BT-Drucksache 17/204

zu dem Antrag der Abgeordneten Diana Golze, Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -17/23- Anhebung und bedarfsgerechte Ermittlung der Kinderregelsätze

Vom 15. Dezember 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 17/204
17. Wahlperiode 15. 12. 2009

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Diana Golze, Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/23 –

Anhebung und bedarfsgerechte Ermittlung der Kinderregelsätze

A. Problem

Die Bestimmung des soziokulturellen Existenzminimums ist nach Ansicht der
antragstellenden Fraktion grundlegend zu reformieren. Als erste Schritte seien
die Bedarfsermittlung für Kinder und Jugendliche zu korrigieren und deren
Regelleistungen deutlich anzuheben. In verschiedenen Entscheidungen hätten
das Bundessozialgericht (BSG) und das Hessische Landessozialgericht ver-
fassungsrechtliche Bedenken geäußert und das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) angerufen. Sowohl das Bundessozialgericht als auch das Hessische
Landessozialgericht kritisierten umfänglich die Ermittlung der Regelleistungen.

B. Lösung

Die Bundesregierung soll aufgefordert werden,

1. umgehend eine Kommission einzuberufen mit dem Auftrag, bis spätestens
Ende 2010 eine eigenständige und nach Altersgruppen spezifizierte Be-
darfsermittlung von Kindern und Jugendlichen in der Grundsicherung sowie
Vorschläge für eine kontinuierliche Dynamisierung vorzulegen und

2. kurzfristig einen Gesetzentwurf vorzulegen, nach dem die Regelleistungen
für Kinder und Jugendliche in der Grundsicherung für die Übergangszeit
nach der Bedarfsermittlung durch den Paritätischen Wohlfahrtsverband wie
folgt festgelegt werden:

● für Kinder bis unter 6 Jahren 276 Euro,
● für Kinder von 6 bis unter 14 Jahren 332 Euro und

● für Kinder ab Beginn des 15. Lebensjahres 358 Euro.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 17/204 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kosten wurden nicht ermittelt.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/204

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/23 abzulehnen.

Berlin, den 4. Dezember 2009

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Katja Kipping Sebastian Blumenthal
Vorsitzende Berichterstatter

des Antrags zu empfehlen. Der Ausschuss für Bildung, nicht weitgehend genug ansehe und ihn daher ablehne. Man

Forschung und Technikfolgenabschätzung hat am 2. De-
zember 2009 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE

habe bereits in der vergangenen Legislaturperiode das Ziel
verfolgt, eine Neubemessung der Kindergeldregelsätze zu
erreichen. Ein alleinlebender Erwachsener sei keine zutref-
Drucksache 17/204 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht des Abgeordneten Sebastian Blumenthal

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 17/23 wurde vom Deutschen
Bundestag in seiner 4. Sitzung am 11. November 2009 dem
Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Bera-
tung und dem Haushaltsausschuss, dem Ausschuss für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend sowie dem Ausschuss für
Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur Mit-
beratung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die Bestimmung des soziokulturellen Existenzminimums ist
nach Ansicht der antragstellenden Fraktion grundlegend zu
reformieren. Als erste Schritte seien die Bedarfsermittlung
für Kinder und Jugendliche zu korrigieren und deren Regel-
leistungen deutlich anzuheben. In verschiedenen Entschei-
dungen hätten das Bundessozialgericht (BSG) und das Hes-
sische Landessozialgericht verfassungsrechtliche Bedenken
geäußert und das Bundesverfassungsgericht angerufen. So-
wohl das Bundessozialgericht als auch das Hessische Lan-
dessozialgericht kritisierten umfänglich die Ermittlung der
Regelleistungen.

