BT-Drucksache 17/2017

Bessere Haltung für Kaninchen zu Erwerbszwecken - Konkrete Haltungsbedingungen in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung aufnehmen

Vom 9. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2017
17. Wahlperiode 09. 06. 2010

Antrag
der Abgeordneten Heinz Paula, Dr. Wilhelm Priesmeier, Petra Crone, Elvira
Drobinski-Weiß, Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Ute Kumpf, Thomas
Oppermann, Holger Ortel, Kerstin Tack, Waltraud Wolff (Wolmirstedt),
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Bessere Haltung von Kaninchen zu Erwerbszwecken –
Konkrete Haltungsbedingungen in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung
aufnehmen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Verzehr von Kaninchenfleisch liegt in Deutschland auf vergleichsweise
niedrigem Niveau. Aufgrund zahlreicher Lebensmittel- und Fleischskandale in
den vergangenen Jahren nimmt die Nachfrage jedoch stetig zu. Darüber hinaus
ist die Zucht und Haltung von Kaninchen zum Zwecke der Gewinnung von
Angorawolle zu Erwerbszwecken von Bedeutung.

Seit 1998 ist der Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere europaweit geregelt und
in der Bundesrepublik Deutschland durch die Tierschutz-Nutztierhaltungsver-
ordnung umgesetzt. Allerdings enthalten diese Regelungen nur allgemeine
Anforderungen und keine konkreten Vorgaben für die Zucht und Haltung von
Kaninchen zu Erwerbszwecken. Ein Gutachten aus dem Jahr 2005, das von der
EU-Kommission in Auftrag gegeben wurde, hat gezeigt, dass die gegenwärti-
gen Unterbringungs- und Haltungsformen erhebliche negative Auswirkungen
auf die Gesundheit und das Wohlergehen gewerblich gehaltener Hauskanin-
chen haben und erheblicher Handlungsbedarf besteht.

Im Vergleich zu anderen Nutztieren liegen für eine artgerechte Tierhaltung von
Kaninchen wenige Erkenntnisse vor. Eine Untersuchung des Institutes für Tier-
zucht und Haustiergenetik der Universität Gießen, die im April letzten Jahres
abgeschlossen wurde, bestätigt die Leitlinien der World Rabbit Science Asso-
ciation (WRSA) und des Ausschusses für Kaninchenzucht und -haltung der
Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft e. V. (DLG) zu Mindeststandards zur
Haltung von Hauskaninchen. Diese sind jedoch aus Tierschutzsicht nicht aus-
reichend. Die Untersuchungen legen ihre Schwerpunkte lediglich auf Aspekte

der Tiergesundheit und Tierhygiene. Auswirkungen der Haltungsbedingungen
auf das Wohlbefinden der Tiere bleiben bei der Untersuchung außen vor.

Kaninchen werden zumeist in Drahtkäfigen bei hohem Besatz gehalten, was
mit der Haltung von Legehennen in Käfigbatterien vergleichbar ist. Die Folgen
sind Leiden und Qualen für die Tiere.

Drucksache 17/2017 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Nachfrage nach Kaninchenfleisch in Deutschland wird zu 50 Prozent durch
andere Staaten gedeckt. Deshalb ist sowohl eine nationale wie europäisch ein-
heitliche und rechtsverbindliche Regelung zur tiergerechten Haltung von
Kaninchen zu Erwerbszwecken dringend erforderlich.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung so zu ändern, dass die Haltung
von Mast- und Zuchtkaninchen explizit erwähnt wird. Die tierschutzrecht-
lichen Anforderungen an die Zucht und Haltung von Kaninchen zu Erwerbs-
zwecken sind so zu konkretisieren, dass die Tiere gemäß ihren arteigenen
Bedürfnissen gehalten werden und Tierhaltern und Überwachungsbehörden
klare Vorgaben für die Beurteilung dieser Kaninchenhaltung zur Verfügung
stehen.

Für eine artgerechte Haltung ist es u. a. notwendig,

● Schmerzen, vermeidbare Leiden und Verletzungen bedingt durch das
Haltungssystem zu unterbinden,

● Einzelhaltung und die Haltung auf Drahtböden zu verbieten,

● vorgegebene Mindestgrößen der Stallungen für Gruppenhaltung einzu-
halten,

● Freiland- und Bodenhaltung zu unterstützen,

● erhöhte Ebenen zu ermöglichen,

● die Fütterungsvorgaben den physiologischen Bedürfnissen anzupassen,

● die Tiere vor schädlichen Klimaeinflüssen zu schützen,

● einen planbefestigten Boden zu gewährleisten, der zu zwei Dritteln ein-
gestreut ist. Das dritte Drittel kann aus perforiertem Boden bestehen, um
zu gewährleisten, dass die Tiere von ihren Exkrementen getrennt werden,

● für eine Ableitung von Gasen, Staub und pathogenen Keimen aus dem
Kaninchenstall zu sorgen,

● sachkundigen Umgang mit den Tieren zu gewährleisten,

● Beschäftigungsmaterial anzubieten, die Nutzungsdauer von Zuchtkanin-
chen durch entsprechende Schonzeiten zwischen den Würfen zu verlän-
gern,

● Rückzugsmöglichkeiten anzubieten,

● eine verschließbare Nestbox für die Zibben einzubauen;

2. auf europäischer Ebene auf eine zeitnahe, einheitliche und rechtsverbind-
liche Regelung für die artgerechte Zucht und Haltung von Kaninchen zu
Erwerbszwecken unter Berücksichtigung der Tiergesundheit zu drängen und
für deren Verabschiedung zu sorgen;

3. weitere wissenschaftliche Untersuchungen und Forschungsprojekte zu einer
artgerechten Kaninchenhaltung zu fördern.

Berlin, den 9. Juni 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2017

Begründung

Die Haltung von Hauskaninchen unterliegt den prinzipiellen Vorgaben des § 2
des Tierschutzgesetzes. Dort heißt es:

„Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,

1. muss das Tier seiner Art entsprechend angemessen ernähren, pflegen und
verhaltensgerecht unterbringen,

2. darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so ein-
schränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden
zugefügt werden,

3. muss über die für angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte
Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten ver-
fügen.“

Derzeit ist die Haltung von Mastkaninchen und Kaninchen zur Gewinnung von
Angorawolle zu Erwerbszwecken jedoch weder innerhalb der EU noch in
Deutschland explizit geregelt. Es gibt keine detaillierten Mindestanforderungen
an deren Haltung, obwohl diese seit Jahren von verschiedenen Tierschutzver-
bänden gefordert werden. Die Folge sind größtenteils unwürdige Haltungs-
bedingungen. Drahtgitterböden, zu kleine Käfige, zu hohe Besatzdichte und
kaum Beschäftigungsmaterial im Käfig sind bei der Kaninchenhaltung zu
Erwerbszwecken die Regel. Dies führt zu unnötigen und unserem Tierschutz-
gesetz widersprechenden Tierqualen.

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