BT-Drucksache 17/1989

Kyritz-Ruppiner Heide in ihrer Einheit erhalten- Voraussetzungen für eine chancenreiche Regionalentwicklung schaffen

Vom 9. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1989
17. Wahlperiode 09. 06. 2010

Antrag
der Abgeordneten Cornelia Behm, Undine Kurth (Quedlinburg), Agnes Malczak,
Dr. Harald Terpe, Markus Tressel, Daniela Wagner, Kerstin Andreae, Hans-Josef
Fell, Bettina Herlitzius, Winfried Hermann, Ulrike Höfken, Bärbel Höhn,
Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Stephan Kühn,
Nicole Maisch, Ingrid Nestle, Friedrich Ostendorff, Dr. Hermann Ott,
Dorothea Steiner, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kyritz-Ruppiner Heide in ihrer Einheit erhalten – Voraussetzungen für eine
chancenreiche Regionalentwicklung schaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Nach der endgültigen Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung,
die Kyritz-Ruppiner Heide aus der militärischen Nutzung zu nehmen, ist end-
lich der Weg für eine zivile Perspektive in der Region frei.

Mehr als 17 Jahre haben sich die Bürger- und Friedensinitiativen in Branden-
burg und Mecklenburg-Vorpommern gegen ein „Bombodrom“ engagiert und
dabei erhebliche Widerstände überwunden. Sie haben damit ein bedeutsames
zeitgenössisches Beispiel für erfolgreiches zivilgesellschaftliches und friedens-
politisches Engagement abgegeben, das über die Region hinaus Ermutigung
gibt. Dafür gebührt ihnen Anerkennung und Dank.

Den Bürgerinnen und Bürgern in der Region zwischen Neuruppin, Rheinsberg
und Wittstock wurde nach vielen Jahrzehnten ein großes Stück Heimat zurück-
gegeben. Jetzt kommt es darauf an, diese in ihrer Naturschönheit und land-
schaftlichen Einmaligkeit zu bewahren und eine naturverträgliche Nutzung zu
ermöglichen, die auch neue wirtschaftliche Perspektiven für die Region und
ihre Menschen eröffnet.

Bei der Kyritz-Ruppiner Heide handelt es sich – aufgrund der Großflächigkeit
und Unzerschnittenheit – um ein herausragendes nationales Naturerbe. Die
Bundesregierung muss ihren Beitrag dazu leisten, sie als solches zu sichern und
zu entwickeln.

Um die Chancen, die die Region aus der Entscheidung für eine zivile Nutzung

gewonnen hat, in ihrer Vielfältigkeit und Breite wahren zu können, müssen nun
die Weichen für eine gute Zukunft gestellt werden. Die Rahmenbedingungen
sind so zu gestalten, dass die Kyritz-Ruppiner Heide in ihrem naturschutzfach-
lichen Wert erhalten bleibt und zugleich eine nachhaltige wirtschaftliche Ent-
wicklung ermöglicht wird.

Da es sich bei dem ehemaligen Truppenübungsplatz um ein durch den Übungs-
betrieb der sowjetischen Streitkräfte zwischen 1952 und 1994 mit Munition

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unterschiedlichster Art sowie mit anderweitiger Militärtechnik hoch belastetes
Gelände handelt, muss der Bund die für eine sichere zivile Nutzung notwendige
Munitionsbefreiung veranlassen. In der Planung sollte auf die fachlichen
Kenntnisse und Ortskenntnisse der amtierenden Bundeswehrkommandantur
zurückgegriffen werden. Gleiches gilt für die Beräumung bestimmter Bereiche,
wie dem des Brandschutzriegels um das Offenland und die zentralen Wege.

