
tragen wäre. Hier gibt es unübersehbar Parallelen zur Finanzwirtschaft, in der die
Gewinne bei den Finanzunternehmen verbucht wurden und die Allgemeinheit
einspringen musste, nachdem die Finanzwirtschaft nicht mehr fähig war, ihre
Probleme selbst zu lösen.

Das aktuelle Beispiel der Erdölkatastrophe im Golf von Mexiko zeigt zudem auf,
dass im Vorhinein nicht alle Frage bedacht wurden, die sich spätestens dann
stellen, sobald der Schadensfall eingetreten ist. Der folgende Fragenkatalog soll
u. a. abklären, welche Fragen bereits beantwortet werden können und welche
noch offen sind.

Die folgend aufgeführten Fragen beziehen sich, soweit nicht ausdrücklich die
Haftungsvorsorge seitens der atomkraftwerksbetreibenden Unternehmen ange-
sprochen ist, auf die Folgekosten eines nuklearen Ereignisses eines in Deutsch-
land befindlichen Atomreaktors, die nicht durch deren Haftungsvorsorge abge-
deckt ist.

Die Fragen sprechen explizit jeweils das geltende Recht an. Unter dem Begriff
„nukleares Ereignis“ wird eine nukleare Reaktorkatastrophe mit erheblicher
Freisetzung von radioaktiven Stoffen analog der Stufe 7 der Internationalen Be-
wertungsskala für nukleare Ereignisse verstanden.

Wir fragen die Bundesregierung:

Einleitende Fragen

1. Welche Radioaktivitätsmenge wurde in Tschernobyl am 26. April 1986 frei-
gesetzt?

2. Liegen der Bundesregierung Abschätzungen über die volkswirtschaftlichen
Kosten von den Auswirkungen obig angeführter auslegungsüberschreitender
Ereignisse für die jeweiligen Reaktoren vor, bzw. wann wurde letztmalig
exemplarisch eine entsprechende Abschätzung vorgenommen?

3. Liegen der Bundesregierung Abschätzungen über die volkswirtschaftlichen
Kosten des nuklearen Ereignisses in Tschernobyl vom 26. April 1986 für
Deutschland vor, und falls ja, welche?

4. Wie lauten das Gesetz und die Rechtsverordnung nach § 35 des Atomgesetzes
(ATG), die den Fall regeln, dass die gesetzlichen Schadenersatzverpflich-
tungen aus einem Schadensereignis die zur Erfüllung der Schadenersatzver-
pflichtungen zur Verfügung stehenden Mittel überschreiten?

5. Wie wird sichergestellt, dass die Befriedigung der Gesamtheit aller Geschä-
digten nicht durch die Befriedigung einzelner Geschädigter unangemessen
beeinträchtigt wird?

6. Welche Unfallereignisse wurden bei der Festlegung der Nuklearhaftpflicht
unterstellt; welche Zahl potenziell Geschädigter und welche Ausmaß der
Schädigung wurden dabei angenommen?

Wurde das Unfallereignis simuliert, und falls ja, wann, von wem, und mit
welchen Ergebnissen (Anlage, Umfallsequenz, Quellterm, Witterungsbedin-
gungen, Deposition, Ausbreitung der Kontaminierung, Gebiete mit potenziell
Geschädigten)?

7. In welcher Abfolge gelangen die Haftungssummen zur Ausschüttung, und in
welchem Ausmaß decken die Haftungssummen die abgeschätzten Folgekos-

ten ab, die in der Untersuchung berechnet wurden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2547

8. Sind aus Sicht der Bundesregierung die Ansprüche aus Haftungszahlungen
mit vorher festgelegten Rangstufen zu versehen, so dass zunächst nur an
Leib oder Leben geschädigte Anspruch auf Zahlungen haben, aber Vermö-
gensschäden zurückstehen?

9. Welche Institutionen wären für eine faire Zuteilung sowie der Sicherstellung
von Entschädigungszahlungen verantwortlich, und welche Arten von Haf-
tungsansprüchen werden von diesen Institutionen unterstützt?

10. Wie wird in einem Haftungsfall, der von chaotischen Zuständen ausgeht
(Ab- bzw. Umsiedelung, Schwierigkeiten der Nahrungsversorgung und
Sicherstellung medizinischer Hilfe etc.) der von solchen, dem Haftungsfall
zugrunde gelegten Fall, sichergestellt sein, dass die große Zahl der Opfer
rasch und ohne Kostenaufwand eine adäquate Rechtsberatung zur Durchset-
zung ihrer Schadenersatzansprüche erzielen können?

