BT-Drucksache 17/1841

Geplante Übernahme von Arriva durch die Deutsche Bahn AG

Vom 25. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1841
17. Wahlperiode 25. 05. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Dr. Harald Terpe,
Bettina Herlitzius, Stephan Kühn, Ingrid Nestle, Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Geplante Übernahme von Arriva durch die Deutsche Bahn AG

Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG (DB AG) hat auf einer Sondersitzung
am 21. April 2010 ein Übernahmeangebot für das britische Verkehrsunterneh-
mens Arriva in Höhe von 2,7 Mrd. Euro beschlossen. Die Verschuldung der
DB AG würde bei einem erfolgreichen Abschluss um 18 Prozent auf 17,8 Mrd.
Euro steigen.

Arriva ist Europas größter Busbetreiber und ist zu einem kleineren Teil auch im
Eisenbahngeschäft aktiv. Die Bilanzsumme betrug 2009 umgerechnet rund
3,6 Mrd. Euro. Arriva erwirtschaftete 2009 einen operativen Gewinn von
180 Mio. Euro, 72 Prozent davon im Busgeschäft.

Diverse Medienberichte (WirtschaftsWoche vom 27. April 2010, FINANCIAL
TIMES DEUTSCHLAND vom 13. Mai 2010 und Manager Magazin vom
14. Mai 2010) berichten aus internen Unterlagen, die dem Aufsichtsrat bei sei-
ner Entscheidung am 21. April 2010 vorgelegen haben sollen. Darin wird über-
einstimmend berichtet, dass die Unternehmensbewertung nur auf öffentlich ver-
fügbaren Informationen beruht. Zudem wurde vom Arriva Management kein
Businessplan zur Verfügung gestellt, sondern ein Großteil der erhaltenen Infor-
mationen basiere auf mündlichen Aussagen des Managements.

Der Kaufpreis in Höhe von 2,7 Mrd. Euro soll sich innerhalb von zwölf Jahren
amortisieren. Dabei wird im Zeitraum 2010 bis 2014 ein Gewinnwachstum von
59 Prozent unterstellt, wenngleich der Umsatz nur um 15,5 Prozent steigen soll.
Im Zeitraum seit 2005 ist der Gewinn allerdings nur um 30 Prozent gestiegen
und das nahezu bei einer Umsatzverdopplung (plus 93 Prozent).

Der hohe Kaufpreis kann sich nach einem Bericht der „FINANCIAL TIMES
DEUTSCHLAND“ vom 13. Mai 2010 vor allem auch für das derzeitige Manage-
ment der Arriva Group auszahlen. Sie halten drei Bonusprogramme und haben
ein sofortiges Kündigungsrecht im Fall einer Übernahme der Arriva durch die
DB AG. Die Manager-Boni für den CEO David Martin beliefen sich demnach
auf umgerechnet 8,6 Mio. Euro, für den Finanzchef wären es 5,7 Mio. Euro.

Nach ersten Gesprächen mit den Wettbewerbsbehörden geht die DB AG davon

aus, dass in Deutschland die Eisenbahnaktivitäten von Arriva im Falle einer
Übernahme veräußert würden. Unklar ist dabei u. a. die Zukunft des derzeitigen
Arriva-Werks in Neustrelitz.

Drucksache 17/1841 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie ist aus Sicht des Bundes als Alleineigentümer der DB AG die geplante
Übernahme von Arriva zu beurteilen?

2. Inwieweit sieht die Bundesregierung es als Aufgabe der DB AG als Eisen-
bahn des Bundes an, Eisenbahnen im Ausland zu betreiben?

3. Wie bewertet die Bundesregierung die Strategie der DB AG mit dem Zu-
kauf des größten Busbetreibers in Europa, dem Schienenpersonenverkehr
Konkurrenz zu machen?

4. Wie verträgt es sich mit den ordnungspolitischen Grundsätzen der Bundes-
regierung, dass die zu 100 Prozent bundeseigene DB AG ein börsennotiertes
Unternehmen in Großbritannien aufkaufen und damit vom Markt nehmen
will?

5. Wie verträgt es sich mit den ordnungspolitischen Grundsätzen der Bundes-
regierung, dass die DB AG einen ihrer größten privaten Wettbewerber in
Deutschland aufkauft, und welche Auswirkungen auf den Wettbewerb im
Schienenverkehrsmarkt und im Reisebusverkehrsmarkt werden erwartet?

6. Auf welcher Grundlage haben die Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat der
DB AG die Höhe der Kaufofferte geprüft?

7. Trifft es zu, dass die Kaufofferte in Unkenntnis des Businessplans des Ar-
riva-Managements erfolgte, sondern ein Großteil der Informationen auf
mündlichen Aussagen des Managements beruht?

