BT-Drucksache 17/2430

EU-Fördermittel aus dem Emissionshandel für erneuerbare Energien und zur Verringerung prozessbedingter Emissionen

Vom 7. Juli 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2430
17. Wahlperiode 07. 07. 2010

Antrag
der Abgeordneten Oliver Krischer, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Dr. Hermann Ott,
Dorothea Steiner, Bettina Herlitzius, Winfried Hermann, Ulrike Höfken, Dr. Anton
Hofreiter, Friedrich Ostendorff, Markus Tressel, Daniela Wagner, Kai Gehring und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

EU-Fördermittel aus dem Emissionshandel für erneuerbare Energien und zur
Verringerung prozessbedingter Emissionen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Nach dem Beschluss NER300 im Rahmen des Gemeinschaftssystems für den
Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten nach der Richtlinie 2003/87/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates sollen aus dem europäischen Emis-
sionshandel 300 Millionen Zertifikate für die Förderung von 34 Demonstrati-
onsprojekten aus dem Bereich erneuerbare Energien und acht CCS-Demonstra-
tionsprojekten (CCS: Carbon Capture and Storage) bereitgestellt werden. Bei
einem Preis von 20 bis 30 Euro pro Tonne CO2 bedeutet dies ein Gesamtvolu-
men von 6 bis 9 Mrd. Euro an Fördergeldern. Die Erlöse der Zertifikate sollen
in einer ersten Tranche bis zum 31. Dezember 2011 (200 Millionen Zertifikate)
und in einer zweiten Tranche bis zum 31. Dezember 2013 (100 Millionen Zerti-
fikate sowie nicht ausgeschüttete Zertifikate der ersten Tranche) zur Verfügung
gestellt werden. Antragsteller haben bis zum 30. September 2010 die Möglich-
keit, bei dem Mitgliedstaat, auf dessen Territorium sie das Projekt durchführen
wollen, Projektanträge für die erste Tranche einzureichen. Der Mitgliedstaat hat
daraufhin die Aufgabe zu überprüfen, ob die Projekte den Förderkriterien der
Europäischen Kommission nach Artikel 6 NER300 entsprechen und wird diese
im Falle eines positiven Prüfungsausgangs bis zum 31. Dezember 2010 bei der
Europäischen Investitionsbank einreichen und die Europäische Kommission
darüber informieren. Die Europäische Kommission wird bis zum 31. Dezember
2011 endgültig darüber entscheiden, welche Projekte gefördert werden. In
jedem Mitgliedsland welches Projekte vorschlägt, werden minimal ein und
maximal drei Projekte gefördert, sofern diese die Förderkriterien der EU erfül-
len. Bedingung für eine Förderung ist unter anderem, dass das Projekt bis zum
31. Dezember 2015 voll einsatzfähig sein muss.
Eine Erforschung der CCS-Technologie für die Kohleverstromung ist in
Deutschland nicht zielführend, da so die überkommene Stromerzeugungsstruk-
tur in Form von zentralen Großkraftwerken zementiert und CO2 in einer
Größenordnung produziert würde, deren sichere unterirdische Lagerung ange-
sichts begrenzter Speichervorkommen von vorneherein ausgeschlossen ist.
Weiterhin stellt sich die Frage nach dem Bedarf an der CCS-Technologie in der
deutschen Energielandschaft: Die CCS-Technologie wird frühestens zwischen

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2020 und 2030 großtechnisch zur Verfügung stehen. Durch den fortschreiten-
den Ausbau der erneuerbaren Energien wird zu diesem Zeitpunkt der Neubau
von Kohlekraftwerken in Deutschland kaum mehr wirtschaftlich sein. Eine
Nachrüstung bereits existierender Kohlekraftwerke mit CCS-Technologie ist
aus technischen und ökonomischen Gründen ohnehin sehr unrealistisch. Inzwi-
schen wird sogar in der Energiewirtschaft immer mehr die Perspektive für eine
großtechnische Anwendung von CCS-Technologie bei der Kohleverstromung
in Deutschland bezweifelt.

