BT-Drucksache 17/2516

Anwendung von Prüfinstrumenten (Logib-D) zur Messung von Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern

Vom 7. Juli 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2516
17. Wahlperiode 07. 07. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Caren Marks, Christel Humme, Petra Crone, Petra Ernstberger,
Iris Gleicke, Ute Kumpf, Franz Müntefering, Aydan Özog˘uz, Thomas Oppermann,
Sönke Rix, Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Stefan Schwartze, Dagmar Ziegler,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Anwendung von Prüfinstrumenten (Logib-D) zur Messung von Lohnungleichheit
zwischen Frauen und Männern

Artikel 3 des Grundgesetzes legt fest, dass niemand wegen seines Geschlechts
benachteiligt werden darf. Trotzdem entspricht es der Wirklichkeit, dass Frauen
in Deutschland außerhalb des öffentlichen Dienstes im Durchschnitt 23 Prozent
weniger als ihre männlichen Kollegen verdienen. Im europäischen Vergleich
liegt Deutschland auf dem siebtletzten Platz. Im öffentlichen Dienst verdienen
weibliche Tarifbeschäftigte und Beamte im Durchschnitt nur 7 Prozent weniger,
was auf die rechtlich geregelten Besoldungs- und Tarifstrukturen in diesem Be-
reich zurückzuführen ist.

In der Statistik wird der zwischen Frauen und Männern vorhandene Entgeltunter-
schied durch den Indikator des Gender Pay Gap (GPG) dargestellt. Der GPG ist
ein Ergebnis des Zusammenwirkens verschiedener Faktoren im Sinne einer
strukturellen Frauenbenachteiligung in der deutschen Gesellschaft. Dazu gehö-
ren u. a. eine nach wie vor vorhandene Abwertung von Tätigkeiten und Verhal-
tensweisen, die mit Frauen identifiziert werden; geschlechtsspezifisch getrennte
Arbeitsmärkte in der Volkswirtschaft und in den Betrieben, wobei Frauen die Be-
reiche mit schlechterer Vergütung und schlechteren Aufstiegschancen besetzen.
Die noch immer vorzufindende Dominanz des Familienernährer- bzw. des Zu-
verdienerinnenmodells als Lebensform und eine immer noch viel zu geringe
Möglichkeit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie tragen ebenfalls nach wie
vor zur Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt bei.

Vielfältige verbindliche und gesetzgeberische Maßnahmen sind daher notwen-
dig, um die Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern zu überwinden.
Das aus der Schweiz stammende Lohnmessverfahren Logib, welches Unterneh-
men die Möglichkeit gibt, im freiwilligen Selbsttest zu untersuchen, inwieweit
geschlechtsspezifische Unterschiede in der Entgeltstruktur vorhanden sind, wird
von der Bundesregierung für deutsche Unternehmen als Logib-D („Lohngleich-
heit im Betrieb – Deutschland“) angeboten. Es bestehen jedoch Zweifel, ob die-

ses Instrument, welches als kostenloser Selbsttest anonym verwendet werden
kann, geeignet ist, der Entgeltungleichheit effektiv entgegenzuwirken.

Die Hans-Böckler-Stiftung hat am 18. März 2010 ein weiteres Messverfahren
„eg-check“ (Entgeltgleichheits-Check) der Öffentlichkeit vorgestellt.

Der eg-check untersucht – im Gegensatz zum Logib-D – auf Basis der geltenden
Rechtslage einzeln wichtige Entgeltbestandteile, wie Grundgehalt, Leistungs-

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vergütungen oder Erschwerniszuschläge auf mögliche Diskriminierung. Zudem
bezieht es neue Erkenntnisse der Diskriminierungsforschung und bestehende Ar-
beitsbewertungen in die Gesamtbewertung mit ein. Der eg-check ist zudem nicht
nur für Arbeitgeber gedacht, sondern soll u. a. auch von Gleichstellungs- und
Frauenbeauftragten, Tarifparteien, Gewerkschaften und den Beschäftigten ange-
wendet werden können.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welcher Form ist das schweizerische Instrument Logib für seine Anwen-
dung in Deutschland als Logib-D angepasst worden?

2. Welche Pilotunternehmen haben an dem von der Bundesregierung im Vor-
feld durchgeführten Testverfahren teilgenommen, und zu welchen Ergebnis-
sen ist die Bundesregierung gekommen?

3. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung laut eigener Auskunft gesam-
melt, die die Kritik widerlegen sollen, dass das Instrument Logib-D nicht
zielführend sei (bitte ausführliche Beschreibung)?

4. Welche Gründe sprechen nach Auffassung der Bundesregierung dafür, dass
Unternehmen freiwillig die Möglichkeit des Lohnmessverfahrens nutzen?

5. Hält die Bundesregierung es nach wie vor für zielführend, dass mit dem Ein-
satz von Logib-D keinerlei Konsequenzen für den Betrieb verbunden sind?

Wenn ja, bitte begründen.

6. Beabsichtigt die Bundesregierung die oft kritisierte Unverbindlichkeit des
Instruments Logib-D zu beheben und gegebenenfalls Rechtsfolgen für Be-
triebe vorzusehen, falls Lohnungleichheit besteht?

7. Inwiefern ist die Bundesregierung der Auffassung, dass Logib-D dem Pro-
blem der Entgeltungleichheit entgegenwirken kann, obwohl die Unterneh-
men dieses Instrument anonym anwenden dürfen und die Ergebnisse nicht
veröffentlicht bzw. den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht zur Kennt-
nis gegeben werden müssen?

