BT-Drucksache 17/14642

Personalsituation und Sicherheit im Schienenverkehr

Vom 22. August 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14642
17. Wahlperiode 22. 08. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Heidrun Bluhm, Thomas Lutze
und der Fraktion DIE LINKE.

Personalsituation und Sicherheit im Schienenverkehr

Die Situation des Schienenverkehrs in der rheinland-pfälzischen Landeshaupt-
stadt Mainz bestimmte im August 2013 zwei Wochen lang die Schlagzeilen
deutscher Medien. Ein großer Teil des Schienenverkehrs konnte und kann in
Mainz im Zeitraum zwischen dem 1. August und dem 30. August 2013 nicht wie
im Fahrplan ausgewiesen stattfinden (laut Auskunft der Bahn gilt bis zum
30. August 2013 ein Ersatzfahrplan; am 16. August 2013 unter www.bahn.de).
Als Grund wurde seitens der Deutschen Bahn AG tagelang eine „Stellwerksstö-
rung“, also ein technisches Problem, genannt. Dies erscheint als eine gezielte
Fehlinformation. Denn zweierlei wurde nach einigen Tagen deutlich: Erstens,
dass der Auslöser für die angeordnete Schienenverkehrseinschränkung ein Bei-
nahezusammenstoß von zwei S-Bahnen war. Zweitens, dass das allem zugrunde
liegende Problem eine extreme Personalknappheit bei der Deutschen Bahn AG
ist, insbesondere eine unzureichende Zahl der im Einsatz befindlichen Fahr-
dienstleiter auf den Stellwerken.

Am 1. August 2013 fuhren zwei S-Bahnen der Linie S8 im Vorfeld des Mainzer
Hauptbahnhofs auf ein und demselben Gleis – jedoch in entgegengesetzter
Richtung. Laut Darstellung der „Allgemeinen Zeitung“ aus Mainz (vom
2. August 2013) war „die S8 in Fahrtrichtung Wiesbaden (…) kurz vor der Ein-
fahrt in den Hauptbahnhof auf Gleis 2 unterwegs und wollte über eine Weiche
auf Gleis 1 wechseln, aber auch die S8 in der Gegenfahrtrichtung Offenbach
befand sich auf Gleis 2“. Es seien allein „die Lokführer“ gewesen, die „gerade
noch bremsen konnten“ (www.fr-online.de vom 2. August 2013). Laut einem
anderen Medienbericht „kamen die Züge mit nur eineinhalb Meter Abstand
zum stehen“. (12. August 2013, www.derwesten.de). Ursache des Beinahe-
unfalls sei, so die Bahn „eine Störung im Stellwerk“ gewesen (Frankfurter
Rundschau, 2./6. August 2013, www.fr-online.de). Allerdings heißt es dazu in
einem vertraulichen Schreiben des Gesamtbetriebsrats von der DB Netz AG,
dass „wiederum nur zwei Fahrdienstleiter statt drei und ein Zugmelder zum
Zeitpunkt dieses Fast-Unfalls auf diesem hochbelasteten Stellwerk Dienst
taten“. Der Betriebsrat warnt dabei, dass diese unzulässige Unterbesetzung
„keine Ausnahme (ist), sondern den Regelfall darstellt, von denen es täglich
bundesweit viele andere gibt“. Auch der Vorstandschef von DB Netz AG, Frank

Sennhenn, räumte ein, dass es auf den Stellwerken „bundesweit eine ange-
spannte Situation“ geben würde – nach Angaben der Deutsche Bahn AG fehlen
600 Fahrdienstleister, die erst teilweise 2013, teilweise dann 2014 neu einge-
stellt werden würden. Nach Angaben der Gewerkschaft und des Betriebsrats
sind mehr als 1 000 neu einzustellende Fahrdienstleiter erforderlich (SPIEGEL
ONLINE vom 12. August 2013; www.spiegel.de).

