BT-Drucksache 17/14809

Ermittlungen unter Beteiligung von Bundesbehörden zu ferngesteuerten Modellflugzeugen und Quadrokoptern

Vom 30. September 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14809
17. Wahlperiode 30. 09. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan van Aken, Sevim Dag˘delen, Annette Groth,
Ulla Jelpke, Harald Koch, Dr. Petra Sitte und der Fraktion DIE LINKE.

Ermittlungen unter Beteiligung von Bundesbehörden zu ferngesteuerten
Modellflugzeugen und Quadrokoptern

Letztes Jahr hatte das Bundeskriminalamt (BKA) in einem „Lagebild Luftsicher-
heit 2012“ vor dem Einsatz von ferngesteuerten Drohnen und Modellflugzeugen
in Deutschland und deren Beförderung von Sprengstoffen gewarnt (FOCUS,
19. Mai 2013). Hintergrund war die Verurteilung eines US-Staatsbürgers, der
angeblich den Regierungssitz und das Pentagon in Washington mit Modellflug-
zeugen angreifen wollte. Der Plan flog mithilfe eines verdeckten FBI-Ermittlers
auf. Als Nutzlast habe der Festgenommene Plastiksprengstoff vorgesehen, Flug-
zeuge und Fernzünder seien bereits besorgt gewesen. „Ähnliche Szenarien müs-
sen auch in Deutschland als mögliche Tatoption in Betracht gezogen werden“,
hieß es laut FOCUS vom BKA in seinem geheim eingestuften Bericht. Der
Deutsche Modellflieger Verband e. V. hat hieran aber Zweifel (Südwest Presse,
11. September 2013). Auch das niederländische Forschungsinstitut TNO erklärt,
Drehflügler seien für Anschläge besser geeignet (http://arstechnica.com). Diese
könnten mit Maschinengewehren bestückt werden oder kleine Bomben abwer-
fen, die schusssicheres Glas durchdringen. Aufständische könnten die kleinen
Drohnen sogar im Schwarm aufsteigen lassen, um Camps von westlichen Mili-
tärs zu attackieren.

In mindestens zwei Ermittlungsverfahren ist das Landeskriminalamt (LKA)
Baden-Württemberg mit aufgedeckten Versuchen befasst, Modellflugzeuge mit
Sprengstoff zu bestücken. Bereits im Sommer hatten Ermittler Razzien gegen
zwei tunesische Staatsangehörige durchgeführt (DIE WELT, 25. Juni 2013). Sie
wurden verdächtigt, Modellflugzeuge mit Sprengstoff präparieren zu wollen.
Die beiden waren seit 2012 vom LKA und Verfassungsschutz Baden-Württem-
berg beobachtet worden. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart richtete eine Ermitt-
lungsgruppe „Quax“ ein, die Bundesanwaltschaft ermittelte schon länger unter
dem Namen „Pilot“. In den Medien wurden die Verdächtigen als „radikale Isla-
misten“ tituliert. Einige hätten an der Universität Stuttgart studiert und geforscht,
wie ferngesteuerte Flieger per GPS (Global Positioning System) programmierte
Routen fliegen könnten. Es ist aber immer noch unklar, ob sie tatsächlich An-
schläge planten oder eher technikbegeisterte Studenten waren.
Am 10. September 2013 hatte das LKA die erfolgreiche Verhinderung eines
Anschlags mitgeteilt: Razzien in Freudenstadt, Emmendingen und Freiburg
hätten gezeigt, dass vier Verdächtige ferngesteuerte Modellflugzeuge mit selbst
gebasteltem Sprengstoff bestücken wollten. Gegen den mutmaßlichen Werfer
der Bomben wurde Haftbefehl erlassen. Es handelte sich bei den Festgenom-
menen um Nazis, die im Raum Freiburg teils seit Jahren aktiv sind (https://
linksunten.indymedia.org). Sie haben wohl geplant, mit fliegenden Sprengsät-