8. Inwieweit ist die Prüfung der Kaufofferte durch den Aufsichtsrat der
DB AG im Einklang mit den einschlägigen Regelungen nach dem Bilanz-
rechtsmodernisierungsgesetzes erfolgt?

9. Entspricht insbesondere die durchgeführte Due-Diligence-Prüfung den
Vorschriften nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz?

10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass Manager-Boni aus Aktien-
optionen einer mehrjährigen Bindungsfrist unterliegen sollten, die an dem
langfristigen Erfolg bzw. Misserfolg anknüpfen und auch durch eine Unter-
nehmensübernahme nicht aufgehoben werden sollten?

11. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die in Frage 10 genannten
Kriterien für Manager-Boni auch auf Unternehmenszukäufe im Ausland
durch deutsche Aktiengesellschaften angewendet werden sollten?

Wenn ja, inwieweit werden diese Kriterien in der Kaufofferte der DB AG
gegenüber der Arriva Group eingehalten?

Wenn nein, warum nicht?

12. Inwieweit sieht die Bundesregierung in der Bonusregelung für das Arriva-
Management einen Widerspruch zu ihrem Gesetzentwurf zu aufsichtsrecht-
lichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten und Versiche-
rungsunternehmen (Bundestagsdrucksache 17/1291)?

13. Inwieweit sieht die Bundesregierung in der Bonusregelung für das Arriva-
Management einen Widerspruch gegen die EU-Empfehlung zur Manager-
vergütung vom 30. April 2009 (2009/385/EG, ABl. Nr. L 120/28) für bör-
sennotierte Gesellschaften?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1841

14. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass das sofortige Kündigungs-
recht des Arriva-Managements im Falle einer Übernahme und die sofortige
Auszahlung von Aktienoptionen auf der Basis eines Kaufpreises, der maß-
geblich durch die mündlichen Aussagen desselben Managements in Bezug
auf die zukünftige Gewinnentwicklung beeinflusst wurde, einen Interessen-
konflikt zwischen persönlichem und Unternehmensinteresse bedeuten
könnte?

15. Welche haftungsrechtlichen Sicherungen gegenüber dem Arriva-Manage-
ment sind bei einer Übernahme der Arriva durch die DB AG aus Sicht der
Bundesregierung einzuziehen, falls der wahre Unternehmenswert aufgrund
nachträglich bekannt gewordener Tatsachen deutlich geringer ausfällt als
jetzt prognostiziert?

16. An welchem Tag war die Prüfung des Unternehmenszukaufs nach § 65 der
Bundeshaushaltsordnung (BHO) abgeschlossen?

17. Zu welchem Ergebnis kam die Prüfung nach § 65 BHO?

18. Wann, und in welcher Form will die DB AG den Kaufpreis durch eine An-
leihe finanzieren?

19. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass der Unternehmenszukauf zu-
nächst aus liquiden Mitteln der DB AG finanziert wird?

20. Inwieweit kann die Bundesregierung ausschließen, dass die geplante Über-
nahme kurzfristig, d. h. bis es zur Platzierung einer Anleihe kommt, auch
aus Gewinnen der Infrastrukturgesellschaften der DB AG finanziert wird?

21. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass die DB AG mit dem Kauf der
Arriva Group beihilferechtlich gegen die EU-Richtlinie 91/440 und Arti-
kel 107 ff. der Konsolidierten Fassung des Vertrags über die Arbeitsweise
der Europäischen Union verstößt?

22. Ist der Kauf der Arriva Group bei der EU-Kommission notifizierungspflich-
tig?

Falls ja, wann, und in welcher Form hat die Bundesregierung das Kaufan-
gebot gegenüber dem EU-Kommission angemeldet, und welche Reaktion
der EU-Kommission liegen der Bundesregierung gegebenfalls vor?

23. Inwieweit kann die Bundesregierung ausschließen, dass mögliche Verluste
aus zukünftigen Geschäften der Arriva in den kommenden Jahren zu Lasten
des Schienenverkehrs der DB AG in Deutschland geht?

24. Wie bewertet die Bundesregierung die Erhöhung der Verschuldung der
DB AG durch den geplanten Kauf der Arriva Group?

25. Inwieweit gehört zu den zu veräußernden Eisenbahnaktivitäten von Arriva
im Falle einer Übernahme durch die DB AG auch die Fachwerkstatt für die
Instandhaltung von Schienenfahrzeugen der Arriva Werke Nord GmbH mit
Sitz in Neustrelitz?

26. In welcher Weise wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, das
Arriva-Werk in Neustrelitz zu erhalten?

27. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass aus Wettbewerbsgründen
auch die Busaktivitäten von Arriva in Deutschland nach der geplanten
Übernahme durch die DB AG veräußert werden müssen, um die jetzt schon
starke Wettbewerbstellung der DB Stadtverkehr GmbH nicht noch weiter zu
Lasten privater Dritter zu stärken?

Berlin, den 21. Mai 2010
Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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