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Der Beinahezusammenstoß zweier Züge in Mainz und die chronische Unterbe-
setzung von Stellwerken verdeutlichen: Schwere Eisenbahnunfälle, wie es ei-
nen solchen am 25. Juli 2013 in Santiago de Compostela gab, sind grundsätz-
lich auch in Deutschland vorstellbar. Die anderslautenden Aussagen des Vor-
standsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG, Rüdiger Grube, und des Vorstands
für Infrastruktur und Technik der Deutschen Bahn AG, Dr. Volker Kefer, nach
dem Unglück in Spanien sind nachweislich unzutreffend (siehe z. B. Frankfur-
ter Allgemeine Zeitung vom 27. Juli 2013). Schließlich gab es im Fall der
schweren Eisenbahnunglücke in Brühl am 6. Februar 2000 mit neun Toten und
in Hordorf am 29. Januar 2011 mit zehn Toten nicht allein „menschliches Ver-
sagen“. Dem Unglück in Brühl lagen auch die falschen Angaben zur Geschwin-
digkeit im Langsamfahrstellenverzeichnis (La) und eine fehlende Absicherung
zur Geschwindigkeitskontrolle (Indusi) zugrunde; in Hordorf war versäumt
worden, die seit mehr als zwei Jahrzehnten entwickelte Zugsicherung PZB
(Punktförmige Zugbeeinflussung) zu installieren, die im Fall des Überfahrens
eines auf Halt stehenden Signals den fraglichen Güterzug gestoppt und damit
den Zusammenprall dieses Zugs mit einem Personenzug verhindert hätte.

Die Personalsituation bei der Deutschen Bahn AG hat sich seit der Bahnreform
des Jahres 1994 kontinuierlich verschlechtert bzw. zugespitzt. Trotz deutlich
gestiegener Leistungen insbesondere im Nahverkehr und im Schienengüterver-
kehr (bei weitgehend gleichbleibenden Leistungen im Schienenfernverkehr)
wurde die Beschäftigtenzahl im inländischen Schienenbereich (Deutsche Bahn
AG plus andere Bahngesellschaften) von 350 000 im Jahr 1994 auf weniger als
160 000 im Jahr 2012 mehr als halbiert. Das ist wesentlich mehr, als Arbeit
durch Produktivitätsfortschritte reduziert werden konnte. Selbst wenn man sich
auf den Zehn-Jahres-Vergleich 2012 bis 2002 beschränkt, gab es laut offiziellen
Angaben der Deutschen Bahn AG im Bereich Nahverkehr einen Belegschafts-
abbau von 16,1 Prozent (von 44 024 auf 36 959 – jeweils am Jahresende 1994
und 2012 und jeweils in Vollzeitkräfte umgerechnet). Im Fernverkehr lag der
Abbau bei 40,1 Prozent (von 27 013 auf 15 947). Im (besonders sicherheitsrele-
vanten) Bereich Fahrweg ging die Beschäftigtenzahl um 16,4 Prozent zurück
(von 49 499 auf 41 400). Und bei den Bahnhöfen wurden nochmals 9,6 Prozent
der Stellen abgebaut (die Beschäftigtenzahl sank von 5 309 im Jahr 2002 auf
4 797 Ende 2012 – alle Angaben nach „Daten und Fakten 2002, S. 27, und Da-
ten und Fakten 2012, S. 10; herausgegeben von der Deutschen Bahn AG).

Gute Zeuginnen und Zeugen für den Vorgang eines kundenfeindlichen Beleg-
schaftsabbaus sind die Fahrgäste, die sich Tag für Tag in Hunderten Leserbrie-
fen und vor Ort in Zügen, auf Bahnsteigen und in Bahnhöfen darüber beklagen,
dass es kein Personal auf Bahnsteigen, viel zu wenig Personal in Zügen (und
immer öfter gar keines), keine geöffneten Schalter, völlig unzureichende, irre-
führende oder schlicht fehlende Informationen im Fall von „Störungen im Be-
triebsablauf“ und inzwischen mehr als 4 000 geschlossene, vernagelte und viel-
fach völlig verwahrloste Bahnhöfe gibt.

Für den Außenstehenden nicht erkennbar ist darüber hinaus die Arbeitsstress-
situation der Bahnbeschäftigten, die durch eine enorme Zahl aufgelaufener
Mehrleistungsstunden und offener Urlaubstage gekennzeichnet ist. Allein im
Bereich Netz gab es im Juni 2013 2,4 Millionen aufgelaufene Mehrleistungs-
stunden; dabei wurden diese gegenüber dem Vorjahr (Juni 2012) um zusätz-
liche 200 000 Mehrleistungsstunden aufgestockt. Insgesamt gibt es im Bereich
Bahn (Inland) 8,1 Millionen aufgelaufene Mehrleistungsstunden – auch hier
gab es gegenüber dem Vorjahr einen weiteren Anstieg um 800 000 oder um
knapp 10 Prozent (Angaben der Europäischen Verkehrsgewerkschaft). Für
viele Bahnbeschäftigte ist die Urlaubsplanung ein rotes Tuch, da es kaum einen
Bereich gibt, in dem diese nach den normalen Spielregeln des Arbeitslebens ge-

regelt ist. Oft ist es der Arbeitgeber, der den Urlaub festlegt – was der geschil-

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derten unzumutbaren Situation mit der extremen Personalknappheit geschuldet
ist.

