BT-Drucksache 17/1960

Unsere Meere brauchen Schutz

Vom 9. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1960
17. Wahlperiode 09. 06. 2010

Antrag
der Abgeordneten Frank Schwabe, Dirk Becker, Marco Bülow, Gerd Bollmann,
Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Oliver Kaczmarek, Ulrich Kelber, Dr. Bärbel Kofler,
Ute Kumpf, Dr. Matthias Miersch, Thomas Oppermann, Ute Vogt, Dr. Frank-Walter
Steinmeier und der Fraktion der SPD

Unsere Meere brauchen Schutz

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Meere bedecken etwa 70 Prozent der Erdoberfläche und spielen eine wich-
tige Rolle für Mensch und Umwelt. Die Meere sind Ursprung allen Lebens, sie
sind Regulator für das Klima unserer Erde, sie bergen gewaltige Energie-
ressourcen und bieten neben wichtigen Nahrungsquellen auch den Lebens-
unterhalt für Millionen Menschen. Ihr Schutz ist deshalb besonders wichtig.

Lange Zeit wurden die Meere in einem Irrglauben an die Unerschöpflichkeit
der Ressourcen und eine grenzenlose Regenerationsfähigkeit genutzt und über-
nutzt. Die Folgen dieses Handels wurden viel zu spät erkannt. Heute drohen
ökologische Risiken und negative Auswirkungen auf die Meeresumwelt. In nur
wenigen Jahrzehnten hat der Mensch die ältesten Lebensräume unseres Plane-
ten bis an die Belastungsgrenze und darüber hinaus ausgebeutet. Der faszinie-
renden Vielfalt der Ozeane droht die Vernichtung.

Dadurch ist auch die Nutzung der Meere durch den Menschen beeinträchtigt.
Meeresumweltschutz dient dazu, Schäden am Ökosystem Meer zu verhindern
und gleichzeitig das Potential für eine nachhaltige Nutzung zu sichern. Dieses
Ziel kann am besten erreicht werden, indem der Meeresschutz in Politikfelder
wie Fischerei, Landwirtschaft, Industrie, Verkehr usw. integriert wird.

Die für die Meeresökosysteme derzeit wichtigsten globalen Probleme sind: die
Überfischung, die Zerstörung von Lebensräumen durch schweres Fanggeschirr,
der Eintrag gefährlicher Stoffe, die Überdüngung (Eutrophierung), Verschmut-
zungen durch Öl, das Einschleppen invasiver Arten sowie Effekte von Lärm-
quellen, die zum Beispiel Meeressäuger stören und schädigen können. In zu-
nehmendem Maße wächst die Bedrohung der Meere durch den Klimawandel.
Die Folgen des Klimawandels können immens sein. Wenn die globale Erwär-

mung nicht auf unter zwei Grad Celsius begrenzt wird, drohen ganze marine
Ökosysteme zu verschwinden, insbesondere langsam wachsende Korallen sind
davon betroffen. Plastikmüll ist ein weltweites Problem und gefährdet in zu-
nehmendem Maße unsere Meere und Küsten. Von den jährlich bis zu 240 Mil-
lionen Tonnen produziertem Plastik landen nach Schätzungen des Umweltpro-
gramms der Vereinten Nationen (VN) mehr als 6,4 Millionen Tonnen Müll in
den Ozeanen.

Drucksache 17/1960 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Meeresumwelt ist ein kostbares Naturerbe, das für uns und unsere Nach-
kommen geschützt und mit dem Ziel bewahrt werden muss, biologisch viel-
fältige und dynamische Meeresökosysteme in einem sicheren, sauberen, gesun-
den und produktiven Zustand zu erhalten. Deshalb muss Deutschland als
wichtiger europäischer Staat und Küstenanrainer seinen Einfluss geltend
machen und auf europäischer und globaler Ebene mehr Engagement für den
Schutz unserer Meere einfordern und selbst dafür einstehen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich für die Schaffung eines globalen Netzwerkes von Meeresschutzgebieten
durch das VN-Übereinkommen über Biologische Vielfalt (CBD) einzuset-
zen. Meeresschutzgebiete sind Gebiete, in denen die wirtschaftlichen
Nutzungsinteressen aufeinander abgestimmt und ihre Ausbreitung dem
Schutzauftrag entsprechend begrenzt wird. Dazu gehören Fischerei, Öl- und
Gasförderung sowie Sand- und Kiesabbau. Meeresschutzgebiete sind ein
Schlüsselinstrument gegen den Verlust der marinen Artenvielfalt und für den
Schutz der Meere und ihrer Bewohner. In Meeresschutzgebieten können
sich überfischte Bestände erholen und die Fischerei profitiert von wachsen-
den Populationen. Ein effektives Netzwerk von Meeresschutzgebieten muss
groß genug sein, um Arten und ökologische Prozesse nachhaltig zu sichern
und zu erhalten. Wichtig dabei ist auch eine wirkungsvolle und effiziente
Kooperation bei der Ausweisung und dem Management von grenzüber-
schreitenden Schutzgebieten;

