BT-Drucksache 17/2258

Untersuchungen zur Liberalisierung des Fernlinienbusverkehrs und seinen Auswirkungen auf den Schienenpersonenfernverkehr

Vom 18. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2258
17. Wahlperiode 18. 06. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Bettina Herlitzius,
Stephan Kühn, Ingrid Nestle, Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Untersuchungen zur Liberalisierung des Fernlinienbusverkehrs und seinen
Auswirkungen auf den Schienenpersonenfernverkehr

Innerhalb Deutschlands gibt es bis auf Ausnahmen wie den Verkehr von und
nach Berlin, der in der Zeit der Insellage West-Berlins entstand, oder Zubringer-
verkehren zu Flughäfen nahezu keinen Linienfernverkehr mit Omnibussen. Ver-
antwortlich dafür ist der geltende Rechtsrahmen und nicht etwa fehlendes Poten-
zial für Fernlinienbusse. Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) sieht die
Genehmigungspflicht für Buslinienverkehre vor (§ 2 Absatz 1 Satz 3 PBefG).
Die Genehmigung ist von den Genehmigungsbehörden zu versagen, wenn der
Verkehr mit den vorhandenen Verkehrsmitteln befriedigend bedient werden
kann (§ 13 Absatz 2 Satz 2a PBefG) oder der beantragte Verkehr ohne eine we-
sentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung Verkehrsaufgaben übernehmen
soll, die vorhandene Unternehmer oder Eisenbahnen bereits wahrnehmen (§ 13
Absatz 2 Satz 2b PBefG). In der Regel folgten Genehmigungsbehörden bei An-
trägen für Fernbuslinien der Argumentation der Deutschen Bahn AG (DB AG),
dass mit ihrem Angebot im Schienenpersonenfernverkehr der Verkehr befriedi-
gend bedient werden könne und der Fernlinienbus keine wesentliche Verbesse-
rung der Verkehrsbedienung darstelle, und lehnten die Anträge ab. Vorstöße zur
Erleichterung von Fernlinienbusverkehren sind in der Vergangenheit erfolglos
geblieben. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP steht: „Wir
werden Busfernlinienverkehr zulassen und dazu § 13 PBefG ändern.“

Eine Liberalisierung der Fernlinienbusverkehrs hätte auch Auswirkungen auf
den Schienenpersonenfernverkehr. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU
und FDP enthält auch für diesen Bereich einen Prüfauftrag: „Wir werden die
Vorschläge zur Einführung eines Deutschlandtaktes im Schienenpersonenver-
kehr einer sorgfältigen Überprüfung unter Beteiligung der Länder unterziehen.“
Von daher ist von Interesse, ob und inwieweit eine Wechselwirkung zwischen
der Liberalisierung des Fernlinienbusverkehrs und der Einführung eines
Deutschlandtaktes untersucht worden ist.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Sind vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
(BMVBS) Untersuchungen durchgeführt worden bzw. werden Untersuchun-
gen durchgeführt, oder ist die Durchführung von Untersuchungen geplant, in
denen Auswirkungen von Liberalisierungsszenarien für den Fernlinienbus-
verkehr betrachtet werden?

Drucksache 17/2258 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Wann werden Ergebnisse aus derartigen Analysen gegebenenfalls vorlie-
gen, wann ist eine Weiterleitung an den Ausschuss für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages und wann ist eine allgemeine
Veröffentlichung geplant?

3. Wird für derartige Untersuchungen auf Ressourcen der Bundesregierung
bzw. auf Ressourcen von Organisationen im Einflussbereich der Bundesre-
gierung zurückgegriffen, oder wird hierfür auf externe (Beratungs-)Unter-
nehmen o. Ä. zurückgegriffen (bzw. ist dieses erfolgt oder geplant)?

4. Welche Liberalisierungsszenarien werden in derartigen Untersuchungen
betrachtet (bzw. was ist diesbezüglich erfolgt oder geplant)?

5. Werden in derartigen Untersuchungen die Auswirkungen von Liberalisie-
rungsszenarien auf die Wohlfahrt, auf die Verkehrsleistung im Allgemei-
nen, auf die Verkehrsleistung im motorisierten Individualverkehr (MIV),
auf die Verkehrsleistung der Bahn, auf die wirtschaftliche Situation der
DB AG, auf die Einnahmesituation von Aufgabenträgern des Schienen-
personennahverkehrs untersucht (bzw. sind derartige Auswirkungsanalysen
erfolgt oder geplant) (bitte bezüglich sämtlicher Auswirkungsbereiche ge-
sondert antworten)?