Die Vorfälle in Mainz überdeckten teilweise, dass sich der Schienenverkehr in
vielen Bereichen in einem miserablen Zustand präsentiert. Zwischen dem
29. Juli und dem 12. August 2013 blieben nach einer eher zufälligen, unvoll-
ständigen Recherche mindestens fünf Fernverkehrszüge der Deutschen Bahn
AG auf freier Strecke liegen, sodass allein in diesem Zweiwochenzeitraum fast
2 000 Menschen evakuiert werden mussten:

– Am 29. Juli 2013 betraf dies einen IC auf der Strecke von Oldenburg nach
Leipzig. 170 Fahrgäste mussten bei Hude, Nähe Oldenburg, zwei Stunden
ohne Klimaanlage ausharren (Quelle: Hannoversche Allgemeine Zeitung
vom 29. Juli 2013).

– Am 2. August 2013 machte der Intercity 2401 auf seinem Weg von Ham-
burg nach Köln auf der Höhe von Münster-Sudmühle schlapp – 300 Fahr-
gäste mussten bei 35 Grad Celsius Außentemperaturen und im IC mit einer
Hitze von bis zu 60 Grad Celsius – die Klimaanlage war ausgefallen – eine
knappe Stunde ausharren und auf freier Strecke in einen anderen IC wech-
seln (Quelle: Westfälische Nachrichten vom 2. August 2013; www.
westline.de vom 2. August 2013; express vom 2. August 2013).

– Am 5. August 2013 musste der ICE 690 auf dem Weg von München nach
Berlin-Ostbahnhof auf offener Strecke in der Nähe von Langenselbold
wegen „Rauchentwicklung im hinteren Triebkopf“ einen Nothalt einlegen.
500 Passagiere saßen zwischen 12.41 Uhr und 15.23 Uhr fest bis sie evaku-
iert wurden und in einen ICE aus der Gegenrichtung kommend umsteigen
konnten (Quelle: hanauer.de vom 6. und vom 12. August 2013).

– Am 11. August 2013 blieb der ICE 226 aufgrund eines Triebkopfschadens auf
seiner Fahrt nach Amsterdam in der Nähe von Emmerich-Elten liegen.
400 Fahrgäste mussten auf freier Strecke in einen Ersatz-ICE wechseln, wobei
35 Feuerwehrleute eine Stunde lang damit beschäftigt waren, bei diesem un-
freiwilligen Umsteigevorgang behilflich zu sein (Quelle: www.derwesten.de
vom 11. August 2013).

– Am 12. August 2013 stoppte ein ICE „wegen starker Rauchentwicklung im
Triebwagen“ seine Fahrt von Hamburg nach Dortmund in der Nähe von
Bremen. 450 Reisende mussten evakuiert werden – sie wurden mit Bussen
zum Bremer Hauptbahnhof gebracht (Quelle: Berliner Zeitung vom 12. Au-
gust 2013).

Wenn die hier aufgeführten Zugausfälle vollständig sein sollten und wenn es im
übrigen Jahresverlauf nur bei 50 Prozent der Vorfälle wie beschrieben bliebe,
dann wären pro Jahr 20 000 Nutzerinnen und Nutzer der Bahn von Zugausfäl-
len und Evakuierungen betroffen. Viele davon könnten aufgrund solcher Erfah-
rungen der Bahn für immer den Rücken kehren.

Offensichtlich fährt die Bahn bei ihrem rollenden Material auf Verschleiß. Die
altbekannte Misere mit neuen Zügen (siehe ICE-3 „Velaro“, siehe Talent) setzte
sich in diesem Sommer ebenfalls fort. So gab es in Stuttgart mit den neuen
S-Bahnwagen der Serie ET 430 derart viele Störungen und Totalausfälle, dass
die Verantwortlichen des Verbandes Region Stuttgart – Körperschaft des öffent-
lichen Rechts Anfang Juli 2013 alle Wagen zurück an den Hersteller Bombardier
sandten (Stuttgarter Zeitung vom 3. Juli 2013). In einer solchen Situation würde
die Spitze eines gut funktionierenden Unternehmens zweifellos dafür Sorge tra-
gen, dass insbesondere der Technikbereich im Konzern personell optimal – das
heißt mit unbestreitbarer Kompetenz im Bereich Eisenbahntechnik – aufgestellt
ist. Doch der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG kürte Ende Juli 2013 mit

