BT-Drucksache 17/2374

Deutsche Beteiligung an der Mission der EU zur Ausbildung somalischer Sicherheitskräfte in Uganda (EUTM Somalia)

Vom 2. Juli 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2374
17. Wahlperiode 02. 07. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Jan van Aken, Dr. Diether Dehm,
Annette Groth, Inge Höger, Harald Koch, Niema Movassat, Paul Schäfer (Köln)
und der Fraktion DIE LINKE.

Deutsche Beteiligung an der Mission der EU zur Ausbildung somalischer
Sicherheitskräfte in Uganda (EUTM Somalia)

Im Mai 2010 begann die EU-Militärmission EUTM Somalia in Uganda. Deren
Ziel „ist eine spezielle militärische Ausbildung von insgesamt 2 000 Soldaten,
die in Uganda durchgeführt werden und bereits von Uganda/AMISOM geleis-
tete Ausbildungsmaßnahmen ergänzen soll“ (EuB-BReg 71/2010). Hieran sind
bislang mindestens 13 Soldaten der Bundeswehr beteiligt, die u. a. dem Kom-
mando Operative Führung Einsatzkräfte (Ulm), dem taktischen Ausbildungs-
kommando Italien (Decimomannu), der Unteroffiziersschule der Luftwaffe
(Appen), dem Ausbildungszentrum für abbildende Aufklärung der Luftwaffe
(Fürstenfeldbruck), der Einsatzunterstützungskompanie 34 (Schöneweide) und
dem Lufttransportgeschwader 62 (Wunstorf) angehören. Zu den Ausbildungs-
inhalten soll u. a. der Kampf in bebautem Gelände gehören, ca. 5 bis 10 Prozent
der Gesamtausbildung sollen „unter anderem die Inhalte humanitäres Völker-
recht, Rolle und Funktion des Roten Kreuzes und rechtmäßiges Verhalten bei be-
waffneten Auseinandersetzungen“ ausmachen (Bundestagsdrucksache 17/1532).
Obwohl die Bundeswehr bewaffnet an dieser Mission teilnimmt, wurde kein
Mandat des Deutschen Bundestages eingeholt, da es sich nach Auffassung der
Bundesregierung nicht um einen bewaffneten Einsatz der Streitkräfte im Sinne
des Parlamentsbeteiligungsgesetzes handelt.

Nach ihrer Ausbildung in Uganda sollen die Soldaten der somalischen Über-
gangsregierung (TFG) unterstellt und durch die USA finanziert werden. Die
TFG gilt zwar als offizielle Regierung Somalias und ist der Ansprechpartner der
internationalen Gemeinschaft, kontrolliert aber selbst mithilfe der Soldaten der
Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) nur einige zentrale Infrastrukturen
in der Hauptstadt und besteht aus verschiedenen, teilweise verfeindeten Milizen.

Äthiopien bildete und rüstete mit internationaler Unterstützung zwischen 2006
und 2008 17 000 somalische Soldaten und Polizisten für die TFG aus, von
denen bereits im Dezember 2008 nur noch 3 000 als „Sicherheitskräfte“ der
TFG aktiv waren. Bei den restlichen 14 000 ist davon auszugehen, dass sie zu
anderen bewaffneten Gruppen übergelaufen oder desertiert sind oder getötet
wurden. Bis 2011 wollen die Afrikanische Union (AU) im Rahmen ihrer
AMISOM-Mission weitere 6 000 Soldaten und das Entwicklungsprogramm
der Vereinten Nationen (UNDP) 10 000 Polizisten für die TGF ausbilden. Die
EU bot 72 Mio. US-Dollar zur Unterstützung dieser Ausbildungsprogramme
an. Weitere bilaterale Ausbildungsprogramme Russlands, Frankreichs und der
USA finden in Dschibuti und Uganda statt (www.imi-online.de).

Drucksache 17/2374 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Internationale Beobachter gehen davon aus, dass die TFG auch mit dieser Un-
terstützung keine flächendeckende Kontrolle in Somalia wird herstellen können
und dass deren internationale Unterstützung lediglich zur Verhärtung der Fron-
ten im Bürgerkrieg beiträgt.

