BT-Drucksache 17/2433

Verbesserung der Regelungen zur Einsatzversorgung

Vom 7. Juli 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2433
17. Wahlperiode 07. 07. 2010

Antrag
der Abgeordneten Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen), Peter Altmaier, Michael
Brand, Dr. Reinhard Brandl, Ingrid Fischbach, Ingo Gädechens, Markus Grübel,
Florian Hahn, Jürgen Hardt, Robert Hochbaum, Roderich Kiesewetter,
Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg), Stefan Müller (Erlangen), Michaela Noll, Henning
Otte, Sibylle Pfeiffer, Anita Schäfer (Saalstadt), Dr. Patrick Sensburg, Karin Strenz,
Volker Kauder, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Elke Hoff, Rainer Erdel, Burkhardt Müller-Sönksen,
Christoph Schnurr, Joachim Spatz, Birgit Homburger und der Fraktion der FDP

Verbesserung der Regelungen zur Einsatzversorgung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Militärische und zivile Auslandsverwendungen in Konfliktgebieten und Kri-
senregionen sind mit besonderen Gefahren für das eingesetzte Personal verbun-
den, die nicht mit den Risiken bei normalen dienstlichen Tätigkeiten im In-
landsdienst gleichgesetzt werden können. Dies wurde in schrecklicher Weise
zuletzt durch die Gefechte vom 2. und 15. April 2010 in Afghanistan mit insge-
samt sieben Gefallenen und zahlreichen weiteren Verwundeten erneut offen-
kundig.

Neben Berufssoldaten, Soldaten auf Zeit, freiwillig zusätzlichen Wehrdienst
Leistenden (FWDL) und Reservisten sind für den Bund auch zivile Beschäf-
tigte vergleichbaren Gefährdungslagen im Einsatz ausgesetzt, sodass eine ver-
gleichbare Absicherung des Zivilpersonals gefordert ist.

Der Gesetzgeber hat auf diese besonderen und sich insbesondere in Afghanistan
stets weiter erhöhenden Gefährdungen der in besonderen Auslandsverwendun-
gen eingesetzten Personen wiederholt reagiert. Nach einer Fortentwicklung des
Auslandsverwendungsgesetzes im Jahre 1995 wurde 2004 durch das Einsatz-
versorgungsgesetz (EinsatzVG) eine wesentliche Verbesserung der finanziellen
Versorgungsleistungen im Falle eines sog. Einsatzunfalls erreicht.

Ein weiterer Baustein der neuen Einsatzversorgung wurde sodann im Jahr 2007
mit dem Einsatz-Weiterverwendungsgesetz (EinsatzWVG) hinzugefügt, auf
dessen Grundlage Betroffenen alternativ eine berufliche Perspektive in der

Form der Wiederherstellung der Dienst- bzw. Arbeitsfähigkeit – z. B. für die
spätere Eingliederung in den zivilen Arbeitsmarkt – bzw. unter bestimmten
Voraussetzungen ein anschließender Rechtsanspruch auf dauerhafte Weiterbe-
schäftigung im Bundesdienst eröffnet wurde.

Gleichwohl hat sich zwischenzeitlich erwiesen, dass die getroffenen Maßnah-
men des Gesetzgebers einer weiteren Fortentwicklung bedürfen. Dies gilt ins-
besondere im Hinblick auf die Nichtberufssoldaten (Soldaten auf Zeit, FWDL

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oder Reservisten), deren Versorgungssituation teilweise immer noch erheblich
hinter dem Anspruchsniveau z. B. für Berufssoldaten zurückbleibt.

