BT-Drucksache 17/1785

Stand der Umsetzung des neuen Entgeltsystems in der Psychiatrie nach § 17 d des Krankenhausfinanzierungsgesetzes

Vom 19. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1785
17. Wahlperiode 19. 05. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hilde Mattheis, Iris Gleicke, Ute Kumpf, Thomas Oppermann,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Stand der Umsetzung des neuen Entgeltsystems in der Psychiatrie nach
§ 17d des Krankenhausfinanzierungsgesetzes

Die am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Änderungen des Krankenhausfinan-
zierungsgesetzes (KHG) schreiben in § 17d die „Einführung eines pauschalie-
renden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtun-
gen“ vor. Damit sollen, anders als in den Allgemeinkrankenhäusern, nicht die
Behandlungsfälle durch Fallpauschalen, sondern Behandlungstage für teil- und
vollstationäre Leistungen vergütet werden. Um die Personalkosten realistisch
abzubilden und dauerhaft zu finanzieren, soll nach aufwandhomogenen Grup-
pen differenziert werden und die Psychiatrie-Personalverordnung (PsychPV)
als Grundlage für die Berechnung dienen.

Eine Begleitforschung soll die Auswirkungen der Umsetzung des § 17d KHG
evaluieren.

Die Selbstverwaltungspartner, der GKV-Spitzenverband der gesetzlichen Kran-
kenversicherung (GKV: gesetzliche Krankenversicherung), die private Kran-
kenversicherung (PKV) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG)
wurden beauftragt, die Grundstrukturen des neuen Vergütungssystems sowie die
Strukturen des gesamten Verfahrens zur Ermittlung der Bewertungsrelationen
zu vereinbaren. Dabei sollen sie durch das Institut für das Entgeltsystem im
Krankenhaus (InEK) unterstützt werden. Im November 2009 wurden die
Grundstrukturen des neuen Vergütungssystems beschlossen. Das Deutsche In-
stitut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) hat im Auf-
trag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) die ersten Operationen-
und Prozedurenschlüssel für die Psychiatrie und Psychosomatik (OPS) ver-
öffentlicht.

Anfang 2013 sollen der budgetneutrale Umstieg auf das pauschalierte Ver-
gütungssystem und die Anwendung der Tagespauschale erfolgen.

Am 21. April 2010 wurde im Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundes-
tages der „Bericht der Bundesregierung zum Stand der Umsetzung des neuen
Entgeltsystems in der Psychiatrie, insbesondere über eine mögliche unterjährige
Revision der Psych-OPS-Schlüssel“ vorgelegt.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung den jetzigen Stand der Umsetzung des
§ 17d KHG?

Drucksache 17/1785 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Ist nach Erkenntnis der Bundesregierung die Umsetzung der PsychPV in
Krankenhäusern für Psychiatrie und Psychotherapie, Krankenhäusern für
Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Kranken-
häusern für Psychosomatik und psychotherapeutische Medizin als auch in
Abteilungen an Allgemeinkliniken zu mindestens 90 Prozent garantiert?

Falls nicht, an welchen Fachkrankenhäusern und Abteilungen an Allge-
meinkrankenhäusern ist die Umsetzung noch nicht erfolgt, und wie beur-
teilt die Bundesregierung im Falle einer verzögerten Umsetzung die Rolle
der Kostenträger, und welche Folgen hätte eine unzureichende Umsetzung
im neuen Entgeltsystem?

3. Wie bewertet die Bundesregierung die Forderung nach einer Umsetzung
der PsychPV zu 100 Prozent?

4. Wie hoch ist die Zahl der Einrichtungen, die nach § 6 Absatz 4 der Bundes-
pflegesatzverordnung einen höheren Personalbedarf nachgewiesen haben
und dadurch eine höhere Personalbesetzung vereinbaren konnten?

5. Wie bewertet die Bundesregierung die Entscheidung der Partner der
Selbstverwaltung, nur die berufsgruppenbezogenen Leistungen für die ein-
zelne Patientin und den einzelnen Patienten zu dokumentieren, die diese
täglich in Form von 25 Minuteneinheiten erhalten, und nicht, wie es anders
lautende Vorschläge vorsehen, die PsychPV-Vorgaben zu Grunde zu legen
und durch die Erhebungen zu Nachtwachen, Bereitschaftsdiensten und
Sachkosten zu ergänzen?

6. Wie bewertet die Bundesregierung zum jetzigen Zeitpunkt die Möglichkeit
der Einbeziehung ambulanter Leistungen in das neue Entgeltsystem?

7. Wurde der Bundespsychotherapeutenkammer gemäß § 17d Absatz 3 Satz 5
KHG zum jetzigen Zeitpunkt Gelegenheit zur beratenden Teilnahme an
den Sitzungen gegeben?

8. Wird nach Einschätzung der Bundesregierung die notwendige Datengrund-
lage zur Kalkulation für Entgelte in dem dafür vorgesehenen Zeitraum zur
Verfügung stehen?

9. Wie bewertet die Bundesregierung den bürokratischen Aufwand der Kran-
kenhäuser für die Dokumentation der OPS (1-90 und 9-60 bis 9-69), und
gibt es Erfahrungen darüber, welchen Aufwand die Codierung erzeugen
wird und welche Anteile damit direkt von der Krankenversorgung abgezo-
gen werden?

10. Welches Ergebnis hat die Prüfung des durch die Selbstverwaltungspartner
vorgelegten Revisionsvorschlags durch die Bundesregierung ergeben?