Im April 2010 veröffentlichte Human Rights Watch (HRW) einen Bericht, der
allen Konfliktparteien – auch der AMISOM-Mission und den Soldaten der
TFG – schwere Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das Kriegs-
völkerrecht vorwarf. Die Einheiten von UNISOM und der TFG hätten u. a. mit
Mörsern dicht besiedelte Stadtteile angegriffen. HRW bescheinigten interna-
tionalen Akteuren daher eine unmittelbare – und oft kontraproduktive – Rolle
in Somalia. Ihre uneingeschränkte Unterstützung für die TFG und AMISOM
führe dazu, dass sie die Verfehlungen ihrer Truppen herunterspiele oder erst
gar nicht zur Kenntnis nehme (www.hrw.org). Im jüngsten Bericht des UN-Ge-
neralsekretärs über Kinder in bewaffneten Konflikten wird der TFG vorge-
worfen, Kindersoldaten zu rekrutieren, und dass einige der TFG angehörenden
Milizen zu bis zu 50 Prozent aus Kindersoldaten bestehen würden
(www.un.org). Die „New York Times“ berichtet von Neunjährigen, die als Sol-
daten für die TFG arbeiten würden (www.nytimes.com).

Mehrere US-Senatoren haben deshalb bereits die Einstellung der Zahlungen
der USA an die Soldaten der TFG eingefordert, die bislang über das privat-
wirtschaftliche Beratungsunternehmen PriceWaterhouseCoopers abgewickelt
werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Aufgrund welcher Kriterien, mit welchen Mitteln und durch welche Akteure
erfolgen die Anwerbung und Überprüfung der im Rahmen von EUTM aus-
zubildenden Rekruten in Somalia?

2. Wie, unter wessen Kommando und mit welchen Transportmitteln werden
diese Soldaten nach Uganda verlegt?

3. Findet in Uganda eine weitere Überprüfung der Auszubildenden durch
Angehörige der EUTM statt?

Wenn ja, nach welchen Kriterien?

4. Wie wird das Alter der Auszubildenden überprüft, und wie stellt die Bundes-
regierung sicher, dass es sich hierbei nicht um Minderjährige handelt, die
nach dem von Deutschland unterzeichneten Fakultativprotokoll über die
Beteiligung von Kindern in bewaffneten Konflikten „nicht unmittelbar an
Feindseligkeiten teilnehmen“ sollen?

5. Kam es schon zur Ablehnung der Ausbildung einzelner Soldaten durch die
EUTM oder Angehörige der EUTM?

Wenn ja, mit welcher Begründung?

6. Wurde nach dieser Ablehnung sichergestellt, dass diese Bewerber nicht
direkt von der TFG als Soldaten ausgebildet und eingesetzt werden, und
wenn ja, wie?

7. Sind der Bundesregierung die Berichte der UNO bekannt, wonach die TFG
Minderjährige rekrutiert und einsetzt?

8. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Anwerbung und
Rekrutierung von Minderjährigen durch die TFG, und wie bewertet dies die
Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass Somalia 2005 das Fakultativ-
protokoll über die Beteiligung von Kindern in bewaffneten Konflikten unter-
zeichnet hat?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2374

9. Wie werden die EU und die Bundesregierung gewährleisten, dass keine
Minderjährigen im Rahmen von EUTM ausgebildet werden und für die
durch EUTM ausgebildeten Einheiten zu einem späteren Zeitpunkt keine
Minderjährigen zusätzlich rekrutiert werden?

10. Welche Informationen hat die Bundesregierung über Anwerbungsversuche
von teilweise minderjährigen Soldaten für die TFG in Flüchtlingslagern in
Kenia?

11. Sind die somalischen Soldaten bereits bei ihrer Ankunft in Uganda bewaff-
net, und um welche Waffen handelt es sich?

12. An welchen Waffen und an welchen militärischen Geräten werden die so-
malischen Soldaten durch EUTM ausgebildet, und durch wen werden die
Waffen und andere Güter bereitgestellt?

13. Wann und durch wen erhalten die im Rahmen von EUTM ausgebildeten
Soldaten die Waffen, die sie in Somalia verwenden sollen, und unter wel-
chen Bedingungen sind die Auszubildenden berechtigt, Waffen in Uganda
zu tragen?

14. Ist in Uganda die Bewegungsfreiheit der im Rahmen von EUTM auszubil-
denden somalischen Soldaten eingeschränkt, und wenn ja, auf welches Ge-
biet, und wer kontrolliert dies?

15. Werden dieselben Soldaten von Angehörigen der EUTM und Angehörigen
der ugandischen Streitkräfte ausgebildet?

16. An welchen Orten findet die Ausbildung der somalischen Soldaten in
Uganda durch die EUTM statt, und erfolgt an diesen Standorten auch die
Ausbildung durch die ugandischen Streitkräfte, bzw. sind dort auch Ange-
hörige der US-Army oder der AMISOM präsent, und wenn ja, mit welchen
Aufgaben?

17. Wer ist mit dem Schutz dieser Einrichtungen und des Personals der EUTM
beauftragt, und kommen dabei auch private Sicherheitskräfte zum Einsatz?

Wenn ja, wie viele?

18. Wie gestaltet sich die Aufgabenteilung bei der Ausbildung der somalischen
Soldaten zwischen EUTM, ugandischen Streitkräften, AMISOM und der
US-Armee?