Unbeschadet des bisher Erreichten und auf der Grundlage der dem eingesetzten
militärischen und zivilen Personal gegenüber bestehenden besonderen Fürsor-
geverpflichtung müssen erkannte Lücken geschlossen und alle möglichen
Schritte unternommen werden, um den im Einsatz versehrten und gefallenen
Soldatinnen und Soldaten, Beamtinnen und Beamten bzw. Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern sowie deren Hinterbliebenen die bestmögliche soziale Ab-
sicherung zu gewähren. Zugleich kommt es darauf an, auch ein Zeichen in die
Öffentlichkeit zur Verbesserung der Einsatzversorgung zu geben. Dies gilt ins-
besondere für die Reservisten, auf die die Bundeswehr für die Auslandseinsätze
zunehmend angewiesen ist.

Vor diesem Hintergrund der gemeinsamen Verantwortung der Bundesregierung
und des Deutschen Bundestages für unsere im Einsatz für ihr Land gefallenen
und verwundeten Soldaten und zivilen Mitarbeiter müssen die entstehenden
finanziellen Lasten durch den gesamten Bundeshaushalt getragen werden und
können nicht zu Lasten des Verteidigungshaushaltes gehen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. dafür Sorge zu tragen, dass die Beträge der einmaligen Entschädigung (§ 63e
i. V. m. § 63a des Soldatenversorgungsgesetzes – SVG) auf 150 000 Euro
(für die Witwe 100 000 Euro, für die Eltern 40 000 Euro, für Großeltern
20 000 Euro) erhöht werden, da insbesondere bei Nichtberufssoldaten (frei-
willig länger dienende Grundwehrdienstleistende, Soldaten auf Zeit sowie
Reservisten) die Höhe des derzeitigen Betrages keine angemessene Entschä-
digung mehr darstellt. Dies gilt schwerpunktmäßig vor dem Hintergrund ei-
ner Schädigung bei lebensjüngeren Soldatinnen und Soldaten, die ihr Er-
werbsleben weitgehend noch vor sich haben. Bei einem Einsatzunfall und
einem daraus resultierenden dauerhaften Grad der Schädigungsfolgen (GdS)
von mindestens 50 Prozent wird derzeit eine einmalige Entschädigung in
Höhe von 80 000 Euro gewährt;

2. sicherzustellen, dass die Ausgleichszahlung für bestimmte Statusgruppen
(§ 63f SVG) entsprechend erhöht wird.

Im Falle eines Einsatzunfalls erhalten Nichtberufssoldaten bisher eine Auf-
stockung der in Nummer 1 dargestellten einmaligen Entschädigung. Der
Grundbetrag beträgt derzeit 15 000 Euro und erhöht sich bei Soldaten auf
Zeit um 3 000 Euro für jedes vor dem Einsatzunfall zurückgelegte Dienst-
jahr, für jeden weiteren vollendeten Dienstmonat um 250 Euro. Für übrige
Nichtberufssoldaten (freiwillig länger dienende Grundwehrdienstleistende,
Reservisten) beträgt die Erhöhung (nur) 250 Euro für jeden vor dem Einsatz-
unfall vollendeten Dienstmonat. Die entsprechenden Beträge sind aus den in
Nummer 1 genannten Gründen ebenfalls zu verdoppeln;

3. eine Verbesserung des Schadensausgleichs in besonderen Fällen (§ 63b
SVG) herbeizuführen.

Lebens- und Unfallversicherungen enthalten oftmals sog. Kriegsklauseln,
die bei einer im Einsatz erlittenen Schädigung häufig zu einem Leistungs-
verweigerungsrecht des Versicherers führen. Ersatzweise tritt der Bund als
sog. Ausfallbürge in angemessenem Umfang ein. Das bedeutet, dass der
Bund in der Regel anstelle der Versicherung leistet.

Gemäß § 63b Absatz 3 SVG kann der Schadensausgleich jedoch nur an
natürliche Personen gewährt werden. Ausgeschlossen sind bisher juristische

Personen, was in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten führt, wenn
Betroffene z. B. zur Finanzierung von Wohneigentum entsprechende Ver-

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sicherungsansprüche an ihre Bank (juristische Person) abgetreten haben.
Denn dann zahlt weder die Versicherung noch greift die Ausfallbürgschaft
des Bundes, so dass die Begünstigten trotz gezahlter Versicherungsprämien
keinerlei Leistung erhalten. Diese Regelung wird von zahlreichen Betroffe-
nen heftig kritisiert.

