BT-Drucksache 17/2045

Politik des Vertrauens statt gesetzlicher Kontrollen

Vom 10. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2045
17. Wahlperiode 10. 06. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Karl Lauterbach, Bärbel Bas, Petra Ernstberger, Elke Ferner,
Dr. Edgar Franke, Iris Gleicke, Angelika Graf (Rosenheim), Ute Kumpf, Steffen-
Claudio Lemme, Hilde Mattheis, Thomas Oppermann, Mechthild Rawert, Dr. Carola
Reimann, Ewald Schurer, Dr. Marlies Volkmer, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der
Fraktion der SPD

Politik des Vertrauens statt gesetzlicher Kontrollen

Der Bundesminister für Gesundheit, Dr. Philipp Rösler, spricht sich öffentlich
immer wieder für Bürokratieabbau und weniger Kontrollen durch die öffentliche
Hand aus. So zum Beispiel bei der Eröffnung des Hauptstadtkongresses Medizin
und Gesundheit am 5. Mai 2010 in Berlin und der Eröffnung des 113. Ärztetages
in Dresden: „Bürokratie und Kontrollvorschriften lassen sich nur reduzieren,
wenn wir den Leistungserbringern wieder mehr Vertrauen schenken.“ Die beste
Kontrolle im System sollen mündige und aufgeklärte Patienten sein. Durch mehr
Transparenz bezüglich Leistungen und Preisen sollen Patienten bei Ausweitung
des Erstattungsprinzips dazu in die Lage versetzt werden, staatliche Kontroll-
regelungen zu ersetzen. Nach Äußerungen des Bundesgesundheitsministers
gebe es außerdem zu viel „unfaire Konkurrenz“ im System.

Wir fragen daher die Bundesregierung:

1. Welche gesetzlich vorgegebenen Kontrollpflichten gibt es im Gesundheits-
wesen?

2. Welchem Zweck dienen sie?

3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass der Zweck der
gesetzlichen Kontrollvorschriften nicht erreicht wird?

4. Welche Kontrollvorschriften möchte sie deshalb abschaffen und durch eine
„Politik des Vertrauens“ ersetzen?

5. Welches Bundesministerium ist für die Abschaffung dieser Vorschriften zu-
ständig, und haben über die Vorschläge des Bundesgesundheitsministers
schon Abstimmungsgespräche stattgefunden?

6. Wie hoch ist der materielle Schaden, der durch gesetzliche Kontrollen im Ge-
sundheitswesen aufgedeckt wird?

Wer sind die Geschädigten?
7. Wie hoch sind die Kosten, die mit den gesetzlichen Kontrollpflichten verbun-
den sind, im Vergleich zum Nutzen der Kontrollen?

8. Geht die Bundesregierung davon aus, dass es zu weniger Schadensfällen
kommt, wenn gesetzliche Kontrollen entfallen und durch eine „Politik des
Vertrauens“ ersetzt werden?

Drucksache 17/2045 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
9. Gibt es wissenschaftliche Untersuchungen darüber, dass durch gesetzliche
Kontrollen Straftaten, Ordnungswidrigkeiten oder anderes Fehlverhalten
gefördert werden?

10. Gibt es Vorschläge aus den Justizministerien der Länder, der Gerichtsbarkeit
oder der Staatsanwaltschaft, die den Abbau gesetzlicher Kontrollen im Ge-
sundheitswesen fordern, und wenn ja, um welche Vorschriften handelt es
sich?

11. Ist der Bundesrechnungshof der Auffassung, dass gesetzliche Kontrollen ab-
gebaut werden sollten?

Wenn ja, welche Vorschriften hält er für überflüssig?

12. Gibt es Forderungen der Krankenkassen, die den Abbau gesetzlicher Kon-
trollen beinhalten?

Wenn ja, welche Vorschriften halten die Kassen für überflüssig?

13. Gibt es Forderungen von Verbraucher- und Patientenorganisationen, die die
Verlagerung von gesetzlichen Kontrollen auf die Patienten beinhalten?

14. Welche Kontrollen können durch mündige und aufgeklärte Patienten besser
durchgeführt werden, als durch gesetzliche Kontrollen?

15. Was unternimmt die Bundesregierung, damit möglichst alle Patienten in die
Lage versetzt werden, diese Kontrollen anstelle der öffentlichen Hand wahr-
zunehmen?

16. Welche Informationen hat die Bundesregierung darüber, ob es Patienten-
gruppen gibt, die weniger gut oder unter Umständen gar nicht in der Lage
sind, diese Kontrollen auszuüben?

17. Welche Informationen hat die Bundesregierung darüber, ob die Übernahme
von Kontrollen durch die Patienten auch gewünscht ist?

18. Gibt es Vorschläge aus der Ärzteschaft, die den Abbau gesetzlicher Kontrol-
len fordern?

Wenn ja, um welche Vorschriften handelt es sich, und wie stellt sich die Ärz-
teschaft eine „Politik des Vertrauens“ vor?

19. Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Zahlung
von Krankenhäusern an niedergelassene Ärzte, um dadurch die Einweisung
von Patienten in ihre Kliniken zu erreichen?

Was hält sie von der Aufklärung der Schmiergeldaffäre durch die Ärzte-
schaft selbst, und wie könnte hier eine noch weitergehende „Politik des Ver-
trauens“ zu Abhilfe und einer schnelleren Aufklärung beitragen?

20. Welche Fälle sind gemeint, wenn der Bundesgesundheitsminister von zu viel
„unfairer Konkurrenz“ im Gesundheitswesen spricht?

21. Plant die Bundesregierung auch außerhalb des Gesundheitswesens, zum
Beispiel im Steuerrecht, Straßenverkehrsrecht oder Bankenrecht, gesetz-
liche Kontrollen abzuschaffen und durch eine „Politik des Vertrauens“ zu er-
setzen?

Wenn ja, welche Vorschriften will sie abschaffen?

Berlin, den 9. Juni 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.