11. Welche Schadensfälle fallen unter den Bereich der gesetzlichen Schadener-
satzverpflichtungen des Inhabers infolge von Wirkungen eines nuklearen
Ereignisses, und welche Schadensfolgen sind davon ausgenommen?

12. Inwieweit und mit welchen Mitteln ist bei den einzelnen kerntechnischen
Anlagen gesichert, dass im Fall eines nuklearen Ereignisses nicht nur der Be-
treiber der Anlage, sondern auch mit ihm verbundene Obergesellschaften
(Muttergesellschaften) haften?

Reichen vorhandene Patronatserklärungen o. ä. Instrumente bei jedem Kern-
kraftwerk aus, um die Obergesellschaften in die Haftung einzubeziehen?

Unterscheidet sich dies bei Kernkraftwerken in Deutschland von RWE AG,
E.ON AG, Vattenfall Europe AG und EnBW AG und deren Anteilseigner
Électricité de France SA?

13. Hat die Bundesregierung Abschätzungen durchgeführt, in welchem Ausmaß
Bundeseigentum, als auch die Bundesbediensteten selbst zu Schaden kom-
men können, und falls ja, wann wurden selbige gemacht, und mit welchem
Ergebnis?

14. Ist die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Eigentum selbst im Falle
eines Unfallergebnisses im Inland für Schadenersatz anspruchsberechtigt,
und in welchem Ausmaß sind Vorkehrungen zur Abwägung zwischen den
Schadenersatzansprüchen Privater und jenes des Staates bzw. von anderen
Gebietskörperschaften getroffen?

15. Haften für den Fall eines nuklearen Ereignisses sämtliche Betreiber der be-
troffenen Kernanlage unbegrenzt, so dass die Vermögen sämtlicher Betrei-
ber zur Erstattung der Schadenersatzverpflichtungen herangezogen würden?

16. Haben im Falle des gemeinsamen Besitzes einer Kernanlage sämtliche Be-
sitzer gemeinsam oder unabhängig voneinander die Deckungsvorsorge in
Höhe von rund 2,5 Mrd. Euro zu leisten?

17. Welche Bestimmungen gelten bzw. sind der Bundesregierung zur Versiche-
rung der Nuklearanlage selbst – also nicht bezüglich des Schadenersatzes
gegenüber Dritten – bekannt?

18. Wie erfolgt die Finanzierungsvorsorge für eine notwendige Rückstellungs-
erhöhung im Falle eines nuklearen Ereignisses, da ein nukleares Ereignis zu
deutlich erhöhten Kosten für Rückbau und Entsorgung der Anlage führen
dürfte?

Drucksache 17/2547 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

19. Wie ist vor dem Hintergrund, dass ein nukleares Ereignis dazu führen dürfte,
dass Aktiva des betroffenen Unternehmens an Wert verlieren oder zur
Deckung von Schäden, für die das Unternehmen haftet, verwendet werden,
die Finanzierungsvorsorge für Rückbau und Entsorgung der kerntech-
nischen Anlage für einen solchen Fall geregelt, bei dem dann den gebildeten
Rückstellungen auf der Passivseite keine ausreichenden Gegenwerte auf der
Aktivseite mehr gegenüberstehen?

20. Wer muss in Deutschland die Prozesskosten für Schadenersatzprozesse in-
folge eines nuklearen Ereignisses tragen, und gibt es dabei Unterschiede
abhängig davon, ob das nukleare Ereignis im Inland oder Ausland statt-
gefunden hat?

Gesundheitskosten

21. Wie wird der Schadenersatz bei Tötung gemäß § 28 ATG errechnet, und mit
welchem durchschnittlichen Schadenersatz gemäß § 28 ATG rechnet die
Bundesregierung für den Fall des Eintretens eines nuklearen Ereignisses?

22. Gilt wie im Haftpflichtgesetz eine Haftungsobergrenze für den Fall der
Tötung eines Menschen in Höhe von 600 000 Euro sowie eine Beschrän-
kung des Rentenbetrages auf 36 000 Euro jährlich?

23. Wer müsste die Behandlungskosten für Krankheiten wie z. B. Krebserkran-
kungen infolge eines nuklearen Ereignisses tragen?

24. Wer müsste die Kosten für die Betreuung derjenigen Neugeborener tragen,
die infolge eines nuklearen Ereignisses mit Missbildungen auf die Welt kä-
men?