6. Werden Auswirkungsanalysen bezüglich welcher anderer Bereiche durch-
geführt (bzw. ist dies erfolgt oder geplant)?

Werden derartige Analysen in qualitativer und/oder in quantitativer Form
durchgeführt (bzw. ist dies erfolgt oder geplant) (bitte bezüglich sämtlicher
Auswirkungsbereiche gesondert antworten)?

7. Ist in derartigen Untersuchungen auch der Einbezug von Omnibussen in die
Mautpflicht auf den Autobahnen untersucht worden, bzw. ist dies geplant?

8. Sind in diesem Zusammenhang etwaige Verdrängungswirkungen einer
Mautpflicht auf das nachgeordnete Straßennetz betrachtet worden?

9. Welche durchschnittlichen Mautsätze wären den typischerweise im Fern-
busverkehr eingesetzten Bussen auf Basis der vom BMVBS beauftragten
Wegekostenrechnung aufzuerlegen?

10. Welche Möglichkeiten stehen dem BMVBS oder anderer Behörden der
Bundesregierung zur Verfügung, derartige Analysen in quantitativer Form
durchzuführen?

11. Wie schätzt die Bundesregierung die Möglichkeiten ein, derartige Analysen
durch externe Beauftragungen (von Beratungsunternehmen, Forschungs-/
Hochschulinstituten o. Ä.) durchführen zu lassen?

12. Wie beurteilt das BMVBS seine Kompetenzen und die zur Verfügung ste-
henden Ressourcen bzw. die Kompetenzen und Ressourcen von anderen
Behörden der Bundesregierung zur Durchführung oder adäquaten Beauftra-
gung und Betreuung derartiger Analysen?

13. Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen von Liberalisierungs-
szenarien auf die lokale/städtische Infrastruktur (Busbahnhöfe, zuführende
Straßen, Haltestellen des Fernlinienbusverkehrs) und einen etwaigen Aus-
baubedarf?

14. Beabsichtigt der Bund – abgesehen von gegebenenfalls relevanten Bundes-
fernstraßenfinanzierungen – Finanzmittel für Infrastrukturen des Fernlinien-
busverkehrs bereitzustellen?

15. Welche Informationen liegen dem BMVBS darüber vor, in welchem Um-
fang die lokale/städtische Infrastruktur für den Fernlinienbusverkehr sich
aus direkten Zahlungen der Nutzer finanziert und inwieweit sie sich aus

öffentlichen Mitteln der Gebietskörperschaften (gegebenenfalls über zwi-
schengeschaltete Unternehmen o. Ä.) finanziert?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2258

16. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass einer Entscheidung über
eine Liberalisierung des Fernlinienbusverkehrs umfassende Prüfungen der
Auswirkungen einer solchen Entscheidung vorangehen müssen?

Wenn ja, bis wann sollen diese Prüfungen abgeschlossen sein?

Wenn nein, warum nicht?

17. Sind vom BMVBS Untersuchungen durchgeführt worden bzw. werden Un-
tersuchungen durchgeführt, oder ist die Durchführung von Untersuchungen
geplant, in denen Auswirkungen des so genannten „Deutschlandtaktes“ im
Schienenverkehr betrachtet werden?

18. Wird für derartige Untersuchungen auf Ressourcen der Bundesregierung
bzw. auf Ressourcen von Organisationen im Einflussbereich der Bundesre-
gierung zurückgegriffen, oder wird hierfür auf externe (Beratungs-)Unter-
nehmen o. Ä. zurückgegriffen (bzw. ist dieses erfolgt oder geplant)?

19. Welche Szenarien bezüglich eines Deutschlandtaktes werden in derartigen
Untersuchungen betrachtet (bzw. was ist diesbezüglich erfolgt oder ge-
plant)?

20. Wann werden Ergebnisse aus derartigen Analysen ggf. vorliegen, wann ist
eine Weiterleitung an den Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwick-
lung des Deutschen Bundestages und wann ist eine allgemeine Veröffent-
lichung geplant?

21. Werden in derartigen Untersuchungen die Auswirkungen von Szenarien
eines Deutschlandtaktes auf die Wohlfahrt, auf die Verkehrsleistung im All-
gemeinen, auf die Verkehrsleistung im MIV, auf die Verkehrsleistung der
Bahn, untersucht (bzw. sind derartige Auswirkungsanalysen erfolgt oder
geplant) (bitte bezüglich sämtlicher Auswirkungsbereiche gesondert ant-
worten)?

Oder werden Auswirkungsanalysen bezüglich anderer (welcher) Bereiche
durchgeführt (bzw. ist dies erfolgt oder geplant)?

