BT-Drucksache 17/2509

a) zu dem Antrag der Fraktion der SPD -17/57- Kinderrechte stärken - Erklärung zur UN-Kinderrechtskonvention zurücknehmen b) zu dem Antrag der Abgeordneten Diana Golze, Ulla Jelpke, Jörn Wunderlich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -17/59 UN-Kinderrechtskonvention umfassend umsetzen c) zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Dörner, Josef Philip Winkler, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -17/61- UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland unverzüglich vollständig umsetzen

Vom 9. Juli 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2509
17. Wahlperiode 09. 07. 2010

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Fraktion der SPD
– Drucksache 17/57 –

Kinderrechte stärken – Erklärung zur UN-Kinderrechtskonvention zurücknehmen

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Diana Golze, Ulla Jelpke, Jörn Wunderlich,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/59 –

UN-Kinderrechtskonvention umfassend umsetzen

c) zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Dörner, Josef Philip Winkler, Ekin
Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/61 –

UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland unverzüglich vollständig umsetzen

A. Problem

Die Anträge fordern die Rücknahme der bei dem Generalsekretär der Vereinten
Nationen (VN) hinterlegten Vorbehaltserklärung der Bundesrepublik Deutsch-
land zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes (VN-Kinderrechts-
konvention). Die Anträge auf den Drucksachen 17/59 und 17/61 setzen sich
darüber hinaus auch für Änderungen des nationalen Rechts zur Anpassung an
die Erfordernisse der Kinderrechtskonvention ein.
Die Kinderrechtskonvention wurde am 20. November 1989 durch die VN-
Generalversammlung beschlossen. Nach Beteiligung der Länder gemäß dem
Lindauer Abkommen und Zustimmung durch den Deutschen Bundestag trat die
Konvention in Deutschland am 5. April 1992 in Kraft. Bei Hinterlegung der
Ratifikationsurkunde beim Generalsekretär der Vereinten Nationen am 6. März
1992 erklärte die damalige Bundesregierung fünf Vorbehalte, die mittlerweile
durch Gesetzesänderungen überwiegend gegenstandslos geworden sind. Pro-

Drucksache 17/2509 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

bleme bestanden jedoch bis zuletzt insbesondere im Hinblick auf den aus-
länderrechtlichen Vorbehalt zu Ziffer IV der Erklärung.

Der Deutsche Bundestag hatte sich in den vergangenen Wahlperioden wieder-
holt mit dieser Problematik befasst und sich für die Rücknahme der Vorbehalts-
erklärung ausgesprochen. Die Rücknahme war auch eine stetige Forderung der
Kinderkommission des Deutschen Bundestages, die zuletzt am 24. März 2010
eine entsprechende Stellungnahme abgegeben hat. Ebenso haben der VN-Aus-
schuss für die Rechte des Kindes sowie Nichtregierungs- und Kinderrechts-
organisationen die Rücknahme der Vorbehalte immer wieder angemahnt. Als
Hindernis hierbei erwies sich jedoch stets das fehlende Einvernehmen mit den
Ländern.

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP für die 17. Legislatur-
periode heißt es: „Wir wollen die Vorbehaltserklärung zur UN-Kinderrechts-
konvention zurücknehmen. An der Ausgestaltung eines Individualbeschwerde-
verfahrens zur UN-Kinderrechtskonvention werden wir aktiv mitwirken.“

Am 3. Mai 2010 hat die deutsche Bundesregierung die Vorbehaltserklärung von
1992 zur VN-Kinderrechtskonvention zurückgenommen.

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Einvernehmliche Erledigterklärung des Antrags auf Drucksache 17/57

Zu Buchstabe b

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/59 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der SPD

Zu Buchstabe c

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/61 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

C. Alternativen

Annahme der Anträge auf den Drucksachen 17/59 bzw. 17/61.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2509

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Antrag auf Drucksache 17/57 für erledigt zu erklären,

b) den Antrag auf Drucksache 17/59 abzulehnen,

c) den Antrag auf Drucksache 17/61 abzulehnen.