Die Bundesregierung soll aufgefordert werden,

1. umgehend eine Kommission einzuberufen mit dem Auf-
trag, bis spätestens Ende 2010 eine eigenständige und
nach Altersgruppen spezifizierte Bedarfsermittlung von
Kindern und Jugendlichen in der Grundsicherung sowie
Vorschläge für eine kontinuierliche Dynamisierung vor-
zulegen und

2. kurzfristig einen Gesetzentwurf vorzulegen, nach dem
die Regelleistungen für Kinder und Jugendliche in der
Grundsicherung für die Übergangszeit nach der Be-
darfsermittlung durch den Paritätischen Wohlfahrtsver-
band wie folgt festgelegt werden:

● für Kinder bis unter 6 Jahren 276 Euro,

● für Kinder von 6 bis unter 14 Jahren 332 Euro und

● für Kinder ab Beginn des 15. Lebensjahres 358 Euro.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Haushaltsausschuss sowie der Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend haben in ihren Sitzungen am
2. Dezember 2009 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimment-
haltung der Fraktion der SPD beschlossen, die Ablehnung

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Vorlage in
seiner 5. Sitzung am 2. Dezember 2009 beraten und mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen, die Ablehnung
des Antrags zu empfehlen.

Die Fraktion der CDU/CSU verwies darauf, dass die
Bundesregierung in der 16. Legislaturperiode bereits mit der
Einführung einer zusätzlichen Leistung für die Schule für
Schüler aus bedürftigen Haushalten in Höhe von 100 Euro
pro Schuljahr ab dem Schuljahr 2009/2010 und einen für
6 bis 13 Jahre alte Hilfebedürftige ab dem 1. Juli 2009 von
60 Prozent auf 70 Prozent des Eckregelsatzes erhöhten Regel-
satz deutliche Leistungsverbesserungen vorgenommen habe.
Die Leistung für die neue Altersstufe würde zudem erstmals
nicht vom Eckregelsatz abgeleitet, sondern nach den Ver-
brauchsausgaben für ein Kind ermittelt, wie sie sich anhand
einer Sonderauswertung der EVS 2003 (EVS: Einkommens-
und Verbrauchsstichprobe) für Familien mit einem Kind er-
geben. Das BVerfG habe in der mündlichen Verhandlung der
Klagen zur Höhe der Regelleistungen deutlich gemacht, dass
es einige zentrale Punkte der Regelsatzbemessung überprü-
fen wird. Dies betreffe die konkrete Ableitung des regel-
satzrelevanten Bedarfs, die Bemessung der Kinderregelsätze
und die Fortschreibung der EVS-Ergebnisse mit dem aktuel-
len Rentenwert sowie das Fehlen einer Öffnungsklausel im
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch. Ein Urteil sei im 1. Quartal
2010 zu erwarten. Wenn die Ergebnisse der EVS 2008 im
2. Halbjahr 2010 vorliegen würden, würden alle Regelsätze
– wie gesetzlich vorgeschrieben – auf dieser Basis neu
bemessen. Hierbei würden die Anforderungen des BVerfG
selbstverständlich berücksichtigt. Dies betreffe auch die
Differenzierung der Bedarfe von Kindern nach Altersgrup-
pen und die Fortschreibung der Regelsätze in den Jahren, für
die es keine neuen Daten aus der EVS gibt. Von der von der
Fraktion DIE LINKE. geforderten Einsetzung einer Kom-
mission sei dagegen kein Fortschritt zu erwarten, da die For-
derungen der Verbände und die Einschätzung der Bemessung
durch Experten bekannt seien und eine Kommission keine
neuen Erkenntnisse liefern dürfte. Die von der Fraktion DIE
LINKE. geforderte starke Erhöhung der Regelsätze sei abzu-
lehnen, weil die vom Paritätischen Wohlfahrtsverband be-
nannten Regelsätze nicht den regelsatzrelevanten Konsum
berücksichtigen würden und zudem mit der Preisentwick-
lung fortgeschrieben worden seien, was diese Leistungen von
2005 bis 2008 wesentlich stärker erhöht hätte als die Renten
und Löhne. Aus diesen Gründen werde man den Antrag ab-
lehnen.

Die Fraktion der SPD erklärte, dass man den Antrag als
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ebenfalls eine
Ablehnung empfohlen.

fende Bezugsgröße für die Bemessung. Vielmehr bedürfe es
eigenständiger bedarfsgerechter Regelsätze für die Kinder.