Angesichts dessen ist es nicht sinnvoll, EU-Fördergelder in die CCS-Techno-
logie bei Kohlekraftwerken zu investieren. Die Forschung sollte sich stattdes-
sen vorrangig auf die Vermeidung und Verringerung prozessbedingter Emissio-
nen von Industrieanlagen (wie sie z. B. bei der Produktion von Zement und
Stahl entstehen) sowie auf die CCS-Technologie in diesem Bereich konzentrie-
ren. Auch bei Biogasanlagen muss die CO2-Vermeidung und die CO2-Abschei-
dung (zur aktiven Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre) erforscht werden.
Für diese Emissionen gilt es in den kommenden Jahren zu prüfen, ob ein CO2-
Recycling oder eine sichere unterirdische Speicherung möglich ist.

Daher sollten zum Stichtag 31. Dezember 2010 ausschließlich Projekte aus
dem Bereich der erneuerbaren Energien und für CCS-Demonstrationsanlagen
für prozessbedingte Prozesse wie etwa bei Stahl- oder Zementwerken bei der
Europäischen Investitionsbank mit Antrag auf Förderung eingereicht werden.
Erneuerbare-Energien-Technologien haben im Jahr 2009 in Deutschland bereits
93,3 Mrd. Kilowattstunden Strom produziert und deckten damit 16,1 Prozent
des Strombedarfs in Deutschland ab. In den vergangenen Jahren sind in dieser
erfolgreichen Wachstumsbranche 300 000 Arbeitsplätze entstanden. Deutsch-
land verfügt bei den erneuerbaren Energien in vielen Bereichen über die Tech-
nologieführerschaft. In nahezu allen Industrienationen, aber zunehmend auch
in Schwellen- und Entwicklungsländern, schreitet der Ausbau der erneuerbaren
Energien immer schneller voran. Für Deutschland bieten sich dabei enorme
wirtschaftliche Chancen, seine Spitzentechnologien zu exportieren und gleich-
zeitig damit einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Erneuerbare Energien
schaffen weltweit Millionen von Arbeitsplätzen, sind unendlich verfügbar und
verursachen kein CO2.

In der Industrie entstehen zurzeit jährlich etwa 80 Mio. Tonnen prozessbedingte
CO2-Emissionen, z. B. bei der Stahl- und Zementproduktion, für die es heute
noch keine marktrelevante Vermeidungsoption gibt. Vor dem Hintergrund der
Erreichung des 2-Grad-Ziels müssen auch für diese prozessbedingten Emissio-
nen Vermeidungsstrategien entwickelt werden. Hierfür könnten CCS-Techno-
logien und CO2-Vermeidungsstrategien mögliche Alternativen darstellen.

Deutschland sollte die EU-Fördermittel aus dem Emissionshandel nicht für
CCS-Projekte an Kohlekraftwerken verwenden, wo die Technologie hierzu-
lande angesichts der Entwicklung der Energieversorgung hin zu den erneuer-
baren Energien keinen relevanten Beitrag zum Klimaschutz leisten kann.
Deutschland sollte sich vielmehr darum bemühen, Fördergelder für Demonstra-
tionsprojekte aus dem Bereich der erneuerbaren Energien zu nutzen sowie, ge-
eignete Projekte vorausgesetzt, für den Einsatz der CCS-Technologie bei pro-
zessbedingten Emissionen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● im Rahmen der ersten und zweiten Bewerbungsphase bei der Europäischen
Kommission nur Projekte aus dem Bereich erneuerbare Energien und zur
Vermeidung prozessbedingter Emissionen bei Industrieprozessen zur Förde-
rung durch Mittel aus dem Emissionshandel einzureichen;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2430

● auf Grund des kurzen Zeitfensters die Industrie aufzufordern und zu unter-
stützen, umgehend erfolgversprechende Projekte bis zum 31. Oktober 2010
vorzuschlagen;

● bei der EU-Kommission darauf hinzuwirken, dass die Forschung an alterna-
tiven Technologien zur Verringerung prozessbedingter Emissionen aus Mit-
teln aus dem EU-Emissionshandel gefördert werden kann.

Berlin, den 6. Juli 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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