Berlin, den 7. Juli 2010

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Sibylle Laurischk
Vorsitzende

Dr. Peter Tauber
Berichterstatter

Marlene Rupprecht (Tuchenbach)
Berichterstatterin

Miriam Gruß
Berichterstatterin

Diana Golze
Berichterstatterin

Katja Dörner
Berichterstatterin

18 Jahren grundsätzlich dieselben Ansprüche nach dem
VN-Kinderrechtskonvention jedoch deutlich eingeschränkt
worden. Infolge der Vorbehaltserklärung würden entgegen
Kinder- und Jugendhilferecht hätten wie ihre Altersgenos-
sen in Deutschland.

Der Antrag fordert, die Bundesregierung solle die bei der
Hinterlegung der Ratifikationsurkunde am 6. März 1992 ab-

der unmissverständlichen Formulierung in Artikel 1 der
Konvention unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zwi-
schen 16 und 18 Jahren asyl- und aufenthaltsrechtlich wie
Erwachsene behandelt. Die in der deutschen Vorbehalts-
Drucksache 17/2509 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dr. Peter Tauber, Marlene Rupprecht (Tuchenbach),
Miriam Gruß, Diana Golze und Katja Dörner

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 17/57 wurde in der 7. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 26. November 2009 dem
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur
federführenden Beratung sowie dem Innenausschuss, dem
Rechtsausschuss und dem Ausschuss für Menschenrechte
und humanitäre Hilfe zur Mitberatung überwiesen.

Der Antrag auf Drucksache 17/59 wurde in der 7. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 26. November 2009 dem
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur
federführenden Beratung sowie dem Innenausschuss, dem
Rechtsausschuss und dem Ausschuss für Menschenrechte
und humanitäre Hilfe zur Mitberatung überwiesen.

Der Antrag auf Drucksache 17/61 wurde in der 7. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 26. November 2009 dem
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur
federführenden Beratung sowie dem Innenausschuss und
dem Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

1. Antrag auf Drucksache 17/57

Der Antrag erinnert an die Verabschiedung der Kinder-
rechtskonvention durch die VN-Generalversammlung im
Jahr 1989, die Ratifizierung der Konvention durch die
Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1992 sowie an die
seitdem andauernde Diskussion um die Rücknahme der bei
der Ratifizierung abgegebenen Vorbehaltserklärung. Er
weist zudem auf den an die Konvention anknüpfenden Na-
tionalen Aktionsplan „Für ein kindergerechtes Deutschland
2005–2010“ hin, den die seinerzeit von SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellte Bundesregierung im
Jahr 2005 verabschiedet hatte.

Der Antrag führt weiter aus, die Kinderrechtskonvention
definiere in ihrem Artikel 1 alle Menschen, die das 18. Le-
bensjahr noch nicht vollendet hätten, als Kinder. Nach Arti-
kel 22 der Konvention hätten Kinder, die den Status eines
Flüchtlings begehrten, Anspruch auf besonderen Schutz.
Ein zentrales Problem bei der Behandlung minderjähriger
Flüchtlinge in Deutschland liege jedoch darin, dass Minder-
jährige zwischen 16 und 18 Jahren, die Kinder im Sinne der
Konvention seien, im deutschen Asylrecht als handlungs-
fähig gälten und somit die Notwendigkeit der Bestellung
eines gesetzlichen Vertreters entfalle. Dadurch werde ihr
Schutzanspruch aus Artikel 22 der Konvention ausgehöhlt.
Zudem erhielten sie in der Praxis oftmals keine Leistungen
nach dem Jugendhilferecht, obwohl Flüchtlinge unter

2. Antrag auf Drucksache 17/59

Der Antrag kritisiert, der staatliche Umgang mit Flücht-
lingskindern in Deutschland sei nach wie vor nicht von der
Sorge um die bestmöglichen Entwicklungschancen der Kin-
der bestimmt, sondern von einem von Misstrauen gepräg-
ten, nationalstaatlichen Abwehrdenken mit dem Ziel, uner-
wünschte Einwanderung und Zuflucht möglichst effektiv zu
verhindern. Problematisch sei insbesondere, dass Kinder im
deutschen Asyl- und Aufenthaltsrecht bereits ab 16 Jahren
als verfahrensmündig gälten und deshalb formalrechtlich
wie Erwachsene behandelt würden. Diese Überforderung
der Kinder dürfe im deutschen Rechtssystem wohl einmalig
sein. Offenkundig seien die Prinzipien der bundesdeutschen
Asylpolitik weder mit dem Grundanliegen noch mit einzel-
nen Bestimmungen der VN-Kinderrechtskonvention verein-
bar. Betroffen seien etwa die Artikel 2 (keine Diskriminie-
rung von Teilgruppen), 3 (Vorrang des Kindeswohls), 24
(Recht des Kindes auf das erreichbare Höchstmaß an Ge-
sundheit) und 27 (Recht auf angemessenen Lebensstan-
dard). Der jahrelange, festgefahrene politische Streit um die
Rücknahme der bundesdeutschen Vorbehaltserklärung
lenke davon ab, dass – einen entsprechenden politischen
Willen vorausgesetzt – die notwendigen gesetzlichen Ände-
rungen hiervon unabhängig jederzeit vorgenommen werden
könnten.

