BT-Drucksache 17/1988

Durch eine neue Investitionspolitik zu mehr Verkehr auf der Schiene

Vom 9. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1988
17. Wahlperiode 09. 06. 2010

Antrag
der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Bettina Herlitzius,
Stephan Kühn, Ingrid Nestle, Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms, Cornelia Behm,
Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Undine Kurth
(Quedlinburg), Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, Dr. Hermann Ott,
Dorothea Steiner, Markus Tressel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Durch eine neue Investitionspolitik zu mehr Verkehr auf der Schiene

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Eisenbahn ist nachweislich umwelt- und klimafreundlicher als Pkw, Lkw
und Luftverkehr. Im Vergleich pro Personenkilometer ist der Schienenverkehr
beim CO2-Ausstoß mehr als doppelt so effizient wie der Pkw und fast dreimal
klimaschonender als das Flugzeug. Im Güterverkehr ist die Schiene mehr als
viermal klimafreundlicher als der Lkw und stößt pro Tonnenkilometer rund
60- mal weniger Klimagase aus als das Flugzeug. Die Schiene hat ihren Um-
weltvorteil dabei in den vergangenen Jahren sogar noch ausbauen können. Die
Verlagerung von Verkehr von der Straße und dem Flugzeug auf die Schiene ist
damit ein wichtiger Beitrag zum Erreichen der Klimaziele der Bundesregie-
rung, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Um
diesen Mehrverkehr auf der Schiene zu erreichen, ist ein effizienter Ausbau der
Schieneninfrastruktur notwendig.

Der Verkehrsinvestitionsbericht 2009 (Bundestagsdrucksache 17/444) weist
über 37 Mrd. Euro als noch zu leistende Ausgaben für die Fertigstellung der
Bedarfsplanprojekte im Bundesverkehrswegeplan 2003 bzw. im Ersten Gesetz
zur Änderung des Bundesschienenwegeausbaugesetzes von 2004 aus. Bei einer
Fortschreibung der derzeitigen Ausgaben aus dem Bundeshaushalt von jährlich
etwas über 1 Mrd. Euro für Neu- und Ausbauprojekte könnte demzufolge der
Vordringliche Schienenbedarf erst nach 2040 fertiggestellt werden, da eine
Deckungslücke von mindestens 23 Mrd. Euro besteht. Allein das Projekt Stutt-
gart 21 verteuerte sich innerhalb eines Jahres von 2,8 auf 4,09 Mrd. Euro. Auch
die Deutsche Bahn AG (DB AG) geht davon aus, dass eine Realisierung des
Bedarfsplanes bis 2025 – also immer noch zehn Jahre nach Ende des derzeit
gültigen Bundesverkehrswegeplans (BVWP) – nur dann möglich ist, wenn

rund 1,8 Mrd. Euro pro Jahr aus dem Bundeshaushalt bereitgestellt werden.

Der Verkehrsinvestitionsbericht listet auch derzeitig auftretende bzw. kurzfris-
tig absehbare Engpässe in den Schienenwegen des Bundes auf. Hier fällt auf,
dass die Investitionsschwerpunkte nicht mit den identifizierten Engpässen
übereinstimmen. In den Knoten Bremen, Hamburg und Hannover ist kein Aus-
bau erkennbar. Der Ausbau entlang der Oberrheintrasse zwischen Basel und

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Karlsruhe geht nur schleppend voran und wird beim derzeitigen Ausbautempo
erst lange nach Eröffnung des Gotthard-Basistunnels fertig. Der viergleisige
Ausbau der Strecke zwischen Augsburg und München zieht sich nun schon
über zehn Jahre hin. Die Engpassbeseitigung im Knoten Fürth unterbleibt,
dafür wird auf der Neubaustrecke Ebensfeld–Ilmenau ein Tunnel nach dem
anderen gebohrt, obwohl auf der Strecke voraussichtlich nur 1,5 Fernzüge
pro Stunde fahren sollen.

Der Bundesrat hat am 5. März 2010 in seiner einstimmig angenommenen Ent-
schließung „Zukunft der Bahn sichern“ festgestellt, dass die Schieneninfra-
struktur seit Jahren unterfinanziert ist und gefordert, dass die Trassenerlöse und
Stationsentgelte ausschließlich für die Bahninfrastruktur verwendet werden,
dass die Bundesnetzagentur bei der Kontrolle der Stations- und Trassenpreise
gestärkt wird, dass für regionale Schienenstrecken neue Betreibermodelle er-
möglicht werden sollen und dass nichtbundeseigene Eisenbahninfrastruktur
vom Bund mitfinanziert werden soll. Zudem begrüßen die Länder, die im
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP angekündigte Prüfung des
Modells des Deutschland-Taktes.

