BT-Drucksache 17/1620

Vorantreiben von Privatisierungsmaßnahmen durch die ÖPP (Öffentlich-Private Partnerschaft) Deutschland AG

Vom 4. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1620
17. Wahlperiode 04. 05. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katrin Kunert, Sabine Leidig, Ulla Lötzer, Sahra Wagenknecht
und der Fraktion DIE LINKE.

Vorantreiben von Privatisierungsmaßnahmen durch die ÖPP (Öffentlich-Private
Partnerschaft) Deutschland AG

Derzeit stellt sich für viele Kommunen die Frage, wie sie sicherstellen können,
dass sie ihre Aufgaben auch in Zukunft finanzieren und gleichzeitig in ausrei-
chendem Maße soziale und ökologische Belange gewährleisten können. Zur
Verwirklichung dieser Ziele beschreiten die Kommunen in zunehmendem Maße
den Weg der Rekommunalisierung. Gleichzeitig geraten Projekte, die in öffent-
lich-privater Partnerschaft betrieben werden, immer weiter in die Kritik von
Bürgern und Kommunen. Gerade die Hoffnungen, dass durch die Privatisierung
öffentlicher Unternehmen deren Leistungen besser, bürgernäher und kosten-
günstiger würden, haben sich vielerorts nicht erfüllt.

Ungeachtet dieser Entwicklung hat sich die Bundesregierung entschlossen, eine
Beratergesellschaft, die ÖPP Deutschland AG zu gründen, deren ausschließli-
ches Ziel in der Förderung öffentlich-privater Partnerschaften liegt. Adressaten
der Beratungsleistungen sollen sowohl die öffentliche Hand in Deutschland als
auch ausländische Staaten sein. 60 Prozent der Anteile der ÖPP Deutschland AG
werden derzeit direkt durch die öffentliche Hand gehalten. Die übrigen 40 Pro-
zent der Anteile werden von einer Beteiligungsgesellschaft mbH gehalten, deren
Anteile zukünftig überwiegend in privater Hand sein sollen.

Eine der ÖPP Deutschland AG vergleichbare Einrichtung zur Beratung von
Kommunen, die Maßnahmen zur Rekommunalisierung umsetzen wollen, exis-
tiert derzeit nicht.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Warum ist die Beteiligungsgesellschaft, die sich zukünftig zu 99 Prozent in
Privathand befinden soll, mit 40 Prozent und nicht etwa mit Anteilen in Höhe
der Sperrminorität an der AG beteiligt?

2. Welche Kosten sind der öffentlichen Hand, insbesondere dem Bund, durch
die Gründung der ÖPP Deutschland AG entstanden (auch unter Berücksich-
tigung von Grundkapital usw.)?
3. Wie ist vor dem Hintergrund der öffentlichen Finanznot und der Tatsache,
dass ÖPP-Projekte teilweise teurer sind als Eigenverwirklichung und/oder
herkömmliche Ausschreibung, zu begründen, dass die vom Bund initiierte
und maßgeblich finanzierte ÖPP Deutschland AG öffentliche Stellen aus-
schließlich in Richtung ÖPP berät?

4. Wird es zur Förderung von Rekommunalisierungsmaßnahmen (Maßnahmen
zur vollständigen Rückführung von privatisierten Unternehmen, Diensten

lungen (A-B-C-Ausschreibung) der Rechnungshöfe der Länder um?

Wenn ja, wie, und inwieweit kooperiert die ÖPP Deutschland AG mit den
Rechnungshöfen?

Gibt es z. B. regelmäßige Treffen, und wenn nein, warum nicht?
Drucksache 17/1620 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

und öffentlich genutzter Infrastruktur in das Eigentum und den Betrieb der
öffentlichen Hand der Kommunen) ebenfalls eine mehrheitlich durch die
öffentliche Hand betriebene Beraterfirma geben?

Wenn nein, welche Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung, um den
Beratungsbedarf von Kommunen, die rekommunalisieren möchten, zu be-
friedigen?

5. In welchem Umfang sind derzeit Private an der Beteiligungsgesellschaft
mbH beteiligt?

6. Welche natürlichen und juristischen Personen sind mit welchem Anteil an
der Beteiligungsgesellschaft mbH beteiligt?

7. Wie ist die Nachfrage Privater an der Übernahme von Anteilen der Beteili-
gungsgesellschaft mbH, und welche Unternehmen bekunden ihr Interesse?

8. Ist zu erwarten, dass die Erlöse aus dem Verkauf der Anteile der Beteili-
gungsgesellschaft mbH über den Investitionen des Bundes liegen, und
wenn ja, in welcher Höhe?

9. Gibt es Festlegungen, um den Konflikt zu vermeiden, dass die an der ÖPP
Deutschland AG beteiligten privaten Unternehmen einerseits ein Interesse
an ÖPP-Projekten und der Vergabe an das eigene Unternehmen (Bank, Bau-
konzern usw.) haben und andererseits neutral beraten sollen, und wenn ja,
welche?

Wenn nein, warum nicht?

10. Welche wirtschaftlichen Ziele verfolgt der Bund mit der ÖPP Deutschland
AG (z. B. Förderung des Mittelstandes, Einsparung öffentlicher Gelder)?

