BT-Drucksache 17/1586

Das Bundeswaldgesetz novellieren und ökologische Mindeststandards für die Waldbewirtschaftung einführen

Vom 5. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1586
17. Wahlperiode 05. 05. 2010

Antrag
der Abgeordneten Cornelia Behm, Undine Kurth (Quedlinburg), Ulrike Höfken,
Bärbel Höhn, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, Markus Tressel, Hans-Josef
Fell, Bettina Herlitzius, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl,
Oliver Krischer, Ingrid Nestle, Dr. Hermann Ott, Dorothea Steiner, Daniela Wagner,
Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Das Bundeswaldgesetz novellieren und ökologische Mindeststandards für die
Waldbewirtschaftung einführen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Etwa ein Drittel Deutschlands ist bewaldet. Allein diese Tatsache zeigt, welch
große Bedeutung der Wald in Deutschland für den Naturhaushalt und für die Ge-
sellschaft hat. Wälder sind Ökosysteme mit vielfältigen Funktionen. Sie haben
positive Wirkungen auf die lebenswichtigen Umweltmedien Wasser, Boden und
Luft und haben eine herausragende Bedeutung für den Klimaschutz. Wälder bie-
ten Lebensraum für eine Vielfalt an Pflanzen, Tieren und andere Organismen.
Wälder schützen vor Bodenerosion, speichern Wasser, leisten einen Beitrag für
die Bereitstellung von sauberem Trinkwasser und können Hochwasserfolgeschä-
den für besiedelte Gebiete und für die Landwirtschaft abwenden. Wälder dienen
der Naherholung und dem Tourismus. Nicht zuletzt liefern Wälder den umwelt-
freundlichen, nachwachsenden Rohstoff Holz und bieten damit zahlreichen
Menschen Arbeitsplatz und Einkommen, insbesondere im ländlichen Raum.

All dies sind Gründe, den Wald sorgfältig und nachhaltig zu behandeln. Doch
seit langem ist der Wald geschädigt und gefährdet. Die alljährlichen Waldzu-
standberichte belegen seit über 25 Jahren ein hohes Maß an Waldschäden, und
es ist nicht absehbar, ob und wann sich der Wald wieder erholt. Die bislang über
den Luftpfad eingetragenen Schad- und Nährstoffe werden noch lange nachwir-
ken. Der Klimawandel und der anhaltend hohe Stickstoffeintrag führen zu einer
Veränderung des Waldes und können zu einer deutlichen Zunahme der Wald-
schäden führen. Die biologische Vielfalt im Wald ist u. a. durch den Klimawan-
del und die Ausbreitung von neu eingewanderten Schadorganismen gefährdet.
Gefährdet sind die Wälder aber auch aufgrund der steigenden Holznachfrage,
die den Nutzungsdruck erhöht. Derzeit gibt es keine hinreichenden bundeswei-
ten gesetzlichen Regelungen, die eine Übernutzung der Wälder verhindern.
Die rechtliche Grundlage für die Waldbewirtschaftung bildet das Bundeswald-
gesetz aus dem Jahr 1975. Da sich jedoch in den letzten Jahren sowohl die Ein-
stellung der Bevölkerung zum Wald als auch die gesellschaftlichen Anforderun-
gen und die klimatischen Verhältnisse verändert haben, ist es Zeit, dieses Gesetz
zu modernisieren.

Drucksache 17/1586 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Vor diesem Hintergrund stellt der Deutsche Bundestag fest:

Zu den Zielen der Waldpolitik und des Bundeswaldgesetzes muss es gehören

1. arten- und strukturreiche, naturnahe und gesunde Wälder zu schaffen.
Angesichts der durch den Klimawandel bedingten Zunahme von Extremwet-
terlagen müssen die Wälder stabiler und vitaler werden. Stabilität der Wälder
kann nur durch biologische Vielfalt geschaffen werden. Dafür ist es notwen-
dig, naturnahe Wälder auf der Basis von standortheimischen Baumarten in
ihrer natürlichen Vielfalt und mit Bäumen unterschiedlichen Alters aufzu-
bauen und diese Wälder nachhaltig und naturnah zu bewirtschaften. Laut
Bundeswaldinventur sind derzeit nur 20 Prozent der Wälder als naturnah
bzw. 15 Prozent als sehr naturnah anzusehen. Vordringlich ist es daher, die
kulturbetonten (7 Prozent) und die kulturbestimmten (17 Prozent) Wälder,
aber letztlich auch die bedingt naturnahen Wälder (41 Prozent) zu weitge-
hend naturnahen Wäldern umzubauen. Nur so kann das Risiko schwerer
Schäden durch Stürme, Dürren und Schadorganismen vermindert werden;