Die Verkehrsministerkonferenz vom 14./15. April 2010 hat für den Bereich der
Schiene festgestellt, dass die Maßnahmen des Bundesverkehrswegeplans der-
zeit in hohem Maße unterfinanziert sind und den verkehrlichen Anforderungen
der Zukunft im Schienenbereich nicht Rechnung getragen werden kann.

Die bisherige unkoordinierte Realisierung von Einzelprojekten im Bereich der
Bundesschienenwege ist falsch, weil sie nicht berücksichtigt, dass die Leis-
tungsfähigkeit des Gesamtnetzes maßgeblich von der Kapazität der Engpässe
bestimmt wird. Außerdem werden bei den Planungen keine Zielfahrpläne be-
rücksichtigt, die integrale Taktverkehre ermöglichen, mit denen die Reisezeiten
flächendeckend gesenkt werden können.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● für fairen Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern zu sorgen durch eine Be-
endigung der Subventionierung des Luftverkehrs durch Einführung einer
Energiebesteuerung (Kerosinsteuer) und einer Mehrwertsteuer auf Auslands-
flüge und die Ausweitung der Lkw-Maut auf Transporter ab 3,5 Tonnen und
schrittweise über Bundesstraßen langfristig auf das gesamte Straßennetz,

● die volle Einbeziehung der externen Kosten bei allen Verkehrsträgern zu for-
cieren und sich für die Novellierung der Eurovignetten-Richtlinie und für eine
Aufnahme von Lärmkosten bei der Revision des ersten Eisenbahnpakets ein-
zusetzen,

● für den Schienenpersonenfernverkehr die Planungsgrundsätze des Deutsch-
land-Taktes zugrunde zu legen und dabei zusätzliche Güterverkehrstrassen als
Bestandteil der Strategie einzuplanen,

● die Investitionsschwerpunkte beim Neu- und Ausbau von Eisenbahninfra-
strukturprojekten derart zu verändern, dass der Beseitigung akuter Engpässe
und damit Projekten mit dem höchsten Nutzen-Kosten-Verhältnis Priorität ein-
geräumt wird,

● kurzfristig und mit höchster Priorität die Projekte anzugehen, die im Verhältnis
zu den eingesetzten Finanzmitteln den höchsten Zuwachs an Personen- und
Tonnenkilometern erwarten lassen und Projekte, die diese Kriterien nicht er-
füllen, zeitlich zu schieben,

● Neu- und Ausbauprojekte nach der Maßgabe eines umfassenden präventiven
Lärmschutzes nur noch ohne Anrechnung des Schienenbonus bei der Berech-

nung des Schallpegels zu realisieren,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1988

● die Ausrüstung der internationalen Korridore mit dem Zugleit-/Zugsiche-
rungssystem ERTMS/ETCS zu beschleunigen,

● kurzfristig ein Wachstumsprogramm für den Schienengüterverkehr mit dem
Ausbau von Alternativrouten und der Beseitigung von Engpässen in den
Knoten aufzulegen,

● den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur von nichtbundeseigenen Eisenbahnen
(NE-Bahnen) aus Bundesmitteln zu fördern,

● regionale Schienennetze mit einem Finanzausgleich an die Länder zu übertra-
gen,

● die Halbierung der Mittel für den Kombinierten Verkehr zurückzunehmen und
stattdessen die Mittel auf 200 Mio. Euro pro Jahr zu erhöhen und das Gleisan-
schlussprogramm zu verbessern und flexibler zu gestalten,

● die Zielvorgabe der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie zu einer Verdopplung
des Schienengüterverkehrs bis 2015 gegenüber 1997 mit konkreten Zielen hin-
sichtlich des Kapazitätszuwachses und der Wettbewerbsintensität im Schie-
nengüterverkehr zu unterfüttern,

● über einen Beschluss in der Hauptversammlung oder im Aufsichtsrat der Deut-
schen Bahn AG dafür zu sorgen, dass die Gewinne der Infrastruktursparten der
DB AG ab dem 1. Januar 2011 nicht mehr an die DB-Konzernholding abge-
führt werden, sondern im Netz und den anderen Infrastruktureinrichtungen
verbleiben,

● die Rechte der Bundesnetzagentur zu stärken und dabei insbesondere:

– Beschlusskammern nach dem Vorbild der anderen regulierten Sektoren
einzurichten,

