BT-Drucksache 17/1611

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP -17/1147, 17/1604- Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes

Vom 5. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1611
17. Wahlperiode 05. 05. 2010

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Hans-Josef Fell, Ingrid Nestle, Oliver Krischer, Kerstin Andreae,
Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch,
Dr. Hermann Ott, Dorothea Steiner, Cornelia Behm, Bettina Herlitzius, Winfried
Hermann, Ulrike Höfken, Dr. Anton Hofreiter, Friedrich Ostendorff, Markus Tressel,
Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
– Drucksachen 17/1147, 17/1604 –

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Solarförderung ist eine Investition in die Zukunft, die sich bezahlt macht.
Heute bereits arbeiten rund 60 000 Menschen in der deutschen Solarbranche.
Über 100 Unternehmen liefern Solarzellen, Module und Komponenten, weit
mehr noch sind mit Planung und Installation von Solaranlagen beschäftigt. Rund
10 Mrd. Euro werden hier jährlich umgesetzt, zwei Drittel der Wertschöpfung
verbleiben in Deutschland. Die öffentliche Hand nimmt dadurch 3 Mrd. Euro an
Steuern ein. Außerdem erspart Solarstrom Brennstoffimporte – aktuell im Wert
von etwa 400 Mio. Euro jährlich – und senkt den CO2-Ausstoß, im letzten Jahr
um 3,6 Millionen Tonnen.

Die positive Marktentwicklung beim Solarstrom und deutlich gesunkene Kosten
für Solartechnik eröffnen Spielräume für eine außerplanmäßige Kürzung der
Solarstromvergütung. Diese Spielräume muss der Gesetzgeber im Interesse der
Verbraucher nutzen. Dies muss allerdings mit Augenmaß erfolgen, damit deut-
sche Hersteller nicht vom Markt gedrängt werden. Unabhängige Institutionen
wie die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) oder auch die Piper Bank
haben errechnet, dass die deutsche und europäische Solarindustrie bei einer zu
starken Absenkung ihre Wettbewerbsfähigkeit im globalen Vergleich einbüßen.
Durch eine übermäßige Senkung der Solarstromvergütung besteht die Gefahr,
dass europäische Solarunternehmen große Marktanteile an asiatische Unterneh-
men verlieren.

Dieser Sichtweise schließt sich auch der Bundesrat an und schlägt deshalb eine

einmalige Kürzung der Solarförderung um maximal 10 Prozent vor, damit ein
Markteinbruch verhindert und bestehende wirtschaftliche Strukturen – vor allem
auch in Ostdeutschland – nicht zerstört werden.

Drucksache 17/1611 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Solarstromförderung kostet Geld. Sie jedoch als den Hauptpreistreiber beim
Strom abzustempeln, geht an der Realität vorbei. Laut dem Bundesministerium
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) konnte die EEG-Um-
lage für alle erneuerbaren Energien 2009 lediglich für 7 Prozent des gesamten
Strompreisanstieges verantwortlich gemacht werden, das heißt, 93 Prozent
waren anderen Faktoren zuzuordnen. Die Mehrkosten des gesamten Erneuer-
bare-Energien-Gesetzes (EEG) werden in diesem Jahr auf über 2 Cent pro Kilo-
wattstunde steigen – für einen Dreipersonenhaushalt steigt die Umlage damit auf
knapp 6 Euro pro Monat an. Andererseits haben laut Bund der Energieverbrau-
cher die vier großen Stromkonzerne im letzten Jahr, wie in den Vorjahren, etwa
6 Mrd. Euro Zusatzgewinne über Strompreiserhöhungen eingestrichen, denen
keine Gegenleistung gegenüberstand.

Statt einer radikalen Kürzung bedarf es einer umfassenden Strategie für die
künftige Entwicklung des Solarsektors, die sowohl die Klima-, Wirtschafts- und
Technologiepolitik als auch die Verbraucherinteressen berücksichtigt, mit einer
Verbraucherpolitik, die die Stromkunden vor allem vor überhöhten Preisen der
Stromkonzerne wirksam schützt.