Heike Hanagarth eine Person zum neuen Technikvorstand, die bislang nur Er-

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fahrungen bei der Daimler AG (Nutzfahrzeugmotoren-Bau), Tognum AG (Flug-
zeugtriebwerke und Schiffsmotoren) und BMW AG (Pkw-Motoren) aufzuwei-
sen hat. Es sei vor allem ihr Daimler-Hintergrund gewesen, der „Grube, immer-
hin lange Zeit Mitglied im Daimler-Vorstand, für sie eingenommen“ habe – so
das interessante Urteil in „DIE ZEIT“ (vom 28. Juli 2013).

Die miserable Performance der Deutschen Bahn AG (DB AG) kann nicht mit
knappen Finanzen erklärt werden. Die DB AG konnte ihren Gewinn in den ver-
gangenen Jahren kontinuierlich steigern – zuletzt, im Geschäftsjahr 2012, auf
2,7 Mrd. Euro. Die Gewinne der DB AG werden in einem erheblichen Umfang
im Ausland investiert – vor allem zum Aufkauf anderer Unternehmen (beispiels-
weise wurde 2010 in Großbritannien der Bus- und Bahnbetreiber Arriva für
2,7 Mrd. Euro aufgekauft). Die Auslandsengagements können kaum damit
gerechtfertigt werden, dass hier besonders hohe Gewinne generiert würden.
Laut Geschäftsbericht der DB AG gab es 2012 im Bereich „Beteiligungen“
einen Verlust von 615 Mio. Euro; der Gewinn bei Schenker Logistics betrug
381 Mio. Euro was nur 2,5 Prozent des Gesamtumsatzes entspricht und damit
eine niedrige Umsatzrendite ist. Die großen Gewinne realisiert die Deutsche
Bahn AG im Inland und dort, wo besonders hohe staatliche Unterstützungszah-
lungen fließen – im Nahverkehr (2012 = 832 Mio. Euro Gewinn = 8,4 Prozent
des Umsatzes), im Bereich Personenbahnhöfe (2012 = 169 Mio. Euro Gewinn =
13,2 Prozent des Umsatzes) und nicht zuletzt im Bereich Netz (2012 = 453 Mio.
Euro Gewinn = 8,9 Prozent des Umsatzes – Angaben nach: Geschäftsbericht
Deutsche Bahn AG 2012, S. 180 und S. 65). Die in absoluten Zahlen zweit-
höchsten Gewinne und die zweithöchste Umsatzrendite im Bereich Netz ist
natürlich, insbesondere vor dem Hintergrund der Stellwerkemisere, besonders
interessant: Es gibt in diesem Sektor eine systematische Unterinvestition, die in
hohen Gewinnen mündet, welche wiederum an die Holding abgeführt werden
und für Investitionen z. B. in den Vereinigten Arabischen Emiraten ausgegeben
werden (siehe „Verstärktes Engagement der Deutschen Bahn AG in den Ver-
einigten Arabischen Emiraten“: www.db-international.de).

Damit gilt offensichtlich die Formel: Die großen Gewinne der DB AG werden
durch Steuersubventionen „erwirtschaftet“; diese Gewinne werden in großem
Umfang im Ausland investiert, wo die Gewinnerwartungen unterdurchschnitt-
lich sind (siehe Geschäftsbericht der DB AG 2012, S. 88, 93, 180/181).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hält die Bundesregierung die Aussagen unter anderem der Gewerkschaften
EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft) und GDL (Gewerkschaft
Deutscher Lokomotivführer) und des Gesamtbetriebsrats DB Netz AG für
zutreffend, wonach bei der Deutschen Bahn AG eine extreme Personalknapp-
heit herrscht und wonach die Situation in Mainz keine Besonderheit, sondern
die Spitze des Eisbergs darstellt?

2. Sind die Meldungen, z. B. der Europäischen Verkehrsgewerkschaft, zutref-
fend, wonach auf den Stellwerken der DB Netz AG teilweise Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeiter eingesetzt werden, die nur unzureichend in die lokalen
Gegebenheiten eingewiesen sind, und werden auf Stellwerken teilweise
„Hilfskräfte“ eingesetzt, die zuvor die Fahrdienstleiterprüfung nicht bestan-
den haben, so dass die komplette Verantwortung der diensthabende Fahr-
dienstleiter trägt?

