BT-Drucksache 17/2107

Risiken durch die geplante Privatisierung des Bitburger Flugplatzes

Vom 15. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2107
17. Wahlperiode 15. 06. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulrike Höfken, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter,
Bettina Herlitzius, Stephan Kühn, Ingrid Nestle, Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms,
Alexander Bonde, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Undine Kurth (Quedlinburg)
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Risiken durch die geplante Privatisierung des Bitburger Flugplatzes

Beim Flugplatz Bitburg handelt es sich um eine ehemalige US Air Base. Eigen-
tümer der flugbetrieblichen Flächen ist der Bund. Seit den 90er-Jahren haben
verschiedene Investoren(gruppen) erfolglos versucht, einen Fracht- und Passa-
gierflugbetrieb zu entwickeln. Es kam zu einem langwierigen Genehmigungs-
verfahren. Nach dem Scheitern einiger vorgeschlagener Großlösungen wurde
das Gelände aufgeteilt und ein Teil erfolgreich an u. a. heimische Gewerbetrei-
bende vermarktet. Weit über 1 000 Arbeitsplätze entstanden im Teilbereich der
nichtfliegerischen Nutzung, mehr als zur aktiven Zeit der Air Base, einige we-
nige im Bereich der fliegerischen Nutzung.

Nach dem Rückzug der privaten Entwicklungs- und Betriebsgesellschaft Flug-
platz Bitburg mbH haben sich die Landkreise der Region sowie die Städte Trier
und Bitburg mit wenig Erfolg darum bemüht, das angestrebte Ziel der Schaffung
mehrerer hundert Arbeitsplätze auf dem Verkehrslandeplatz zu erreichen.

Im Jahr 2008 wurde eine Instrumentenfluggenehmigung erteilt, die aber noch
nicht bestandskräftig ist. Die Betreibergesellschaft Flugplatz Bitburg mbH mit
einer Anteilsmehrheit von Eifelkreis Bitburg-Prüm und Stadt Bitburg ist finan-
ziell nicht in der Lage, die für den IFR-Betrieb (IFR – Instrumentenflugregeln)
notwendigen Investitionen zu tätigen. Ende 2009 wurde ein Projektentwickler
aus Luxemburg vorgestellt, der die Flugplatz Bitburg GmbH vollständig über-
nehmen und aus dem Verkehrslandeplatz einen internationalen Verkehrsflug-
hafen mit den Schwerpunkten Fracht- und Passagierflug machen will. Die Pläne
des Investors: 400 Mio. Euro Investitionen, 2 000 Arbeitsplätze innerhalb von
15 Jahren, 20 Frachtflugzeuge pro Woche, Verbindungen nach Asien und Süd-
amerika, eine Terminalkapazität für 2,5 Millionen Passagiere pro Jahr. Unklar
ist, wer der künftige Betreiber sein wird: der Entwickler persönlich oder eine
chinesische Firma aus Shanghai, die auf ihrer Internetseite erklärt, den Verkehrs-
landeplatz zu einem internationalen Verkehrsflughafen „BIT Airport“ ent-
wickeln zu wollen. An dieser Firma ist der Entwickler beteiligt.
Das Konzept der Betreibergesellschaft und des Projektentwicklers ist sehr um-
stritten. In der Großregion gibt es mit Frankfurt-Hahn, Zweibrücken, Saar-
brücken, Luxemburg schon jetzt eine Reihe von Flughäfen, die mit großen finan-
ziellen Problemen zu kämpfen haben. Die Verfolgung der Planungen eines
„Internationalen Verkehrsflughafens“ in Bitburg und der Verkauf der Bundeslie-
genschaft an den Projektentwickler zu diesem Zweck sind ebenfalls mit erhebli-
chen ökologischen und ökonomischen Risiken verbunden: für die benachbarten

Drucksache 17/2107 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

mit öffentlichen Mitteln betriebenen Flughäfen, die Steuerzahlerinnen/Steuer-
zahler, die Wirtschaftsentwicklung in der Großregion, die Entwicklung des Tou-
rismus, die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger und die Umwelt.

