BT-Drucksache 17/2005

Biodiversität national und international konsequent schützen

Vom 9. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2005
17. Wahlperiode 09. 06. 2010

Antrag
der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Ulrike Höfken, Thilo Hoppe,
Cornelia Behm, Bärbel Höhn, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, Markus Tressel,
Hans-Josef Fell, Bettina Herlitzius, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, Sylvia
Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Ingrid Nestle, Dr. Hermann Ott, Dorothea Steiner,
Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Biodiversität national und international konsequent schützen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Im Oktober 2010 tagt die 10. Vertragsstaatenkonferenz (COP 10) der Konven-
tion über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD)
und die 5. Konferenz der Unterzeichnerstaaten des Cartagena-Protokolls über
biologische Sicherheit (MOP 5) im japanischen Nagoya. Mit dieser Konferenz
endet die im Mai 2008 übernommene Präsidentschaft der deutschen Bundes-
regierung in der UN-Konvention. Mit dem Jahr 2010 war zudem das Ziel ver-
bunden, den Verlust an biologischer Vielfalt einzudämmen. Die Europäische
Union hatte sich darüber hinaus verpflichtet, den Biodiversitätsverlust bis 2010
zu stoppen. Diese Ziele werden deutlich verfehlt. Der 3. Globale Ausblick zur
Lage der biologischen Vielfalt (Global Biodiversity Outlook) kommt zu dem
Ergebnis, dass der ökologische Fußabdruck der Menschheit heute größer ist als
zu dem Zeitpunkt, an dem die 2010-Ziele formuliert wurden. Die wichtigsten
Ursachen des weltweiten Biodiversitätsverlustes haben sich verstärkt und nicht
verringert. Zusätzlich drohen weitere Risiken wie zum Beispiel durch den
Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen den Verlust der biologischen
Vielfalt weiter zu verschärfen. Rasches Handeln ist deshalb notwendig.

Die Bundesregierung hat die Möglichkeiten der CBD-Präsidentschaft leider
nicht genutzt und Verpflichtungen, die sie in Bezug auf Haftungsfragen bei der
biologischen Sicherheit übernommen hat, nicht erfüllt. In den wichtigsten
Punkten sind keine Durchbrüche erreicht worden. So fehlt insbesondere die Ei-
nigung auf eine Regelung zum Zugang und gerechten Vorteilsausgleich bei der
Nutzung genetischer Ressourcen (ABS – Acess and Benefit Sharing). Es fehlen
auch zusätzliche Finanzierungsquellen für den Schutz der Biodiversität und für
ein weltweites Netz von terrestrischen und marinen Schutzgebieten, obwohl die
Studie über die Ökonomie von Ökosystemen und ökosystemaren Dienstleistun-

gen gezeigt hat, dass die wirtschaftlichen Schäden durch den Verlust der Leis-
tungsfähigkeit von Ökosystemen den Ausmaßen der Finanz- und Wirtschafts-
krise in nichts nachstehen. Konsequenzen aus diesen Ergebnissen und die
Verankerung als Querschnittsthema in allen Wirtschafts- und Politikfeldern so-
wie in Haushaltsplanungen blieben dennoch aus.

Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen bedeuten Wohlstand und Lebens-
qualität. Zu deren Sicherung weltweit beizutragen und im Inland vorbildlich

Drucksache 17/2005 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

voranzuschreiten, sollte ein zentrales Anliegen der Bundesregierung sein. Kon-
sequentes nationales Agieren würde zudem eine Argumentationsgrundlage
schaffen, auf der auch andere Staaten zu mehr Aktivität und Selbstverpflich-
tung bewegt werden könnten.