25. Wer müsste die Kosten für die Behandlung derjenigen Neugeborener tragen,
die infolge eines nuklearen Ereignisses mit Immunschwächen auf die Welt
kämen?

26. Müssten die Lebensversicherungen die sich aus den Versicherungsfällen
ergebenden Mortalitätskosten alleine zahlen, oder haben diese Ansprüche
gegenüber Schadensverursachern, und wie können diese Ansprüche einge-
fordert werden, wenn die Deckungsvorsorge bereits aufgebraucht ist, bevor
ein Teil der Mortalitätsfälle eingetreten ist?

27. Wer trägt die Geldrente gemäß § 30 ATG im Falle des Eintretens eines nu-
klearen Ereignisses, für den Fall, dass die Haftungshöchstgrenzen gemäß
den §§ 25 und 31 ATG erreicht sind?

Boden, Land- und Forstwirtschaft, Gärten

28. Wie hoch war in den letzten Jahren der Wert der heimischen landwirtschaft-
lichen Produktion?

29. Wäre es erlaubt, kontaminierte landwirtschaftliche Produkte aus der Umge-
bung von Tschernobyl in Deutschland zu verkaufen?

30. Gibt es Erfahrungswerte, wie lange in stark kontaminierten Gebieten land-
wirtschaftlicher Anbau unter gesundheitlichen Aspekten ausgeschlossen
wäre?

31. Wer würde im Falle eines nuklearen Ereignisses für die Kosten für landwirt-
schaftliche Ernteausfälle haften?

Für welchen Zeitraum bzw. für wie viele Ernten gilt dies?

32. Haben Landwirte, deren kontaminierte Ernte vernichtet werden muss, einen

Entschädigungsanspruch, und gilt dieser auch, wenn die Deckungsvorsorge
ausgeschöpft ist?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/2547

33. Wer würde im Falle eines nuklearen Ereignisses für die Kosten der Ernteaus-
fälle von Gärten haften?

Für welchen Zeitraum bzw. für wie viele Ernten gilt dies?

34. Wer würde im Falle eines nuklearen Ereignisses für die Kosten der Ernteaus-
fälle der Winzer aufkommen?

Für welchen Zeitraum bzw. für wie viele Ernten gilt dies?

35. Wer würde im Falle eines nuklearen Ereignisses für die Kosten der Ein-
nahmeausfälle aus der Fischzucht haften?

Für welchen Zeitraum bzw. für wie viele Ernten gilt dies?

36. Wer käme für die Entsorgungskosten der kontaminierten Ernten und Tiere
auf (bitte unterscheiden nach Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Gärten)?

37. Wer wäre für die Kontrolle zuständig, die sicherstellt, dass kontaminierte
Nahrungsmittel weder direkt noch indirekt über Tierprodukte in die mensch-
liche Nahrungskette gelangen?

38. Wie werden Landwirte entschädigt, deren Tiere kontaminiertes Futter ge-
fressen haben und die für Lebensmittelproduktion (u. a. Milch, Molke,
Fleisch) nicht mehr genutzt werden können?

39. Mit welchen Wertminderungen hätten die staatlichen Forsten im Falle eines
nuklearen Ereignisses zu rechnen?

40. Was hält die Bundesregierung von einem Notfallfonds für die Land- und
Forstwirtschaft, aus der Schäden finanziert werden könnten?

Umwelthaftung

41. In welchem Umfang gilt das europäische und das nationale Umwelthaf-
tungsrecht im Falle eines nuklearen Ereignisses in Deutschland?

42. Wie definieren die Nuklearkonventionen und die einzelnen Protokolle „Um-
weltschäden“, und gibt es Einschränkungen des Umwelthaftungsrechts
durch die Nuklearkonventionen?

43. Inwiefern ist es vom Recht der einzelnen Staaten, in denen das nukleare Er-
eignis stattfindet, abhängig, ob Umweltschäden in anderen Staaten, die aus
dem nuklearen Ereignis resultieren, ersatzfähig sind?

44. Wer kann nach deutschem Recht Entschädigungszahlungen für Umwelt-
schäden, die aus nuklearen Ereignissen resultieren einfordern, und wer muss
den Kausalitätsnachweis liefern, der den Verbindungsnachweis zwischen
nuklearen Ereignis und Umweltschaden liefert?

45. Gibt es in Deutschland eine Maximalhöhe für Entschädigungszahlungen für
Umweltschäden, die aus nuklearen Ereignissen resultieren, und in welchem
Umfang besteht hierfür eine Versicherungspflicht?