Der Antrag fordert, die Bundesregierung solle

1. sich gegenüber den Bundesländern weiterhin für eine
Zustimmung zur Rücknahme der Vorbehaltserklärung
zur VN-Kinderrechtskonvention einsetzen;

2. davon unabhängig auf eine Anpassung der Landes-
gesetze an die Erfordernisse der Konvention drängen;

3. sofort alle notwendigen gesetzgeberischen Initiativen
zur Anpassung der asyl-, asylbewerberleistungs- und
aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen an die Erforder-
nisse der VN-Kinderrechtskonvention ergreifen und

4. sich in den Gremien der Europäischen Union für eine
dem Sinn und Zweck der VN-Kinderrechtskonvention
dienende Politik einsetzen.

3. Antrag auf Drucksache 17/61

Der Antrag betont, die Verabschiedung der VN-Kinder-
rechtskonvention durch die Generalversammlung der Ver-
einten Nationen am 20. November 1989 sei ein Meilenstein
in der Geschichte der Kinderrechte gewesen. Eine der zen-
tralen Botschaften der Konvention seien gleiche Rechte für
alle Kinder. In Deutschland sei der Anwendungsbereich der
gegebene Vorbehaltserklärung zur VN-Kinderrechtskon-
vention zurücknehmen.

erklärung festgeschriebene unterschiedliche Behandlung
von ausländischen und inländischen Kindern verstoße zu-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/2509

dem gegen das Diskriminierungsverbot der Konvention. Zu
Recht werde deshalb vielfach die Rücknahme der Vor-
behaltserklärung gefordert.

Dies allein reiche jedoch nicht aus, sondern es bestehe mit
der Rücknahme der Vorbehalte dringender gesetzlicher
Anpassungsbedarf. So sollte insbesondere die Handlungs-
fähigkeit im Asylverfahren erst mit 18 Jahren beginnen.
Kinder und Jugendliche dürften nicht mehr an den Grenzen
zurückgewiesen oder abgeschoben werden. Sie müssten zu-
dem bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs Anspruch auf
eine altersgerechte sozialpädagogische Betreuung haben
und dürften weder ins Flughafenverfahren noch in Sammel-
unterkünfte oder in Abschiebegewahrsam verbracht wer-
den. Darüber hinaus müsse die Umsetzung der Schulpflicht
und der Zugang zu allen Maßnahmen der Jugendhilfe und
des Gesundheitsdienstes für alle minderjährigen Flüchtlinge
sichergestellt werden. In diesem Zusammenhang sei auch
die Schaffung eines Beschwerdemechanismus bei Verlet-
zungen von Rechten der VN-Kinderkonvention notwendig.

Der Antrag fordert, die Bundesregierung solle

1. schnellstmöglich die von der damaligen Bundesregie-
rung am 6. März 1992 bei dem Generalsekretär der VN
hinterlegte Vorbehaltserklärung zur VN-Kinderrechts-
konvention zurücknehmen,

2. umgehend einen Gesetzentwurf vorlegen, um die sich
aus der Rücknahme dieses Vorbehalts ergebenden asyl-,
aufenthalts- und sozialrechtlichen Änderungen vorzu-
nehmen,

3. aktiv an der zeitnahen Einrichtung eines Individual-
beschwerdeverfahrens zur VN-Kinderrechtskonvention
mitwirken,

4. den Nationalen Aktionsplan „Für ein kindergerechtes
Deutschland 2005–2010“ weiterführen und weiterent-
wickeln.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

1. Zu dem Antrag auf Drucksache 17/57

Der Innenausschuss, der Rechtsausschuss und der Aus-
schuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe haben
jeweils in ihren Sitzungen am 16. Juni 2010 empfohlen, den
Antrag für erledigt zu erklären.