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zen Antifaschisten zu attackieren (Badische Zeitung, 11. September 2013). Laut
Sprengstoffexperten des LKA hätte der Sprengkörper in einem Umkreis von
20 bis 30 Metern Menschen schwere Verletzungen hervorrufen können, Todes-
opfer wären nicht auszuschließen gewesen. Vor vier Jahren hatte die Freiburger
Autonome Antifa öffentlich gemacht, dass ein Rechtsextremer in Weil am Rhein
Sprengstoff hortete, was erst dazu führte, dass das LKA eigene Ermittlungen
anstellte. Obwohl tatsächlich entsprechende Materialien gefunden wurden, kam
der Bombenbastler 2012 mit einer Bewährungsstrafe davon. Bei den neuerli-
chen Durchsuchungen in Baden-Württemberg wurde „eine funktionsfähige
Sprengvorrichtung“ sichergestellt, die wohl an ein ebenfalls gefundenes Flug-
zeug montiert werden sollte. Der Hersteller der Rohrbombe soll von einem
23-Jährigen angestiftet worden sein, der im Sommer auf einer Nazi-Demonstra-
tion in Dortmund entsprechend aufgefallen war. Dieser warf damals einen
selbstgebastelten Böller auf Gegendemonstrantinnen und Gegendemonstranten.

Die zunehmende Verfügbarkeit billiger, ferngesteuerter fliegender Kameras
führt zu deren gesteigerten Nutzung auch von linken Akivistinnen und Akivis-
ten. Im Rahmen der Proteste gegen den US-Komplex „Dagger“ in Darmstadt
flog eine kleine Drohne zu Dokumentationszwecken. Die Piratenpartei hatte
eine Wahlkampfveranstaltung der CDU in Dresden mit einer „Parrot“-Drohne
aus der Luft beobachtet, Personenschützer beendeten die Aktion jedoch und
brachten das Gerät zum Absturz (DER SPIEGEL, 16. September 2013).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Bundesbehörden sind derzeit mit welchen bereits öffentlich gewor-
denen Ermittlungsverfahren befasst, in denen es um Sprengstoffe oder andere
gefährliche Gegenstände geht, die mit Modellflugzeugen oder Quadro- bzw.
Oktokoptern befördert werden sollten (bitte auch die zuständigen Abteilun-
gen nennen)?

2. Gegen wie viele Personen wird dort unter welchem Vorwurf ermittelt?

3. Wer leitet die jeweiligen Ermittlungen, und unter welchem Namen firmieren
entsprechende Ermittlungsgruppen?

4. Welche Bundesbehörden sind derzeit mit welchen noch nicht öffentlich ge-
wordenen Ermittlungsverfahren befasst, in denen es um Sprengstoffe oder
andere gefährliche Gegenstände geht, die mit Modellflugzeugen oder Quadro-
bzw. Oktokoptern befördert werden sollten (bitte auch die zuständigen Ab-
teilungen nennen)?

5. Sofern die Bundesregierung hierzu keine Angaben machen möchte; welche
Aussagen kann sie treffen, damit Abgeordnete sich eine Vorstellung des Um-
fangs und der Bedeutung entsprechender Ermittlungen verschaffen können,
auch um den Wahrheitsgehalt des geheim gehaltenen „Lagebild[s] Luft-
sicherheit 2012“ einzuschätzen?

6. Welche Aussagen trifft das „Lagebild Luftsicherheit 2012“ hinsichtlich des
Einsatzes von ferngesteuerten Drohnen und Modellflugzeugen, die mit
Sprengstoffen bestückt werden könnten?

7. Inwieweit trifft es zu, dass das BKA die Auffassung vertritt, ähnliche Szena-
rien wie bei einem angeblich in den USA geplanten Anschlag mit Modell-
flugzeugen „müssen auch in Deutschland als mögliche Tatoption in Betracht
gezogen werden“?