Hier ist die Zahlung des Schadensausgleichs auch an juristische Personen zu
ermöglichen;

4. Maßnahmen zu ergreifen, dass die Nichterweislichkeit des Ursachenzusam-
menhangs zwischen Wehrdienst und Schädigung nicht zu Lasten der Ge-
schädigten erfolgt.

Nach bisheriger Rechtslage kann eine Einsatzschädigung bzw. Wehrdienst-
beschädigung nur anerkannt werden, wenn der Ursachenzusammenhang
zwischen wehrdienstbedingten Umständen und erlittener Schädigung zu-
mindest wahrscheinlich ist. Dies führt insbesondere im Bereich seelisch-
psychischer Erkrankungen (z. B. PTBS) zu erheblichen Verfahrensverzöge-
rungen bzw. Leistungsausschlüssen, da die häufig gegebene Nichterweis-
lichkeit des Ursachenzusammenhangs stets zu Lasten des Antragstellers
geht. Betroffene werden zudem häufig darauf verwiesen, für die vorhandene
Schädigung kämen in gleicher Weise anlagebedingte Umstände in Betracht.

Hier ist – nur für den Bereich der Auslandseinsätze – die Regelung einzufüh-
ren, dass bereits die Glaubhaftmachung eines ursächlichen Zusammenhangs
zwischen dem Wehrdienst bzw. den besonderen Verhältnissen am ausländi-
schen Verwendungsort und der erlittenen Schädigung für die Anerkennung
als Einsatzunfall/Wehrdienstbeschädigung genügt;

5. sicherzustellen, dass Einsatzzeiten in der Versorgung doppelt gewertet wer-
den.

Es ist nicht verständlich, warum Zeiten der Dienstausübung unter gesund-
heitsschädigenden klimatischen Verhältnissen bei der Pensionsberechnung
doppelt berücksichtigt werden (vgl. § 25 Absatz 2 SVG) und Zeiten im Aus-
landseinsatz, bei denen Betroffene einer erheblichen Gefahr für Leib und
Leben ausgesetzt werden, nicht. Gleiches gilt für den Umstand, dass bis zum
31. Dezember 1995 in den neuen Bundesländern zurückgelegte Zeiten regel-
mäßig einer Doppelanrechnung unterliegen (vgl. § 3 der Soldatenversor-
gungs-Übergangsverordnung – SVÜV).

Bei den Nichtberufssoldaten ist eine entsprechende Berücksichtigung durch
eine Verbesserung der Nachversicherungsregelungen in der gesetzlichen
Rentenversicherung herbeizuführen. Denkbar ist z. B., dass im Auslandsein-
satz zurückgelegte Zeiten bzw. entsprechende Verdienste auch bei der Nach-
versicherung doppelt zu berücksichtigen sind;

6. das EinsatzWVG fortzuentwickeln.

Das EinsatzWVG hat gerade für Nichtberufssoldaten eine erhebliche Bedeu-
tung, da durch den Rechtsanspruch auf lebenslange Weiterverwendung die
im Vergleich zu den Berufssoldaten immer noch deutlich geringeren
monatlichen Versorgungsbezüge angemessen kompensiert werden können.
Diese Kompensation läuft jedoch ins Leere, wenn der eigentliche Weiterver-
wendungsanspruch am Ende der sog. Schutzzeit nicht greift. Die derzeit
bestehende Hürde eines Schädigungsgrades von mindestens 50 Prozent er-
scheint dafür zu hoch. Um dem Gesetzeszweck ausreichend Rechnung zu
tragen, ist der entsprechende Vomhundertsatz (z. B. in § 7 EinsatzWVG) auf
30 Prozent zu reduzieren. Denn gerade bei psychischen Erkrankungen exis-
tiert keine sog. Gliedertaxe, sondern muss der GdS jeweils individuell er-
mittelt werden, wobei das Erreichen der 50 Prozent regelmäßig äußerst

schwierig ist, da die Erwerbsminderung, anders als z. B. bei einem fehlen-
den Arm oder Bein, nicht von außen erkennbar ist.