Alternativ wird eine Nutzung des Geländes als Energiezentrum diskutiert, meh-
rere Akteure wie Unternehmer und Stadtwerke haben ernsthaftes Interesse arti-
kuliert. Vereine aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien sowie der Verein
„Bürger gegen Nachtflug e. V. Bitburg“ haben Konzepte vorgelegt. In der nicht
weit entfernten Gemeinde Morbach im Hunsrück ist die Einrichtung einer „Ener-
gie-Landschaft“ mit Windkraft-, Photovoltaik- und Biomasseanlagen auf einer
ehemaligen Konversionsfläche vorbildhaft gelungen. Regelmäßige Besuche in-
ternationaler Delegationen zeugen vom Erfolg des Morbacher Modells.

Zur Dokumentation der wirtschaftlichen Risiken, die mit der Verfolgung der
Flughafen-Pläne des Projektentwicklers verbunden sind, hat die Bürger-Initia-
tive „ Bürger gegen Nachtflug“ Erfahrungen anderer ähnlicher Privatisierungen
(u. a. Saarbrücken, Lübeck, Lahr, Magdeburg-Cochstedt, Cottbus-Drewitz,
Hahn, Zweibrücken, Schwerin-Parchim) ausgewertet, um die Entscheidungs-
grundlagen für Bund, Land und die Mitglieder der Gremien in der Stadt Bitburg
und dem Eifelkreis zu verbessern.

Die Ergebnisse der Auswertung sind danach wie folgt: Nach der Wende und im
Zuge der allgemeinen Abrüstung kamen in Deutschland ab Anfang der 90er-
Jahre zu den 23 bestehenden größeren zivilen Flughäfen 13 Konversionsflug-
häfen dazu. Trotz erheblicher Steigerungen im Luftverkehr entbrannte ein harter
Konkurrenzkampf. Einige wenige dieser Konversionsflughäfen haben sich wirt-
schaftlich erfolgreich entwickelt, die Mehrzahl kam aber kommt trotz guter tech-
nischer Ausstattung nicht auf einen erfolgreichen Entwicklungspfad.

Der Flughafen Saarbrücken nimmt bundesweit eine Vorreiterrolle bei der Priva-
tisierung ein, ist allerdings kein Konversionsprojekt. 51 Prozent und damit die
Anteilsmehrheit hielt die Betreibergesellschaft des Flughafens Frankfurt. Nach
dem „Absprung“ einer Fluggesellschaft, die nun nicht mehr von Saarbrücken
sondern von Zweibrücken fliegt, stieg die Betreibergesellschaft des Flughafens
Frankfurt 2007 aus dem Flughafen Saarbrücken aus. Das Land musste die An-
teile übernehmen, da kein anderer Investor zu finden war, und den Zuschuss für
den Flughafen erhöhen. Die heftige Konkurrenz zum benachbarten Flughafen
Zweibrücken verhindert die wirtschaftliche Entwicklung eines dieser beiden
Flughäfen. Beide Flughäfen belasten die jeweiligen Länderhaushalte mit Millio-
nenbeträgen.

Lübeck, ebenfalls kein Konversionsprojekt, war bis Anfang der 90er-Jahre ein
kleiner Verkehrslandeplatz mit relative wenig Verkehr. Ab 2002 flog Ryanair ab
Lübeck. Damit stiegen die Passagierzahlen, aber auch die Verluste. 2005 ver-
kaufte die Stadt Lübeck als bisheriger alleiniger Betreiber 90 Prozent der Anteile
an eine neuseeländische Firmengruppe. In den Jahren 2005 bis 2008 erwirtschaf-
tete der Flughafen ein Defizit von 22 Mio. Euro. Daher nutzte der Investor eine
Option im Vertrag und stieg im Oktober 2009 aus. Um nicht weitere Schulden
anzuhäufen, verweigert der rot-rot-grüne Stadtrat dem Flughafen Ende 2009 die
weitere finanzielle Unterstützung, falls nicht bis Anfang 2010 ein anderer Inves-
tor den Betrieb übernehmen würde. Vor die Wahl gestellt, den Flugplatz zu
schließen oder mit öffentlichen Geldern weiter zu betreiben, wurde die Entschei-
dung des Stadtrates in einem Bürgerbegehren im April 2010 gekippt. Der Ausbau
soll danach in Eigenregie erfolgen und der Flughafen bis mindestens 2012 wei-
terbetrieben werden. Durch Kostenerstattungen an den Investor, Schulden sowie
Ausbau- und Betriebskosten wird die Hansestadt Lübeck durch den Flughafen
mit Kosten im hohen zweistelligen Millionenbereich belastet (bis 2012 mit vor-
aussichtlich 85 Mio. Euro). Die Abhängigkeit von einer Billigfluglinie beschert