2. Zu dem Antrag auf Drucksache 17/59

Der Innenausschuss, der Rechtsausschuss und der Aus-
schuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe haben
jeweils in ihren Sitzungen am 16. Juni 2010 mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die
Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD
die Ablehnung des Antrags empfohlen.

3. Zu dem Antrag auf Drucksache 17/61

Der Innenausschuss und der Ausschuss für Menschen-
rechte und humanitäre Hilfe haben jeweils in ihren Sit-

SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die
Ablehnung des Antrags empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

1. Abstimmungsergebnis

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend empfiehlt einvernehmlich, den Antrag auf Drucksache
17/57 für erledigt zu erklären.

Er empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimment-
haltung der Fraktion der SPD die Ablehnung des Antrags
auf Drucksache 17/59.

Er empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung
des Antrags auf Drucksache 17/61.

2. Inhalt der Ausschussberatung

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat die Vorlagen in seiner 14. Sitzung am 16. Juni 2010 ab-
schließend beraten. Dazu lag ihm auch eine Petition vor, die
neben der Rücknahme der Vorbehaltserklärung gegen die
VN-Kinderrechtskonvention auch rechtliche Änderungen
fordert und dazu auf ein Papier zum politischen, rechtlichen
und gesellschaftlichen Handlungsbedarf im Umgang mit
Flüchtlingskindern hinweist, das von der Arbeiterwohlfahrt,
dem Bundesfachverband UMF, dem Deutschen Kinderhilfs-
werk, dem Deutschen Roten Kreuz, dem Diakonischen
Werk, dem Forum Menschenrechte, der Kindernothilfe,
PRO ASYL, Separated Children Deutschland e.V., terre des
hommes, UNICEF sowie dem Verband binantionaler Fami-
lien und Partnerschaften erarbeitet wurde.

In der Ausschussberatung erläuterte die Fraktion der SPD,
mit der Rücknahme der Vorbehalte gegen die VN-Kinder-
rechtskonvention sei der Antrag ihrer Fraktion auf Druck-
sache 17/57 erledigt. Hinzuweisen sei allerdings auf die
Beschlussniederschrift der Innenministerkonferenz vom
27./28. Mai 2010, in der es zunächst heiße: „Die Innen-
minister und -senatoren der Länder nehmen den Bericht des
Bundesministers des Innern zur Rücknahme der Erklärung
der Bundesrepublik Deutschland zur VN-Kinderrechtskon-
vention zur Kenntnis.“ Von Bedeutung sei jedoch die Proto-
kollnotiz der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Ham-
burg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen,
Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen, Schleswig-Hol-
stein und Thüringen, nach der die genannten Länder die
Zusicherung des BMI begrüßen, „dass mit der Rücknahme
der Erklärung keine Änderung des Aufenthalts- und Asyl-
verfahrensrechts verbunden ist.“

Der Kampf um die Rücknahme der Vorbehalte habe sicher-
lich auch das Ziel verfolgt, internationale Anerkennung für
das deutsche Engagement auf dem Gebiet der Kinder- und
Jugendpolitik zu erhalten und nicht immer wieder wegen
der Vorbehalte kritisiert zu werden. Mit der Rücknahme die-
ser Vorbehalts- oder Interpretationserklärung sei jedoch
zungen am 16. Juni 2010 mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen

auch immer die Frage gesetzlicher Änderungen verbunden
gewesen. Deshalb seien bereits in vielen Bereichen die

Drucksache 17/2509 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

rechtlichen Regelungen an die Erfordernisse der Kinder-
rechtskonvention angepasst worden, beispielsweise das
Adoptionsrecht und im Hinblick auf Kindersoldaten auch
das Wehrpflichtgesetz. Die letzte Hürde betreffe nun Flücht-
lingskinder im Alter zwischen 16 und 18 Jahren. Es sei zwar
sehr zu begrüßen, dass auch in dieser Hinsicht nunmehr
keine Interpretationen mehr zulässig seien. Tatsache sei
jedoch, dass Deutschland die VN-Kinderrechtskonvention
ratifiziert habe und deswegen verpflichtet sei, deren Inhalte
in nationales Recht umzusetzen. Deshalb müsse das Asyl-
und Flüchtlingsrecht auf seine Übereinstimmung mit der
Konvention hin überprüft werden. Die Fraktion der SPD
werde hierzu noch einen gesonderten Antrag vorlegen.

