BT-Drucksache 17/1621

Positionierung der Bundesregierung zum Ausbau des Munitionslagers Köppern in Hessen

Vom 5. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1621
17. Wahlperiode 05. 05. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz, Werner Dreibus,
Sabine Leidig und der Fraktion DIE LINKE.

Positionierung der Bundesregierung zum Ausbau des Munitionslagers Köppern
in Hessen

Das Munitionslager Köppern in Hessen ist nach dem Munitionsdepot Wulfen
das größte der Bundeswehr und zählt zu den größten in Westeuropa. Es gehört
zum Logistikregiment 47 mit Sitz in Dornstadt bei Ulm. Die Bundeswehr beab-
sichtigt, das Munitionslager Köppern in erheblichem Umfang auszubauen. Nach
Auflösung der Munitionslager in Kriegsfeld und Rheinböllen, beide Rheinland-
Pfalz, sollen deren Lagerbestände teilweise im Munitionslager Köppern unter-
gebracht werden. 20 Kilometer nördlich von Frankfurt am Main gelegen, er-
streckt sich das Gelände über eine Fläche von 254 Hektar, von denen 154 Hektar
zur Gemarkung der Gemeinde Wehrheim, Hochtaunus-Kreis, und 100 Hektar
zur Gemarkung der Gemeinde Rosbach, Wetterau-Kreis, gehören. Durch das
Gelände verläuft der historisch bedeutsame römische Limes. Das Munitionsla-
ger Köppern umfasst 372 Munitionsbunker, von denen nach Medienberichten
derzeit 300 für die Lagerung von Munition genutzt werden. Um das Munitions-
lager verläuft ein 9 Kilometer langer Zaun mit 14 Außentoren. Es ist im Innern
durch 40 Kilometer Straßen erschlossen. Im Munitionslager Köppern lagern
44 300 Tonnen Munition und Waffen, die maximale Lagerkapazität beträgt
50 800 Tonnen. Als gelagerte Munition werden in der Medienberichterstattung
Gewehrmunition, Minen, Artilleriegranaten, Bestückung für Raketenwerfer,
Panzerabwehrrichtminen Typ DM 58 und gelenkte Artillerieraketen genannt.

Bestände aus dem Munitionslager Köppern kamen auch beim Kriegseinsatz der
Bundeswehr in Afghanistan zum Einsatz: „Überwiegend versorgen die 50 Sol-
daten und zivilen Mitarbeiter die Truppe mit Übungsmunition, etwa für den
Truppenübungsplatz Baumholder. Mitunter wird aber auch Munition für die
Bundeswehr in Afghanistan geordert.“ (Frankfurter Rundschau vom 30. Septem-
ber 2009)

Von dem Munitionslager Köppern geht ein erhebliches Gefahrenpotenzial aus:
„Wer dort arbeitet, muss den Arbeitsplatz verlassen, wenn sich ein Gewitter auf
drei Kilometer nähert. So sind die Vorschriften,“ (Frankfurter Allgemeine Zei-
tung vom 25. September 2009). „Vor den Betonhallen mit den großen hellen To-
ren stehen Schilder in rot-orangener Farbe, beschriftet mit den Zahlen 1 bis 4.

‚Das ist für die Feuerwehr, falls es mal brennen sollte‘, erklärt der Hauptmann
M. L. Bei der ‚1‘ ist die Lage am gefährlichsten, zum Beispiel können in dem
Bunker Raketen gelagert sein.“ (Usinger Anzeiger vom 25. September 2009)
„Orangerote Schilder zeigen die Brandklasse der im Depot gelagerten Bestände
an. Gewehrmunition fällt unter die harmlose Klasse 4. Dagegen ist Klasse 1 die
höchste, und wenn ein Feuerwehrmann das Zeichen in Form eines Stoppschildes
sieht, ist statt Löschen eher Flüchten empfohlen. Derlei Munition könnte in einer

Drucksache 17/1621 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

einzigen großen Explosion hochgehen.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom
25. September 2009) Die Bewachung des Munitionslagers erfolgt durch eine
Privatfirma: „Bei Alarm rückt der private Wachdienst an, werden die Hunde von
der Leine gelassen, die nahe des Verwaltungsgebäudes in einem großen Zwinger
leben.“ (Frankfurter Rundschau vom 30. September 2009)

Im April 1949 wurde das Gelände durch die USA beschlagnahmt und zunächst
für Manöver, ab 1956 als Waffenlager genutzt. Von 1957 bis 1967 fanden Ge-
spräche zur Ordnung der Rechtsverhältnisse statt, die in Gestattungsverträge
zwischen der US-Armee und dem Bundesvermögensamt mündeten, denen zu-
folge die Gemeinde Wehrheim fortan ein jährliches Entgelt von 15 000 DM er-
hielt.