Der von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP vorgelegte Gesetzentwurf wird
diesem Anspruch nicht gerecht. Er enthält, im Gegenteil, kontraproduktive Vor-
gaben. So übergeht der Gesetzentwurf die z. B. in der Anhörung des Ausschus-
ses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit des Deutschen Bundestages
am 21. April 2010 vorgebrachte Kritik von Experten, dass eine einmalige Kür-
zung der Solarvergütung um 16 Prozent bei Dachanlagen und 11 Prozent bei
Freiflächenanlagen die deutsche Solarwirtschaft schädigen wird.

Dachanlagen haben Priorität. Dennoch ist die vorgesehene Abschaffung der Ver-
gütung für Anlagen auf Agrarflächen problematisch. Gerade mit Freiflächenan-
lagen kann Solarstrom vergleichsweise günstig erzeugt werden. Wenn hier die
Förderung entfällt, werden die spezifischen Kosten der Solarstromförderung
tendenziell steigen, anstatt dass sie gesenkt werden. Zielführender wäre es, zum
einen zwischen Ackerqualitäten zu differenzieren und zum anderen das Verbot
der landwirtschaftlichen Nutzung für Gelände mit Freiflächenanlagen auf-
zuheben. Grundsätzlich sollte es weiterhin Aufgabe der Kommunen sein, fest-
zulegen, ob sie Freiflächenanlagen zulassen wollen oder nicht.

Der Gesetzentwurf enthält verschiedene praxisferne Regelungen, die den Druck
auf die Solarbranche weiter erhöhen oder aber unnütze Bürokratielasten erzeu-
gen. So wird es zu gravierenden Verzerrungen führen, wenn die zum nächsten
Jahreswechsel anstehende Degressionshöhe anhand einer Markterhebung im
Zeitraum Juni bis September 2010 festgelegt werden soll. Durch die von der
Bundesregierung selbst verursachte Verunsicherung des Solarmarktes ist für den
Juni 2010 mit einer enorm hohen Zubauquote zu rechnen, die keine repräsen-
tative Hochrechnung der tatsächlichen Marktentwicklung zulässt. Die Folge: Im
nächsten Jahr droht eine Degression um bis zu 14 Prozent, selbst wenn der
Solarmarkt dann in einer tiefen Krise stecken sollte.

Ebenso praxisfern ist die Eigenverbrauchsregelung, die private Investoren zu
zusätzlichen Investitionen drängt und sie gleichzeitig im Unklaren lässt, in
welcher Höhe ihnen die erhöhte Vergütung für den Eigenverbrauch überhaupt
gewährt wird.

Die Fehler des Gesetzentwurfs können auch nicht durch die von der Bundes-
regierung angekündigte Bereitstellung zusätzlicher Forschungsmittel kompen-
siert werden. Mehr öffentliche Forschungsunterstützung ist ohne Zweifel not-
wendig. Die Vorschläge der Bundesregierung sind aber bereits wegen der Höhe
und der zeitlichen Befristung nicht geeignet, eine dauerhafte Innovationsoffen-
sive in der Solarbranche anzuregen. Zudem fehlt es an konkreten Vorschlägen,

wie die zusätzlichen Finanzmittel aufgebracht werden sollen. Die Ankündigung

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steht im Missverhältnis zu der gerade erfolgten Kürzung der Photovoltaik-
forschung im Haushalt 2010 des BMU. Auch hier fehlt es an einer konsistenten
Strategie.

II. Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:

Die Vergütungen für Solarstrom müssen schrittweise in einem Umfang gesenkt
werden, der es den technologisch führenden deutschen Solarunternehmen wei-
terhin ermöglicht, auf dem Markt präsent zu sein ohne dass es zu Überförderun-
gen kommt.