8. Welche weiteren, über den Bericht des Nachrichtenmagazins „FOCUS“
hinausgehenden Erläuterungen kann die Bundesregierung hierzu liefern?
9. Auf welche für die Fragesteller überprüfbaren Erkenntnisse stützen sich die
Aussagen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14809

10. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Aussage der
Pressestelle des Deutschen Modellflieger Verbandes e. V., der dieses Szena-
rio als unwahrscheinlich bezeichnet, da die Flugzeuge auf Sicht gesteuert
werden müssten?

11. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Bericht des nie-
derländischen Forschungsinstituts TNO, wonach stattdessen Drehflügler
mit Maschinengewehren bestückt werden oder kleine Bomben abwerfen
könnten, die sogar schusssicheres Glas durchdringen bzw. welche weite-
ren, ähnlich lautenden Berichte liegen ihr vor?

12. Inwiefern und auf welche Weise sind Bundesbehörden mit den Ermittlun-
gen befasst, die am 10. September 2013 in Razzien in Freudenstadt, Em-
mendingen und Freiburg mündeten?

13. Inwiefern und auf welche Weise wurden die Bundesbehörden hierüber vom
Landeskriminalamt Baden-Württemberg oder vom Verfassungsschutz ledig-
lich informiert, haben sich aber selbst nicht eingeschaltet (bitte das Datum
der Kenntnisnahme mitteilen)?

14. Inwiefern waren die Verdächtigen bereits zuvor von Bundesbehörden ob-
serviert worden?

15. Über welche Erkenntnisse der ermittelnden Behörden verfügen Bundes-
behörden hinsichtlich des Gefährdungspotentials durch Nazis, die nach
Presseberichten mit fliegenden Sprengsätzen politische Gegner attackieren
wollen?

16. Welche eigenen Erkenntnisse konnte die Bundesregierung hierzu sam-
meln?

17. Inwiefern und auf welche Weise sind Bundesbehörden mit den Ermittlun-
gen befasst, die im Sommer zu Razzien gegen zwei tunesische Staatsange-
hörige führten?

18. Inwiefern und auf welche Weise wurden die Bundesbehörden hierüber vom
Landeskriminalamt Baden-Württemberg oder Verfassungsschutz lediglich
informiert, hatten sich aber zunächst nicht selbst eingeschaltet (bitte das
Datum der Kenntnisnahme mitteilen)?

19. Inwiefern und auf welche Weise waren die Verdächtigen bereits zuvor von
Bundesbehörden observiert worden?

20. Welche Bundesbehörden haben im vorliegenden Fall verdeckte Ermitt-
lerinnen und Ermittler eingesetzt oder entsprechende Informationen von
Informantinnen und Informanten erhalten?

21. Über welche Erkenntnisse der ermittelnden Behörden verfügen Bundes-
behörden hinsichtlich des Gefährdungspotentials durch Verdächtige, die in
Presseberichten als „radikale Islamisten“ bezeichnet werden und angeblich
mit fliegenden Sprengsätzen den Krieg in Syrien in Deutschland thema-
tisieren wollten?

22. Welche eigenen Erkenntnisse konnte die Bundesregierung hierzu sam-
meln?

23. Inwiefern und auf welche Weise trifft es zu, dass die Bundesanwaltschaft
zu dem Fall eine Ermittlungsgruppe „Pilot“ einrichtete, und wer gehört ihr
an?

24. Inwiefern halten es die ermittelnden Bundesbehörden mittlerweile für
möglich, dass die Verdächtigen keine Anschläge planten, sondern technik-
begeisterte Studenten waren?

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25. Da die Bundesregierung in ihrer Antwort auf Bundestagsdrucksache 17/
14652 erklärt, die von A. F., Direktor in der Bundespolizei und Leiter des
Referats Technik und Logistik angekündigten Tests von Helikopter-Droh-
nen seien von diesem nicht „angekündigt“, sondern als „weitere For-
schungs- und Entwicklungsfelder“ lediglich „skizziert“ worden: inwieweit
handelt es sich dabei also lediglich um private Überlegungen von A. F., bzw.
inwieweit stützt sich seine Aussage auf tatsächliche Vorgänge in seinem
Referat?