Vor dem Tor des Munitionslagers Köppern fanden häufig Proteste und Mahnwa-
chen der Friedensbewegung statt. Die Sorge der Friedensbewegung galt insbe-
sondere der Lagerung von Atomwaffen auf dem Gelände: „Ob dort Nuklearwaf-
fen deponiert waren, ist nie verlässlich geklärt worden.“ (Frankfurter Allgemeine
Zeitung vom 5. Juni 2001)

1997 wurde das Munitionslager Köppern durch die Bundeswehr übernommen.
Nach heftigem Widerstand der Stadt Wehrheim verzichtete die Bundeswehr
1998 auf den geplanten Ausbau für 28 Mio. DM mit einer neuen Zufahrt und
Toranlage sowie Hundezwingern und einem Wachgebäude.

2001 verfolgte die Bundeswehr Pläne, den Betrieb des Munitionsdepots an ein
Privatunternehmen zu übertragen, gab dieses Vorhaben jedoch wieder auf.

Zum 1. Januar 2001 schlossen der Bund und die Stadt Wehrheim einen Vertrag
über einen Grundstückstausch: Die Gemeinde Wehrheim übereignete der Bun-
desrepublik Deutschland ihren Anteil am Munitionsdepot von 154 Hektar und
erhielt dafür 90 Hektar bundeseigenen Wald im Bereich des ehemaligen Trup-
penübungsplatzes „Friedberg“ der US-Armee in der Gemarkung der Gemeinde
Rosbach im Wetteraukreis. Die Gemeinde Rosbach, der ein Anteil von 100 Hek-
tar der Fläche des Munitionslagers gehört, war an dem Grundstücksgeschäft
nicht beteiligt.

Am 24. September 2009 besuchte der damalige Bundesminister der Verteidi-
gung, Dr. Franz Josef Jung, begleitet von Protesten, das Munitionslager und er-
läuterte den geplanten Ausbau.

Medienberichten war zu entnehmen, dass der Neubau eines Verwaltungs- und
Sozialgebäudes für 3,3 Mio. Euro bis 2012 beabsichtigt ist. Außerdem ist erst-
mals der Bau einer Feuerwache für geschätzte 2,3 Mio. Euro vorgesehen. Der
Bau der Feuerwache befindet sich noch im Stadium der Bedarfsplanung. Wei-
tere geplante Baumaßnahmen sind die Errichtung eines neuen Zaunes, die
Erneuerung der Heizungsanlage und die Sanierung der Regenabwassergräben.
Außerdem sollen 15 ältere Lagerhäuser für die Lagerung von Munition
instandgesetzt werden, die bislang nur für Material verwendet werden. Als
Gesamtsumme für die Baumaßnahmen werden in den Medien 6 Mio. Euro ge-
nannt.

Für das Jahr 2010 ist die Aufstockung des Personalbestands von bisher 55, da-
von 10 Soldaten, auf 100 Soldaten und Zivilbeschäftigte geplant.

Der geplante Ausbau des Munitionslagers ist in der Bevölkerung der Region
höchst umstritten: So forderte die DGB-Regionsdelegiertenversammlung
(DGB – Deutscher Gewerkschaftsbund) Frankfurt-Rhein-Main im Oktober
2009 die Schließung des Munitionslagers Köppern, anstatt es weiter auszu-
bauen. Das Gelände solle, so die einstimmig beschlossene Resolution, „an die
Natur und die Menschen aus dem Rhein-Main-Ballungsgebiet, die in diesem

Wald Erholung suchen“, zurückgegeben werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1621

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Wie viele Tonnen Waffen und Munition werden derzeit im Munitionslager
Köppern gelagert?

b) Welche Gattungen und Typen von Munition und Waffen werden dort
gelagert?

c) Welche Mengen der einzelnen Gattungen und Typen von Munition und
Waffen werden dort jeweils gelagert?

d) Wie viele Tonnen Waffen und Munition sollen nach dem Ausbau des
Munitionslagers Köppern dort gelagert werden?

e) Sollen künftig weitere Gattungen und Typen von Munition und Waffen
dort gelagert werden, die in der Antwort zu Frage 1b nicht genannt sind?

Wenn ja, welche?

2. a) Kamen Waffen und Munition aus dem Munitionslager Köppern bei inter-
nationalen Einsätzen der Bundeswehr zum Einsatz?

Wenn ja, welche Einsätze der Bundeswehr waren das?

Wenn nein, kann die Bundesregierung ausschließen, dass dies zukünftig
geschehen wird?

b) Wurden in der Vergangenheit Munition und Waffen, die im Munitions-
lager Köppern gelagert worden waren, nach Afghanistan transportiert?

