BT-Drucksache 17/1892

Gefahren der Ölförderung in deutschen und europäischen Meeren

Vom 31. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1892
17. Wahlperiode 31. 05. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Winfried
Hermann, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Stephan Kühn, Undine
Kurth (Quedlinburg), Ingrid Nestle, Friedrich Ostendorff, Dr. Hermann Ott,
Dorothea Steiner, Daniela Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gefahren der Ölförderung in deutschen und europäischen Meeren

Das Unglück der Deepwater Horizon im Golf von Mexiko hat deutlich gemacht,
mit welch unverantwortlichen Methoden heute Öl gefördert wird, um den nach
wie vor steigenden Bedarf zu decken. Die Ölförderung ist zu einer Hochrisiko-
technologie geworden – vor allem in solch empfindlichen Ökosystemen wie
dem Meer. Auch in der Nordsee und den angrenzenden Meeren wird Öl geför-
dert. Eine Katastrophe wie im Golf von Mexiko kann nicht ausgeschlossen wer-
den und die Folgen für Deutschland und Europa wären dramatisch: Die Einstel-
lung der Fischerei, tödliche Gefahren für Meerespflanzen und Meerestiere (u. a.
Robben, Wale und Delphine sowie Zug- und Brutvögel) und eine Ölpest im
UNESCO-Welterbe Wattenmeer mit schwerwiegenden Folgen für den Touris-
mus.

Unbeschadet einer dringend notwendigen grundsätzlichen Strategie zur Abkehr
unserer Wirtschaft von der Abhängigkeit vom Öl: Den Gefahren der Ölförde-
rung in deutschen und europäischen Meeren muss jetzt schnell und entschieden
vorgebeugt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

Förderung von Rohstoffen

1. An welchen Stellen wird in Nord- und Ostsee (einschließlich norwegische
Rinne) Öl oder Gas jeweils in welchen Meerestiefen gefördert, und welche
Fördermethoden werden hier angewandt (bitte Förderstellen und -methoden
einzeln benennen)?

2. a) Welche Lagerstätten mit welchen Kapazitäten an Erdöl, Erdgas oder an-
deren fossilen Rohstoffen unter dem Meeresboden der Nord- und Ostsee
sowie der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) sind der-
zeit bekannt?

b) Finden derzeit weitere Suchen nach noch nicht bekannten Lagerstätten
statt, und wenn ja, fördert die Bundesregierung diese?
3. Wie lange werden bei gleichbleibender Fördergeschwindigkeit unter Zugrun-
delegung der derzeit genehmigten Förderungen in Nord- und Ostsee sowie
der AWZ dort voraussichtlich noch Erdöl, Erdgas oder andere fossile Roh-
stoffe gefördert?

Drucksache 17/1892 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Gibt es derzeit Anträge zur Förderung fossiler Energien innerhalb der deut-
schen AWZ, und falls ja, welche Firmen wollen hier mit welchen Methoden,
an welchen Stellen welche Energieträger fördern?

Genehmigung der Förderung

5. Nach welchem Verfahren und durch wen werden Förderlizenzen innerhalb
und außerhalb der AWZ vergeben, und gibt es hierfür ein auf europäischer
Ebene abgestimmtes Vorgehen?

Falls ja, welche Möglichkeiten hat Deutschland, um den Genehmigungspro-
zess außerhalb der deutschen AWZ zu beeinflussen?

6. Erwägt die Bundesregierung in Deutschland, die weitere Genehmigung des
Abbaus von Erdöl und Erdgas aus Lagerstätten unter dem Meer zu unter-
sagen, und wenn nein, warum nicht?

Gefahren der Förderung

7. Kann die Bundesregierung ein Unglück mit aus dem Meeresgrund austre-
tendem Öl an Förderstellen in Nord- und Ostsee ausschließen, oder für wie
wahrscheinlich hält sie es, dass sich auch in Nord- und Ostsee schwere
Ölkatastrophen ereignen?

Worauf gründet diese Einschätzung der Bundesregierung?

8. Welche erprobten und anwendungsbereiten Sicherheitsvorkehrungen gibt
es, um das unkontrollierte Austreten von Öl am Meeresgrund von vorne-
herein zu unterbinden?

9. Welche Sicherheitseinrichtungen sind in Europa für die Off-Shore-Förde-
rung vorgeschrieben?

Wie funktionieren diese?

Wie und durch wen wird die Funktionstüchtigkeit kontrolliert?

10. Welche meldepflichtigen Ölunfälle in deutschen Meeresgebieten gab es in
den letzen zehn Jahren (bitte aufschlüsseln nach Meeresgebiet, Umfang und
Ursache)?

11. Wird von den in der deutschen AWZ und von in Anrainerstaaten fördernden
Unternehmen Kohlenstoffdioxid (CO2) im Rahmen des sogenannten En-
hanced Oil Recovery-Verfahrens in die Lagerstätten von Erdöl und Erdgas
eingebracht, um die Ausbeute der Felder zu steigern bzw. sind hierfür An-
träge gestellt?