In die Erarbeitung eines integrierten Nutzungskonzepts für die Kyritz-Ruppiner
Heide müssen sich nach Maßgabe ihrer Zuständigkeit die Kommunen und Ak-
teure vor Ort, die Naturschutzorganisationen, das Land Brandenburg und der
Bund gleichermaßen intensiv einbringen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Kyritz-Ruppiner Heide zusätzlich zu den im Koalitionsvertrag zwischen
CDU, CSU und FDP vereinbarten 125 000 Hektar in das Nationale Natur-
erbe aufzunehmen, damit unter dessen Dach in der Region ein einvernehm-
lich abgestimmtes regionales Nutzungskonzept erarbeitet werden kann;

2. dafür die Gesamtfläche zügig an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
zu übertragen, in ihrer Einheit zu belassen und vom Privatisierungsauftrag
auszunehmen;

3. die Zugänglichkeit für Teile des Geländes zügig herzustellen und dafür zu-
nächst die Munitionsfreiheit des Brandschutzriegels und eines Wegenetzes
abzusichern sowie die notwendigen Maßnahmen zur Altlastensanierung
bzw. -sicherung zu ergreifen;

4. sich im Rahmen ihrer Zuständigkeiten in die Erarbeitung eines integrierten
naturverträglichen Nutzungskonzepts einzubringen und ressortübergreifend
zu fördern;

5. den Heidecharakter des Geländes durch ein Offenhalten der Landschaft um-
gehend sicherzustellen;

6. die friedenspolitische Arbeit der vor Ort aktiven Initiativen zu würdigen und
das fortdauernde zivilgesellschaftliche Engagement in diesem Bereich beim
Aufbau eines Bildungszentrums für Friedenspolitik zu unterstützen.

Berlin, den 8. Juni 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Von besonderer Bedeutung für die zukünftigen Perspektiven der Region ist es,
die Heide als Einheit zu bewahren. Denn die Bemühungen um ein in der
Region abgestimmtes Nutzungskonzept sollte nicht durch eine Zerstückelung
der Fläche behindert oder konterkariert werden. Die jahrelange Unzugänglich-
keit vieler Areale auf dem Gelände hat eine ungestörte Naturentwicklung er-
möglicht, die es auch in Zukunft zu erhalten gilt. Die beste Lösung ist daher
eine Übertragung des ehemaligen Truppenübungsplatzes in das Nationale
Naturerbe.

Für die Bürgerinnen und Bürger in der Region ist es darüber hinaus notwendig,
dass Teile der Kyritz-Ruppiner Heide zeitnah zugänglich gemacht werden, was

nicht nur die Munitionsfreiheit dieser Bereiche, sondern auch ein Park- und

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1989

Rangersystem sowie den Erlass einer Sperrgebietsverordnung für aus Sicher-
heitsgründen von der Betretung auszuschließende Bereiche erfordern würde.

Die Kyritz-Ruppiner Heide ist aus Sicht der Tourismuswirtschaft außerordent-
lich interessant für die Region. Seit 1995 sind die Zahlen der Gästeübernach-
tungen um mehr als das Dreifache und die Anzahl der Gastbetriebe um mehr
als das Doppelte gestiegen. Mit der Einbeziehung der Heidelandschaft in diese
wald- und wasserreiche Region wird ein touristischer Dreiklang geschaffen, der
deutschlandweit einzigartig ist und die touristische Attraktivität noch einmal
deutlich steigern wird. Denn neben dem Wassertourismus sind auch Wander-
und Fahrradtourismus ein großer Wachstumsmarkt. Mit den weitläufigen
Flächen von Heidelandschaften, Waldgebieten und Seenketten zeigt sich in der
Region ein fantastisches Wechselspiel aus Kulturlandschaft und Natur, die gro-
ßes Potenzial im Hinblick auf sanften Tourismus verspricht. Vor diesem Hinter-
grund ist es wichtig, den Erhalt der Heidelandschaft kurzfristig abzusichern und
die einsetzende Verbuschung und Bewaldung aufzuhalten.

Mittel- und langfristig bietet die Kyritz-Ruppiner Heide darüber hinaus eine
Reihe wirtschaftlicher Potenziale, die deutlich über den sanften Tourismus hin-
ausweisen. Neben Landschaftspflege, Waldwirtschaft und einer an die natur-
räumliche Ausstattung angepassten Gesundheitswirtschaft, kann das Gelände
in Teilen auch zur Gewinnung erneuerbarer Energien genutzt werden. So ließe
sich beispielsweise ein Teil der Kosten erwirtschaften, die zur Altlastensanie-
rung notwendig sind. Gleichzeitig würde der Ausbau erneuerbarer Energien die
Vermarktungsmöglichkeiten der Gesamtregion im Hinblick auf touristische
Potenziale wiederum signifikant erhöhen. Klimaneutrale, naturnahe Reiseange-
bote werden zunehmend gefragt.

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