– eine Anreizregulierung bei den Trassenpreisen einzuführen,

– die Legitimität der Regulierungsentscheidungen einschließlich des
Sofortvollzuges zu stärken,

– das Instrument der Rahmenverträge in der Art zu schärfen, dass Marktteil-
nehmer auch Planungssicherheiten für Investitionen in neue Eisenbahn-
fahrzeuge erhalten, für die mehrjährige Lieferfristen gelten,

● die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung für das Bestandsnetz so zu
überarbeiten, dass eine unabhängige und transparente Kontrolle der Mittelver-
wendung auf der Basis überprüfbarer Kriterien möglich wird,

● die Mittel für den Neu- und Ausbau von Bedarfsplanprojekten auf insgesamt 2
Mrd. Euro aufzustocken, von denen 500 Mio. Euro als zinslose Darlehen ge-
währt werden sollen, wobei die Aufstockung gebunden ist an eine strikte Be-
folgung der neuen Planungsgrundsätze,

● dafür zu sorgen, dass die Schiene auch zukünftig über die Verkehrsinfrastruk-
turfinanzierungsgesellschaft 38 Prozent aus den Nettoeinnahmen der Lkw-
Maut erhält.

Berlin, den 8. Juni 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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Begründung

Die Wettbewerbsfähigkeit des Verkehrsträgers Schiene wird maßgeblich durch
Verzerrungen im intermodalen Wettbewerb mit dem Straßen- und dem Luftver-
kehr behindert. So muss z. B. für jeden gefahren Kilometer auf der Schiene
eine Trassengebühr entrichtet werden, während der Lkw bisher nur auf Auto-
bahnen und erst ab einem Gesamtgewicht von 12 Tonnen Maut zahlen muss.
Und während für eine grenzüberschreitende Eisenbahnfahrt der volle Mehr-
wertsteuersatz fällig wird, entrichtet der Luftverkehr gar keine Mehrwertsteuer
bei grenzüberschreitenden Flügen. Die Subventionierung des Luftverkehrs
durch die nicht erhobene Kerosinsteuer beläuft sich nach Angaben des Um-
weltbundesamts auf 6,9 Mrd. Euro jährlich.

Alle Verkehrsträger erzeugen externe Kosten in Form von Klimaschäden, Luft-
schadstoffen, Lärm, Flächenverbrauch, Zerschneidungswirkung und unge-
deckte Gesundheitskosten. Diese Kosten sollten verursachergerecht angelastet
werden. Für den Lkw-Verkehr liegt ein Vorschlag der EU-Kommission für die
Einbeziehung der externen Kosten vor, der zwar unzureichend ist, aber einen
Schritt in die richtige Richtung darstellt. Daher sollte Deutschland seine
Blockade aufgeben. Ebenso sollte Deutschland eine Anlastung von Lärmkosten
im Rahmen der Revision des ersten Eisenbahnpakets unterstützen und den
Schienenbonus, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, rasch abschmelzen.

Es fehlt in Deutschland im Gegensatz zur Schweiz eine weit vorausschauende
Infrastrukturpolitik, die die netzweite Fahrplanoptimierung in den Mittelpunkt
stellt und nicht Einzel-Bauvorhaben isoliert betrachtet. Der Schlüssel dazu
heißt Deutschland-Takt. Pünktlich, häufig und zügig – das sind die Anforderun-
gen, die Fahrgäste an zeitgemäßen Schienenverkehr stellen. Der Deutschland-
Takt ist das Projekt, das die Grundlagen dafür schaffen will, um diese Kunden-
anforderungen in Deutschland flächendeckend und auf hohem Niveau erfüllen
zu können. Ziel des Deutschland-Takts ist, das Zugangebot durch einen integra-
len Taktfahrplan bundesweit so zu verknüpfen und zu vertakten, dass häufigere
und schnellere Verbindungen mit optimalen Umsteigemöglichkeiten entstehen.
Vom ICE über die Regionalbahn bis hin zum Bus in der Fläche entstehen so
verlässliche Reiseketten. Voraussetzung dafür ist, dass die Zugangebote der
verschiedenen Anbieter im Nah- und Fernverkehr vorausschauend koordiniert
werden. Der Deutschland-Takt sollte daher zum Planungsgrundsatz für den
Neu- und Ausbau von Schieneninfrastruktur erhoben werden. In seine Erarbei-
tung sind die Nutzer, also die Eisenbahnverkehrsunternehmen, von Anfang an
einzubeziehen. Dabei muss dafür gesorgt werden, dass die Vertreter der priva-
ten Bahnen die gleichen Mitspracherechte erhalten wie die Vertreter der Trans-
portgesellschaften der Deutschen Bahn AG.

