BT-Drucksache 17/1582

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuchs - Beschränkung der Massentierhaltung im Außenbereich

Vom 5. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1582
17. Wahlperiode 05. 05. 2010

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Bettina Herlitzius, Friedrich Ostendorff, Undine Kurth
(Quedlinburg), Bärbel Höhn, Cornelia Behm, Ulrike Höfken, Nicole Maisch,
Markus Tressel, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, Ingrid Nestle,
Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms, Hans-Josef Fell, Sylvia Kotting-Uhl,
Oliver Krischer, Dr. Hermann Ott, Dorothea Steiner und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuchs –
Beschränkung der Massentierhaltung im Außenbereich

A. Problem

Der ländliche Raum ist durch die extrem starke Zunahme von Vorhaben zur ge-
werblichen Tierhaltung im Außenbereich in seiner Entwicklung gefährdet. Der
Außenbereich droht sich von einem primär landwirtschaftlich genutzten Raum
mit wichtigen Funktionen für Natur und Mensch nahezu flächendeckend in einen
Standort der industriellen Fleischproduktion zu verwandeln. Diese Entwicklung
steht im Widerspruch zu den Zielen des Baugesetzbuchs (BauGB). Ursache für
diese Fehlentwicklungen ist eine zu großzügige Auslegung des § 35 Absatz 1
Nummer 4 BauGB, die die gewerbliche Massentierhaltung zu den Vorhaben
rechnet, die gerade im Außenbereich privilegiert zulässig sind. Jedenfalls ist den
heutigen tatsächlichen Verhältnissen diese Auslegung nicht mehr angemessen.

B. Lösung

In § 35 Absatz 1 BauGB wird klargestellt, dass die industrielle Massentierhal-
tung nicht zu den im Außenbereich privilegierten Vorhaben gehört.

C. Alternativen

Eine gleich wirksame Alternative, die ohne eine Änderung der gesetzlichen
Regelungen auskommt, ist nicht vorhanden. Den Gemeinden ist es nicht ge-
lungen, der Fehlentwicklung durch Bauleitplanung entgegenzusteuern (zur
Bedeutung von Bauleitplanung auch im Außenbereich vgl. § 35 Absatz 3 Num-
mer 1 BauGB).
D. Kosten

Die Regelung löst unmittelbar keine Kosten aus. Sie verhindert vielmehr, dass
der gesamtgesellschaftliche Wohlstand durch eine ungeregelte Entwicklung im
Außenbereich verschleudert wird. Soweit Vorhaben nunmehr nur noch zulässig
sind, wenn Gemeinden für sie entsprechende Regelungen in ihrer Bauleitplanung
vorgesehen haben, folgen hierdurch anfallende Kosten der normalen Sachgesetz-
lichkeit des Baugesetzbuchs.

Renate Künast, Jürgen Tr
ittin und Fraktion
Drucksache 17/1582 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuchs –
Beschränkung der Massentierhaltung im Außenbereich

Vom …

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Baugesetzbuchs

Das Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung
vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414), das zuletzt durch
Artikel 4 des Gesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585)
geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Dem § 35 Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:

„Ein Vorhaben, das der Tierhaltung dient und nicht nach
Satz 1 Nummer 1 zugelassen werden kann, ist in der Regel
auch nicht nach Satz 1 Nummer 4 zulässig.“

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 4. Mai 2010

kannt, dass die tatbestandliche Weite der Nummer 4 durch vor, weil eine Beendigung der Fehlentwicklung dringlich ist.
A. Allgemeines

Viele ländliche Regionen Deutschlands sehen sich einer
katastrophalen Fehlentwicklung ausgeliefert. In großem Um-
fang werden Flächen im Außenbereich mit Anlagen der
Massentierhaltung bebaut. Der gewachsene Charakter der
Kulturlandschaft geht verloren, die Umwelt wird geschädigt
und den Menschen, die im Außenbereich wohnen, werden
Immissionen und Belastungen in einem Umfang zugemutet,
der weit über das, was bei traditioneller bäuerlicher Land-
wirtschaft im Außenbereich üblich war, hinausgeht (vgl. zu
den im Außenbereich gegenwärtig für zulässig gehaltenen
Immissionen: OVG Münster, B. v. 14.12010 – 8 B 1015/09).

Die geschilderte Fehlentwicklung steht im Widerspruch zu
den Zielen des BauGB, wie sie in § 1 Absatz 5 für die Bauleit-
planung dokumentiert sind. Ziele sind hier „nachhaltige städ-
tebauliche Entwicklung“, „Verantwortung gegenüber künfti-
gen Generationen“ und eine dem „Wohl der Allgemeinheit
dienende sozialgerechte Bodennutzung“. Gerade der Außen-
bereich soll nach der Leitvorstellung, die dem § 35 BauGB zu
Grunde liegt, von Bebauung möglichst weitgehend freigehal-
ten werden und damit sein ländliches Gepräge und die wich-
tige Erholungsfunktion für die Menschen behalten.