Tourismus

46. Wer käme im Falle eines nuklearen Ereignisses für die Einnahmeausfälle der
Tourismuswirtschaft auf (bitte unterscheiden nach Hotels, Gaststätten, Frei-
zeitanlagen)?

Energetische Verwertung von kontaminierter Biomasse

47. Wäre es erlaubt, kontaminierte Biomasse aus von Tschernobyl kontaminier-

ten Regionen in Deutschland energetisch zu verwerten?

Drucksache 17/2547 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

48. Wäre es erlaubt, infolge eines nuklearen Ereignisses in Deutschland konta-
minierte Biomasse in Deutschland energetisch zu verwerten (z. B. in Bio-
gasanlagen, Holzheizungen, Holzheizkraftwerken, Motoren im Mobilitäts-
sektor), und falls nein, wer würde

a) die Biomasseerzeuger sowie

b) die Unternehmen in der Wertschöpfungskette wie Biomassehändler

entschädigen, und welche Institutionen wären für die Kontrolle zuständig,
damit keine kontaminierte Radioaktivität bei der Verbrennung kontaminier-
ter Biomasse freigesetzt würde?

Gebäude, Infrastruktur

49. Wer kommt für die Dekontaminierungskosten von Liegenschaften auf (bitte
unterscheiden nach

a) Liegenschaften von Privatleuten,

b) Liegenschaften von Unternehmen,

c) Liegenschaften des Bundes,

d) Liegenschaften der Länder,

e) Liegenschaften der Gemeinde,

f) Liegenschaften halbstaatlicher Institutionen)?

50. Wer trägt die Kosten für die Dekontamination von

a) Schulen (inklusive Schulhöfen),

b) Kindergärten,

c) Sportplätzen,

d) Spielplätzen?

51. Gilt im Falle eines nuklearen Ereignisses für Sachschäden eine Haftungsbe-
schränkung auf 300 000 Euro des gemeinen Wertes einer beschädigten
Sache, und wer trägt die Kosten, die darüber hinausgehen?

Volkswirtschaftliche Kosten

52. Gibt es eine Maximalsumme bis zu der der deutsche Staat Schadenersatzan-
sprüche im Kontext eines nuklearen Ereignisses abdeckt?

53. Gibt es für die Schadenersatzansprüche, die im Schadensfall durch den Staat
abgedeckt werden müssten, entsprechende haushaltstechnische Abschät-
zungen, Berechnungen oder Pläne?

54. Mit welchen Folgen wäre für die Lebensmittelpreise im Falle eines nuklea-
ren Ereignisses in Deutschland zu rechnen?

55. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, um wie viele Prozentpunkte
das Bruttoinlandsprodukt infolge eines nuklearen Ereignisses absinken
dürfte?

56. Welche Effekte hätte ein nukleares Ereignis aus Sicht der Bundesregierung
auf die Staatsverschuldung – insbesondere für den Fall verminderter Einnah-
men auf der einen Seite sowie zusätzlicher staatlicher Ausgaben zur Scha-
densbewältigung auf der anderen Seite?

57. Hätte ein nukleares Ereignis aufgrund der damit verbundenen volkswirt-
schaftlichen Kosten aus Sicht der Bundesregierung Implikationen für die

Stabilität der Währung?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/2547

58. Welche Kostenerstattungsansprüche hätten die Menschen und Institutionen
in den europäischen Nachbarstaaten infolge eines nuklearen Ereignisses?

Welche Reparationszahlungen müsste der Staat gegebenenfalls leisten?

59. Wer trägt die Kosten für Ertragsausfälle von Unternehmen infolge eines
nuklearen Ereignisses?

60. Wer übernimmt in Analogie zur Kostenübernahme von BP infolge der Erd-
ölkatastrophe im Golf von Mexiko die Kosten für Arbeitslosigkeit und Kurz-
arbeit infolge eines nuklearen Ereignisses?

Abschließende Fragen

61. Wäre es für den Betreiber der betroffenen Kernanlage erlaubt, die verblie-
benen Reststrommengen der zerstörten Kernanlage auf andere Kernanlagen
zu übertragen, damit diese längere Zeit laufen könnten?

62. Ist es ausgeschlossen, dass der Staat gegenüber Kernanlagenbetreibern Ent-
schädigungszahlungen leisten müsste, sollten die zuständigen Aufsichts-
behörden dem Kernanlagenbetreiber oder den -betreibern im Nachgang zu
dem nuklearen Ereignis untersagen, einen oder mehrere der noch verfügba-
ren Reaktoren weiterzubetreiben?