zwar hohe Passagierzahlen, mit Sicherheit aber Defizite für den Flughafen. Ähn-
liche wie in Lübeck ist dies zum Beispiel auch am Flughafen Hahn der Fall.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2107

Anders und doch ähnlich gelagert sind die Fälle ehemaliger Militärflughäfen.

Lahr, ein ehemaliger Flugplatz der kanadischen Luftwaffe, sollte 1993 nach dem
Abzug des Militärs ein Magnet für Industrieansiedlungen werden. Regional-
politiker stellten weit über 3 000 Arbeitsplätze in Aussicht. 2001 verkauften die
Städte Lahr, Offenburg und Freiburg, denen die Flugplatz Lahr GmbH seit 1996
gehörte, 99 Prozent ihrer Anteile an eine britische Investorengruppe. Diese hatte
Investitionen von 150 Mio. Euro und 1 600 Arbeitsplätze in Aussicht gestellt.
2005 wurde die Investorengruppe zahlungsunfähig und musste den Flughafen an
die öffentliche Hand zurückgeben. Das Flughafengelände wurde – ähnlich wie in
Bitburg – zweigeteilt in einen gewerblichen und einen fliegerischen Teil. Der
fliegerische Teil, nun Black Forest Airport Lahr genannt, wurde 2005 für
500 000 Euro an eine australische Investorengruppe verkauft, die 70 Arbeits-
plätze schaffen wollte. 2009 ging auch diese Investorengruppe pleite. Die ange-
kündigten 3 000 Arbeitsplätze ließen sich bis heute annähernd realisieren, aller-
dings ausschließlich über die Ansiedlung von Gewerbe, ohne Frachtflug. Die ge-
werbliche fliegerische Nutzung steht vor dem Aus, obwohl die Landebahn von
Lahr beste Voraussetzungen bietet. Mit dazu beigetragen hat die Entscheidung
der Landesregierung, hier nicht noch einen weiteren Passagierflughafen zuzu-
lassen.

Ein interessantes Beispiel ist auch der ehemalige sowjetische Militärflugplatz
Magdeburg/Cochstedt. In den Jahren 1997 bis 2001 wurden Flugbetriebsflächen
und Kontrollturm erneuert, ein Instrumentenlandesystem eingebaut, eine Feuer-
wache gebaut und mit einem Abfertigungsgebäude begonnen. Der Verkehrsflug-
hafen besaß eine 24-Stunden-Betriebsgenehmigung. Damit waren alle Voraus-
setzungen für den Erfolg gegeben. 2001 wurde der Betreiber insolvent, der
Flughafen wurde trotz Investitionen von über 50 Mio. Euro stillgelegt. Eine
griechische Gruppe kündigte 2003 an, den Flughafen Magdeburg/Cochstedt ab
Anfang 2004 übernehmen zu wollen. Es sei das Ziel, dort mit täglich bis zu
60 Maschinen jährlich knapp 1 Million Tonnen an Obst, Gemüse und Fruchtkon-
zentraten sowie Maschinen und Ersatzteilen umzuschlagen. Man wolle 100 Mio.
US-Dollar in Cochstedt investieren. Es würden bis zu 2 500 Arbeitsplätze entste-
hen. Die Pläne scheiterten. Im Dezember 2008 wurde der Flughafen für 9 Mio.
Euro an eine Investmentgruppe aus Abu Dhabi verkauft. Das Unternehmen
plante den Bau eines Cargo- und Logistikcenters. Ein Jahr später platzte der Ver-
kauf, da der Investor die Kaufsumme nicht aufbringen konnte. 2010 wurde der
Flughafen Magdeburg/Cochstedt an eine dänische Betreibergesellschaft ver-
kauft, die bereits die kleinen Flugplätze Neuhardenberg und Fürstenwalde/Spree
betreibt. Die Gesellschaft will versuchen, die Genehmigung für den Instrumen-
tenflugbetrieb, die 2001 zurückgezogen wurde, wieder zu erlangen. Bis heute
bleibt der Flugplatz eine teuer bezahlte Investitionsruine, bei der mehrere Betrei-
ber einiges versprochen, aber nichts gehalten haben.