3. Wie viele Fahrdienstleiter, Lokführer und Zugbegleiter bei der Deutschen
Bahn AG und den NE-Bahnen in Deutschland sind zurzeit angestellt/ver-
beamtet, und wie viele davon sind zurzeit dauerhaft (für länger als drei Mo-
nate) krank gemeldet (bitte tabellarische Auflistung)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/14642

4. Wie viele Fahrdienstleiter, Lokführer und Zugbegleiter der Deutschen
Bahn AG und der NE-Bahnen schieden jährlich wegen Frühverrentung
oder dauerhafter Arbeitsunfähigkeit zwischen 1994 und 2012 vorzeitig aus
dem Dienst aus, und wie groß ist dabei jeweils der Anteil derer, die auf-
grund arbeitsbedingter Erkrankungen frühzeitig aus dem Dienst ausschie-
den (bitte tabellarisch nach Jahren und absoluten Zahlen sowie relativ zur
Gesamtbeschäftigtenzahl darstellen)?

5. Wie viele Fahrdienstleiter, Lokführer und Zugbegleiter bei der Deutschen
Bahn AG und den NE-Bahnen in Deutschland gehen in den Zeiträumen
2013 bis 2017 und 2018 bis 2022 in Rente/Pension bzw. werden wegen
Berufsunfähigkeit und Frühverrentung ausscheiden (bitte tabellarische
Auflistung)?

6. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Bedarf an ausgebildetem Fach-
personal bei Fahrdienstleitern, Lokführern und Zugbegleitern heute, 2018
und 2023, um einen zuverlässigen Betrieb zu gewährleisten?

7. Wie viele neue Fahrdienstleiter, Lokführer und Zugbegleiter werden heute
pro Jahr ausgebildet, und wie werden sich diese Zahlen nach Einschätzung
der Bundesregierung bis 2023 entwickeln?

8. Wie viele müssten für einen zuverlässigen Betrieb ausgebildet werden, und
wie werden die Ausbildungsquoten festgelegt?

9. Was ist die Ausbildungsdauer für Fahrdienstleiter heute im Vergleich zur
Ausbildungsdauer für Fahrdienstleiter Ende der 90er-Jahre, und ist mit der
aktuellen Ausbildungsdauer für Fahrdienstleiter gewährleistet, dass die
Mitarbeitenden ein ausreichendes Wissen haben, um einen sicheren Bahn-
betrieb zu gewährleisten (bitte begründen)?

10. Sind die Meldungen, z. B. der Europäischen Verkehrsgewerkschaft, zutref-
fend, wonach es aufgrund der Personalknappheit bei den Fahrdienstleitern
aktuell oder in absehbarer Zukunft zu einer 90-Tage-Ausbildung im
Schnelldurchlauf kommen soll („Schnellbleiche“)?

11. Sind die Meldungen, z. B. der Europäischen Verkehrsgewerkschaft, zutref-
fend, wonach es eine erkennbare Sonderstresssituation (Überlastung) bei
Fahrdienstleitern gibt, weswegen in diesem Bereich die Ausfälle größer
und der Krankenstand deutlich höher sind?

12. Gibt es arbeitsergonomische Untersuchungen darüber, bis zu welcher Be-
lastung in den Stellwerken ein sicherer Betrieb und die Zumutbarkeit für
die Mitarbeitenden gewährleistet sind?

13. Was ist die maximale Arbeitszeit von Fahrdienstleitern am Stück?

Kann im Fall der offiziellen und der realen maximalen Arbeitszeit eine zu-
verlässige Arbeit weiter gewährleistet werden?

14. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass der Ausgangspunkt für die
„Mainzer Verhältnisse“ ein Beinahezusammenstoß zweier S-Bahnen in der
Nähe des Mainzer Hauptbahnhofs war?

15. Kann die Bundesregierung nähere Angaben zu dem Ablauf dieses Beinahe-
eisenbahnunglücks machen?

16. Wie konnte es nach Ansicht der Bundesregierung dazu kommen, dass zwei
in entgegengesetzter Richtung fahrende S-Bahnen auf ein und dasselbe
Gleis geleitet waren bzw. auf einem solchen verkehren sollten?