11. Wenn, wie in der Sitzung des Ausschusses für Gesundheit am 21. April
2010 mündlich vorgetragen wurde, eine unterjährige Revision des OPS-
Schlüssels sinnvoll ist, wie steht die Bundesregierung dann zu der von der
DKG erhobenen Forderung, den verpflichtenden Start zur Kodierung erst
nach Durchlauf der ordentlichen Revision und damit ab dem 1. Januar
2011 erfolgen zu lassen?

12. Wie bewertet die Bundesregierung die von DKG und GKV vorgelegten,
unterschiedlichen Varianten für die Erfassung der Anzahl der Therapie-
einheiten?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1785

13. Wie ist die Verfügung des BMG an das DIMDI, wonach sämtliche Kran-
kenhäuser angewiesen sind, ab dem 1. Januar 2010 die Dokumentation der
OPS (1-90 und 9-60 bis 9-69) durchzuführen, mit dem Grundsatz der
Entbürokratisierung zu vereinbaren, zumal ein endgültiger OPS-Katalog
derzeit nicht vorliegt und damit ein nicht zu unterschätzender Aufwand an
Generierung von Codes erfolgt, die ggf. durch Umstellung nur bedingt
konvertibel sind und für deren Generierung keine Software zur Verfügung
steht?

14. Wie viele Krankenhäuser haben sich dieser Dokumentationspflicht ent-
zogen und nutzen die Aussetzung der Verfügung des BMG, wonach Kran-
kenhäuser, die nicht dokumentieren, bis zum 30. Juni 2010 keine Sank-
tionen zu befürchten haben?

15. Wie begründet die Bundesregierung, dass die im KHG festgeschriebene
Begleitstudie, die schnell Schwachstellen des Systems ermitteln soll, bisher
nicht stattfindet bzw. wie definiert die Bundesregierung die Aussage in
ihrem schriftlichen Bericht vom 23. März 2010, dass das InEK beauftragt
sei, „die Ausschreibung zeitnah vorzubereiten“?

16. Wie gewährleistet die Bundesregierung, dass die Selbstverwaltungspartner
und das BMG sich bei der Umsetzung von § 17d KHG an den speziellen
Bedürfnissen psychisch kranker Menschen orientieren und auch das Um-
feld der Patientinnen und Patienten berücksichtigen (Krankenbehandlung
im Umfang einer stationären Leistung aber ohne Bett-/Hotelfaktor im Um-
feld der Patientinnen und Patienten zur Erhaltung der Ressourcen und
Transmission von Therapieergebnissen in den Alltag bzw. Verhinderung
von stationären Aufnahmen)?

17. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass bei der Umsetzung
von § 17d KHG die betroffenen Einrichtungen, Berufsorganisationen und
Gewerkschaften bisher nicht eingebunden wurden?

18. Wie möchte die Bundesregierung eine Umsetzung der PsychPV zu 100 Pro-
zent – wie gesetzlich vorgeschrieben – gewährleisten, damit auch in-
zwischen hinzugekommene Leistungsbedarfe durch Verweildauerkürzun-
gen, neue Patientengruppen, regionale Vernetzung sowie zusätzliche Leis-
tungen in besonderen Situationen (z. B. Krisenintervention) berücksichtigt
werden?

19. Plant die Bundesregierung, auch die ambulanten Leistungen der psychiatri-
schen Institutsambulanzen in das neue Vergütungssystem aufzunehmen?

20. Wie sollen nach Ansicht der Bundesregierung die zu erwartenden steigen-
den Kosten für die Dokumentation und Kodierung gedeckt werden, die den
betroffenen Einrichtungen ggf. durch die Anschaffung elektronischer Sys-
teme oder Mitarbeiterschulungen entstehen?

21. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass die Grundlagen der
PsychPV auf den Behandlungserfordernissen von 1991 beruhen, die
Behandlungsmöglichkeiten in Psychiatrie und Psychotherapie sich in den
letzten 20 Jahren jedoch enorm weiterentwickelt haben?

Wie wird die PsychPV innerhalb des neuen Entgeltsystems weiterent-
wickelt?

Drucksache 17/1785 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
22. Wie plant die Bundesregierung der Gefahr vorzubeugen, dass die Erforder-
nisse von Patientinnen und Patienten mit chronischen psychischen Erkran-
kungen schwerer in den OPS abgebildet werden können als die der Patien-
tinnen und Patienten mit leichteren Erkrankungen und so bei der Versor-
gung schlechtergestellt werden?

Sind die OPS ein gangbarer Weg, Leistungen in der psychiatrischen Ver-
sorgung sachgerecht abzubilden, zumal gerade Patientinnen und Patienten
mit schweren Erkrankungen oft keine 25-minütigen Intervalle benötigen,
sondern viele Kurzinterventionen?

23. Kann die Bundesregierung sicherstellen, dass die OPS die Grundlage dafür
schaffen, dass die Vielfalt der angewendeten therapeutischen und pflege-
rischen Maßnahmen abgebildet werden und nicht nur ein geringer Teil der
therapeutischen und pflegerischen Behandlungsmöglichkeiten?

24. Wie wird gewährleistet, dass ambulant-stationäre Versorgungsnetze, die es
im Bereich der psychiatrischen Versorgung bereits in größerer Zahl gibt,
auch im Rahmen des neuen Entgeltsystems finanziert werden?

Berlin, den 19. Mai 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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