Der Neu- und Ausbau von Schnellfahrstrecken für den Hochgeschwindigkeits-
verkehr soll nur noch dann erfolgen, wenn diese für die Verwirklichung eines
integralen Taktfahrplans sinnvoll sind und damit eine Netzwirkung entfalten.
Prestigeprojekte wie Stuttgart 21 oder eine Neubaustrecke Wendlingen–Ulm,
die für den normalen Güterverkehr nicht nutzbar ist, sollen nicht realisiert wer-
den. Aufgrund der knappen Haushaltsmittel sind solche Projekte aber in jedem
Fall zurückzustellen bis alle Projekte, die eine zeitnahe Erhöhung der Kapazität
bewirken, umgesetzt sind. Bestandteil des Deutschland-Taktes muss daher von
Anfang an eine zügige Ausrüstung der internationalen Korridore mit ERTMS/
ECTS sein, wie es die Schweiz vormacht. Damit werden zusätzliche Kapazitä-
ten im bestehenden Schienennetz gehoben, ohne dass ausgebaut werden muss.

Durch einen Taktverkehr im Personenverkehr kann auch der Güterverkehr auf
vielen Strecken im Takt fahren, wenn die Geschwindigkeit des Personen- und
des Güterzugs gleich sind. Außerdem sind Überholgleise einzuplanen, um

Mischverkehre mit unterschiedlichen Streckengeschwindigkeiten zu ermög-
lichen. Der Güterverkehr braucht darüber hinaus genügend freie Kapazitäten

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für Spot-Verkehre, die kurzfristig angemeldet werden. Ein gesamthafter Pla-
nungsansatz nach dem Modell des Deutschland-Taktes muss daher auch dafür
sorgen, dass die Kapazitäten des Schienengüterverkehrs stark zunehmen. Denn
hier gibt es heute schon die höchsten Überlastungen und das größte Wachstums-
potenzial. In diesem Zusammenhang ist es zentral, Alternativrouten für den
Schienengüterverkehr zu bauen, mit denen zusätzlicher Güterverkehr in Nord-
Süd-Richtung z. B. durch den Ausbau von Uelzen-Stendal und die Elektrifizie-
rung von Reichenbach–Hof–Regensburg an den überlasteten Knoten Hannover
und Würzburg vorbei geführt werden kann. Außerdem müssen die Eisenbahn-
netze der nichtbundeseigenen Eisenbahnen (NE-Bahnen) in eine Ausbaustrate-
gie einbezogen werden und aus Bundesmitteln gefördert werden. Alle Eisen-
bahninfrastrukturunternehmen unabhängig von ihrer Eigentümerstruktur sollen
dabei bei der Beantragung von öffentlichen Mitteln für den Ausbau der Infra-
struktur gleichgestellt werden.

Der Kombinierte Verkehr (KV) ist ein wesentliches Instrument zur Verlagerung
von Güterverkehr von der Straße auf die Schiene. Die Halbierung der Bundes-
mittel für den Kombinierten Verkehr läuft massiv dem Ziel von Bundesminister
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, zuwider, zusätz-
lichen Güterverkehr möglichst vollständig auf die Schiene zu verlagern. Statt
die Mittel zu kürzen, müssen sie ausgeweitet werden. Dabei ist insbesondere
auch eine Ausbaustrategie für dezentrale Umschlagsanlagen für den KV zu er-
arbeiten und umzusetzen.

Für das Gleisanschlussprogramm muss eine flexiblere Mittelgewährung verein-
bart werden. Eine Garantie über eine bestimmte Transportmenge über einen
Zeitraum von fünf Jahren kann von vielen Unternehmen, die gerne einen Gleis-
anschluss zu ihrem Werk legen lassen würden, nicht gewährleistet werden, da
die Marktlage teilweise großen Schwankungen unterworfen ist. Zudem müssen
die Anschlussweichen, die z. B. den Anschluss in ein elektronisches Stellwerk
ermöglichen, zu 100 Prozent förderfähig gemacht werden.