3. a) Welche Gründe haben die Bundesregierung bewogen, eines der größten
Munitionslager der Bundeswehr im Ballungsraum Frankfurt-Rhein-Main
und nur 20 Kilometer von der Großstadt Frankfurt am Main entfernt zu
betreiben?

b) Welche Gründe haben die Bundesregierung angesichts dieser geographi-
schen Lage dazu bewogen, das Munitionslager Köppern noch zu vergrö-
ßern?

c) Welche Gemeinden wären von der größtmöglich denkbaren Explosion im
Munitionslager Köppern betroffen?

d) Erhöht sich durch die Vergrößerung des Munitionslagers Köppern das
Gefahrenpotenzial, das von diesem ausgeht?

e) Welche Gemeinden wären nach dem Ausbau des Munitionslagers Köppern
von der größtmöglich denkbaren Explosion betroffen?

f) Welche Gefahren gehen von Munitions- und Waffentransporten vom
beziehungsweise zum Munitionslager Köppern aus?

g) Gibt es einen Katastrophenschutzplan für das Munitionslager in Köppern?

h) Wenn ja, ist dieser Katastrophenschutzplan mit den umliegenden Gemein-
den und der Stadt Frankfurt am Main abgestimmt?

i) Wurden die umliegenden Gemeinden und die Stadt Frankfurt am Main
über die Vergrößerung des Munitionslagers Köppern und über die sich
daraus ergebende Gefahrenlage informiert?

j) Wann wurden die umliegenden Gemeinden und die Stadt Frankfurt infor-
miert?

k) In welcher Form und wann wurden die Bürgerinnen und Bürger der um-
liegenden Gemeinden und der Stadt Frankfurt am Main über die Vergrö-
ßerung des Munitionslagers Köppern und über die sich daraus ergebende
Gefahrenlage informiert?

Drucksache 17/1621 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. a) Ist das Munitionslager Köppern gegen die Folgen eines Flugzeugabsturzes
gesichert?

b) Ist das Munitionslager Köppern gegen die Folgen eines Angriffs mit
Raketen geschützt?

c) Kann ein terroristischer Anschlag auf das Munitionslager ausgeschlossen
werden?

d) Welche Sicherheitsmaßnahmen wurden für den Fall eines terroristischen
Anschlags getroffen?

e) Hat es in der Vergangenheit Hinweise auf Planungen oder Vorbereitungen
für einen terroristischen Anschlag auf das Munitionslager gegeben?

f) Aus welchem Jahr stammen die Planungen für die Sicherheitsmaßnahmen
gegen einen terroristischen Anschlag auf das Munitionslager?

g) Sind diese Planungen nach Meinung der Bundesregierung auch heute
noch ausreichend?

h) Ist es zutreffend, dass eine Privatfirma mit der Bewachung des Munitions-
lagers Köppern beauftragt ist?

i) Wenn ja, um welche Firma handelt es sich dabei, und wie viele Mitarbeiter
dieser Firma sind insgesamt und pro Schicht für die Bewachung des Mu-
nitionslagers Köppern eingesetzt?

5. a) Wie weit ist die Planung für die Feuerwache im Munitionslager Köppern
fortgeschritten?

b) Was hat die Bundesregierung bewogen, im Munitionslager Köppern künf-
tig eine Feuerwache zu errichten?

c) Aus welchen Gründen war eine Feuerwache auf dem Gebiet des Muni-
tionslagers Köppern bislang entbehrlich?

6. Welche Folgen hat der langjährige Betrieb des Munitionslagers auf die Um-
welt, und auf welche Gutachten stützt die Bundesregierung diese Einschät-
zung?

7. a) Wie ist die Haltung der Bundesregierung zu der Forderung der DGB-
Regionsdelegiertenversammlung Frankfurt-Rhein-Main, das Gelände des
Munitionslagers Köppern „an die Natur und die Menschen aus dem
Rhein-Main-Ballungsgebiet, die in diesem Wald Erholung suchen“,
zurückzugeben?

b) Wie bewertet die Bundesregierung die historische Bedeutung des römi-
schen Limes?

c) Lässt es die historische Bedeutung des römischen Limes sinnvoll erschei-
nen, diesen der Bevölkerung zugänglich zu machen?

d) Wenn ja, warum hält die Bundesregierung am Betrieb eines Munitions-
lagers auf einem Gelände fest, durch das der römische Limes verläuft?

8. a) Wie viele Beschäftigte arbeiten derzeit auf dem Gelände des Munitionsla-
gers Köppern, wie viele von diesen sind Zivilpersonen, und wie viele Sol-
daten?

b) Mit welchen Aufgaben sind die Beschäftigten jeweils betraut?

c) Wie viele Beschäftigte werden nach dem Ausbau des Munitionslagers auf
dessen Gelände arbeiten, wie viele davon werden Zivilpersonen und wie
viele Soldaten sein?
9. Welche Entschädigung erhält die Gemeinde Rosbach für die Nutzung ihres
Geländes durch das Munitionslager Köppern?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/1621

10. a) Lagerten während der Nutzung des Munitionslagers Köppern durch die
US-Streitkräfte auf dessen Gebiet Atomwaffen?

b) Wenn ja, welche und wie viele?

11. a) Welche Baumaßnahmen sind auf dem Gelände des Munitionslagers
Köppern geplant?

b) Welche Kosten werden für die einzelnen Baumaßnahmen jeweils ent-
stehen?

c) Bis wann sollen die einzelnen Baumaßnahmen jeweils abgeschlossen
sein?

Berlin, den 5. Mai 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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