Wenn ja, um welche Unternehmen handelt es sich dabei?

12. Wie bewertet die Bundesregierung die Risiken dieses Verfahrens für unkon-
trolliert austretendes Öl im Fall einer Havarie?

Welche konkreten Erfahrungen und Untersuchungen gibt es hierüber?

13. Welche Informationen hat die Bundesregierung über den Ausfall eines
Sicherheitsventils auf der norwegischen Bohrinsel Gullfaks C, welche
Kontakte mit welchen Ergebnissen gab es diesbezüglich zur norwegischen
Administration bzw. zur Firma Statoil?

14. Wie viele mit der Gullfaks C vergleichbare Bohrinseln gibt es in der Nord-
see und den angrenzenden Meeren?

15. Welche Informationen hat die Bundesregierung bezüglich der Stilllegung
des Ölfeldes Brent in der Nordsee, wie soll die Demontage der Bohr-
installationen erfolgen, und wie wird bei der Demontage einer Verschmut-

zung des Meeres vorgebeugt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1892

Notfallpläne

16. Welche deutschen und europäischen Notfallpläne existieren für den Fall
einer Ölkatastrophe in deutschen und europäischen Meeresgebieten?

Mit welchen Institutionen würde innerhalb der EU und über deren Grenzen
hinweg kooperiert, wenn eine Ölkatastrophe im deutschen Zuständigkeits-
bereich stattfände?

17. Welche Materialen (ölabsaugende Schiffe, schwimmende Barrieren usw.)
stehen an welchen Orten zur Verfügung, um die Folgen einer Ölpest – sei es
durch Tankerunglücke oder unkontrollierte austretendes Öl – an Nord- und
Ostsee einzudämmen?

18. Welche Notfallpläne gibt es, und wer ist in Deutschland und den anderen
Anrainerstaaten für deren ständige Aktualisierung und Durchführung im
Katastrophenfall verantwortlich?

19. Wie viele einwandige Öltanker mit welchem Fassungsvermögen sind in
deutschen und angrenzenden Meeren jährlich unterwegs, und welche Häfen
werden außerhalb der EU angesteuert (bitte aufschlüsseln nach angesteuer-
ten Häfen und Fassungsvermögen pro Jahr für die letzten zehn Jahre)?

20. Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zu dem Vorschlag ein, zur
Erhöhung der Sicherheit vor mögliche Ölunfällen eine Lotsenpflicht für
Tanker bei der Durchquerung deutscher Seegebiete, insbesondere in der
westlichen Ostsee, einzuführen, und wie begründet sie diese?

21. Wie und mit welchen Ergebnissen setzt sich die Bundesregierung auf
europäischer Ebene dafür ein, eine Ölkatastrophe durch die Havarie einer
Fördereinrichtung zu vermeiden, und welche Strategie verfolgt die Bundes-
regierung diesbezüglich gegenüber der Öl- und Gasindustrie?

Schadensersatz im Katastrophenfall

22. Für welche Schäden wird gehaftet (bitte detailliert untergliedern):

a) Tötung oder Verletzung eines Menschen,

b) Verlust von oder Schaden an Vermögenswerten,

c) Schaden aus wirtschaftlichem Verlust,

d) Kosten von Maßnahmen zur Wiederherstellung geschädigter Umwelt,

e) Einkommensverlust aus einem unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse
an der Nutzung oder dem Genuss der Umwelt, der infolge der Umwelt-
schädigung eingetreten ist, sowie

f) Kosten von Vorsorgemaßnahmen und anderer Verlust oder Schaden in-
folge von Vorsorgemaßnahmen?

23. Wer haftet aufgrund welcher nationalen und internationalen Rechtsgrund-
lagen im Falle eines Öl-Förderunglücks in der Nordsee oder einem angren-
zenden Meer?

24. In welcher Höhe und in welcher Reihenfolge wird gegenüber Geschädigten,
wie z. B. Krabbenfischern, Touristikunternehmen oder Anrainergemeinden,
gehaftet?

25. Gibt es eine Haftungshöchstgrenze für die ölfördernden Unternehmen, und
wenn ja, wie hoch ist die Haftungshöchstgrenze für die Inhaber der Förder-
anlagen, und falls ja, wo liegt diese?

Beabsichtigt die Bundesregierung diese anzuheben, und wer übernimmt die

Haftung oberhalb dieser Haftungshöchstgrenze?

Drucksache 17/1892 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
26. Haben die Inhaber von Förderanlagen eine Deckungsvorsorge vorzuhalten,
die gewährleistet, dass auch der maximal mögliche Schaden, über diese
Deckungsvorsorge abgesichert wird?

Falls ja, wie hoch ist diese Deckungsvorsorge rechtlich angesetzt?

27. Wie und nach welcher Rechtsgrundlage werden Geschädigte auf deutschem
Staatsgebiet für Schäden entschädigt, die durch Förderanlagen entstanden
sind, die auf dem Hoheitsgebiet oder Außenwirtschaftszonen anderer Staa-
ten gelegen sind?

Berlin, den 31. Mai 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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