Die Fraktion DIE LINKE. erklärte, der Antrag ihrer Frak-
tion sei nicht erledigt, weil er von vornherein berücksichtigt
habe, dass die tatsächlich vorbehaltlose Umsetzung der VN-
Kinderrechtskonvention in Deutschland Rechtsänderungen
erfordere. Notwendig seien Änderungen im Asylbewerber-
leistungsgesetz, im Aufenthaltsrecht und im Asylrecht, bei-
spielsweise mit Blick auf die Verfahrensmündigkeit und die
Bestellung eines Beistandes. Außerdem bedürfe es eines Ver-
bots der Inhaftierung Minderjähriger im Abschiebungs- und
Zurückweisungsverfahren sowie ihrer Unterbringung in
Massenunterkünften.

Solche Rechtsänderungen fordere nicht nur die Fraktion
DIE LINKE. ein. So sehe beispielsweise der Vorschlag der
Europäischen Kommission für eine Neufassung der Asyl-
verfahrensrichtlinie vor, auch unbegleiteten minderjährigen
Flüchtlingen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren einen
Rechtsbeistand zu gewähren. In der Antwort der Bundes-
regierung auf eine Schriftliche Frage des Abgeordneten
Josef Philip Winkler heiße es jedoch, die Bundesregierung
lehne diesen Vorschlag der Kommission ab. Auch das VN-
Flüchtlingskommissariat UNHCR gehe davon aus, dass der
Rücknahme der Vorbehalte mehrere Gesetzanpassungen
folgen müssten, beispielsweise bei der Residenzpflicht und
natürlich auch beim Schutz minderjähriger Flüchtlinge. Ent-
sprechendes fordere die zu diesem Tagesordnungspunkt
vorliegende Petition. Das Institut für Menschenrechte sehe
ebenfalls Handlungsbedarf und formuliere: „Die Rück-
nahme der Vorbehalte zur Kinderrechtskonvention lässt
nicht nur erwarten, dass bestehende rechtliche Bestimmun-
gen den Vorgaben der Konvention angepasst werden. Dieser
Schritt kann auch dazu beitragen, dass Kinder verstärkt als
Träger eigener Rechte begriffen werden.“

Während der ersten Lesung der hier diskutierten Anträge
am 26. November 2009 im Plenum des Deutschen Bundes-
tages habe die Vorsitzende dieses Ausschusses erklärt: „Es
kann und darf nicht sein, dass Flüchtlingskinder ab 16 Jah-
ren im Asylverfahren wie Erwachsene behandelt werden
und keinen juristischen Beistand bekommen. Es kann und
darf nicht sein, dass Kinder und Jugendliche in Abschiebe-
haft geraten können. Es kann nicht sein, dass sie beim
Schulbesuch, bei der medizinischen Versorgung oder bei
Ausbildungsmöglichkeiten schlechter als deutsche Kinder
gestellt sind.“ Die Vorsitzende habe die Rede mit der Be-
merkung abgeschlossen: „Wir müssen den vorliegenden
Anträgen nicht zustimmen, weil wir handeln werden.“
Wenn die Koalition allerdings tatsächlich handeln wolle,

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betonte, ihre
Fraktion habe sich sehr über die Rücknahme der Vorbehalte
gefreut und dies auch während der Regierungsbefragung im
Plenum am 5. Mai 2010 deutlich gemacht. Nun aber müsse
die Rücknahme der Vorbehaltserklärung auch materielle
Änderungen nach sich ziehen; andernfalls habe man zwar
möglicherweise an internationaler Reputation gewonnen, für
die betroffenen Kinder und Jugendlichen, speziell die min-
derjährigen unbegleiteten Flüchtlinge, änderte sich jedoch
nichts. Dies wäre aus Sicht der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN nicht akzeptabel.