63. Ist der Bundesregierung bekannt, in welcher Höhe die Kernanlagenbetreiber
Fremdkapital aufgenommen haben, und in welchem Umfang Kreditinstitute
im Falle eines nuklearen Ereignisses mit Kreditausfällen zu rechnen hätten,
sollte der Anlagenbetreiber nicht mehr zahlungsfähig sein?

64. Hätten im Falle eines nuklearen Ereignisses die Fremdkapitalgeber oder die
Schadenersatzberechtigung Vorrang bei Zahlungen durch das kernanlagen-
betreibende Unternehmen, die aus dem Unternehmenswert zu entrichten
sind?

65. Wäre die Bundesregierung bereit, den Banken beizuspringen, die im Falle
eines Reaktorunfalls vermutlich einen Großteil ihrer Kredite abschreiben
müssten, die sie dem kernanlagenbetreibenden Unternehmen gegeben
haben?

66. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Höhe der Deckungsvor-
sorge, die die Kernanlagenbetreiber leisten müssen, dem möglichen Scha-
densfall ausreichend Rechnung trägt?

67. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass externe Kosten – darunter
auch die einer unzureichenden Deckungsvorsorge – in eine volkswirtschaft-
liche Betrachtung ihrer Energieszenarien einbezogen werden müsste?

68. Dürften aus Sicht der Bundesregierung Schadenersatzforderungen von
Aktionären und Aktionärsschützern Erfolgschancen haben, wenn ihre Ver-
sorger-Aktien nach einem nuklearen Ereignis nur noch einen Bruchteil ihres
Wertes haben und nachgewiesen werden kann, dass den Geldhäusern, die zur
Anlage geraten hatten, Risiken hätten bewusst sein müssen, die sich bereits
dadurch ablesen lassen, dass die private Versicherungswirtschaft nicht bereit
ist, Atomreaktoren umfänglich zu versichern?

69. Hat die Bundesregierung Angebote des internationalen Kapitalmarktes zur
Absicherung der Risiken eines nuklearen Ereignisses eingeholt?

70. Ist in dem Zusammenhang der Umstellung der Buchführung der Bundes-
regierung im Rahmen des Haushaltsgrundsätzegesetzes von Kameralistik
auf betriebswirtschaftliche Buchführung beabsichtigt, staatliche Rückstel-
lung in der Vermögensrechnung des Bundes für die Drohverluste eines nu-

klearen Ereignisses einzustellen, und falls nein, wieso nicht?

Drucksache 17/2547 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

71. Überprüft die Bundesregierung regelmäßig die ökonomische Belastbarkeit
der Betreiberfirmen, um sicherzustellen, dass diese in der Lage sind, ihre
Haftungsrisiken zu tragen?

72. Auf welche Summe schätzt die Bundesregierung das Haftungspotenzial der
einzelnen Kernanlagenbetreiber im Falle des Eintretens des Drohfalls?

73. Hätten die kommunalen Gesellschafter von Unternehmen, die Kernanlage
betreiben, im Haftungsfall eine Rückgewährpflicht für erhaltene Ausschüt-
tungen gegenüber dem Insolvenzverwalter?

74. Was hält die Bundesregierung von dem Gedanken, eine nach dem Anlagen-
risiko gestaffelte Haftungsverpflichtung festzulegen, die bisherigen Haf-
tungsobergrenzen erhöht?

75. Was hält die Bundesregierung von dem Gedanken, alle Gewinnausschüttun-
gen oder Kapitalrückzahlungen der kernanlagebetreibenden Unternehmen
zunächst in einen Sicherungsfonds verpflichtend einzahlen zu lassen, der im
Sinne einer Pfandregelung erst an die Eigentümer ausgeschüttet wird, nach-
dem die letzte Kernanlage abschließend vom Netz genommen wurde, so
dass ein nukleares Ereignis ausgeschlossen werden kann?

76. Wer trägt die Umsiedlungskosten von Regionen mit sehr hoher Strahlenbe-
lastung hin zu Regionen mit niedriger Strahlenbelastung?

77. Welche Regelungen gibt es für die Einrichtung von Auffanglagern?

Sind der Bund, die Länder oder die Gemeinden für die Errichtung neuer
Siedlungsstrukturen in weniger kontaminierten Gebieten zuständig?