2. die biologische Vielfalt der Waldökosysteme zu erhalten.
Um die biologische Vielfalt der deutschen Wälder in ihrer gesamten Band-
breite erhalten zu können, ist eine flächendeckende nachhaltige und natur-
nahe Waldbewirtschaftung erforderlich, die den Schutz der biologischen
Vielfalt in die Waldbewirtschaftung integriert. Besonders wichtig ist es dafür,
Alt- und Totholz im Wald zu belassen, um die an die Zerfallsphasen der
Bäume gebundenen Arten zu erhalten. Für ihren Schutz ist es auch erforder-
lich, sowohl seltene als auch typische Waldareale aus der Nutzung zu neh-
men. Eine besondere Verantwortung trägt Deutschland für den Erhalt der für
Mitteleuropa typischen Buchenwälder. Um Anreize für den Erhalt der biolo-
gischen Vielfalt im Wald zu schaffen, sind neue Instrumente des Naturschut-
zes zu entwickeln und anzuwenden;

3. die Kohlendioxidspeicherung im Wald zu erhöhen.
Kohlendioxid wird im Waldboden und in der oberirdischen Biomasse (vor al-
lem im Holz der Bäume) gespeichert. Die Vernichtung von Wäldern, aber
auch Kahlschläge setzen erhebliche Anteile des gespeicherten Kohlendioxids
wieder frei. Das betrifft nicht nur das Kohlendioxid im Holz der Bäume, die
nach ihrer Fällung nur zum Teil zu langlebigen Holzprodukten verarbeitet
werden, sondern auch das Kohlendioxid aus dem Waldboden. Nach einem
Kahlschlag werden große Teile der organischen Substanz abgebaut und Koh-
lendioxid und Stickstoffverbindungen freigesetzt. Deswegen müssen groß-
flächige Waldverluste und Kahlschläge unterbunden und gleichzeitig höhere
Holzvorräte im Wald aufgebaut werden;

4. den Landschaftswasserhaushalt zu stabilisieren und den Hochwasserschutz
zu verbessern.
Voraussetzung dafür, dass der Wald zu einem intakten Landschaftswasser-
haushalt und zum Hochwasserschutz beiträgt, ist neben einer naturnahen
Baumartenzusammensetzung, neben dem Verzicht auf Entwässerung der
Wälder und neben einem naturnahen Zustand von Fließgewässern im Wald
eine hohe Wasserspeicherfähigkeit des Waldbodens. Diese setzt wiederum
eine intakte Humusschicht sowie eine intakte Struktur des Waldbodens voraus.
Um diese zu erhalten, ist es notwendig, Maschinen so Boden schonend wie
möglich einzusetzen. Um den Humus im Waldboden zu erhalten, müssen das
Kronenholz und ein ausreichendes Maß an Totholz im Wald belassen werden;

5. die Versorgung mit dem nachwachsenden Rohstoff Holz sicherzustellen.
Je knapper und teurer Erdöl wird, desto mehr wird es – insbesondere als

Energieträger – auch unabhängig von klimapolitischen Erwägungen durch
erneuerbare und nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden müssen. Damit

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1586

wächst auch das Interesse an der Holznutzung. Gleichzeitig gilt es, kritisch zu
bewertende Holzimporte aus Raubbau (illegales Holz, Zerstörung von Ur- und
Tropenwäldern) und nicht nachhaltiger Forstwirtschaft zu vermeiden. Vor
diesem Hintergrund besteht das Ziel, in Zukunft mehr Holz aus dem deut-
schen Wald zu mobilisieren. Vor diesem Hintergrund müssen auch Strategien
verfolgt werden, die die Holzproduktion in Deutschland naturverträglich aus-
weiten (z. B. durch Erstaufforstungen, Agroforstsysteme auf Ackerflächen
und Verwendung von geprüftem Forstsaatgut). Eine nachhaltige und naturver-
trägliche Nutzung des Rohstoffes Holz bleibt jedoch trotz des erhöhten Nut-
zungsdrucks möglich, solange nicht mehr Holz eingeschlagen wird als nach-
wächst und anspruchsvolle Bewirtschaftungsstandards eingehalten werden.