17. Welche Parallelen sieht die Bundesregierung beim Beinaheunglück in
Mainz zu der Entgleisung eines Fernverkehrszugs am 13. Mai 2013 bei der

nördlichen Ausfahrt des Berliner Hauptbahnhofs und bei der S-Bahn-
entgleisung in Berlin-Tegel im August 2012 (in beiden Fällen wurde eine

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Weiche umgestellt, während der Zug über dieselbe rollte – siehe www.
tagesspiegel.de vom 13. Mai 2013 und 22. August 2012)?

18. Sind der Bundesregierung im Zeitraum des letzten Jahrzehnts weitere sol-
che Unfälle bekannt, bei denen „Stellwerksfehler“ eine Rolle gespielt ha-
ben?

19. Gibt es vor dem Hintergrund der Berichte u. a. im ZDF-Magazin
„Frontal21“ nach dem Hordorf-Unglück, wonach Lokführer bei privaten
Schienengüterverkehrsbahnen oft bis zu 23 Stunden ununterbrochen auf
der Lok stehen und im Schnitt drei Mal häufiger rote Signale überfahren,
inzwischen eine nachvollziehbare Überprüfung und Kontrolle der Arbeits-
zeiten von Lokführern?

20. Was ist vor dem Hintergrund des Hordorf-Unglücks, das durch die Installa-
tion des Sicherungssystems PZB hätte verhindert werden können, der aktu-
elle Stand der flächendeckenden Ausrüstung aller Schienenstrecken mit
PZB-Technik oder einer vergleichbaren Sicherungstechnik (bitte um tabel-
larische Darstellung des Stands der Schienenstrecken des Bundes ohne
jegliche Sicherungstechnik zum Zeitpunkt des Hordorf-Unglücks und des
entsprechenden Stands heute – Ausgangspunkt: Betriebsnetz –)?

21. Teilt die Bundesregierung die Aussagen von Bahnchef Rüdiger Grube und
des Infrastrukturvorstands Dr. Volker Kefer nach der Eisenbahnkatastrophe
von Santiago de Compostela, wonach ein Unglück dieser Art in Deutsch-
land nicht vorstellbar sei, und wenn ja, warum sollte vor dem Hintergrund
von Hordorf und Mainz (2. August 2013) ein Unfall dieser Art hierzulande
nicht passieren können?

22. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass die Schweizerischen
Bundesbahnen wegen der Entgleisungsgefahr bei geschobenen Wagen-
zügen in Gleisbögen mit geringen Kurvenradien die Schubkraft der Loko-
motiven begrenzt und dadurch Entgleisungen wie sie im Gleisvorfeld des
Stuttgarter Hauptbahnhofs im Jahr 2012 drei Mal stattfanden, verhindern
(siehe die Aussagen von Prof. Dr. Karl-Dieter Bodack im ARD-Magazin
plusminus vom 31. Juli 2013)?

23. Gibt es eine vergleichbare Vorgabe in Deutschland bzw. ist diese in Pla-
nung, und wenn nicht, wie begründet die Bundesregierung dies im Hin-
blick auf das Risiko von Zugentgleisungen?

24. Wie beurteilt die Bundesregierung die Berufung einer Person als neuen
Technikvorstand bei der Deutschen Bahn AG, die keinerlei Erfahrung in
Eisenbahntechnik aufweisen kann, und welche Beispiele großer Industrie-
oder Transportunternehmen sind der Bundesregierung bekannt, in denen in
vergleichbarer Weise eine hervorgehobene Führungsposition in dieser
Weise besetzt wurde?

25. Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund der (Fast-)Unfälle
der letzten Jahre das Risiko, dass aufgrund der Gewinnorientierung der DB
AG auch in sicherheitsrelevanten Bereichen gespart wird, und wie will sie
verhindern, dass dies geschieht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/14642

26. Gibt es Überlegungen der Bundesregierung, für die Deutsche Bahn AG
eine andere Unternehmensform als die Aktiengesellschaft zu wählen, um
damit die für einen optimalen Schienenverkehr entscheidenden Zielsetzun-
gen wie „mehr Verkehr auf die Schiene“ und „Verwirklichung eines Schie-
nenverkehrs in der Fläche, für eine möglichst große Zahl der Bürgerinnen
und Bürger und zur Zufriedenheit der Fahrgäste und der Bahnbeschäftig-
ten“ realisieren zu können, und wenn nicht, wie begründet sie, dass ange-
sichts der immer schlechteren Performance der DB AG die Aktiengesell-
schaft die richtige Unternehmensform ist?

Berlin, den 22. August 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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