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Des Weiteren ist auf die bisher erforderliche Bewährung in einer sechsmo-
natigen Probezeit (vgl. z. B. erneut § 7 EinsatzWVG) im Anschluss an die
Schutzzeit und vor der eigentlichen (dauerhaften) Weiterverwendung zu ver-
zichten, da dies von den Betroffenen als äußerst belastender Unsicherheits-
faktor gesehen wird.

Darüber hinaus kann die Entschädigung bzw. die Eröffnung einer lebenslan-
gen beruflichen Perspektive nicht von einem Stichtag abhängig gemacht
werden. Das EinsatzWVG ist daher zumindest auf den Zeitpunkt des In-
krafttretens des Auslandsverwendungsgesetzes, also den 1. Juli 1992, weiter
zurückzudatieren. Damit wird eine entsprechende Versorgung insbesondere
auch der ehemaligen Soldaten auf Zeit und der Reservisten seit Beginn der
besonderen Auslandsverwendungen gewährleistet;

7. sicherzustellen, dass die Hinterbliebenenversorgung für gefallene Nichtbe-
rufssoldaten an die entsprechende Versorgung bei Berufssoldaten angepasst
wird.

Obgleich Nichtberufssoldaten bei der Auftragserfüllung in Auslandseinsät-
zen zusammen mit den Berufssoldaten tagtäglich demselben Risiko, ver-
wundet oder getötet zu werden, ausgesetzt sind, existieren aktuell im Be-
reich der Hinterbliebenenversorgung gravierende Unterschiede. So erwirbt
die Witwe eines im Einsatz gefallenen freiwillig länger dienenden Grund-
wehrdienstleistenden oder Reservisten lediglich den – um die Bundeswehr-
dienstzeit ihres verstorbenen Gatten nachberechneten – gesetzlichen Renten-
anspruch, wohingegen die Hinterbliebenenversorgung des Kameraden im
Status Berufssoldat, konkret beläuft sich diese auf 80 Prozent der Bezüge
aus der jeweiligen Mindestbesoldungsgruppe, erheblich besser ausfällt.

Zur Gewährleistung einer wesentlich besseren Hinterbliebenenversorgung
von Angehörigen gefallener Nichtberufssoldaten müssen diese eine Versor-
gung entsprechend der von Hinterbliebenen gefallener Berufssoldaten erhal-
ten;

8. zu gewährleisten, dass die Bearbeitungszeiten für Verfahren wegen Wehr-
dienstbeschädigung verkürzt werden.

Die Verfahren zur Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung dauern er-
fahrungsgemäß bis zu vier Jahre, ohne dass es an der Erfüllung der Mitwir-
kungspflichten der Betroffenen fehlen würde.

Insbesondere dann, wenn es um eine finanzielle Entlastung des durch die
Gesundheitsschäden erschwerten Alltages oder gar um die Hinterbliebenen-
versorgung geht, wird ein solcher Zeitraum für nicht zumutbar eingestuft.

Hier ist – trotz Reduzierung des Zivilpersonals der Bundeswehr – nachhal-
tige Abhilfe zu schaffen;

9. sicherzustellen, dass sämtliche Regelungen – sofern diese dem Grunde nach
übertragbar sind – für in besonderen Auslandsverwendungen eingesetztes
Zivilpersonal bzw. deren Hinterbliebene entsprechend gelten.

Berlin, den 7. Juli 2010

Volker Kauder, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) und Fraktion
Birgit Homburger und Fraktion

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