Mit dieser Zielsetzung steht die gegenwärtige Auslegung des
§ 35 BauGB nicht im Einklang. § 35 Absatz 1 BauGB privi-
legiert bestimmte Vorhaben im Außenbereich. Im Bereich
der Tierhaltung sind hier Vorhaben privilegiert, die einem
land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dienen (§ 35 Absatz 1
Nummer 1 BauGB). Die Tierhaltung muss daher ihrer Pro-
duktionsweise nach eine landwirtschaftstypische sein (§ 201
BauGB). Dies bedeutet, dass das Tierfutter überwiegend auf
dem zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Flächen
erzeugt werden muss, wenn die Privilegierung in Anspruch
genommen werden soll. Im Rahmen der Nummer 1 des § 35
Absatz 1 BauGB besteht daher eine natürliche Grenze für die
Tierzucht in der Form der Massenproduktion.

Diese Beschränkung läuft jedoch auf Grund einer zu groß-
zügigen Auslegung des § 35 Absatz 1 Nummer 4 BauGB ins
Leere. Das Bundesverwaltungsgericht (Beschlüsse vom
27. Juni 1983 – 4 B 201/82 und 4 B 206/82) hat angenom-
men, dass Anlagen der Massentierhaltung nach § 35 Absatz 1
Nummer 4 im Außenbereich zulässig sein sollen, weil sie
„wegen ihrer nachteiligen Wirkung auf die Umgebung“ nur
im Außenbereich durchgeführt werden können. Verwaltung
und die Instanzgerichte haben in der Folge flächendeckend
Massentierhaltungsanlagen im Außenbereich zugelassen.
Dies steht aber mit den Zielen des § 35 und auch der sonsti-
gen Auslegung der Nummer 4 des § 35 Absatz 1 BauGB
durch das Bundesverwaltungsgericht nicht im Einklang (vgl.
eindringlich Söfker, NVwZ 2008, 1273, 1274). Das Bundes-
verwaltungsgericht hat nämlich ansonsten zutreffend er-

eine restriktive Auslegung dahingehend korrigiert werden
muss, dass diese Regelung nur bei wenigen und vereinzelt
auftretenden – also atypischen – Vorhaben angewandt wer-
den kann. Andernfalls würde der Außenbereich seinen ge-
wollten Charakter gerade dadurch verlieren, dass er flächen-
deckend mit stark emittierenden und umweltschädlichen
Großvorhaben zugebaut wird. Genau dies geschieht gegen-
wärtig durch die nicht landwirtschaftliche Tierhaltung im
Außenbereich. Es ist daher geboten, die von § 35 eigentlich
intendierte Wirkung, nach der der Außenbereich gerade nicht
mit Anlagen der Massentierhaltung überzogen werden darf,
im Gesetz klarer zu machen.

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74
Nummer 18 des Grundgesetzes (GG). Verfassungsrechtliche
Bedenken bestehen nicht. Aus den Artikeln 12 und 14 GG
lässt sich kein Anspruch darauf herleiten, den Außenbereich
durch Bebauung mit Massentierhaltungsanlagen seines
Charakters zu berauben. Vielmehr handelt es sich um eine zu-
lässige Inhaltsbestimmung des Eigentums.

Hinzuweisen ist darauf, dass die vorgeschlagene Regelung
nicht zu einem Totalverbot der Massentierhaltung führt. Viel-
mehr kann diese auch in Zukunft insbesondere dort zulässig
sein, wo die Gemeinden entsprechende bauleitplanerische
Entscheidungen treffen (vgl. im Einzelnen Söfker, NVwZ
2008, 1273 ff.).

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1 (§ 35 Absatz 1 Satz 2 BauGB)

Die Regelung verdeutlicht die Ziele des § 35 Absatz 1
BauGB und schließt aus, dass der Außenbereich mit Anlagen
der Massentierhaltung überzogen wird. Sie stellt klar, dass
Tierzucht grundsätzlich nur nach der Vorschrift des Satzes 1
Nummer 1 zugelassen werden kann. Eine Anwendung der
Nummer 4 lässt der neue Satz 2 bei der Tierhaltung nur als
Ausnahmen von der Regel – und damit in atypischen Fällen –
zu. Der gewollte Regelungsgehalt (siehe Abschnitt A) des
§ 35 Absatz 1 wird damit für den Bereich der Tierhaltung re-
konstruiert. Eine privilegierte Genehmigung von Anlagen
der Massentierhaltung im Außenbereich ist damit nicht mehr
möglich, weil sie gerade keinen atypischen Fall repräsentie-
ren. Allerdings können Anlagen der Tierhaltung in Ausnah-
mekonstellationen weiter nach Nummer 4 zugelassen wer-
den. Dies kann im Einzelfall – anders als die gewerbliche
Massentierhaltung im Außenbereich – mit den Wertungen
des § 35 im Einklang stehen.

Zu Artikel 2

Die Vorschrift sieht ein möglichst frühzeitiges Inkrafttreten
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1582

Begründung

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.