Auch am ehemaligen Miltärflughafen Cottbus-Drewitz sind seit der Erteilung
der Betriebserlaubnis 1995 drei Anläufe gescheitert, den Flugplatz zu verkaufen.
Vorausgegangen waren kommunale Investitionen in einen neuen Tower und
Terminal. 2002 wurde eine Instrumentenfluggenehmigung mit 24-Stunden-
Erlaubnis erteilt. In den Jahren 2003 bis 2006 verhandelte man mit einem US-
amerikanischen Investor, die Verhandlungen scheiterten in 2007. Ein weiterer In-
teressent, der Investitionen in Höhe von 70 Mio. Euro und 300 Arbeitsplätze „in
einem zukunftsfähigen Hochtechnologiesegment“ in Aussicht stellte, entpuppte
sich als Krimineller. Seitdem ist der Betreiber wieder auf Investorensuche, 2009
erfolgte eine europaweite Ausschreibung.

Auf der ehemaligen US-Air Base Hahn begann der zivile Flugbetrieb 1993. 1995
wurden 75 Prozent der Flugplatzanteile für 30 Mio. Euro an einen Baukonzern

und eine Investmentfirma verkauft, den Rest behielt das Land Rheinland-Pfalz.
1997 übernahm der Betreiber des Flughafens Frankfurt für 44 Mio. Euro mit

Drucksache 17/2107 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

65 Prozent die Mehrheit der Anteile am Flughafen Hahn. Nach andauernden Ver-
lusten und der Drohung der Fluggesellschaft, von der der Flughafen abhängig ist,
den Platz wegen der geplanten Einführung einer Flughafengebühr zu verlassen,
verkaufte die Betreibergesellschaft 2009 ihre Anteile für 1 Euro an das Land
Rheinland-Pfalz, obwohl der Vertrag mit dem Land noch eine Laufzeit von wei-
teren 16 Jahren hatte. Das Land mit seinem Flughafenanteil von nun 82,5 Prozent
muss seitdem nicht nur die jährlichen Verluste (zwischen 15 und 20 Mio. Euro)
alleine tragen, sondern auch die bis dahin aufgehäuften Schulden von ca. 130
Mio. Euro. Obwohl Hahn, von den Beispielen, der Flughafen ist, der sowohl im
Fracht- als auch im Passagierbereich am stärksten gewachsen ist, kommt er aus
der Verlustzone nicht heraus. Im Februar kündigte der rheinland-pfälzische Wirt-
schaftsminister, Hendrik Hering, den baldigen Einstieg eines Investors für die
Betriebsgesellschaft an. Bis heute ist kein Investor gefunden, dafür kündigte der
Wirtschaftsminister weitere Investitionen des Landes in den nächsten 10 Jahren
von 89 Mio. Euro an. Als besonders problematisch hat sich am Flughafen Hahn
die Abhängigkeit von einer Fluggesellschaft erwiesen.