Werden derartige Analysen in qualitativer und/oder in quantitativer Form
durchgeführt (bzw. ist dies erfolgt oder geplant) (bitte bezüglich sämtlicher
Auswirkungsbereiche gesondert antworten)?

22. Welche Möglichkeiten stehen dem BMVBS oder anderen Behörden der
Bundesregierung zur Verfügung, derartige Analysen in quantitativer Form
durchzuführen?

23. Wie schätzt die Bundesregierung die Möglichkeiten ein, derartige Analysen
durch externe Beauftragungen (von Beratungsunternehmen, Forschungs-/
Hochschulinstituten o. Ä.) durchführen zu lassen?

24. Wie beurteilt das BMVBS seine Kompetenzen und die zur Verfügung ste-
henden Ressourcen bzw. die Kompetenzen und Ressourcen von Behörden
der Bundesregierung zur Durchführung oder adäquaten Beauftragung und
Betreuung derartiger Analysen?

25. Werden in gegebenenfalls erfolgten, stattfindenden oder geplanten Unter-
suchungen zum Deutschlandtakt bzw. zu Liberalisierungsszenarien im
Fernbuslinienverkehr mögliche Interdependenzen zwischen der Einführung
eines Deutschlandtaktes und Liberalisierungsszenarien im Fernbuslinien-
verkehr betrachtet?

26. Wann und in welcher Form hat das BMVBS bzw. eine Behörde des Bundes
oder die Deutsche Bahn AG in den vergangenen zehn Jahren die Auswir-
kungen von infrastrukturellen (z. B. Projektbewertungen/-nachbewertun-
gen BVWP-Maßnahmen) oder sonstigen verkehrspolitischen Maßnahmen

auf den Schienenpersonenverkehr im Allgemeinen und den Schienenperso-
nenfernverkehr im Speziellen untersuchen lassen?

Drucksache 17/2258 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
27. Sind derartige Analysen in qualitativer und/oder in quantitativer Form
durchgeführt worden (bitte für alle erfolgten Untersuchungen einzeln be-
antworten)?

Auf welcher methodischen Basis sind derartige Analysen durchgeführt
worden (bitte für alle erfolgten Untersuchungen einzeln beantworten)?

28. Ist für derartige Untersuchungen auf Ressourcen der Bundesregierung
bzw. auf Ressourcen von Behörden des Bundes oder der Deutschen Bahn
AG zurückgegriffen oder ist hierfür auf externe (Beratungs-)Unternehmen
o. Ä. zurückgegriffen worden?

29. Welche Daten und Informationen hat das BMVBS bzw. eine andere Be-
hörde des Bundes für derartige Untersuchungen von der DB AG erhalten
(bitte detaillierte Darstellung für alle erfolgten Untersuchungen)?

30. Sind in entsprechenden Fällen die Daten und Informationen von der DB AG
freiwillig zur Verfügung gestellt worden bzw. über welche rechtlichen Mög-
lichkeiten verfügt die Bundesregierung, die DB AG zur Herausgabe derar-
tiger Daten und Informationen zu bewegen?

31. Sind für derartige Untersuchungen Daten und Informationen von der DB
AG an Auftragnehmer des BMVBS bzw. an Auftragnehmer einer anderen
Behörde des Bundes übergeben worden (bitte detaillierte Darstellung)?

32. Sind in entsprechenden Fällen die Daten und Informationen von der DB AG
freiwillig zur Verfügung gestellt worden?

Haben in den entsprechenden Fällen die Daten und Informationen auch dem
BMVBS bzw. anderen Behörden des Bundes vorgelegen bzw. hätten in den
entsprechenden Fällen die Daten und Informationen auch an das BMVBS
bzw. an die im Einflussbereich der Bundesregierung tätige Organisation
weitergegeben werden können?

33. Inwieweit liegen der Bundesregierung z. B. die Daten der DB Mobility
Logistics AG (DB ML AG) vor, die das Innovationszentrum für Mobilität
und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) GmbH von der DB ML AG für die
Erstellung seiner vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
geförderten Untersuchung Verkehrsmarkt 2030 erhalten hat?

34. In welcher Form gehen die Erkenntnisse der Studie Verkehrsmarkt 2030 des
InnoZ in die derzeit stattfindende Überprüfung des Bedarfsplans Schiene
ein?

35. Bestehen im BMVBS bzw. in der Bundesregierung Planungen, die Bereit-
stellung von entsprechenden Daten und Informationen durch den DB-Kon-
zern zukünftig anders zu handhaben oder ggf. rechtliche Anpassungen
bezüglich der Möglichkeiten zur Einholung derartiger Daten und Informa-
tionen durchzuführen?

Berlin, den 18. Juni 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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