11. In welcher Weise erfolgt eine Evaluierung,

a) ob durch ÖPP-Projekte mittel- und langfristig öffentliche Gelder einge-
spart werden,

b) ob der regionale Mittelstand/die lokale Wirtschaft gefördert wird,

c) ob sich in der Folge die Gewerbesteuereinnahmen der betreffenden
Kommune erhöhen,

d) ob und wie das im Grundgesetz verankerte Selbstverwaltungsrecht der
Gemeinden sichergestellt wird?

12. Ist vorgesehen, den Gesellschaftszweck der ÖPP Deutschland AG zu über-
arbeiten, wenn die Evaluation der ÖPP-Projekte eine negative Bilanz fest-
stellt, und wenn nein, warum nicht?

13. Welche Möglichkeiten hat der Bund, den Gesellschaftszweck zu ändern,
um sicherzustellen, dass die ÖPP Deutschland AG nicht gegen die Interes-
sen der öffentlichen Hand arbeitet?

14. Erwägt der Bund die Option, im Falle einer negativen Bilanz der ÖPP-Pro-
jekte aus der ÖPP Deutschland AG auszusteigen?

Wenn ja, welche Möglichkeiten des Ausstiegs gibt es für den Bund, und mit
welchen Verlusten wäre dies evtl. verbunden?

15. Setzt die ÖPP Deutschland AG die Einhaltung der Ausschreibungsempfeh-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1620

16. Empfiehlt die ÖPP Deutschland AG die Einbindung der Rechnungshöfe im
Vorfeld eines Vertragsabschlusses, und wenn ja, inwieweit wird dieser
Empfehlung gefolgt?

Wenn nein, warum nicht?

17. Berechnet die ÖPP Deutschland AG in ihren Beratungsleistungen den
Public Sector Comparator (PSC) für konkrete Projekte selbst?

Wenn ja, wurden PSC-Berechnungen sowohl für Kommunen als auch für
Bieter erstellt (Angabe der Projekte und Prozentzahlen)?

18. Welches Verfahren empfiehlt die ÖPP Deutschland AG für die PSC-
Berechnung den Kommunen, welches den Bietern?

19. Ist der Berechnungsmodus für den PSC seitens der ÖPP Deutschland AG
standardisiert?

20. Welche Überwachung zur Einhaltung eines standardisierten Verfahrens
wird von der ÖPP Deutschland AG empfohlen, welche selbst in Anspruch
genommen?

21. Wurde die ÖPP Deutschland AG bei der PSC-Ermittlung bisher überwacht,
und wenn ja, von wem?

Wenn nein, warum nicht?

22. Waren solche Überwachungen selbst zertifiziert?

Wenn ja, von wem, und nach welcher Vorgabe?

23. Ist vorgesehen, den Berechnungsmodus für den PSC öffentlich zu machen?

Wenn ja, wann und wo?

Wenn nein, warum nicht?

24. Ist vorgesehen, Überwachungsmodus und Zertifizierungskonditionen für
Überwacher der PSC-Ermittlung öffentlich zu machen?

Wenn ja, wann und wo?

25. Empfiehlt die ÖPP Deutschland AG den Kommunen, in den Vertragsver-
handlungen auf Öffentlichkeit der Verträge zu bestehen?

Wenn ja, mit welchem Erfolg?

Wenn nein, warum nicht?

26. Wurde von der ÖPP Deutschland AG ermittelt, mit welchem prozentualen
finanziellen Aufschlag eine solche zusätzliche Vereinbarung zu bemessen
wäre, und wenn ja, wie hoch ist dieser Aufschlag?

Wenn nein, warum nicht?

27. Erstellt die ÖPP Deutschland AG selbst Wirtschaftlichkeitsgutachten im
Zuge ihrer Beratungstätigkeit?

28. Plant die ÖPP Deutschland AG, Gewinne zu erwirtschaften?

Wenn ja, womit und in welcher Größenordnung?

29. Erhebt die ÖPP Deutschland AG Daten zu Projekten, in denen sie beratend
tätig war?

Wenn ja, welche, und inwieweit werden diese öffentlich zugänglich ge-
macht?

Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 17/1620 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
30. Haben die in der ÖPP Deutschland AG vertretenen Firmen Zugriff auf die
Datenbasis zu Projekten, in denen die ÖPP Deutschland AG beratend tätig
war?

Wenn ja, wie kann ausgeschlossenen werden, dass die in der ÖPP Deutsch-
land AG vertretenen Firmen dadurch einen Wettbewerbsvorteil genießen?

31. Welchen Anteil macht die Beratung von Körperschaften der öffentlichen
Hand aus, und in welchem Ausmaß werden private Firmen beraten (bitte in
Prozentzahlen angeben)?

32. Ist die ÖPP Deutschland AG auch bezüglich Öffentlich-öffentlicher Part-
nerschaft (ÖÖP) aktiv tätig, und wenn ja, wie genau?

Wenn nein, warum nicht?

33. Erstellt die ÖPP Deutschland AG regionale und sektorale Preisindices als
Richtwerte für Investitionen in öffentliche Infrastruktur, und wenn ja, wie
lauten diese?

Wenn nein, warum nicht?

34. Erstellt die ÖPP Deutschland AG Preisindices als Richtwerte für den Be-
trieb öffentlicher Infrastruktur, und wenn ja, wie lauten diese?

Wenn nein, warum nicht?

35. Aus welchen Gründen wurde in der Satzung der ÖPP Deutschland AG (§ 2)
niedergelegt, dass auch ausländische Staaten in Fragen von ÖPP beraten
werden sollen?

Berlin, den 4. Mai 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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