Die Rechte der Bundesnetzagentur (BNetzA) müssen gestärkt werden, mit dem
Ziel mehr Wettbewerb auf dem Schienennetz und damit mehr Verkehr auf der
Schiene zu ermöglichen. Großvaterrechte für die Eisenbahnverkehrsunterneh-
men der Deutschen Bahn AG sind dabei abzuschaffen, um diese nicht gegen-
über Newcomern zu bevorzugen. Die Bundesnetzagentur sollte dabei die Mög-
lichkeit erhalten, die Trassenpreise nach dem Prinzip der Anreizregulierung
festzusetzen statt der bisherigen Kostenzuschlagsregelung. In jedem Fall muss
die Transparenz über die den Eisenbahninfrastrukturunternehmen tatsächlich
entstandenen Kosten wirksam erhöht werden. Der Zugang zu allen Serviceein-
richtungen einschließlich z. B. der Terminals für den Kombinierten Verkehr ist
dabei diskriminierungsfrei zu regeln. Durch eigene Beschlusskammern nach
dem Vorbild der anderen regulierten Sektoren sollen Regulierungsentscheidun-
gen schneller rechtsicher vollzogen werden. Regulierungsentscheidungen müs-
sen zukünftig schneller zur Planungssicherheit für Eisenbahnverkehrsunterneh-
men führen anstelle des jetzigen Zustandes, in der jegliche Regulierungsent-
scheidung von den DB Infrastrukturtöchtern letztinstanzlich beklagt werden
kann und somit je nach zeitlicher Dauer der Hauptsacheverfahren erst nach bis
zu 5 Jahren Rechts- und Planungssicherheit erlangt wird. Für die Rahmenver-
träge gilt, dass sie durch Unflexibilität und geringer Vorlaufzeit eine hohe
Hürde für Newcomer bedeuten. Das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) und
die Eisenbahninfrastruktur-Benutzungverordnung (EIBV) sind dementspre-
chend umfassend zu reformieren, um der BNetzA effizientere Regulierungsins-
trumente für den Eisenbahnsektor an die Hand zu geben als es heute der Fall ist.

Die Überprüfung des Bedarfsplans Schiene, die das Bundesministerium für

Verkehr, Bau und Stadtentwicklung derzeit vornimmt, sollte dazu genutzt wer-
den, regionale Schienennetze zu identifizieren, die mit einem finanziellen Aus-

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gleich an die Länder übertragen werden. Die Übertragung könnte im Zusam-
menhang mit der Revision der Regionalisierungsmittel erfolgen.

Die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) für die Schiene ist bis-
her für die parlamentarische Kontrolle weitgehend intransparent und hat keine
ausreichend klaren Kriterien, anhand derer der Bund als Geldgeber, den Netz-
zustand wirklich überprüfen könnte. Er enthält auch keine wirksamen Sank-
tionen bzw. Pönalen für die Nichterreichung vorgegebener Qualitätsstandards.
So sollte insbesondere auch der Zustand der Eisenbahnbrücken im Rahmen der
LuFV überprüft werden. Dies muss sich für die nächste Periode der LuFV
ändern. Der Finanzierungsbedarf für die nächste LuFV-Periode sollte auf der
Basis des Schienennetzes nach einer Abstufung regionaler Netze durch ein un-
abhängiges Gutachten festgelegt werden.

Der Finanzbedarf für Neu- und Ausbauprojekte ist deutlich höher als die im
Mittel der letzten Jahre zwischen 1,1 und 1,3 Mrd. Euro bereitgestellten
Finanzmittel. Eine Aufstockung der Mittel ohne eine Kurskorrektur in der
Infrastrukturpolitik insbesondere im Hinblick auf Großprojekte, die kaum
verkehrlichen Nutzen versprechen, lehnt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN ab. Durch einen Verbleib der Gewinne der Infrastruktursparten im
Netz stehen zusätzliche Mittel für den Infrastrukturausbau zur Verfügung.
Diese könnten z. B. für die Umsetzung von Projekten außerhalb des Bedarfs-
plans genutzt werden, wie sie das Wachstumsprogramm der DB Netz AG
vorsieht. Außerdem fordert die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine
Umstellung der Finanzierung von Neu- und Ausbauprojekten auf teilweise
zinslose Darlehen (Bundestagsdrucksache 17/543).

Der Plan der Bundesregierung, die Mauteinnahmen ausschließlich für Straßen-
baumaßnahmen zu verwenden und die Schieneninvestitionen für Neu- und
Ausbauprojekte damit vollständig aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren,
würde zu einem Ungleichgewicht in der Investitionspolitik führen. Denn Schie-
neninvestitionen würden dann vollständig dem zukünftigen Diktat der Schul-
denbremse im Bundeshaushalt unterworfen, während für die Finanzierung der
Bundesfernstraßen ein Schattenhaushalt aufgebaut würde, der von den Schwan-
kungen der Haushaltslinien unabhängig bliebe. Die Mischfinanzierung von
Straße, Schiene und Wasserstraße aus den Lkw-Mauteinnahmen hat sich be-
währt und sollte daher beibehalten werden.

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