Zweibrücken, ein weiterer rheinland-pfälzischer Konversionsflugplatz, wurde
sogar schon 1992 eröffnet. Ein französische Konzern wollte zusammen mit Land
und Zweckverband den Flugplatz entwickeln, stieg aber 1994 plötzlich aus. Zwei
Privatinvestoren stiegen ein, aber die vier Säulen der Flugplatznutzung, Designer-
Outlet-Center, Flugplatz, Multi-Media-Komplex und Erlebnisbereich, schaffen
nicht annähernd die angestrebten 4 500 Arbeitsplätze. In den ersten zehn Jahren
flossen über 100 Mio. Euro von Land, Bund und Europäischer Union in das Pro-
jekt, Nachtflüge wurden erlaubt, aber der Flugplatz blieb in der Verlustzone, da
es kaum Flugbetrieb gab. In den Jahren 2006 bis 2008 siedelten sich mehrere
Fluggesellschaften in Zweibrücken an. Die Passagierzahlen stiegen stark an,
trotzdem blieb der Flugplatz defizitär. Das Land Rheinland-Pfalz schrieb
74,9 Prozent der Flughafenanteile europaweit zum Verkauf aus. 2008 interes-
sierte sich eine türkische Gesellschaft für den Kauf, die neben Istanbul mehrere
große Flughäfen betreibt. Sie sah sich allerdings nicht in der Lage, die geforder-
ten Investitionen in Höhe von 40 Mio. Euro zu tätigen. Wie oben bereits erläutert
hat Zweibrücken durch die Nähe zu Saarbrücken von dort Kunden abgeworben,
wodurch beide Flughäfen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind. Ob Zwei-
brücken in den nächsten Jahren die momentan dort ansässigen Fluggesellschaf-
ten halten kann und aus den roten Zahlen kommt, ist fraglich.

Zuletzt soll das Beispiel Schwerin-Parchim angeführt werden, weil es sich hier,
wie möglicherweise in Bitburg auch, um chinesische Investoren handelt. Bis
1992 wurde der Flughafen Schwerin-Parchim von den russischen Streitkräften
genutzt. 1994 wurde das Land Mecklenburg-Vorpommern Hauptgesellschafter.
Der Flughafen hatte kaum Flugbetrieb und verursachte stetige Defizite. 2002
kaufte die gleiche britische Gruppe wie in Lahr den Flughafen und kündigte
Gesamtinvestitionen von 120 Mio. Euro an. Diese Gruppe war aber weder in der
Lage den Kaufpreis noch fällige Pachtzahlungen in Höhe von 1,5 Mio. Euro zu
zahlen und gab den Flughafen 2005 samt einer Entschädigung von 3 Mio. Euro
wieder zurück. Im gleichen Jahr wurde der Landkreis Parchim neuer Flughafen-
betreiber und bot seine Anteile weltweit zum Kauf an. 2007 trat ein neuer Inte-
ressent auf, eine chinesische Firma, die bereits im Besitz mehrerer Flughäfen in
China und eines Flughafens in Nigeria war. Der chinesische Investor kaufte im
gleichen Jahr noch die Betreibergesellschaft des Flughafens, das Gelände sowie
angrenzende Gewerbeflächen, rund 800 Hektar, für 30 Mio. Euro. Er verpflich-
tete sich, 70 Mio. Euro zu investieren. Damit war der Investor in Schwerin-
Parchim das erste chinesische Unternehmen, das eine Betriebserlaubnis für einen
europäischen Flughafen erhielt. Erklärtes Ziel des Betreibers war es, ein Luft-
fahrtdrehkreuz zwischen China, Europa und Afrika zu entwickeln, internationale

Logistikfirmen anzusiedeln und eine Endmontage von Teilen aus chinesischer
Produktion in Parchim durchzuführen, um so ein „Made in Germany“ zu bekom-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/2107