Die Fraktion DIE LINKE. führte aus, dass ihr Antrag zwei
Punkte vorsehe: Zum einen sei es dringend notwendig, eine
Kommission einzuberufen, die eigenständige und alters-

Erwachsene nachvollziehbar neu zu berechnen. Angesichts
der Preisentwicklung in den vergangenen Jahren sei ein
weiteres Abwarten bei Anpassungen der Regelsätze nicht
opportun.

Berlin, den 4. Dezember 2009

Sebastian Blumenthal
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/204

Es gehe zudem nicht allein um die Anhebung der Bedarfs-
regelsätze, sondern auch um den Ausbau der Betreuungsan-
gebote und die Förderung der Kinder. Ferner gehe es um Fra-
gen wie die Mittagsverpflegung an Schulen und die
Bereitstellung von Lernmaterial. Hier seien in der letzten
Wahlperiode bereits signifikante Verbesserungen erreicht
worden. Die Bekämpfung der Kinderarmut sei eine gesamt-
gesellschaftliche Aufgabe. Bei einer Neuregelung seien
daher sowohl die Länder wie der Bund in der Pflicht, sich
finanziell zu engagieren. Zudem sei es wichtig, die Langzeit-
arbeitslosigkeit von Alleinerziehenden als Hauptursache der
Kinderarmut zu bekämpfen. Die vom Paritätischen Wohl-
fahrtsverband festgelegten Sätze seien auch als Übergangs-
lösung allerdings nicht geeignet. Vielmehr sei es Aufgabe
der Regierung, zeitnah Lösungsvorschläge zu unterbreiten.

Die Fraktion der FDP betonte, dass auch sie dafür sei, den
tatsächlichen Bedarf zu ermitteln. Man solle sich jedoch die
Zeit nehmen, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ab-
zuwarten. In den Anhörungen sei nicht die Höhe des Be-
darfssatzes kritisiert worden, sondern vornehmlich die Art
seiner Ermittlung. Die Anhebung der Sätze – wie im Antrag
gefordert – führe dazu, dass neue Ungerechtigkeiten in Be-
zug auf Berufstätige und auf Rentner entstünden. Unterm
Strich bedeute die geforderte Anhebung der Bedarfssätze
eine Mehrbelastung des Bundeshaushalts von circa 2 Mrd.
Euro. Die Fraktion der FDP werde den Antrag daher ableh-
nen.

gruppenspezifische Bedarfszahlen für Kinder und Jugendli-
che ermittle, zum anderen sei überbrückungsweise der Vor-
schlag des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes bezüglich der
altersgerechten Bedarfssätze einer gesetzlichen Regelung zu
Grunde zu legen. Konkret bedeute dies für Kinder bis unter
sechs Jahren einen Regelsatz von 276 Euro, für Kinder von
sechs bis 14 Jahren einen Regelsatz von 332 Euro und für
Kinder ab dem Beginn des 15. Lebensjahres einen Regelsatz
von 358 Euro. Gegen die gegenwärtige gesetzliche Regelung
bestünden aufgrund von zwei neueren Gerichtsentscheidun-
gen verfassungsrechtliche Bedenken. Die pauschale Ablei-
tung des Kinderbedarfs vom Regelsatz eines Erwachsenen
sei unzutreffend. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass
ein Kind in der Wachstumsphase einen höheren Bedarf an
Bekleidung und zumindest keinen geringeren Bedarf an Le-
bensmitteln habe als ein Erwachsener. Auch die Kosten für
Bildungsmaterialien seien bei einer Neuregelung zu berück-
sichtigen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bemerkte, dass
das Zustandekommen der Regelsatzverordnung von 2003
rückblickend eine Reihe von Fragen aufwerfe. Dementspre-
chend sei der Vertreter der Bundesregierung bei der An-
hörung vor dem Bundesverfassungsgericht in erhebliche
Schwierigkeiten gekommen und habe einige Punkte der ge-
genwärtigen Berechnung nicht plausibel darlegen können.
Man rechne damit, dass das BVerfG die Bundesregierung
auffordern werde, den Regelsatz für Kinder ebenso wie für

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