BT-Drucksache 17/1527

Ergänzende Informationen zur Asylstatistik für das erste Quartal 2010

Vom 28. April 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1527
17. Wahlperiode 28. 04. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dag˘delen, Kersten Steinke, Petra Pau,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Ergänzende Informationen zur Asylstatistik für das erste Quartal 2010

Die von der Fraktion DIE LINKE. regelmäßig erfragten ergänzenden Informa-
tionen zur Asylstatistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
(BAMF) sollen Aspekte näher beleuchten, die von der offiziellen monatlichen
Statistik ausgeblendet werden.

Hierdurch wird unter anderem deutlich, welche große Bedeutung Widerrufsver-
fahren in der Asyl-Entscheidungspraxis haben. Im Jahr 2009 wurden über
10 500 Widerrufsverfahren eingeleitet, und in über 4 500 Fällen kam es zum
Widerruf einer in der Vergangenheit ausgesprochenen Asyl- bzw. Flüchtlings-
anerkennung.

Die offizielle monatliche Asylstatistik enthält auch keine Angaben zum Anteil
derjenigen Asylanträge, für die nach Auffassung der Bundesrepublik Deutsch-
land ein anderer EU-Mitgliedstaat im Rahmen der Dublin-II-Verordnung zu-
ständig ist. Dies ist jedoch in einem wachsenden Umfang der Fall, im Jahr 2009
bei etwa einem Drittel aller Asylanträge. Ausgerechnet das ohnehin überforderte
Griechenland wurde dabei mit 2 288 Ersuchen am häufigsten – in jedem vierten
Fall – wegen der Übernahme von Asylsuchenden aus Deutschland angefragt.
Flüchtlinge aus Afghanistan und Irak bilden die größten Gruppen der Betroffe-
nen. Hoch brisant ist dabei, dass die Gesamtschutzquote in Deutschland nach
Angaben von EUROSTAT im zweiten Quartal 2009 bei über 40 Prozent lag (bei
afghanischen und irakischen Staatsangehörigen noch einmal deutlich höher),
während sie zum Beispiel in Griechenland nur 1 Prozent betrug – von auch nur
annähernd gleichen Chancen im europäischen Asylsystem, die das gegen-
wärtige Zwangsverteilungssystem rechtfertigen können sollten, kann deshalb
keine Rede sein.

Der Anteil von Minderjährigen an allen Asylsuchenden betrug im Jahr 2009 in
der Bundesrepublik Deutschland 33,4 Prozent.

Die Fragestellerinnen und Fragesteller haben erfreut zur Kenntnis genommen,
dass das Bundesministerium des Innern seit Anfang 2010 ihrer Anregung folgt,
in den monatlichen Pressemitteilungen maßgeblich auf die Gesamtschutzquote
abzustellen, während dies Anfang 2008 noch mit dem Hinweis abgelehnt wurde,
es stünde ihnen frei, „die nach ihrem eigenen Verständnis relevanten Zahlen zu-
sammenzuaddieren“ (vgl. Bundestagsdrucksache 16/7687, Antwort zu Frage 8).

Bedauerlicherweise war jedoch auch in der Pressemitteilung des Bundesminis-
teriums des Innern vom 21. Januar 2010 fälschlich von fast 440 000 „Asyl-
bewerbern“, die im Jahr 1992 nach Deutschland gekommen seien, die Rede,
obwohl sich diese Zahl „440 000“ auf gestellte Asylanträge (häufig Mehrfach-
oder Folgeanträge identischer Personen) und nicht auf eingereiste Personen be-
zieht. Bei einer realistischen Betrachtung und bei einer – seit 1995 üblichen –

Drucksache 17/1527 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Trennung von Asylerst- und Zweitanträgen müsste von etwa 272 000 neu einge-
reisten Asylsuchenden bzw. Erstanträgen im Jahr 1992 ausgegangen werden
(vgl. Bundestagsdrucksache 16/7687, Frage 15a). Die Zahl von angeblich
„440 000“ Asylsuchenden im Jahr 1992 war bekanntlich eine maßgebliche Be-
gründung für die faktische Abschaffung des Asylgrundrechts im Jahr 1993.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hoch war die Gesamtschutzquote (Anerkennungen nach § 16a des
Grundgesetzes, nach § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes/der Genfer
Flüchtlingskonvention – AufenthG/GFK – und von Abschiebungshindernis-
sen nach § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 AufenthG) in der Entscheidungspraxis des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im ersten Quartal 2010,
und wie lautet der Vergleichswert des vorherigen Quartals (bitte in absoluten
Zahlen und in Prozent angeben, bitte auch nach den zehn wichtigsten Her-
kunftsländern und der Art der Anerkennung – Asylberechtigung, Flücht-
lingsschutz, nationaler subsidiärer Schutz, europarechtlicher subsidiärer
Schutz – differenzieren), und welche letzten Vergleichszahlen auf EU-Ebene
liegen der Bundesregierung vor?

