BT-Drucksache 17/1606

zu dem Antrag der Abgeordneten Birgitt Bender, Maria Klein-Schmeink, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -17/258- Für eine solidarische und nachhaltige Finanzierung des Gesundheitswesens

Vom 5. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1606
17. Wahlperiode 05. 05. 2010

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Birgitt Bender, Maria Klein-Schmeinck, Elisabeth
Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/258 –

Für eine solidarische und nachhaltige Finanzierung des Gesundheitswesens

A. Problem

Nach Auffassung der Antragsteller weist das System der gesetzlichen Kranken-
versicherung im Bereich der Finanzierung gravierende Gerechtigkeitslücken
auf. Es widerspreche dem Solidarprinzip, Beiträge ausschließlich auf Löhne und
Sozialeinkommen zu erheben, Gewinne und Vermögenseinkommen hingegen
beitragsfrei zu stellen. Zudem sei es ungerecht, dass sich ausgerechnet die wohl-
habendsten und im Durchschnitt gesündesten Bevölkerungsgruppen dem Soli-
darausgleich durch Wechsel in die private Krankenversicherung entziehen
könnten.

B. Lösung

Die genannten Gerechtigkeitslücken sollen nach dem Willen der Antragsteller
durch die Weiterentwicklung der gesetzlichen und der privaten Krankenversi-
cherung zu einer Bürgerversicherung geschlossen werden. Die Bundesregierung
wird aufgefordert, noch vor der Sommerpause 2010 einen Gesetzentwurf mit im
Wesentlichen folgenden Regelungen vorzulegen: 1. Einbeziehung aller Bürge-
rinnen und Bürger in die Bürgerversicherung, 2. Rückübertragung der Beitrags-
autonomie an die Krankenkassen, 3. Heranziehung aller Einkommensarten
einschließlich Vermögen, Gewinnen und Mieten in die Finanzierung der Kran-
kenversicherung, 4. Wiederherstellung der paritätischen Beitragsfinanzierung.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktionen SPD und DIE LINKE.
C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kosten wurden nicht erörtert.

Drucksache 17/1606 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/258 abzulehnen.

Berlin, den 5. Mai 2010

Der Ausschuss für Gesundheit

Dr. Carola Reimann
Vorsitzende

Dr. Karl Lauterbach
Berichterstatter

Fraktionen SPD und DIE LINKE., den Antrag auf Druck-

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Innenausschuss hat in seiner 4. Sitzung am 27. Januar
2010 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und

sache 17/258 abzulehnen.

Die Fraktion der CDU/CSU erklärte, in der politischen De-
batte werde oft fälschlich unterstellt, dass die Koalitionsfrak-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1606

Bericht des Abgeordneten Dr. Karl Lauterbach

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
17/258 in seiner 12. Sitzung am 17. Dezember 2009 beraten
und zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Ge-
sundheit überwiesen. Außerdem hat er ihn zur Mitberatung
an den Innenausschuss, den Rechtsausschuss, den Finanz-
ausschuss, den Haushaltsausschuss, den Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss für Arbeit und
Soziales und den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Nach Auffassung der Antragsteller bietet das System der ge-
setzlichen Krankenversicherung zwar einen umfassenden
Gesundheitsschutz und einen von der Bevölkerung breit
akzeptierten Solidarausgleich, weist aber im Bereich der
Finanzierung gravierende Gerechtigkeitslücken auf. Es
widerspreche dem Solidarprinzip, Beiträge ausschließlich
auf Löhne und Sozialeinkommen zu erheben, Gewinne und
Vermögenseinkommen hingegen beitragsfrei zu stellen. Zu-
dem sei es ungerecht, dass sich ausgerechnet die wohlha-
bendsten und im Durchschnitt gesündesten Bevölkerungs-
gruppen dem Solidarausgleich durch Wechsel in die private
Krankenversicherung entziehen könnten.