In Deutschland schreitet der Verlust der biologischen Vielfalt voran, angetrie-
ben durch steigenden Flächenverbrauch, Zerschneidung, Übernutzung und Ver-
schmutzung. Die nationale Strategie zur biologischen Vielfalt setzt einen Rah-
men, in dem Schutzbemühungen vorangetrieben werden können und sollten.
Jedoch ist die Verankerung dieser Strategie als Querschnittsthema für alle Res-
sorts auch auf nationaler Ebene ausgeblieben. Stattdessen wurde unter anderem
durch die Aufweichung der Eingriffsregelung im Bundesnaturschutzgesetz die
reale Kompensation von Beeinträchtigungen der Natur weiter ausgehebelt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich zum Ende der deutschen CBD-Präsidentschaft und bei den anschließen-
den Verhandlungen dafür einzusetzen, dass

a) im strategischen Plan der Konvention ein starkes und verbindliches Post-
2010-Ziel formuliert wird, mit überprüfbaren Zwischenzielen und aussa-
gekräftigen Indikatoren,

b) nachhaltige Finanzierungsquellen und -mechanismen geschaffen werden,
um ein weltweites Schutzgebietssystem an Land und auf den Meeren ein-
zurichten und zu sichern,

c) die in Montreal verfasste Verhandlungsgrundlage zu ABS in Nagoya zu
einem völkerrechtlich verbindlichen Protokoll gegen Biopiraterie weiter-
entwickelt wird,

d) für die biologische Sicherheit beim grenzüberschreitenden Umgang mit
gentechnisch veränderten Organismen statt freiwilliger Selbstverpflich-
tungen ein rechtlich bindendes Haftungssystem geschaffen wird,

e) auf UN-Ebene ein internationaler Rat zu Biodiversität und Ökosystem-
dienstleistungen als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik ein-
gerichtet wird;

2. die während der COP 9 zugesagten Mittel zur Finanzierung des internationa-
len Biodiversitätsschutzes unverzüglich und in voller Höhe freizugeben,
ohne sie auf mehrere Zusagen (Biodiversität, Klimaschutz, Anpassung, Ent-
wicklungszusammenarbeit) gleichzeitig anzurechnen;

3. in Zusammenarbeit mit den Ländern auf nationaler und europäischer Ebene
die Ziele der UN-Biodiversitätskonvention konsequent umzusetzen. Dies
beinhaltet insbesondere:

a) die Vereinbarung eines verbindlichen europäischen Post-2010-Ziels mit
adäquaten und konkreten Unterzielen sowie messbaren Indikatoren, die
die relevanten Ursachen des Biodiversitätsverlustes widerspiegeln,

b) die Verankerung des Biodiversitätsschutzes als Querschnittsthema in al-
len relevanten Ressorts sowie die Prüfung wichtiger Gesetze auf Verein-
barkeit mit der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt,

c) die Erstellung einer nationalen Studie zur ökonomischen Bedeutung von
Ökosystemdienstleistungen und biologischer Vielfalt, um die ausrei-
chende Berücksichtigung in allen Politikfeldern gewährleisten zu kön-
nen,

d) die Einrichtung eines unabhängigen nationalen Monitoringzentrums, das

Daten sammelt, aufbereitet und veröffentlicht, diese aber auch bewertet
und in politischen Entscheidungsprozessen berät,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2005

e) sicherzustellen, dass bis 2020 mindestens 5 Prozent der deutschen Wald-
flächen der natürlichen Entwicklung überlassen und mindestens 80 Pro-
zent nach hochwertigen ökologischen Standards zertifiziert werden,

f) die Umsetzung der gesetzlichen Verpflichtung, ein länderübergreifendes
Biotopverbundsystem auf 10 Prozent der Landesfläche zu schaffen,

g) die Verringerung des täglichen Flächenverbrauchs auf unter 30 Hektar bis
2020 und den Erhalt der großen unzerschnittenen verkehrsarmen Räume,

h) die konsequente Umsetzung und Weiterentwicklung der Vorsorgebestim-
mungen beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen zum
Schutz der genetischen Ressourcen.

Berlin, den 8. Juni 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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