Mittlerweile werden über 90 Prozent des Holzzuwachses in deutschen Wäl-
dern genutzt. Während das Holzpotenzial eines erheblichen Teils der deut-
schen Wälder demnach bereits vollständig oder gar übernutzt wird, weisen
andere Wälder noch immer Nutzungsreserven auf. Das gilt insbesondere für
den Kleinprivatwald. Um die dortigen Holzvorräte erschließen zu können,
sind die forstwirtschaftlichen Vereinigungen von Kleinwaldbesitzern zu stär-
ken und ist ihnen die Vermarktung von Holz zu ermöglichen. Dies ist ökolo-
gisch vertretbar, denn Durchforstungsrückstände in nicht mehr genutzten,
nichtnaturnahen Wäldern sind keinesfalls mit einer gezielten naturnahen
Waldwirtschaft oder mit natürlicher Waldentwicklung zu verwechseln;

6. die Wälder vor Übernutzung zu schützen.

Angesichts des absehbar steigenden Holzbedarfs wächst die Gefahr, dass die
Wälder in Deutschland übernutzt werden. Dies zeigt allein schon die Tatsa-
che, dass in deutschen Wäldern der Anteil des genutzten Holzzuwachses in-
nerhalb weniger Jahre von zwei Drittel auf über 90 Prozent gestiegen ist.
Durch Übernutzung wird das Prinzip der Nachhaltigkeit verletzt. Das Bun-
deswaldgesetz muss dem Holzeinschlag deshalb klare ökologische und
naturschutzfachliche Grenzen setzen. Kernstück einer Novellierung des Bun-
deswaldgesetzes muss daher die Festlegung von Bewirtschaftungsstandards-
und -grundsätzen sein, die die gute fachliche Praxis nach ökologischen Kri-
terien definieren.

Mit der Föderalismusreform I wurde die Rahmengesetzgebungskompetenz, auf
die sich das Bundeswaldgesetz bisher gestützt hat, abgeschafft. Stattdessen fal-
len die Gesetzgebungskompetenzen für den Naturschutz und die Landschafts-
pflege – und damit auch die Waldgesetzgebung – nunmehr in den Bereich der
konkurrierenden Gesetzgebung mit Abweichungsrecht der Länder. Demzufolge
ist es heute anders als früher möglich, auf Bundesebene vollständige Regelun-
gen im Waldrecht zu treffen. Diese Möglichkeiten sollte der Bund aus den ge-
nannten Gründen nutzen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Entwurf für eine Novellierung des Bundeswaldgesetzes vorzulegen, der
folgende Neuregelungen enthält:

– Die Ziele des Gesetzes (§ 1) sind so zu erweitern und modern zu formulieren,
dass

● neben der Erhaltung der kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Funk-
tionen des Waldes vor allem auch die Erhaltung der natürlichen Funktio-
nen für den Klimaschutz, den Wasserhaushalt, den Hochwasserschutz und
den Schutz der biologischen Vielfalt Ziel des Gesetzes wird,

● naturnahe Wälder zu erhalten und wiederherzustellen sind und einen we-

sentlichen Beitrag zum Aufbau und zur Erhaltung von Biotopverbünden
zu leisten haben,

Drucksache 17/1586 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

● die dauerhafte, nachhaltige Versorgung mit dem nachwachsenden Roh-
stoff Holz zu sichern ist,

● im Sinne der Nachhaltigkeit bei allen Entscheidungen die ökologischen,
ökonomischen und sozialen Nutzfunktionen des Waldes gleichrangig zu
behandeln sind,

● auf die waldrelevanten internationalen Verpflichtungen wie die des im
Jahr 2002 verabschiedeten Arbeitsprogramms zur forstlichen Biodiversi-
tät der UN-Biodiversitätskonvention (CBD) und die der Natura-2000-
Richtlinie der Europäischen Union Bezug genommen wird.

– Die Definition des Waldes (§ 2) ist so zu verändern, dass

● grundsätzlich jede mit Waldbaumarten bestockte Fläche von mindestens
0,1 Hektar Fläche und mindestens 30 Metern Breite dem Bundeswald-
gesetz unterliegt,

● Flächennutzungen wie Agroforstsysteme und Kurzumtriebsplantagen
vom Waldbegriff ausgenommen werden, während Niederwald weiterhin
Wald bleibt,

● klargestellt wird, dass ein Baumbestand auf unbeweidetem bzw. unge-
pflegtem Offenland nicht automatisch Wald im Sinne des Gesetzes wird.