Die genannten Strukturdefizite sollen nach dem Willen der
Antragsteller durch die Weiterentwicklung der gesetzlichen
und der privaten Krankenversicherung zu einer Bürgerver-
sicherung geschlossen werden. Die Bundesregierung wird
aufgefordert, noch vor der Sommerpause 2010 einen Gesetz-
entwurf mit im Wesentlichen folgenden Regelungen vorzu-
legen:

1. Alle Bürgerinnen und Bürger einschließlich der Beamtin-
nen und Beamten, Abgeordneten und Selbständigen wer-
den Mitglieder der Bürgerversicherung.

2. Den Krankenkassen wird die Beitragssatzautonomie zu-
rückgegeben.

3. Alle Einkunftsarten – auch Vermögenseinkommen, Ge-
winne und Mieteinkünfte – werden in die Finanzierung
der Krankenversicherung einbezogen.

4. Die Beiträge auf Erwerbseinkommen aus abhängiger
Beschäftigung werden weiterhin paritätisch je zur Hälfte
durch Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite finanziert.

5. Kinder werden kostenlos versichert. Ehegatten bzw. Le-
benspartner, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, müs-
sen keine Beiträge bezahlen, wenn sie Kinder erziehen
oder Pflegeleistungen erbringen.

DIE LINKE. beschlossen zu empfehlen, den Antrag auf
Drucksache 17/258 abzulehnen.

Der Rechtsausschuss hat in seiner 5. Sitzung am 27. Januar
2010 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktionen SPD und
DIE LINKE. beschlossen zu empfehlen, den Antrag auf
Drucksache 17/258 abzulehnen.

Der Finanzausschuss hat in seiner 5. Sitzung am 27. Januar
2010 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktionen SPD und
DIE LINKE. beschlossen zu empfehlen, den Antrag auf
Drucksache 17/258 abzulehnen.

Der Haushaltsausschuss hat in seiner 7. Sitzung am 28. Ja-
nuar 2010 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktionen SPD
und DIE LINKE. beschlossen zu empfehlen, den Antrag auf
Drucksache 17/258 abzulehnen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat in sei-
ner 11. Sitzung am 5. Mai 2010 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktionen SPD und DIE LINKE. beschlossen zu empfeh-
len, den Antrag auf Drucksache 17/258 abzulehnen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner 16. Sit-
zung am 5. Mai 2010 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktionen SPD und DIE LINKE. beschlossen zu empfeh-
len, den Antrag auf Drucksache 17/258 abzulehnen.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat in seiner 11. Sitzung am 5. Mai 2010 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthal-
tung der Fraktionen SPD und DIE LINKE. beschlossen zu
empfehlen, den Antrag auf Drucksache 17/258 abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Gesundheit hat in seiner 4. Sitzung am
27. Januar 2010 seine Beratungen zu dem Antrag der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 17/258
aufgenommen. In der 10. Sitzung am 5. Mai 2010 hat der
Ausschuss seine Beratungen fortgesetzt und abgeschlossen.
Als Ergebnis empfiehlt er mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktionen SPD und

tionen der CDU/CSU und FDP planten, eine sogenannte
Kopfpauschale einzuführen. Der Koalition gehe es jedoch

Drucksache 17/1606 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
liche Krankenversicherung von der Alternative zwischen
einer Bürgerversicherung und einem System einkommens-
unabhängiger Beiträge bestimmt werde. In dem Antrag der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werde versäumt, den
Problemen der steigenden Lohnzusatzkosten und der Kon-
junkturanfälligkeit, die mit einem System einkommensbe-
zogener Beiträge verbunden seien, Rechnung zu tragen.
Außerdem verbleibe hier der soziale Ausgleich im Kranken-
versicherungssystem selbst. Eine Verankerung des Sozial-
ausgleichs im Steuer- und Transfersystem sei demgegenüber
viel zielgenauer und gerechter. Sie bilde ein wichtiges Ele-
ment in einem Konzept, das die Finanzierung der Kranken-
versicherung unabhängiger von den Wechselfällen des Wirt-
schaftsgeschehens machen wolle.