26. Wie könnte dadurch die „Seeüberwachung mit UAS effektiv und wirt-
schaftlich unterstützt werden“ (bitte konkreter als in der angegebenen
Drucksache erläutern und den Mehrwert gegenüber früheren Forschungen
erläutern)?

27. Da laut der Antwort „noch keine Planungen für Tests der Bundespolizei
mit UAS über der Nordsee“ existieren, über welche Vorüberlegungen
spricht A. F. in der besagten Broschüre, und welche Überlegungen existie-
ren hinsichtlich deren Konkretisierung?

28. Sofern A. F. mitgeteilte „Skizzierungen“ in die Tat umgesetzt werden, wer
muss dann die Kosten übernehmen, und in welcher Höhe werden diese
(nach jetzt möglichen Schätzungen) für das Gesamtprojekt entstehen, und
wie hoch werden diese im Referat Technik und Logistik der Bundespolizei
derzeit kalkuliert?

29. Mit welchen privaten und öffentlichen Akteuren hat das Referat Technik
und Logistik der Bundespolizei bezüglich der skizzierten „weitere[n] For-
schungs- und Entwicklungsfelder“ bereits Kontakt aufgenommen, und
welchen Inhalt hatte dieser?

30. Mit welchen privaten und öffentlichen Akteuren hat das Referat Technik
und Logistik der Bundespolizei bezüglich anderer „weitere[r] Forschungs-
und Entwicklungsfelder“ zur Nutzung von Drohnen mit einem Abflug-
gewicht über 25 Kilogramm in den Jahren 2012 und 2013 Kontakt aufge-
nommen, und welchen Inhalt hatte dieser?

31. Inwiefern, auf welche Weise und seit wann haben sich BKA-Abteilungen
zum Objekt- bzw. Personenschutz oder zur Bewachung politischer Reprä-
sentantinnen und Repräsentanten mit der Nutzung von fliegenden Kameras
durch Aktivistinnen und Aktivisten befasst, wie sie beispielsweise anläss-
lich einer Wahlkampfveranstaltung der CDU in Dresden genutzt wurden?

32. Inwieweit und auf welche Weise sind bzw. waren Bundesbehörden in Er-
mittlungen zur Nutzung einer fliegenden Kamera anlässlich der Wahl-
kampfveranstaltung der CDU in Dresden befasst gewesen?

33. Inwieweit, auf welche Weise und mit welchem Inhalt wurden welche Bun-
desbehörden von welchen US-Stellen kontaktiert, bevor oder nachdem Ak-
tivistinnen und Aktivisten eine fliegende Kamera vor dem „Dagger“-Kom-
plex in Darmstadt aufsteigen ließen, und welche eigenen Schritte hat sie
hierzu unternommen (Hessischer Rundfunk, 18. August 2013)?

34. Inwieweit und auf welche Weise sind bzw. waren Bundesbehörden in Er-
mittlungen zur Nutzung einer fliegenden Kamera anlässlich einer Protest-
veranstaltung vor dem Neubau des Bundesnachrichtendienstes in Berlin
befasst (DER SPIEGEL, 30. Juli 2013)?

35. Welche weiteren Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen flie-
gende Kameras für Zwecke politischer Versammlungen genutzt werden
und dies den Interessen von Bundesbehörden zuwider lief?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/14809

36. Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung über die Zulässigkeit der
fliegenden Kameras für Zwecke politischer Versammlungen hinsichtlich
des Strafrechts oder der Luftverkehrsordnung?

37. Inwieweit werden die fliegenden Kameras von welchen Bundesbehörden
diesbezüglich als „Sicherheitsrisiko“ betrachtet?

38. Auf welche Weise bereiten sich Bundesbehörden auf die zunehmende Nut-
zung von fliegenden Kameras durch Aktivistinnen und Aktivisten bei poli-
tischen bzw. sonstigen Veranstaltungen vor?

Berlin, den 30. September 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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