78. Welche Vorkehrungen sind von den einzelnen Atomkraftwerksbetreibern
(AKW-Betreibern) für den Fall einer Reaktorkatastrophe getroffen worden
(bitte nach Betreibern getrennt einzeln auflisten)?

79. Ergeben sich angesichts der unterschiedlichen potenziellen Haftungsfähig-
keit der einzelnen AKW-Betreiber dadurch abweichende Haftungspflichten
durch den Staat, und falls ja, welche Zusammenhänge sieht die Bundesregie-
rung?

80. Gibt es aus Sicht der Bundesregierung abweichende Wahrscheinlichkeiten
des Eintretens eine nuklearen Ereignisses abhängig von der Bauart der ein-
zelnen Reaktoren?

81. Hält die Bundesregierung es für angebracht, das Haftungsrecht soweit zu
erweitern, das die Eigentümer der AKW-Betreiber an der Haftung voll-
umfänglich beteiligt werden – so z. B. die Électricité de France SA an den
Schäden, die durch die EnBW verursacht würden?

82. Wem gegenüber kann ein Entschädigungsanspruch geltend gemacht wer-
den,

a) solange noch Mittel im Rahmen der Deckungsvorsorge vorhanden sind
und

b) wenn diese Mittel erschöpft sind?

83. Für welche Fälle müssen die Länder gemäß § 36 ATG bis zu 125 Mio. Euro
tragen, in dem die Kernanlage, von der das nukleare Ereignis ausgegangen
ist bzw. von dem der Besitzer seine Genehmigung zum Besitz erhalten hat,
und wozu wurde dieser Passus in das Atomgesetz geschrieben?

84. Bis zu welcher Höhe haben Beförderer von Kernmaterialien eine Deckungs-
vorsorge vorzunehmen, die, im Zusammenhang mit der Beförderung von
Kernmaterialien und der damit zusammenhängenden Lagerung, durch Ver-

trag die Haftung anstelle des Inhabers der Kernanlage übernommen haben?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/2547

85. Müssen die Betreiber von Kernanlagen die Beschaffenheit von Schutzein-
richtungen an die Entwicklung von Bedrohungspotenzialen durch Terroris-
ten ausrichten, die sich durch eine Verbesserung der Waffentechnologie und
deren Proliferation ergibt; welche Folgen hat es für die Haftung der Betrei-
ber, wenn eine entsprechende Anpassung unterbleibt; welche Folgen hat es
für die Genehmigungsbehörden, wenn im Falle des Eintretens eines nuklea-
ren Ereignisses infolge eines Terrorangriffs nachgewiesen werden kann,
dass eine entsprechende Anpassung unterblieben ist?

86. Wann hatte die Bundesregierung zum letzten Mal Höchstgrenze und
Deckungssummen mit dem Ziel der Erhaltung des realen Wertes der
Deckungsvorsorge überprüft, und zu welchen Schlussfolgerungen ist die
Bundesregierung im Sinne des § 13 ATG gekommen?

87. Welche gesetzlichen Schadenersatzverpflichtungen gibt es im Detail im
Sinne des § 13 ATG, die auf gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen privat-
rechtlichen Inhalts im Detail beruhen?

88. In welchen Fällen wird das Bundesland freistellungspflichtig, in dem sich
die Kernanlage befindet, von der das nukleare Ereignis ausgegangen ist oder
in dem der Besitzer seine Genehmigung zum Besitz erhalten hat (siehe § 36
ATG)?

89. Wie oft müssen Sicherheitsüberprüfungen mindestens periodisch stattfin-
den, damit der Leistungsbetrieb einer Anlage im Sinne des ATG sicher ge-
währleistet werden kann?

90. Sieht die Bundesregierung in der geringen Haftungssumme französischer
Atomkraftwerke einen Wettbewerbsvorteil der französischen Energiewirt-
schaft im Vergleich zu deutschen Stromerzeugern, die keinen Atomstrom
verkaufen?

91. Befürwortet die Bundesregierung für den Fall eines Massenschadens im
Falle eines nuklearen Ereignisses in Deutschland die Ermöglichung von
Sammelklagen oder ist sie der Auffassung, dass jeder Geschädigte selbst
klagen soll, und wie begründet sie ihre Auffassung?

92. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass auch Zulieferer im Falle eines
nuklearen Ereignisses haften sollten, insbesondere dann wenn ihnen eine
Teilschuld nachgewiesen werden kann, und wie begründet sie ihre Position?

Berlin, den 9. Juli 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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