Die Fraktion der SPD vertrat die Auffassung, dass der An-
trag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN inhaltlich
eine hohe Qualität aufweise und daher einen wichtigen Bei-
trag zur Diskussion über eine solidarische und paritätische
Finanzierung des Gesundheitssystems leiste. Allerdings
werde sich die Fraktion der SPD bei der Abstimmung der

sungsgrenze aufzuheben. Die Erweiterung der Finanzie-
rungsbasis der gesetzlichen Krankenversicherung müsse
innerhalb des bestehenden Systemrahmens erfolgen. Insge-
samt gehe es darum, die bewährten ordnungspolitischen
Prinzipien der Parität und Solidarität zu erhalten und lang-
fristig zu sichern.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN merkte an, sie
teilten zwar die Ansicht der Koalition, dass das überkom-
mende System einkommensbezogener Beiträge als Finan-
zierungsbasis für die gesetzliche Krankenversicherung nicht
mehr ausreiche, sie setzten sich anders als diese aber für
einen Systemwechsel ein, der eine nachhaltige Finanzierung
des Gesundheitswesens durch eine Verbreiterung der Be-
messungsgrundlage garantiere. Das Modell eines steuer-
finanzierten Sozialausgleichs stelle keine Alternative dar,
weil die notwendigen Steuermittel auf absehbare Zeit nicht
zur Verfügung stünden. Wenn die gesetzliche Krankenversi-
cherung in die Abhängigkeit von Haushaltsmitteln gerate,
dann liefere man sie immer mehr den politischen Wechsel-
fällen aus.

Berlin, den 5. Mai 2010

Dr. Karl Lauterbach
Berichterstatter
vielmehr darum, den Einstieg in eine lohnunabhängige Fi-
nanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung zu voll-
ziehen. Das System solle insgesamt auf eine breitere finan-
zielle Grundlage gestellt und durch einen steuerfinanzierten
Sozialausgleich ergänzt werden. Im Unterschied zu einem
Kopfpauschalensystem werde die Beitragsfreiheit für mit-
versicherte Kinder und Ehepartner erhalten bleiben. Die
Koalition halte somit am bewährten Solidarsystem fest, be-
absichtige aber, es strukturell zu verbessern. Die verschiede-
nen Elemente ihres umfassenden Reformkonzepts würden
zudem nicht auf einmal, sondern Schritt für Schritt realisiert.
An dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sei zu bemängeln, dass er zwar grundsätzlich für die Einfüh-
rung einer Bürgerversicherung eintrete, aber kein konkretes
Konzept zu seiner Ausgestaltung beinhalte. Er sei daher
kaum geeignet, die Zukunftsprobleme des Gesundheits-
wesens zu lösen.

Die Fraktion der FDP vertrat die Auffassung, dass die
Debatte über eine neues Finanzierungssystem für die gesetz-

Stimme enthalten, weil sie derzeit an einem eigenen Konzept
für eine in ihren finanziellen Auswirkungen voll durchkalku-
lierte Bürgerversicherung arbeite, das sie bis zum Ende der
Legislaturperiode fertigstellen werde. Im Übrigen räume
man dem von der Koalition verfolgten Vorhaben zur Einfüh-
rung eines steuerfinanzierten Sozialausgleichs kaum Reali-
sierungschancen ein, weil es dafür möglicherweise bereits
nach der unmittelbar bevorstehenden Landtagswahl in Nord-
rhein-Westfalen keine Mehrheit im Bundesrat mehr geben
werde.

Die Fraktion DIE LINKE. erklärte, sie stimmte zwar in der
Diagnose der Probleme mit dem Antrag der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN weitgehend überein, favo-
risierten aber in wesentlichen Punkten andere Lösungs-
vorschläge. So solle die Private Krankenversicherung als
Vollversicherung letztlich abgeschafft werden und nur noch
in der Funktion einer Zusatzversicherung erhalten bleiben.
Mittelfristig verfolge man auch das Ziel, die Beitragsbemes-

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