BT-Drucksache 17/1487

Auswirkungen auf Umwelt, Gesundheit und Funktechnik durch die Nutzung neuer Mobilfunkfrequenzen und die geplante Einführung des neuen Mobilfunkstandards Long Term Evolution (LTE)

Vom 23. April 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1487
17. Wahlperiode 23. 04. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Tabea Rößner, Krista Sager, Agnes
Krumwiede, Hans-Josef Fell, Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Oliver Krischer, Undine
Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Dr. Hermann Ott, Dorothea Steiner, Cornelia
Behm und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Auswirkungen auf Umwelt, Gesundheit und Funktechnik durch die Nutzung neuer
Mobilfunkfrequenzen und die geplante Einführung des neuen Mobilfunkstandards
Long Term Evolution (LTE)

Die Bundesnetzagentur versteigert seit dem 12. April 2010 Frequenzen in den
Bereichen 800 MHz, 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz. Als Bieter sind die Netz-
betreiber Deutsche Telekom, Vodafone, O2 und E-Plus zugelassen. Der Zu-
schlag soll mit der Auflage verbunden werden, noch bestehende Funklöcher zu
schließen. Das bedeutet, dass vor allem in ländlichen Regionen die Nutzung der
neuen Frequenzen mit einem weiteren Ausbau der Mobilfunknetze einhergehen
wird. Damit könnte es zur Erhöhung der allgemeinen Strahlenexposition durch
hochfrequente elektromagnetische Strahlung für die Bevölkerung kommen.

Die zur Versteigerung stehenden Frequenzen sollen die Grundlage für den neuen
Übertragungsstandard Long Term Evolution (LTE) bilden. Mit diesem neuen
Standard soll die dritte Mobilfunkgeneration UMTS abgelöst werden. LTE ist
auf schnelle Datenübertragung ausgerichtet und ermöglicht ein bis zu 100-mal
schnelleres Downloadtempo als DSL-Anschlüsse.

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) weist mit einer aktuellen Meldung
zu der Versteigerung der Mobilfunkfrequenzen (www.bfs.de) darauf hin, dass
die jetzt zur Versteigerung stehenden Frequenzen an die bisher genutzten und er-
forschten Frequenzen anschließen, und geht davon aus, dass deshalb „für mög-
liche biologische Wirkungen keine wesentlichen Unterschiede zu den bisher ge-
nutzten Mobilfunkfrequenzen zu erwarten sind“. Gleichzeitig weist das BfS auf
den bestehenden Forschungsbedarf zu Auswirkungen auf den kindlichen Orga-
nismus und zur Langzeitwirkung hin und empfiehlt erneut als Vorsorgemaß-
nahme, die individuelle Strahlenbelastung so gering wie möglich zu halten.

Des Weiteren fordert das BfS im Zusammenhang mit der Ausschreibung zusätz-
licher Frequenzen für neue Funktechnologien, dass wesentliche Eigenschaften
dieser neuen Techniken so rechtzeitig bekannt gegeben werden, dass die Wis-
senschaft und der Strahlenschutz Gelegenheit haben, vor der Einführung ihre
Gesundheitsverträglichkeit zu bewerten.
Unklar ist bisher, ob die Bundesregierung beabsichtigt, Erlöse aus der Verstei-
gerung zur weiteren Erforschung von möglichen Umwelt- und Gesundheits-
schäden oder für die Erforschung von Emissionsminderungstechnologien ein-
zusetzen.

Das Frequenzspektrum 790 bis 862 MHz war ursprünglich dem Rundfunk zu-
geteilt und ist durch die Einführung der digitalen Technik verfügbar geworden.

Drucksache 17/1487 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Verbraucherschützer befürchten, dass durch die Nutzung der Mobilfunk-
frequenzen auch Störungen des terrestrischen Digitalfernsehens (DVB-T) ent-
stehen können.

Der betroffene Frequenzbereich hat, neben dem ursprünglichen Hauptnutzer
Rundfunk, einen sekundären Nutzer. Es handelt sich um Funkmikrophone zur
kabellosen Audioübertragung. Diese können durch die Internetübertragung ge-
stört werden. Die Veranstaltungstechnik kann daher neue Frequenzen im Be-
reich 710 bis 790 MHz beantragen. Die Nutzung neuer Frequenzen geht jedoch
mit Kosten durch den Erwerb neuer Lizenzen und die Umstellung der Technik
auf die neuen Frequenzen einher.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wird es nach derzeitigem Erkenntnisstand durch die Vergabe der neuen
Frequenzen zur Erhöhung der allgemeinen Strahlenexposition durch hoch-
frequente elektromagnetische Strahlung für die Bevölkerung kommen?

