BT-Drucksache 17/1674

Giftgasmunition vor Helgoland

Vom 10. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1674
17. Wahlperiode 10. 05. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Bettina Herlitzius, Winfried Hermann,
Dr. Anton Hofreiter, Stephan Kühn, Ingrid Nestle, Daniela Wagner und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Giftgasmunition vor Helgoland

Seit mindestens 2005 ist die Versenkung von nicht näher bezeichneten chemi-
schen Kampfstoffen südlich von Helgoland den Bundesbehörden bekannt. Seit
mindestens 2008 hat die Bundesregierung Kenntnis speziell von der Versenkung
von 90 Tonnen 10,5 cm Tabun-Granaten (ca. 6 000 Stück) südlich von Helgo-
land. Die bisher durchgeführten Untersuchungen und Maßnahmen sind nicht
ausreichend, um den Schutz von Mensch und Umwelt durch die versenkten
Tabun-Granaten zu gewährleisten. Weitere Untersuchungen und Maßnahmen
erscheinen notwendig.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Regierungen und Behörden waren 1949 an der Versenkung der
Tabun-Granaten bei Helgoland beteiligt, wer trägt nach Ansicht der Bundes-
regierung die Verantwortung für diese Versenkung, und wer müsste die Kos-
ten für Untersuchungen und Maßnahmen zur Sicherung der Tabun-Granaten
übernehmen?

2. Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über die Veranlassung und
die Verantwortung der Eintragung einer Versenkung von chemischen Kampf-
stoffen südlich von Helgoland in der Publikation 222/2005 der OSPAR
(Oslo-Paris Kommission – Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt
des Nordostatlantiks)?

3. Wurde bei den Untersuchungen der Bundesregierung im Januar und Septem-
ber/Oktober 2009 mit den Forschungsschiffen „Atair“ und „Helmsand“
jeweils das gesamte südlich von Helgoland ausgewiesene Munitionsversen-
kungsgebiet flächendeckend nach Munitionskörpern abgesucht, und wenn
nein, warum nicht, und waren die Untersuchungen jeweils geeignet, einzelne
auf und in dem Meeresgrund liegende 10,5 cm Granaten zu detektieren, und
wenn nein, warum nicht, und welche weiteren Handlungsoptionen zum
Schutz von Mensch und Umwelt ergeben sich für die Bundesregierung hier-
aus?
4. Warum wurde durch die zuständige Bundesbehörde erst im Jahre 2009 die
Lage des südlich von Helgoland ausgewiesenen Munitionsversenkungsge-
bietes auf amtlichen Seekarten angepasst, obwohl die entsprechende Ortung
von „Kleinstobjekten“ außerhalb des Versenkungsgebietes schon im Jahre
1992 erzielt werden konnte?

Drucksache 17/1674 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
5. Warum wurde durch die zuständige Bundesbehörde erst in 2010 auf amt-
lichen Seekarten der Vermerk „Gasmunition“ bei Helgoland ergänzt, ob-
wohl seit mindestens 2008 behördliche Dokumente die Versenkung eindeu-
tig belegen und die Bundesregierung aus Sicherheitsgründen Eintragungen
eigenständig veranlassen kann?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag, kurzfristig alle meeres-
bodenbezogenen Aktivitäten im Munitionsversenkungsgebiet bei Helgo-
land zu verbieten, um Gefahren für den Menschen durch das extrem giftige
Tabun nachhaltig zu minimieren und den unkontrollierten Zugriff Dritter
auf chemische Kampfstoffe zu unterbinden?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag, alle Aktivitäten in Ver-
senkungsgebieten von Kampfmitteln, bei denen der Meeresgrund betroffen
ist oder betroffen sein könnte von einer Genehmigung abhängig zu machen,
und wer würde diese Genehmigungen erteilen?

8. Wie steht die Bundesregierung zu einer Meldepflicht von Kampfmittelfun-
den und -unfällen sowie einer verpflichtenden Kennzeichnung in Seekar-
ten sowie an den Stränden von Nord- und Ostsee?

9. Wie steht die Bundesregierung zur Veranlassung und Umsetzung eines
Fischereiverbotes im Munitionsversenkungsgebiet bei Helgoland, wer ist
dafür zuständig, und würde sich die Bundesregierung gegebenenfalls bei
der Europäischen Union für ein entsprechendes Verbot einsetzen, und
wenn nein, warum nicht?

10. Auf Grund welcher Veranlassung wurde Ende 2008 eine Bund-Länder-
Arbeitsgruppe zum Thema Munition im Meer eingerichtet?

Wer besitzt den Vorsitz, welche weiteren Behörden sind Mitglied, und sind
auch externe Experten als Mitglieder berufen worden, und wenn nein,
warum nicht?

Welche Aufgaben und Ziele besitzt die Arbeitsgruppe, welche Zwischener-
gebnisse liegen bisher vor, und bis wann soll die Arbeitsgruppe ihre jewei-
ligen Aufgaben erledigt haben?

11. Welche weiteren nachgewiesenen oder vermuteten Versenkungen chemi-
scher Kampfstoffe oder entsprechender Industriechemikalien in den Ho-
heitsgewässern und der AWZ (ausschließliche Wirtschaftszone) der Bun-
desrepublik Deutschland sind der Bundesregierung seit wann bekannt (bitte
einzelne Gebiete mit Grad der Belastung und Fundzeitraum aufführen)?

Berlin, den 10. Mai 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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