– Die Waldumwandlungsgenehmigungen (§ 9) sind so zu regeln, dass

● seltene Waldbiotope erhalten bleiben,
● die Umwandlung von Wald in landwirtschaftliche Nutzfläche auch dann

von den Behörden versagt werden kann, wenn Naturschutzziele (z. B. Er-
halt von seltenen Waldbiotoptypen und Rote-Liste-Arten) beeinträchtigt
werden,

● für großflächige Waldumwandlungen eine Umweltverträglichkeitsprü-
fung eingeführt wird,

● Maßnahmen des Naturschutzes im Wald keine Umwandlung im Sinne die-
ses Gesetzes darstellen, sofern sie im Einvernehmen mit der zuständigen
Forst- und Naturschutzbehörde erfolgen.

– Die Erstaufforstung (§ 10) ist so zu regeln, dass

● arten- und strukturreiche standortheimische Wälder entstehen, keine
Forstmonokulturen,

● seltene, schutzwürdige Offenlandbiotope erhalten bleiben,
● die Genehmigung zur Erstaufforstung dann versagt werden kann, wenn

Gründe des Naturschutzes (Erhalt von Rote-Liste-Arten und seltener Of-
fenlandbiotope wie Extensiv-Grünland und Waldwiesen) dagegen spre-
chen,

● auch die Vernetzung von Waldinseln und die Schaffung eines Biotopver-
bundes Ziel der Erstaufforstung sein können,

● neben der Erstaufforstung von Flächen auch eine natürliche Wiederbewal-
dung von Flächen (Sukzession) ermöglicht wird und diese der Erstauffors-
tung gleichgestellt wird.

– Eine nachhaltige Waldbewirtschaftung durch Mindestanforderungen (gute
fachliche Praxis) (§ 11) ist in der Weise sicherzustellen, dass

● diese Mindeststandards mindestens die forstlichen Mindeststandards im
Bundesnaturschutzgesetz (§ 5 Absatz 5) widerspiegeln,

● das Verbot von Kahlschlägen zum zentralen Mindeststandard im Wald-

recht wird,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/1586

● als Kahlschlag jede baumfreie Waldfläche definiert wird, die die Fläche
dem Freilandklima aussetzt,

● Dauerwälder aufzubauen sind und der Holzeinschlag in der Regel nur
noch in Form der gruppenweisen oder Einzelbaumentnahme durchzufüh-
ren ist,

● für den Holzeinschlag ein grundsätzliches Verbot des flächenhaften Be-
fahrens der Waldböden gilt bzw. das Befahren auf ein dauerhaftes Er-
schließungssystem eingegrenzt wird,

● die Neubegründung von Reinbeständen standortfremder Baumarten aus-
geschlossen wird,

● vorwiegend naturnahe, strukturreiche Mischbestände standortheimischer
Baumarten aufzubauen sind sowie standortfremde Baumarten auf maxi-
mal 10 Prozent des Bestandes zu begrenzen sind und die Einbringung von
Baumarten aus anderen Kontinenten genauso auszuschließen ist wie die
von gentechnisch veränderten Baumarten,

● die Naturverjüngung Vorrang erhält gegenüber anderen Verjüngungsver-
fahren (Saat und Anpflanzung), wobei diese vor allem bei unerwünschter
Ausgangsbestockung und nach Kalamitäten und Sturmschäden weiter zu-
lässig bleiben müssen,

● eine Waldrandgestaltung durchgeführt werden soll und dabei heimische
Gehölzarten in einer stufigen Struktur einzubringen sind,

● ein Mindestanteil an stehendem und liegendem Totholz, an Biotop- und
Altbäumen, an Waldrestholz und an Kronenholz im Wald zu belassen ist,

● Bodenverdichtung zu vermeiden ist,
● der Einsatz von Bioziden und Pestiziden auf den Fall des akuten Hand-

lungsbedarfes bei großflächigen Kalamitäten beschränkt wird,
● die flächenhafte Entwässerung von Waldeinzugsgebieten ausgeschlossen

wird,
● die Bodenbearbeitung auf solche Flächen beschränkt wird, auf denen sie

für eine Verjüngung unbedingt erforderlich ist,
● Verlustschmiermittel auf Mineralölbasis nicht mehr eingesetzt werden

dürfen, sofern für den jeweiligen Verwendungszweck bzw. die eingesetzte
Technik gleichwertige biologisch abbaubare Schmiermittel in ausreichen-
den Mengen oder Techniken, die ganz ohne Schmiermittel auskommen,
zur Verfügung stehen,

