BT-Drucksache 17/1456

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -17/719, 17/996, 17/1257- Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Vorläufigen Tabakgesetzes

Vom 21. April 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1456
17. Wahlperiode 21. 04. 2010

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Ulrike Höfken, Dr. Harald Terpe, Cornelia Behm, Bärbel Höhn,
Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, Markus Tressel,
Hans-Josef Fell, Bettina Herlitzius, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, Sylvia
Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Ingrid Nestle, Dr. Hermann Ott, Dorothea Steiner,
Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/719, 17/996, 17/1257 –

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Vorläufigen Tabakgesetzes

Der Bundestag möge beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Jedes Jahr sterben bundesweit 140 000 Menschen vorzeitig an den Folgen des
Rauchens (DIE WELT vom 26. Juni 2009). Die direkten und indirekten Kosten
des Rauchens für Volkswirtschaft und Gesundheitswesen in Deutschland betra-
gen laut Schätzung (2009) des Deutschen Krebsforschungsinstituts mindestens
33,55 Mrd. Euro pro Jahr.

Bereits 1997 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass als geeignete Maß-
nahme zur Eindämmung des bedenkenlosen Tabakkonsums ein Werbeverbot in
Betracht kommt. Laut den Leitlinien des Internationalen Rahmenübereinkom-
mens zur Tabakkontrolle (FCTC) sollte auch Tabakwerbung am Verkaufsort
verboten werden.

Aktuell ist Tabakwerbung in Deutschland auf Plakaten und Postern, am Ver-
kaufsort sowie im Kino nach 18 Uhr erlaubt. Neben Griechenland ist Deutsch-
land damit das einzige Land der EU, wo Plakatwerbung für Tabakprodukte noch
möglich ist. Bislang sind Werbeaktivitäten in diesen Bereichen nur durch frei-
willige Selbstverpflichtungen einzelner Tabakwarenhersteller reguliert.

Die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Änderungen des Tabakgesetzes
stellen eine 1:1-Anpassung an die EU-Richtlinie 2007/65/EG (Audiovisuelle-
Mediendienste-Richtlinie) dar. Die Richtlinie enthält das Verbot der Produkt-
platzierung und des Sponsoring von Tabakprodukten in „audiovisuellen
Mediendiensten auf Abruf“, d. h. Fernsehen, Internet-TV und Angebote von
„Video-auf-Abruf“.
Laut Einschätzung des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft (ZAW)
sind Werbeaktivitäten wie Werbefilme für Tabakprodukte in Verkaufsstellen
(Tankstellen, Kioske etc.) und Werbeaktivitäten im Rahmen des Versandhandels
über das Internet von der Umsetzung der Richtlinie nicht erfasst.

Drucksache 17/1456 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

1. mit der Umsetzung der EU-Richtlinie 2007/65/EG (Audiovisuelle-Medien-
dienste-Richtlinie) ein umfassendes Werbeverbot in den Bereichen audiovi-
suelle Werbung in Verkaufsstellen (POS) und Werbeaktivitäten im Internet-
versandhandel im Tabakgesetz zu verankern bzw. im Tabakgesetz durch
juristisch eindeutige Formulierungen und rechtliche Klarstellungen sicher-
zustellen, dass die laut ZAW nicht berührten Werbeaktivitäten vom Werbe-
verbot lückenlos erfasst werden;

2. über die Umsetzung der EU-Richtlinie 2007/65/EG hinaus die bestehenden
gesetzlichen Verbotslücken im Bereich der Außenwerbung zu schließen so-
wie Kinowerbung und Werbung in Verkaufsstellen weiter einzuschränken.

Berlin, den 20. April 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Dank der Präventionsmaßnahmen wie die Erhöhung der Tabaksteuer und Werbe-
verbote für Tabakprodukte hat der Anteil von tabakkonsumierenden Jugend-
lichen abgenommen. Gleichzeitig ist das Durchschnittsalter für die erste Ziga-
rette in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter gesunken und beträgt bei
Jungen 12,5 Jahre. 82 Prozent aller erwachsenen Tabakkonsumenten haben
schon als Teenager mit dem Rauchen begonnen. Daher kommt dem Jugend-
schutz im Bereich der Tabakprävention eine sehr große Bedeutung zu.

Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung wollen fast zwei Drittel
der rauchenden Kinder und Jugendlichen von 12 bis 25 Jahren mit dem Rauchen
aufhören und haben dies schon mindestens einmal vergeblich versucht. Tabak-
werbung erschwert den Jugendlichen zusätzlich, diesen Vorsatz zu realisieren.

Studien haben laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und dem
Deutschen Krebsforschungsinstitut ergeben, dass Zigarettenwerbung sowohl
den Einstieg in den Zigarettenkonsum als auch den Übergang von der Probier-
phase zum regelmäßigen Gewohnheitsrauchen befördert und daher das Rauch-
verhalten von Kindern und Jugendlichen besonders stark beeinflusst. Laut einer
neuen Studie (März 2010) der DAK (Deutsche Angestellten-Krankenkasse) und
des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung in Kiel haben unter den
jugendlichen Schülerinnen und Schülern mit hohem Kontakt zu Tabakwerbung
doppelt so viele schon einmal geraucht als in der Schülergruppe mit niedrigem
Werbekontakt.

Audiovisuelle Arten von Werbung für Tabak in Verkaufsstellen haben in den
letzten Jahren in erheblichem Ausmaß zugenommen. Ebenso haben Internet-
shops und Webseiten von Tabakunternehmen als Werbeplattformen im Zuge der
breiten Nutzung des Internets stark an Bedeutung gewonnen; dies trifft insbe-
sondere auf die Zielgruppe Jugendliche zu. Diese Werbeverbotslücken unterlau-
fen zunehmend die Wirkung bestehender Werbeverbote für Tabak bzw. das Ziel
entsprechender Selbstverpflichtungen der Tabakindustrie, insbesondere in Be-
zug auf den Schutz der Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Nichtraucherschutzorganisationen wie das Forum Rauchfrei e. V. und das Deut-
sche Krebsforschungszentrum haben zudem zahlreiche Verletzungen der frei-

willigen Selbstverpflichtung der Tabakindustrie in Bezug auf Tabakwerbung
und damit die Ineffektivität dieser Form der Regulierung dokumentiert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1456

Aus diesen Gründen sind im Sinne des Jugendschutzes und der weiteren Ver-
besserung der Tabakprävention die im Antrag geforderten gesetzlichen Ein-
schränkungen für Tabakwerbung unverzichtbar.

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