men. Bis zu 30 Maschinen pro Tag sollten von der chinesischen Provinz Henan
nach Parchim und weiter nach Afrika fliegen. Nach den Plänen der Flughafenbe-
treiber sollten auf längere Sicht 1 000 Arbeitsplätze entstehen. Der Betreiber er-
öffnete 2007 Frachtverbindungen nach China, zahlte aber nicht die fällige Rate
des Kaufpreises in Höhe von 12 Mio. Euro. 2008 wurden 13 Mio. Euro als erste
Kaufpreisrate eingezahlt. Offensichtlich stammte der Betrag von einer australi-
schen Investorengruppe, die ursprünglich die notwendigen Hallen und Gebäude
auf dem Flughafengelände bauen wollte, denn sie erhielt ca. 52 ha Gewerbeflä-
che. Die Zahlung der zweiten Rate des Kaufpreises in Höhe von 17,5 Mio. Euro
wurde für Ende 2009 vereinbart. 2009 wurde Kurzarbeit eingeführt, die Fracht-
flüge kamen fast zum Erliegen. Im Juli 2009 besuchten hochrangige Regierungs-
delegationen aus Nigeria und China den Parchimer Flughafen. Dabei war die
Rede von einer Kooperationsplattform, von soliden deutsch-chinesischen Bezie-
hungen, vom Vertrauen in die Zukunft usw. Da der Betreiber im Dezember 2009
nicht zahlen konnte, erhielt er vom Kreistag Parchim einen Zahlungsaufschub bis
Mitte Februar 2010. Stundungszinsen in Höhe von 700 000 Euro wurden erlas-
sen. Weder im Februar 2010 noch im 2010 Mai floss Geld, es wurde aber zugesi-
chert, binnen zwei Jahren 50 Mio. Euro zu investieren. Wieder sah sich der Land-
kreis zu einer Vertragsänderung zu seinen Ungunsten gezwungen. Von den aus-
stehenden 17,5 Mio. Euro braucht der Betreiber innerhalb von 5 Jahren nur noch
5 Mio. Euro direkt zu zahlen. 7,7 Mio.Euro müssen in die Infrastruktur fließen.
Durch das Mitwirken der chinesischen Provinzregierung wurden auf deutscher
Seite hohe Erwartungen geweckt, die bis heute nicht erfüllt wurden. Dafür hatte
der Investor einen entwickelten Flughafen zu äußerst günstigen Konditionen er-
halten.

Vor dem Hintergrund der beschriebenen Risiken im Zusammenhang mit Investi-
tionen von Privatleuten oder Investorengruppen im Bereich des Ausbaus der
Flughäfen ist zu prüfen, inwieweit die Bundesregierung als Eigentümerin in der
Lage ist, im Hinblick auf die zu erwartenden negativen wirtschaftlichen Auswir-
kungen den Verkauf der Bundesliegenschaft in Bitburg zu stoppen, um die Ver-
antwortung zur Vermeidung von Haushaltsrisiken wahrzunehmen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung von den Planungen zum Ausbau
des Flugplatzes Bitburg zu einem Verkehrsflughafen, über die derzeit die Gre-
mien im Kreis (Kreistag Eifelkreis Bitburg-Prüm, Stadtrat Bitburg) disku-
tieren?

Kennt die Bundesregierung den „Letter of Intent“, der diesen Gremien vor-
liegt?

Wie bewertet die Bundesregierung die geplante Festlegung auf dessen Inhalte
seitens der kommunalen Gremien?

2. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass es nicht zu den erforderlichen
Genehmigungen und Verkaufsbedingungen kommt, zum Beispiel in Bezug
auf die konkurrierenden Interessen des 10 km entfernt liegenden US-NATO-
Flugplatzes Spangdahlem, wie auch im Hinblick auf die entsprechenden Ge-
nehmigungen im Bereich der fliegerischen Nutzung (z. T. im Bereich des
Landes Rheinland-Pfalz) u. a.?

Wie kann die Bundesregierung sicherstellen, dass in einem solchen Fall an-
ders gelagerte Nutzungsmöglichkeiten nicht durch die politische Festlegung
auf die fliegerische Nutzung blockiert bzw. Schaden von den öffentlichen
Finanzen und Steuerzahlergeldern ferngehalten werden?

Drucksache 17/2107 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Wie beurteilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der beschriebenen
Beispiele die Entwicklung der bisherigen Erfolge oder Misserfolge und
Belastungen der öffentlichen Haushalte infolge der Übernahmen von Flug-
häfen durch private Investoren, und welche Konsequenzen zieht sie daraus
für weitere Ausbaupläne an weiteren Standorten der Bundesliegenschaften
wie Bitburg?

4. Unterstützt die Bundesregierung den Flughafenausbau in Bitburg im Kon-
text des Flughafenkonzeptes der Bundesregierung von 2009, und welche
Maßnahmen wird sie zur Durchsetzung ihres Flughafenkonzeptes ergreifen?

5. Welcher Ausbau der Infrastruktur (der heute schon überlasteten Bundes-
straße 51 und der bereits vom Projektentwickler angekündigten Anbindung
an das Schienennetz) wäre Voraussetzung oder Konsequenz bei der Realisie-
rung des Ausbauprojektes mit Fracht- und Passagierflug im geplanten Um-
fang?