2. Wenn ja, wie stark würde diese Erhöhung in der Regel und im Höchstfall
voraussichtlich ausfallen?

3. Sind Unterschiede in der Exposition zwischen ländlichen und städtischen
Gebieten zu erwarten?

4. Welche Auflagen werden den kommenden Frequenzinhabern gemacht, da-
mit diese möglichst strahlungsarme Technologien anwenden und strah-
lungsarme Ausbauszenarien umsetzen?

5. Wenn keine Auflagen vorliegen, warum verzichtet die Bundesregierung
darauf, einen möglichst strahlungsarmen Ausbau von weiteren Mobilfunk-
netzen sicherzustellen?

6. Besteht die Möglichkeit einer gemeinsamen Netznutzung für die Unter-
nehmen, die die Frequenzen erwerben?

7. Wenn nein, warum hat die Bundesregierung diese Möglichkeit der Strah-
lungsminimierung nicht genutzt?

8. Wurden vor der Ausschreibung der neuen Frequenzen die wesentlichen
Eigenschaften der in Frage kommenden Technologien so rechtzeitig be-
kannt gegeben, dass Wissenschaft und der Strahlenschutz dazu Stellung
nehmen konnten, und wie wurde deren Gesundheitsverträglichkeit von Wis-
senschaft und Strahlenschutz bewertet?

9. Welche wissenschaftlichen Studien zur Gesundheitsverträglichkeit zum an-
visierten neuen Mobilfunkstandard LTE liegen der Bundesregierung bisher
vor?

10. Welche Stellungnahmen des Strahlenschutzes liegen der Bundesregierung
zum anvisierten neuen Mobilfunkstandard LTE vor?

11. Wird die Bundesregierung einen Teil der bei der Versteigerung eingenom-
menen Gelder für Forschungsprogramme zur Klärung biologischer Wirkun-
gen von Funktechnologien auf Mensch und Umwelt einsetzen?

Wenn nein, warum nicht?

12. Wird die Bundesregierung einen Teil der bei der Versteigerung eingenom-
menen Gelder für die Entwicklung und Umsetzung alternativer und strah-
lungsarmer Kommunikationstechnologien sowie zur Förderung des Aus-
baus von Glasfasernetzen einsetzen, um so die Strahlungsexposition zu
minimieren?

Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1487

13. Wird die Bundesregierung einen Teil der bei der Versteigerung eingenom-
menen Gelder für andere Maßnahmen zur Senkung der Strahlenexposition
einsetzen?

Wenn nein, warum nicht?

14. Inwieweit hat die Bundesregierung technische Störpotentiale und Beein-
trächtigungen durch die neuartige Nutzung der Frequenzen auf Nutzer an-
derer Informations- und Kommunikationstechnologien, wie zum Beispiel
Rundfunk, terrestrisches Digitalfersehen (DVB-T) und drahtlose Funk-
mikrophone, geprüft?

15. Wie wird die Bundesregierung reagieren, falls es durch die Nutzung der
Mobilfunkfrequenzen zu solchen Störungen kommen wird?

16. Hat die Bundesregierung ein Konzept erarbeitet, wie und durch welches
Verfahren durch eventuelle Störungen Betroffene, denen durch die Umwid-
mung der Frequenzen Kosten entstehen können, entschädigt werden sollen?

17. Gibt es seitens der Bundesregierung ein Konzept, wie und von wem deren
Umstellungskosten erstattet werden sollen, und inwiefern hat die Bundes-
regierung hierzu Vereinbarungen mit den Ländern und Kommunen getrof-
fen?

18. Wird die Bundesregierung einen Teil der bei der Versteigerung eingenom-
men Gelder zur Deckung der Kosten einsetzen, die sich aus den möglicher-
weise notwendigen Umstellungen für die Rundfunkübertragung ergeben
können?

19. Wird die Bundesregierung einen Teil der bei der Versteigerung eingenom-
menen Gelder zur Deckung der Kosten einsetzen, die den Nutzern draht-
loser Mikrophone durch Störungen entstehen können?

20. Liegen der Bundesregierung Zahlen vor, auf welche Höhe sich mögliche
Kosten belaufen würden, um die Umstellungskosten der von Störungen
durch die Neuzuteilung der Frequenzen Betroffener zu decken?

Berlin, den 23. April 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.