● Bodendüngung grundsätzlich ausgeschlossen wird,
● die Bodenschutzkalkung nur zum Ausgleich einer ausgeprägten anthro-

pogen bedingten Versauerung zuzulassen ist,
● sich die Bejagung an ökologischen Erfordernissen orientieren muss, Wei-

serflächen auszuweisen sind und für Wildschäden im Wald (insbesondere
für Schäden an Naturverjüngung) klare und einfache Entschädigungsrege-
lungen eingeführt werden,

● für die Wiederbewaldung eine Frist von fünf Jahren gilt und eine Wieder-
aufforstung nur dann vorzuschreiben ist, sofern sich innerhalb dieser Frist
keine natürliche Wiederbewaldung einstellt,

● die Personalausstattung für die Bewirtschaftung und die naturschutzfach-
liche Betreuung des Waldes gewährleistet, dass das Personal allen Anfor-
derungen auch gerecht werden kann,

● bei der Waldarbeit und beim Einsatz von Forsttechnik qualifiziertes und
angemessen entlohntes Personal einzusetzen ist,

● ein hohes Niveau bei Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit zu gewährleis-

ten ist, wobei mindestens die Unfallverhütungsvorschriften der land- und
forstwirtschaftlichen Unfallversicherung einzuhalten sind,

Drucksache 17/1586 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

● die Einhaltung der guten fachlichen Praxis im Wald durch ein Zertifikat
eines Zertifizierungssystems nachgewiesen werden kann, welches die im
Bundeswaldgesetz formulierten Mindeststandards durch entsprechende
Kriterien zu untersetzen und abzuprüfen in der Lage ist.

– Für den Schutzwald und den Erholungswald wird auf eine Bundesregelung
(§§ 12, 13) verzichtet.

– Das Waldbetretungsrecht und die Verkehrssicherungspflicht (§ 14) sind so zu
regeln, dass

● das Recht der Bürgerinnen und Bürger zum freien Betreten des Waldes
zum Zwecke der Erholung erhalten bleibt,

● eindeutig dargestellt wird, wenn Waldflächen nicht betreten werden kön-
nen,

● klargestellt wird, dass das Betreten zur nichtkommerziellen Nutzung kos-
tenfrei ist,

● das Betreten der Wälder jenseits von Straßen und Wegen, die dem öffent-
lichen Verkehr gewidmet sind, und jenseits von Einrichtungen, deren öf-
fentliche Nutzung vorgesehenen ist, auf eigene Gefahr erfolgt und dort
durch die Betretungsbefugnisse keine zusätzlichen Sorgfalts- oder Ver-
kehrssicherungspflichten begründet werden und insbesondere keine Haf-
tung für waldtypische, sich aus der Natur ergebende Gefahren bestehen,

● die Haftung für die Verkehrssicherheit entlang von Straßen und Wegen,
die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind, und an Einrichtungen, deren
öffentliche Nutzung vorgesehenen, ist auf grobe Fahrlässigkeit und Vor-
satz beschränkt bleibt,

● die Verkehrssicherungspflicht und die entsprechende Haftung dem Stra-
ßenbaulastträger bzw. dem Betreiber von für die öffentliche Nutzung vor-
gesehenen Einrichtungen zugewiesen wird und der Waldbesitzer erst dann
haften muss, wenn er die für die Verkehrssicherung erforderlichen Maß-
nahmen nicht zugelassen hat.

– Den Forstwirtschaftlichen Zusammenschlüssen (§§ 15 bis 40) ein wirtschaft-
liches Agieren zu ermöglichen, indem

● es Forstwirtschaftlichen Vereinigungen zukünftig ermöglicht wird, Holz
zu vermarkten und „andere forstwirtschaftliche Maßnahmen“ zu koordi-
nieren,

● Forstwirtschaftliche Vereinigungen von den Regelungen des Gesetzes ge-
gen Wettbewerbsbeschränkungen ausgenommen werden,

● Die Organisationsform Forstbetriebsverband entfällt.

– Die Förderung des Waldbaus (§ 41) ist in der Weise an Bedingungen zu kop-
peln, dass

● es Fördervoraussetzung ist, dass die waldbaulichen Standards über die ge-
setzlichen Mindeststandards (die gute fachliche Praxis), die das Bundes-
waldgesetz festschreibt, hinausgehen und dies durch ein Zertifikat eines
staatlich anerkannten Zertifizierungssystems nachzuweisen ist,

● der Vertragsnaturschutz im Wald als modernes und kooperatives Natur-
schutzinstrument gestärkt und etabliert wird.