Welche Kosten würde dies für den Bundeshaushalt bedeuten?

Gibt es entsprechende Planungen, und wie realistisch ist ein solcher Ausbau
vor dem Hintergrund der Haushaltseinsparungen in den nächsten 15 Jahren?

6. Welche Chancen sieht die Bundesregierung für eine erfolgreiche Flughafen-
entwicklung in Bitburg vor dem Hintergrund der Entwicklung der oben be-
schriebenen Flughäfen?

Welche Risiken sieht die Bundesregierung bei einem Ausbau des Bitburger
Flugplatzes zu einem Verkehrsflughafen für die Wirtschaftlichkeit der um-
liegenden Flughäfen in der Großregion?

7. Kann die Bundesregierung bei einem Ausbau des Bitburger Flugplatzes Pas-
sagier-/Güterverkehrsverschiebungen von den Flughäfen Hahn, Zweibrü-
cken, Saarbrücken und Luxemburg und daraus entstehende Belastungen für
die öffentlichen Haushalte ausschließen?

Wie hoch schätzt die Bundesregierung diese (monetären) Risiken ein?

Wie bewertet die Bundesregierung dies vor dem Hintergrund der beschlos-
senen Schuldenbremse?

8. Wie beeinflusst die von der Bundesregierung beschlossene Flugverkehrsab-
gabe die Wirtschaftlichkeit des geplanten Ausbaus des Flughafens Bitburg?

9. Wie beurteilt die Bundesregierung die Seriosität, Bonität und Ziele des Ent-
wicklers bzw. der von ihm geführten Investorengruppe und die nicht öffent-
lich genannten möglichen chinesischen Investoren?

10. Hält die Bundesregierung diese Art der Finanzierung über ausländische Ge-
sellschaften für geeignet, um Projekte wie den Ausbau von Regionalflug-
häfen abzuwickeln?

Welches Konfliktpotenzial sieht die Bundesregierung mit den finanziellen
Interessen der Investoren und den finanziellen und verkehrspolitischen Inte-
ressen von Regionen, Ländern und Bund?

11. Welche Rolle sieht die Bundesregierung in den aktuellen Debatten um den
Flugplatzausbau Bitburg bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben?

Woran scheiterten die bisherigen Verkaufsbemühungen der Bundesanstalt
für Immobilienaufgaben für das flugbetriebliche Gelände?

12. An welche Anforderungen knüpft die Bundesregierung den Verkauf des Ge-
ländes?

Findet eine Nachhaltigkeitsbewertung in finanzieller, ökologischer und so-
zialer Sicht im Hinblick auf die anschließende Nutzung des Geländes statt?
Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/2107

13. Welche Konflikte und Probleme sieht die Bundesregierung bezüglich der
fliegerischen Nutzung mit der benachbarten US-Air Base Spangdahlem
nach einem Ausbau des Flugplatzes Bitburg?

14. Wer haftet im Fall eines Misserfolges des Projektes, und wer übernimmt die
Folgekosten?

15. Wie beurteilt die Bundesregierung die Interessen Chinas bzw. chinesischer
Investoren an einer Beteiligung/Übernahme des Flughafens Bitburg und an-
derer Logistikunternehmen?

Welches strategische und wirtschaftliche Interesse kann damit verbunden
sein?

16. Entspricht eine Nutzung der Bundesliegenschaft in Bitburg für erneuerbare
Energien den klimapolitischen Zielen der Bundesregierung, und würde dies
von der Bundesanstalt für Immobilien beim Verkauf der Bundesliegenschaft
unterstützt, wenn eine solche Nutzung als Energie-Zentrum für erneuerbare
Energie beschlossen würde?

Welche Voraussetzungen müssten dafür geschaffen werden?

17. Wie kann verhindert werden, dass das Gelände wie in Parchim durch un-
tätige „Investoren“ oder „Entwickler“ jahrelang blockiert und das Bundes-
vermögen bzw. die Investitionen der Steuerzahler an andere Interessenten in
Teilen verkauft wird, die dann nicht an die Versprechungen des ursprüng-
lichen Konzeptes gebunden sind?

Berlin, den 15. Juni 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.