8. Hält die Bundesregierung auf dieser Grundlage eine sinnvolle Evaluation
von Logib-D für möglich (wenn ja, bitte begründen), und anhand welcher
Parameter soll der Erfolg von Logib-D gemessen werden?

9. Welche Gründe haben dazu geführt, die kostenlose gleichstellungsorien-
tierte Vergütungsberatung auf Basis von Logib-D auf 200 Unternehmen für
den Zeitraum 2010 bis 2012 zu beschränken?

10. Welches sind die Kriterien, nach denen die Unternehmen ausgewählt werden
(bitte genaue Beschreibung)?

11. Welche Gründe haben die Bundesregierung veranlasst, die Auswahl der 200
teilnehmenden Unternehmen am Logib-D-Beratungsverfahren durch einen
Beirat unter Leitung des Staatssekretärs im Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend, Josef Hecken, vornehmen zu lassen?

12. Durch wen werden die Ergebnisse der Beratungsgespräche ausgewertet, und
ist beabsichtigt, diese der Öffentlichkeit vorzustellen?

Wenn nein, warum nicht?

13. Beabsichtigt die Bundesregierung, den betroffenen Unternehmen Hand-
lungsempfehlungen vorzuschlagen, falls Lohnungleichheit festgestellt
wird?

Wenn nein, warum nicht?

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14. Gab es eine (öffentliche) Ausschreibung der Bundesregierung für die Beauf-
tragung mit der Beratungsleistung, und wenn nein, warum nicht?

15. Welche Entscheidungskriterien haben dazu geführt, die Unternehmensbera-
tung Baumgartner & Partner mit der Durchführung der Vergütungsberatung
zu beauftragen, und wodurch hat sich diese Beratungsfirma gegenüber ande-
ren potentiellen Unternehmensberatungen besonders qualifiziert?

16. Welche Kosten fallen hierfür im Bundeshaushalt 2010 an, und wo sind diese
etatisiert?

17. Welche Kosten sind für den Haushalt 2011 eingeplant?

18. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um über die 200 Unterneh-
men hinaus, die im Bewerbungsverfahren für Beratungsgespräche ausge-
wählt werden, weitere Unternehmen für die Anwendung des Logib-D-Ver-
fahrens zu gewinnen?

19. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung über das Angebot der frei-
willigen Nutzung von Logib-D hinaus, um der Lohnungleichheit entgegen-
zuwirken?

20. Zieht die Bundesregierung es in Betracht, wie in der Schweiz, Logib-D mit
dem Vergaberecht zu verknüpfen, und wenn nein, warum nicht?

21. Wie hat die Bundesregierung die Forschungsergebnisse aus bereits beste-
henden Pilotprojekten von Unternehmensberatungen (z. B. www.gefa-
forschung-beratung.de) zur Bemessung von Entgeltungleichheit in das Prüf-
instrument Logib-D einfließen lassen, und wenn nein, warum nicht?

22. Welche Maßnahmen sieht die Bundesregierung vor, um diese Forschungs-
ergebnisse in betriebliche und überbetriebliche Verfahren in den Betrieben
einzuführen?

23. Wie sollten nach Auffassung der Bundesregierung weitere Akteure, insbe-
sondere Betriebs- und Tarifvertragsparteien, Gleichstellungsbeauftragte und
Beschäftigte der Unternehmen zur Behebung der Lohnungleichheit einge-
bunden werden?

24. Wie bewertet die Bundesregierung das alternative Messverfahren
„eg- check.de“, welches am 18. März 2010 der Öffentlichkeit vorgestellt
wurde?

25. Welche unterschiedliche Funktion erfüllt Logib-D im Vergleich zum
eg- check (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 84
auf Bundestagsdrucksache 17/1918), und welche Auswirkungen hat dies auf
ihren möglichen Einsatz in Unternehmen?

26. Welches sind die unterschiedlichen Zielgruppen, die nach Auffassung der
Bundesregierung sowohl mit Logib-D als auch mit dem eg-check angespro-
chen werden (bitte Benennung für beide Verfahren)?

27. Unabhängig von der Entscheidung der Bundesregierung für das Verfahren
Logib-D, wird sie, wenn erste Erfahrungen aus der Umsetzung mit dem
eg- check vorliegen, diese in eine neue Bewertung einfließen lassen?

Wenn ja, wie könnte dies erfolgen, und wenn nein, warum nicht?

28. Wann und wie werden die im Artikel 21 Absatz 4 der Geschlechtergleichbe-
handlungsrichtlinie 2006/54/EG (Die Arbeitgeber werden ersucht, „den
Arbeitnehmern und/oder den Arbeitnehmervertretern in regelmäßigen ange-
messenen Abständen Informationen über die Gleichbehandlung von Män-
nern und Frauen in ihrem Betrieb zu geben. Diese Informationen können

Übersichten über den Anteil von Männern und Frauen auf den unterschied-
lichen Ebenen des Betriebs, ihr Entgelt sowie Unterschiede beim Entgelt und

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mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Situation in Zusammenarbeit
mit den Arbeitnehmervertretern enthalten“) geforderten Informations- und
Auskunftspflichten durch die Bundesregierung in nationales Recht um-
gesetzt?

29. Plant die Bundesregierung Maßnahmen, die die geschlechtsdiskriminieren-
den Arbeitsbewertungen beheben könnten, z. B. bei Pflege-, Erziehungs-
und Sozialberufen, in denen hauptsächlich Frauen beschäftigt sind im Ge-
gensatz zu technischen Berufen?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 7. Juli 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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