– Wälder mit natürlicher Waldentwicklung (Totalreservate, Naturwalderbe) in
der Weise zu fördern, dass

● es zukünftig gemeinsame Aufgabe des Bundes und der Länder ist, im

Staatswald oder im Privat- und Körperschaftswald für einen Mindestanteil
an Wäldern mit natürlicher Waldentwicklung (Totalreservate) zu sorgen,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/1586

● Bund-Länder-Mechanismen für die Festlegung von Umfang und regio-
naler Verteilung von Totalreservaten geschaffen werden, die den Zustand
der gesamten Bandbreite der biologischen Vielfalt des Waldes beobachten
und bewerten und dabei auch die Ziele einer nachhaltigen Holzversorgung
und der Vermeidung von Holzimporten aus nichtnachhaltigen Quellen be-
rücksichtigen.

Berlin, den 4. Mai 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Zum bisherigen § 1: Im Gesetzeszweck kommen die Funktionen des Waldes für
die biologische Vielfalt bisher zu kurz bzw. sind nur indirekt unter der „Bedeu-
tung für die Umwelt“ bzw. der „Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes“ erfasst.
Das wird ihrer Bedeutung nicht gerecht. Dies gilt es daher zu korrigieren. Im Ge-
genzug muss aber auch die wirtschaftliche Nutzungsfunktion dahingehend kon-
kretisiert werden, dass die nachhaltige Versorgung mit dem nachwachsenden
Rohstoff Holz Gesetzeszweck wird.

Zum bisherigen § 2: Bisher können landwirtschaftliche Nutzflächen, wenn sie
als Kurzumtriebsplantagen oder Agroforstsysteme genutzt werden, den Vorga-
ben des Bundeswaldgesetzes unterworfen sein. Eine Rückumwandlung in
Agrarland unterliegt dann z. B. der Genehmigungspflicht durch die zuständige
Behörde. Im Ergebnis könnte die aus ökologischen Gründen erwünschte und
sinnvolle Anpflanzung von Bäumen auf Ackerland unterbleiben (z. B. zur An-
lage von Agroforstsystemen oder Kurzumtriebsplantage), weil die Landwirte
fürchten, dass ihnen Agrarflächen verloren gehen. Deswegen ist es sinnvoll,
Agroforstsysteme und Kurzumtriebsplantagen vom Begriff Wald auszunehmen.

Die bisherige Walddefinition führt auch in der Landschaftspflege teilweise zu
Problemen. So sind viele Waldwiesen offiziell Wald. Dementsprechend ist eine
Genehmigung der Erstaufforstung nicht erforderlich. So können sie bewaldet
und damit vernichtet werden, obwohl ihre Bewaldung naturschutzfachlich oft-
mals nicht angebracht ist, weil Waldwiesen zur Biotopvielfalt beitragen. Des
Weiteren verbuschen wertvolle Flächen wie Streuwiesen und Magerrasen oft-
mals aufgrund fehlender Pflege oder Bewirtschaftung. Hier ist aus Naturschutz-
gründen eine Wiederaufnahme der Landschaftspflege oder Bewirtschaftung an-
gebracht. Dies wird erschwert oder unmöglich gemacht, wo solche Flächen per
Definition zu Wald im Sinne des Bundeswaldgesetzes werden.

Zum bisherigen § 9: Bisher kann die Genehmigung der Umwandlung von Wald
in eine andere Flächennutzung dann versagt werden, wenn die Erhaltung des
Waldes überwiegend im öffentlichen Interesse liegt, insbesondere wenn der
Wald für die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, die fortwirtschaftliche Er-
zeugung oder die Erholung der Bevölkerung von wesentlicher Bedeutung ist.
Gründe des Naturschutzes sind nicht ausdrücklich genannt. Es ist im Interesse
des Naturschutzes aber erforderlich, dass schützenswerte Waldgesellschaften er-
halten bleiben und nicht umgewandelt werden.

Zum bisherigen § 10: Grundsätzlich ist es sinnvoll, den Waldanteil zu erhöhen.

Jedoch sind Erstaufforstungen vor allem dort sinnvoll, wo der Waldanteil in der
Kulturlandschaft bisher sehr niedrig ist und Waldinseln isoliert voneinander be-

Drucksache 17/1586 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

stehen. Die Erstaufforstung bestimmter Offenlandbiotopen mit einem hohen
Wert für den Naturschutz hat in der Regel zu unterbleiben.