2. sich für den Abschluss eines internationalen Vertrages zum Schutz der Ark-
tis nach dem Vorbild des Antarktisvertrages einzusetzen. Um die Schaffung
vollendeter Tatsachen zu verhindern, muss sich die Bundesregierung nach-
drücklich und unverzüglich für ein Moratorium einsetzen, mit dem Ziel,
sämtliche Gebietsansprüche oder sonstigen Ansprüche im Hinblick auf die
arktischen Ressourcen bis zu einem endgültigen Schutzabkommen zurück-
zustellen;

3. sich stärker auf europäischer und internationaler Ebene dafür einzusetzen,
dass das anhaltende Artensterben in den Meeren gestoppt wird. Die Verein-
ten Nationen haben das Jahr 2010 als das Internationale Jahr der biologi-
schen Vielfalt benannt. Die Bundesregierung muss diese Aufmerksamkeit
nutzen, um einen wirklichen Ausgleich von Schutz- und Nutzerinteressen
herbeizuführen und die biologische Vielfalt der Arten und Lebensräume so-
wie ihre Wechselbeziehungen im Meer zu schützen und zu erhalten;

4. sich für einen umfangreicheren Schutz von FFH-Anhang-II-Arten in den
Natura-2000-Gebieten der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone
(AWZ) einzusetzen;

5. sich dafür einzusetzen, dass die sog. Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie kon-
sequent umgesetzt und der Eintrag von Müll in die Meeresumwelt reduziert
wird, so dass im Jahr 2020 ein „guter Umweltzustand der Meeresöko-
systeme“ hergestellt ist. Danach wird es darum gehen, den Zustand der
Meere in der Weise zu erhalten oder weiter zu verbessern, dass überall dieser
Zustand gewährleistet ist;

6. sich stärker auf europäischer und internationaler Ebene dafür einzusetzen,
dass der Eintrag gefährlicher und radioaktiver Stoffe, von Nährstoffen und
Abfällen so weit wie möglich gesenkt wird. Vor allem muss der Eintrag von
Stoffen in die Meeresumwelt vermindert werden, die nicht oder nur langsam
abgebaut werden, die sich in Lebewesen anreichern oder toxisch sind;

7. das Verursacherprinzip bei Abfällen im Meer anzuwenden und eine Ver-

stärkung des Vorsorgegrundsatzes anzustreben;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1960

8. sich verstärkt für den Abschluss eines internationalen Kyoto-Anschlussab-
kommens einzusetzen, dass Minderungsverpflichtungen enthält, mit denen
das Zwei-Grad-Ziel erreicht werden kann. Wegen der steigenden Be-
drohung der Meere und ihrer Küsten durch den Meeresspiegelanstieg, die
Erwärmung und Versauerung ist eine ambitionierte Klimaschutzpolitik für
den Meeresumweltschutz unabdingbar;

9. internationale Bestrebungen zur Minderung der Umweltverschmutzung
durch Ölforderung aktiv zu unterstützen oder Vorschläge auf europäischer
und internationaler Ebene vorzulegen bzw. zu prüfen;

10. sich auf europäischer und internationaler Ebene dafür einzusetzen, dass
beim Betrieb von Ölplattformen die Techniken zur Reinigung der Produk-
tionswasser verbessert werden. Der Haupteintrag von Öl in die Meere
durch Ölplattformen erfolgt nicht durch spektakuläre Unfälle, sondern
durch den täglichen Betrieb auf den Ölplattformen. Um diesen Eintrag zu
vermindern, ist beim Betrieb der Ölplattformen darauf hinzuarbeiten, dass
der Ölanteil im Produktionswasser weiter abgesenkt wird bis eine Produk-
tionsweise erreicht wird, bei der keinerlei umweltbelastende Stoffe mehr in
die Umwelt abgegeben werden;

11. zu überprüfen, ob das Unfall- und Katastrophenmanagement gegen Öl-
unfälle noch effektiver gestaltet werden kann und alle denkbaren Gefahren-
lagen umfasst. Es ist unbedingt zu verhindern, dass sich an der deutschen
Küste eine ähnliche Umweltkatastrophe ereignen kann, wie wir sie gerade
im Golf von Mexiko erleben;

12. sich für ein Moratorium für Öl-Tiefseebohrungen einzusetzen, solange die
Technologien noch nicht verfügbar sind, um auftretende Unfälle zu beherr-
schen;

13. sich dafür einzusetzen, dass die bestehenden europäischen Regelungen
(Richtlinie 2000/59/EG) über Hafenauffangeinrichtungen für Schiffsbfälle
und Ladungsrückstände effektiv und konsequent auf nationaler Ebene um-
gesetzt und Verstöße sanktioniert werden. Darüber hinaus sollte die Wirk-
samkeit des bestehenden europäischen Regelungswerks zur umweltgerech-
ten Entsorgung von Schiffsabfällen und Ladungsrückständen überprüft und
bei Bedarf überarbeitet werden.

Berlin, den 8. Juni 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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