BT-Drucksache 17/1670

Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung zur Ausräumung immissionsschutzrechtlicher Hinderungsgründe beim Neubau oder der Erweiterung von Tierhaltungsanlagen

Vom 10. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1670
17. Wahlperiode 10. 05. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dorothea Steiner, Friedrich Ostendorff, Hans-Josef Fell,
Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg),
Nicole Maisch, Dr. Hermann Ott und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft,
Verbraucherschutz und Landesentwicklung zur Ausräumung immissionsschutz-
rechtlicher Hinderungsgründe beim Neubau oder der Erweiterung von
Tierhaltungsanlagen

Im März 2010 hat der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Niedersächsi-
schen Landtages im Auftrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein
Gutachten erstellt, aus dem hervorgeht, dass ein Erlass des Landesministeriums
für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung vom
28. Januar 2010 zur Ausräumung immissionsschutzrechtlicher Hinderungs-
gründe beim Neubau oder der Erweiterung von Tierhaltungsanlagen in mehr-
facher Hinsicht rechtswidrig ist. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass
die Erlassregelung, die ausschließlich der Umgehung bundesrechtlicher Immis-
sionsschutzvorschriften dient, von einem unrichtigen Verständnis des Bundes-
rechtes ausgeht. Die Immissionsvorschriften, die mit Hilfe des Erlasses versucht
werden zu umgehen, dienen dazu, Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwir-
kungen zu treffen. Am 30. April 2010 hat die Niedersächsische Landesregierung
den Erlass zurückgenommen, da er aus ihrer „Sicht Missverständnisse und Irri-
tationen hervorgerufen“ habe (vgl. Neue Osnabrücker Zeitung, 3. Mai 2010)
und „nicht klar formuliert“ gewesen sei (vgl. Hannoversche Allgemeine Zei-
tung, 3. Mai 2010). Die Landesregierung hat jedoch bisher nicht erklärt, ob sie
grundsätzlich von dem Ziel des Erlasses, immissionsschutzrechtlicher Hinde-
rungsgründe beim Neubau oder der Erweiterung von Tierhaltungsanlagen abzu-
bauen, abrückt oder es nur in anderer Form erreichen will.

Ein wichtiger Bereich des Immissionsrechtes ist der Schutz von Pflanzen und
Ökosystemen vor einer Schädigung mit Ammoniak. Ammoniakemissionen ent-
stehenden vor allem im Bereich der Massentierhaltung, daher müssen nach TA
Luft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft) Tierhaltungsanlagen ge-
genüber stickstoffempfindlichen Pflanzen und Ökosystemen in der Regel einen
Mindestabstand von 150 Metern einhalten. Deutschland ist zudem durch die
NEC-Richtlinie (NEC – national emission ceilungs) der EU (Europäische
Union) verpflichtet, eine bestimmte Menge an Ammoniakemissionen im Jahr

2010 nicht zu überschreiten. Dazu wurde vom Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit ein nationaler Aktionsplan entwickelt. Teil
dieses nationalen Planes ist auch die Anpassung des Immissionsschutzrechtes.
Mit Hilfe des Immissionsrechts soll u. a. der Ausstoß von Ammoniak begrenzt
und damit empfindliche Pflanzen und Ökosystem geschützt werden.

Drucksache 17/1670 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wann erhielt die Bundesregierung Kenntnis von dem Erlass des Nieder-
sächsischen Ministeriums und seinem Zweck, immissionsschutzrechtlicher
Hinderungsgründe beim Neubau oder der Erweiterung von Tierhaltungsan-
lagen auszuräumen?

2. Sah die Bundesregierung, nachdem sie über den Zweck des Erlasses infor-
miert war, die Notwendigkeit eine Überprüfung der Vereinbarkeit des Er-
lasses mit den Regelungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes?

Wenn ja, wann hat diese Überprüfung stattgefunden, und welche Ergeb-
nisse hatte sie?

3. Seit wann ist der Bundesregierung das Gutachten des Gesetzgebungs- und
Beratungsdienstes des Niedersächsischen Landtages zu dem Erlass be-
kannt?

4. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Gutachtens des Gesetzge-
bungs- und Beratungsdienstes des Niedersächsischen Landtages, dass der
geprüfte Erlass rechtswidrig ist und ihm bundesrechtliche Vorschriften ent-
gegen stehen?

Wenn ja, welche Maßnahmen hat die Bundesregierung vor der Rücknahme
des Erlasses am 30. April 2010 ergriffen, um die Einhaltung des Bundes-
immissionsrechts in Niedersachsen zu gewährleisten?

5. Sieht die Bundesregierung im Rahmen des Bundesimmissionsschutzgeset-
zes grundsätzlich die Möglichkeit zu Kompensationsmaßnahmen?

6. Sieht die Bundesregierung für das Jahr 2010 die Gefahr, die nach der NEC-
Richtlinie zugelassenen Emissionshöchstmengen von Ammoniak zu über-
schreiten?

7. Welche Strafen hat die Bundesrepublik Deutschland bei einem Überschrei-
ten der zugelassenen Emissionshöchstmengen von Ammoniak zu erwar-
ten?

8. Wie hoch ist die derzeit für 2010 prognostizierte Menge an Ammoniak-
emissionen deutschlandweit, und welcher Anteil entfällt auf die einzelnen
Bundesländer?

9. Wie groß ist der Anteil der Ammoniak-Emissionen nach Quellkategorien
in Deutschland insgesamt und in den einzelnen Bundesländern?

Und welchen Anteil nimmt die Tierhaltung an den Ammoniak-Emissionen
aus der Landwirtschaft, aufgeschlüsselt nach Bundesländern, ein?

10. Wie groß ist die Ammoniak-Fracht eines Schweine- sowie Geflügelmast-
platzes in Kilogramm pro Jahr, aufgegliedert nach Haltungsformen?

11. Welche zusätzlichen Maßnahmen über den vom Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit erstellten Nationalen Aktions-
plan hinaus plant die Bundesregierung, um ein Überschreiten der zugelas-
senen Emissionshöchstmenge von Ammoniak zu verhindern?

Wenn ja, wie sind die Bundesländer in diese Maßnahmen eingebunden?

12. Gibt es unter den geplanten Maßnahmen spezifisch auf die Massentierhal-
tung ausgerichtete Maßnahmen?

Wenn ja, wie sind die Bundesländer in diese Maßnahmen eingebunden?

13. Sieht die Bundesregierung durch den Bau neuer Massentierhaltungsanlagen
die Einhaltung der europäischen Ammoniakemissionsgrenzwerte gefähr-

det?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1670

14. In welchen Bundesländern ist derzeit der Bau neuer Massentierhaltungsan-
lagen geplant (bitte aufgeschlüsselt nach Zahl der Anlagen und Größe der
Anlagen je Bundesland)?

15. Sind der Bundesregierung weitere Fälle aus den Bundesländern in dem Be-
reich Umweltschutz und Landwirtschaft bekannt, wo mit rechtswidrigen
Erlassen versucht wurde, Bundesrecht auszuhebeln?

Wenn ja, wie will die Bundesregierung eine solche Praxis in der Zukunft
verhindern?

Berlin, den 10. Mai 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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