Zum bisherigen § 11: Kern einer Novelle des Bundeswaldgesetzes muss die
klare und konkrete Bestimmung der guten fachlichen Praxis einer nachhaltigen
Waldwirtschaft sein. Hierzu sind Mindeststandards bzw. Grundsätze für die Be-
wirtschaftung der Wälder festzulegen.

Kern der guten fachlichen Praxis muss das Kahlschlagverbot sein, weil es
grundlegend für die naturnahe Bewirtschaftung der Wälder und für den Erhalt
des Waldes und des Waldbodens als Kohlendioxidspeicher ist. Aufgrund der
zentralen Stellung des Kahlschlagverbotes und aus der Erfahrung seiner unzu-
reichenden Umsetzung in den Landeswaldgesetzen ist es notwendig, das Verbot
von Kahlschlägen im Bundeswaldgesetz konkret zu fassen.

Die Organismen, die an altes, absterbendes und totes Holz gebunden sind, finden
in einem intensiv genutzten Wirtschaftswald kaum Lebensraum, da die Bäume
in aller Regel vor der Zerfallsphase entnommen werden. Um die biologische
Vielfalt in ihrer ganzen Bandbreite erhalten zu können, sind daher Einschrän-
kungen bei der Holznutzung notwendig. Außerdem gilt es zu verhindern, dass
es angesichts der zunehmenden Nutzung des nachwachsenden Rohstoffes Holz
zur Ganzbaumernte und damit zum „gefegten Wald“ kommt. Diese Vorgaben
leisten auch einen Beitrag zur Erhöhung der Holzvorräte in den Wäldern.

Mit der längst fälligen Novellierung des Bundesjagdgesetzes muss der rechtli-
che Rahmen dafür gesetzt werden, dass die Wilddichten an die Leistungsfähig-
keit der Bestände angepasst werden und der Wildverbiss den Wald nicht beein-
trächtigt. Nur so ist es möglich, eine flächenhafte Naturverjüngung und einen
naturnahen Waldumbau zu erreichen. Um dieses Ziel erreichen zu können, ist es
angebracht, auch im Bundeswaldgesetz Regelungen zu treffen.

Solange noch Kahlschläge in größerem Umfang vorgenommen werden und die
Wilddichten eine natürliche Wiederbewaldung in großen Teilen des Landes ver-
hindern, muss das Wiederaufforstungsgebot bestehen bleiben, da ansonsten
Waldfläche in relevanter Größenordnung verloren gehen könnte.

Zum bisherigen § 14: Die dem Waldbesitzer obliegende Verkehrssicherungs-
pflicht ist bisher nicht ausreichend klar geregelt. Stattdessen legen Gerichte fest,
wie weit die Verkehrssicherungspflicht für den Waldbesitzer greift (sog. Rich-
terrecht). Eine Abschaffung der Verkehrssicherungspflicht an öffentlichen Stra-
ßen und Einrichtungen kann und sollte es nicht geben, da sich die Verkehrsteil-
nehmer dort zu Recht auf eine sichere Passage des Waldes verlassen können
müssen. Allerdings führen bestehende Rechtsunsicherheiten im Zweifelsfalle
und fernab der öffentlichen Straße und Wege dazu, dass mehr Bäume gefällt
oder gestutzt werden als erforderlich. Dieser Zustand ist kontraproduktiv – nicht
nur aus Sicht des Naturschutzes, der das Ziel verfolgt, den Anteil des Alt- und
Totholzes im Wald zu erhöhen, sondern auch für die Waldbesitzer, die bisher die
Kosten für die Verkehrssicherungsmaßnahmen zu tragen haben. Indem dem
Straßenbaulastträger Kosten für die Verkehrssicherung zugewiesen werden,
wird dem Verursacherprinzip Rechnung getragen, denn ohne Straßen und Wege
würden diese Kosten nicht anfallen.

Zu den bisherigen §§ 12 und 13: Die Kategorien Schutzwald (§ 12) und Erho-
lungswald (§ 13) werden als bundesweite Kategorien nicht benötigt, wenn das
Kahlschlagverbot, die Dauerwaldbewirtschaftung und die anderen Mindeststan-
dards einer ordnungsgemäßen und nachhaltigen Waldwirtschaft so wie vorgese-
hen umgesetzt und durchgesetzt werden, da der Erhalt dieser Wälder dann oh-
nehin gewährleistet ist. Dann reicht es aus, dass sie in den Ländern im jeweiligen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/1586

Landeswaldgesetz geregelt werden, in denen für Schutzwälder darüber hinaus
gehende Beschränkungen gelten sollen.