19. Was ist der Bundesregierung über Zwischenfälle am 10. und 12. Juni 2010
bekannt, bei denen somalische Soldaten ihre ugandischen Ausbilder mit
Steinen beworfen und diese daraufhin Warnschüsse abgegeben haben sol-
len, welcher Art waren die bei diesen Vorfällen erlittenen Verletzungen auf
beiden Seiten, wie waren die Reaktionen der EUTM hierauf, und kam es
seither zu ähnlichen Zwischenfällen?

20. Welche Informationen hat die Bundesregierung über „körperliche Züch-
tigung“ somalischer Rekruten im Rahmen ihrer Ausbildung in Uganda?

21. Wie bewertet die Bundesregierung die Disziplin innerhalb der ugandischen
Streitkräfte, welche Informationen hat sie über die innerhalb der ugandi-
schen Streitkräfte vorherrschenden Loyalitäten, und wie bewertet die Bun-
desregierung das Vorgehen der ugandischen Streitkräfte in den vergangenen
Jahren gegen die Lords Resistance Army und auf dem Territorium der De-
mokratischen Republik Kongo?

22. Welchen Teilstreitkräften werden die in Uganda ausgebildeten Soldaten
nach ihrer Rückkehr nach Somalia untergeordnet, unter wessen Kommando
werden die Soldaten gestellt, und welche weitergehenden Kenntnisse hat die
Bundesregierung über die Befehlskette, der sie in der Folge unterstehen?

Drucksache 17/2374 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
23. Wer ist für das „Monitoring and Mentoring“ der von EUTM ausgebildeten
Kräfte nach ihrer Rückkehr nach Somalia zuständig, und in welcher Weise
wird sich die EU an diesem „Monitoring and Mentoring“ direkt oder indi-
rekt beteiligen?

24. Wie wollen die USA die Auszahlung des Soldes an die im Rahmen von
EUTM ausgebildeten Soldaten sicherstellen, und welche Aufgaben wird
diesbezüglich das Unternehmen PriceWaterhouseCoopers wahrnehmen?

25. Welche Maßnahmen wurden getroffen, um die am 25. Januar 2010 im Rat
für Auswärtige Angelegenheiten aufgeworfenen Fragen nach der regelmä-
ßigen Bezahlung und der Überprüfung und Überwachung der im Rahmen
von EUTM ausgebildeten Soldaten nach deren Rückkehr nach Somalia zu-
friedenstellend zu beantworten?

26. Welche Gebiete in Somalia und der Hauptstadt Mogadischu befinden sich
gegenwärtig nach Informationen der Bundesregierung unter der Kontrolle
der der TFG unterstehenden National Security Force Somalia und verbün-
deter Kräfte?

27. Wie kann nach Auffassung der Bundesregierung eine flächendeckende
Kontrolle der National Security Force in Somalia durch wen (Deutschland,
die EU, UNO) hergestellt werden?

28. Beteiligt sich die Bundeswehr im Rahmen von EUTM an der Ausbildung
zum Kampf in bebautem Gelände?

29. Im Umgang mit welchen Aufklärungsmitteln werden die somalischen Sol-
daten im Rahmen von EUTM ausgebildet, und werden hiermit Grundlagen
geschaffen, um später Aufklärungsdaten der Bundeswehr, der EU, der
NATO oder anderer Streitkräfte an die National Security Force in Somalia
weiterzugeben oder die Weitergabe von Aufklärungsdaten der National
Security Force in Somalia an internationale Kräfte zu ermöglichen?

30. Welche Institutionen und Akteure in Somalia werden nach Kenntnis der
Bundesregierung durch das europäische Instrument für Stabilität unter-
stützt?

31. Treffen die Berichte von amnesty international zu, nach denen die Bundes-
regierung gemeinsam mit Italien die Ausbildung von Polizeikräften für die
TFG in Äthiopien unterstütze (amnesty international 2010: Somalia – Inter-
national Military and Policing Assistance should be reviewed), und wenn ja,
auf welche Art, und seit wann unterstützt die Bundesregierung die Ausbil-
dung von Polizisten für die TFG, und wie viele somalische Polizisten wur-
den seit Beginn der Ausbildung in Somalia mit deutscher Hilfe ausgebildet?

32. Wie viele Polizeikräfte wurden bislang durch wen und wo im Rahmen des
UNDP-Law-Enforcement-Programms ausgebildet, welches die Europäische
Union mit 12 Mio. US-Dollar unterstützt?

33. Welche Bereiche der Ausbildung der somalischen Sicherheitskräfte werden
mit welchen Summen aus dem European Development Fund oder der Afri-
can Peace Facility finanziert?

Berlin, den 30. Juni 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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