Die VN-Kinderrechtskonvention definiere eindeutig Min-
derjährige bis zum Alter von 18 Jahren als Kinder, die somit
allen Schutzaspekten der Konvention unterlägen. Deshalb
könne es nicht weiterhin so sein, dass Flüchtlinge im Alter
von 16 oder 17 Jahren im Asylbewerberverfahren wie Er-
wachsene behandelt würden. Weitere notwendige Rechts-
änderungen seien bereits angesprochen worden. Ergänzend
sei auf den aktuellen Staatenbericht zur Kinderrechts-
konvention hinzuweisen aus dem sich ergebe, dass Flücht-
lingskinder oder Kinder mit ungeklärtem Status immer noch
nicht in allen Bundesländern der Schulpflicht unterlägen.
Dies sei ebenfalls ein wichtiger Aspekt, zumal mit der
Schulpflicht auch bestimmte materielle Ansprüche wie
beispielsweise die Lernmittelfreiheit oder die Fahrtkosten-
übernahme einhergingen. Zwar seien hier Landeszuständig-
keiten betroffen; dennoch müsse sich aus Sicht der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auch die Bundesregierung
für die möglichst schnelle und umfassende Aufhebung die-
ser Diskriminierungstatbestände engagieren. Zu den erfor-
derlichen Änderungen des Bundesrechts als Folge der Rück-
nahme der Vorbehaltserklärung werde die Fraktion noch
einen gesonderten Antrag vorlegen.

Der Fraktion der CDU/CSU hob hervor, bereits die
Rücknahme der Vorbehalte sei ein großer Erfolg. Hier sei
die Leistung der Bundesministerin der Justiz Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger zu würdigen, die dies in Ge-
sprächen mit den Ländern habe erreichen können. Während
der Debatte im Plenum hätten alle Fraktionen die Rück-
nahme dieser Vorbehalte als einen richtigen Schritt angese-
hen. In dieser Debatte sei darüber hinaus deutlich geworden,
dass das Problem an dieser Stelle nicht bei den im Deutschen
Bundestag vertretenen Fraktionen liege, sondern bei den
Ländern. Bereits diese Debatte habe aber auch gezeigt, dass
zur Frage der Änderungsnotwendigkeiten im Sozial- und
Asylrecht unterschiedliche Auffassungen bestünden. Hier
stehe man im Prinzip vor demselben Problem wie bei der
Rücknahme selbst, denn es seien nicht nur kinderpolitische
Aspekte zu berücksichtigen. Betroffen seien einerseits die
Zuständigkeiten der Länder, die entsprechenden Handlungs-
bedarf konstatieren müssten, und andererseits auch die Be-
reiche der Innen- und Rechtspolitik.

Mit der Rücknahme der Vorbehaltserklärung hätten sich die
vorliegenden Anträge zum großen Teil erledigt. Zu den
außerdem erhobenen Forderungen nach zusätzlichen Rege-
lungsanpassungen müsse man konstatieren, dass diese
Wünsche auch schon unabhängig von der Rücknahme der
Vorbehaltserklärung bestanden hätten. Insofern scheine es
aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion geboten, eventuellen Än-
seien ihre diesbezüglichen Entwürfe zu Gesetzesänderun-
gen zu vermissen.

derungsbedarf im Gespräch mit den hierfür zuständigen
Fachpolitikerinnen und -politikern zu prüfen. Derzeit könne

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/2509

die Fraktion jedoch keinen dringenden Handlungsbedarf er-
kennen.

Die Fraktion der FDP betonte, innerhalb ihrer noch kurzen
Regierungszeit sei es der christlich-liberalen Koalition bereits
gelungen, eine seit nahezu 20 Jahren diskutierte Forderung
zu erfüllen und die Vorbehaltserklärung zurückzunehmen.
Dies sei mehr als jede andere Regierung seit Hinterlegung
der Ratifikationsurkunde zur Kinderrechtskonvention habe
erreichen können, weshalb für die Opposition keinerlei Ver-
anlassung bestehe, der Koalition hier Vorwürfe zumachen.
Auch an der Einrichtung eines Individualbeschwerdever-
fahrens, wie im Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gefordert, arbeite man aktiv, denn dieser Punkt sei
ebenfalls Gegenstand des Koalitionsvertrages. Insgesamt sei
man im Hinblick auf die Kinderrechte in Deutschland bereits
auf einem sehr guten Weg.

Berlin, den 7. Juli 2010

Dr. Peter Tauber
Berichterstatter

Marlene Rupprecht (Tuchenbach)
Berichterstatterin

Miriam Gruß
Berichterstatterin

Diana Golze
Berichterstatterin

Katja Dörner
Berichterstatterin

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