Zu den bisherigen §§ 15 bis 40: Viele Kleinwaldbesitzer bewirtschaften ihren
Wald nicht oder nur sporadisch. Dies ist aus Sicht der Versorgung mit dem nach-
wachsenden und nachhaltig produzierten Rohstoff Holz von Nachteil. Außer-
dem führen Durchforstungsrückstände nicht automatisch zu einem ökologisch
wertvollen Wald. Deshalb sind verstärkte Anstrengungen für einen höheren Mo-
bilisierungsgrad von Holz aus dem Kleinprivatwald zu unterstützten.

Die Regelungen zu Forstwirtschaftlichen Zusammenschlüssen im Waldrecht
(Forstbetriebsgemeinschaften, Forstbetriebsverbände, Forstwirtschaftliche Ver-
einigungen) dienten ursprünglich dazu, kartellrechtliche Probleme für Zusam-
menschlüsse von Forstbetrieben auszuschließen. Diese Zusammenschlüsse sind
für Kleinwaldbesitzer notwendig, um einen annähernd wirtschaftlichen Betrieb
überhaupt organisieren zu können. In einem forstwirtschaftlichen Zusammen-
schluss können Kleinwaldbesitzer effizienter wirtschaften und werden in die
Lage versetzt, dem Markt das Holz als Rohstoff und Energieträger bereitzustel-
len. Um diese Betriebe zu unterstützen und die Wertschöpfung im ländlichen
Raum zu erhöhen, ist es sinnvoll, die Einrichtung, Anerkennung, Verwaltung
und wirtschaftliche Tätigkeit forstwirtschaftlicher Zusammenschlüsse zu er-
leichtern und zu vereinfachen.

Die Organisationsform Forstbetriebsverband wurde bisher kaum genutzt und
kann daher zur Verwaltungs- und Gesetzesvereinfachung entfallen.

Zum bisherigen § 41: Es muss zukünftig gewährleistet sein, dass nur derjenige
Waldbau gefördert wird, der mindestens die gesetzlichen Anforderungen ein-
hält. Dies kann am besten durch Zertifizierungssysteme nachgewiesen werden.
Insgesamt muss aber auch für die Waldbauförderung gelten, dass mit der Förde-
rung Ziele erreicht werden, die über die gesetzlichen Mindeststandards hinaus-
gehen.

Anders als im Offenland wird in Wäldern der Vertragsnaturschutz bisher kaum
praktiziert. Dies steht im Gegensatz zur Bedeutung des Waldes für den Natur-
schutz. Die Verankerung dieses Förderinstrumentes im Bundeswaldgesetz kann
aber nur der erste Schritt sein. Letztlich steht und fällt die Rolle des Instrumentes
Vertragsnaturschutz im Wald damit, ob Bund und Länder bereit sind, dafür aus-
reichende Finanzmittel bereitzustellen.

Zu Wäldern mit natürlicher Waldentwicklung: Um die biologische Vielfalt in
ihrer gesamten Breite schützen und erhalten zu können, muss sich auch ein
Mindestanteil der Wälder natürlich entwickeln können, da viele Organismen an
die Alters- und Verfallsphase der Bäume gebunden sind und diese im Wirt-
schaftswald naturgemäß selten sind. Ein Nutzungsverzicht kann seine Ziele
daher in bereits naturnahen Wäldern mit hohem Naturschutzwert am schnellsten
erreichen. Wie hoch dieser Anteil sein muss, hängt auch davon ab, wie naturnah
die Wälder in Deutschland insgesamt sind und wie viel Alt- und Totholz in der
Fläche vorhanden ist. Dieser Anteil ist daher von Bund und Ländern in Abwä-
gung sämtlicher Aspekte festzulegen. Eine Rolle muss aber auch spielen, dass
im Rahmen der internationalen Waldpolitik von vielen Ländern der Erhalt von
Urwäldern – und damit der Verzicht auf deren Nutzung – erwartet wird. Diese
kann nur glaubwürdig erwartet werden, wenn auch die Länder, die keine Ur-
wälder mehr haben, bereit sind, auf die Nutzung eines Teiles der Wälder zu ver-
zichten, die sich dann wieder zu „Sekundär-Urwäldern“ entwickeln können.

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