Dazu müssen die Absenkungen mit Augenmaß erfolgen sowie auf mehrere klei-
nere Schritte reduziert werden und weitere Absenkungen von der Marktentwick-
lung abhängig gemacht werden.

Hierzu ist es richtig, einen Degressionskorridor zu schaffen. Bei Freiflächen
muss das geplante Quasiverbot der ackerbaulichen Nutzung wegfallen; zudem
gilt es zwischen Ackerqualitäten zu differenzieren.

Im Einzelnen sollen bei der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes fol-
gende Punkte umgesetzt werden:

● Die Degression zum 1. Juli 2010 soll 6 Prozent für Anlagen unter 10 kW und
10 Prozent für größere Anlagen (Dachanlagen und Freiflächen) betragen.

● Freiflächenanlagen auf Ackerflächen sollen grundsätzlich weiter die Frei-
flächenvergütung erhalten. Wie bisher sollen die Kommunen vor Ort darüber
entscheiden, ob sie eine Baugenehmigung erteilen und damit eine Frei-
flächenanlage zustande kommt. Die Bundesregierung wird aufgefordert, bei
der bevorstehenden Gesetzesnovelle Vorschläge zu erarbeiten, welche
Bodengüteklassen grundsätzlich von der Vergütung ausgenommen werden
sollen. Es sollen vorrangig degradierte Flächen sowie Verkehrsflächen und
verkehrsnahe Flächen genutzt werden, zudem soll der gartenbauliche und
landwirtschaftliche Anbau auf Flächen mit Freiflächenanlagen in Zukunft
kein Ausschlusskriterium mehr für die Vergütung von Photovoltaikfrei-
flächen sein. Allerdings soll die Agrar-Beihilfeberechtigung für die Laufzeit
der Genehmigung der Anlage ausgesetzt werden. Solarstrom aus Anlagen
über Parkplätzen soll ausreichend vergütet werden. Die Bundesregierung soll
über ein Begleitforschungsprogramm die Erfahrungen dokumentieren und in
die übernächste ordentliche Gesetzgebungsnovelle einfließen lassen.

● Der Vergütungsvorteil für den Eigenverbrauch soll 6 Cent betragen und ist
ohne den bürokratischen Nachweis eines Mindestanteils zu zahlen.

● Die flexible Korrektur der Degression soll in einem Band von maximal plus/
minus 2,5 Prozent gehalten werden, um zu starke Ausschläge zu verhindern.
Sowohl der Berechnungs- als auch der Anwendungszeitraum sind zu ver-
schieben. Zukünftig soll die Erhebung vom 1. März bis 30. April eines Jahres
stattfinden. Vergütungsanpassungen sind dann innerhalb eines Jahres in zwei
Teilschritten vorzunehmen. Dadurch werden zu starke Ausschläge zum
Jahresanfang vermieden. Die Degression sollte in zwei Teilabsenkungen pro
Jahr aufgeteilt werden, um plötzliche Ströme zu vermeiden.

● Die Forschungsmittel für die Photovoltaik müssen dauerhaft und planbar in
jährlichen Schritten von 30 Mio. Euro deutlich erhöht werden, damit die
deutschen Unternehmen mit Innovationen wettbewerbsfähiger werden und
ihre Kosten senken können.

● Der deutschen Solarindustrie soll über die KfW Bankengruppe der Zugang
zu zinsgünstigen Krediten erleichtert werden, insbesondere für die Finanzie-

rung einer Modernisierung des Maschinenparks ihrer Fabriken bzw. für den

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Aufbau neuer Fabriken, um internationale Wettbewerbsnachteile für die
hiesige Industrie auszuschließen.

● Die Bundesregierung soll auf andere Regierungen Druck ausüben, damit
diese protektionistischen Maßnahmen gegen deutsche Solarprodukte wie
Einfuhrzölle und „local content“-Vorgaben zurückfahren.

Berlin, den 4. Mai 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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