2. Wie viele Widerrufsverfahren wurden im ersten Quartal 2010 eingeleitet, und
wie lautet der Vergleichswert für das vorherige Quartal (bitte Gesamtzahlen
angeben und nach den verschiedenen Formen der Anerkennung und den zehn
wichtigsten Herkunftsländern differenzieren)?

3. Wie viele Entscheidungen in Widerrufsverfahren mit welchem Ergebnis gab
es in den vorgenannten Zeiträumen (bitte Gesamtzahlen angeben und nach
den verschiedenen Formen der Anerkennung und den zehn wichtigsten Her-
kunftsländern differenzieren, bitte auch die jeweiligen Widerrufsquoten be-
nennen)?

4. Welche statistischen Angaben liegen vor

a) zur durchschnittlichen Verfahrensdauer bis zu einer Entscheidung im
Asylverfahren (bitte auch nach den zehn wichtigsten Herkunftsländern,
nach Erst-, Folge- und Widerrufsverfahren sowie nach Verfahren, die zu
einer Anerkennung bzw. Ablehnung führten, differenzieren),

b) zur Aufenthaltsdauer von Asylsuchenden in Deutschland vor ihrer Erst-
bzw. Folgeantragstellung?

5. Wie viele Verfahren im Rahmen der Dublin-II-Verordnung (DublinV) wurden
im ersten Quartal 2010 insgesamt eingeleitet, und wie lautet der Vergleichs-
wert für das vorherige Quartal (bitte in absoluten Zahlen und in Prozent-
zahlen die Relation zu allen Asylerstanträgen sowie die Quote der auf
EURODAC-Treffern basierenden Verfahren und die Quote der Verfahren
nach „illegalem“ Grenzübertritt ohne Asylgesuch angeben)?

a) Welches waren in den benannten Zeiträumen die zehn am stärksten betrof-
fenen Herkunftsländer, und welches die zehn am stärksten angefragten
EU-Mitgliedstaaten (bitte in absoluten Werten und in Prozentzahlen ange-
ben)?

b) Wie viele Dublin-Entscheidungen mit welchem Ergebnis (Zuständigkeit
eines anderen EU-Mitgliedstaats bzw. der Bundesrepublik Deutschland,
Selbsteintritt nach Artikel 3 Absatz 2 DublinV, humanitäre Fälle nach
Artikel 15 DublinV) gab es in den benannten Zeiträumen?

c) Wie viele Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnungen wurden in den
benannten Zeiträumen vollzogen (bitte in absoluten Werten und in Pro-
zentzahlen angeben und auch nach den zehn wichtigsten Herkunftsländern
und EU-Mitgliedstaaten differenzieren)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1527

d) Wie hoch war der Anteil der in Zuständigkeit der Bundespolizei durch-
geführten Dublin-Verfahren bzw. Überstellungen?

6. Wie viele Asylanträge wurden im ersten Quartal 2010 bzw. im vorherigen
Quartal nach § 14a Absatz 2 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) von
Amts wegen für hier geborene (oder eingereiste) Kinder von Asylsuchenden
gestellt, wie viele Asylanträge wurden in den genannten Zeiträumen von
Kindern bzw. für Kinder unter 16 Jahren bzw. von Jugendlichen zwischen 16
und 18 Jahren bzw. von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gestellt
(bitte jeweils in absoluten Zahlen und in Prozentzahlen in Relation zur
Gesamtzahl der Asylanträge sowie die Gesamtzahl der Anträge unter 18-Jäh-
riger und sich überschneidende Teilmengen angeben), und welche Angaben
liegen vor zu den Erfolgsquoten bei Asylverfahren zum Zeitpunkt der
Antragstellung bzw. Entscheidung minderjährigen Asylsuchenden (bitte so
differenziert wie möglich beantworten)?

7. Wie lautet die Statistik zu Rechtsmitteln und Gerichtsentscheidungen im Be-
reich Asyl für das komplette Jahr 2009 bzw. (soweit vorliegend) für das Jahr
2010 (bitte ähnlich wie auf Bundestagsdrucksache 17/693 zu Frage 7 darstel-
len, jedoch Angaben für die 20 wichtigsten Herkunftsländer und entspre-
chend differenzierte Angaben auch zu Rechtsmitteln bei Asyl-Widerrufs-
verfahren machen)?

a) Was lässt sich Näheres und Erklärendes zum hohen Anteil der „sonstigen
Verfahrenserledigungen“ (über 60 Prozent) sagen?

b) Welche Angaben zu anhängigen Verfahren zu der obigen Frage liegen
vor?

c) Welche Angaben zur Dauer des gerichtlichen Verfahrens lassen sich ma-
chen (bitte so differenziert wie möglich darstellen)?

Berlin, den 28. April 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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