BT-Drucksache 17/1451

Drogen- und Suchtpolitik der Bundesregierung

Vom 21. April 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1451
17. Wahlperiode 21. 04. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Bärbel Bas, Iris Gleicke, Elke
Ferner, Dr. Edgar Franke, Ute Kumpf, Dr. Karl Lauterbach, Steffen-Claudio Lemme,
Caren Marks, Hilde Mattheis, Thomas Oppermann, Mechthild Rawert, Dr. Carola
Reimann, Ewald Schurer, Dr. Marlies Volkmer, Dr. Frank-Walter Steinmeier
und der Fraktion der SPD

Drogen- und Suchtpolitik der Bundesregierung

Sucht ist eine Krankheit, die nicht von heute auf morgen überwunden werden
kann. Sucht ist zudem weit verbreitet: 1,3 Millionen Menschen gelten in
Deutschland als alkoholabhängig. 9,5 Millionen Menschen in Deutschland kon-
sumieren Alkohol in gesundheitlich riskanter Form. Jedes Jahr sterben in
Deutschland über 70 000 Menschen an den Folgen ihres Alkoholmissbrauchs.
Zwar ist der regelmäßige Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen in der
Altersgruppe der 12- bis 17-Jährigen in den vergangenen Jahren zeitweise ge-
sunken, gleichzeitig nimmt aber die Häufigkeit von Trinkexzessen von Kindern
und Jugendlichen zu. Zwar konnte in den letzten Jahren bei Kindern und Ju-
gendlichen ein Trendwechsel zum Nichtrauchen erreicht werden, doch auch die
Nikotinabhängigkeit bleibt ein großes Problem. In Deutschland sind zudem
schätzungsweise 1,4 bis 1,9 Millionen Menschen medikamentenabhängig, da-
von 70 Prozent Frauen. Computer- und Onlinesucht sind neuere Phänomene,
die entschiedene Gegenmaßnahmen erfordern. Damit möglichst viele Betroffene
den Ausstieg aus der Sucht schaffen, müssen wir ihnen unter den bestmöglichen
Bedingungen Hilfen anbieten.

Die neue Bundesregierung kann auf die umfangreiche Vorarbeit der vorherigen
Bundesregierung sowie der bisherigen Drogenbeauftragten der Bundesregie-
rung Sabine Bätzing (SPD) aufbauen. Neben erfolgreichen Maßnahmen wie der
stufenweisen Anhebung der Tabaksteuern, dem Abgabeverbot an Minderjäh-
rige, der Einführung des Chipkartensystems für alle Zigarettenautomaten, den
gesetzlichen Beschränkungen der Tabakwerbung und des -sponsorings sowie
der Einführung der Rauchverbote in öffentlichen Einrichtungen, im öffentlichen
Personenverkehr und in der Gastronomie hatte die bisherige Drogenbeauftragte
auch Vorschläge für nationale Aktionsprogramme zur Tabak- und Alkohol-
prävention vorgelegt.

Die Kleine Anfrage dient dazu, über die künftige Drogen- und Suchtpolitik der
Bundesregierung zu informieren.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass an den bewährten vier Säu-
len der Sucht- und Drogenpolitik – Prävention – Beratung, Behandlung und
Rehabilitation – Überlebenshilfe und Schadensreduzierung – Regulierung
und Angebotsreduzierung – festgehalten werden muss (bitte mit Begrün-
dung)?

Drucksache 17/1451 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

a) Welche neuen Maßnahmen plant die Bundesregierung im Bereich der
Prävention, und wann sollen diese starten?

b) Welche neuen Maßnahmen plant die Bundesregierung im Bereich der
Beratung, Behandlung und Rehabilitation, und wann sollen diese star-
ten?

c) Welche neuen Maßnahmen plant die Bundesregierung im Bereich der
Überlebenshilfe und Schadensreduzierung, und wann sollen diese star-
ten?

d) Welche neuen Maßnahmen plant die Bundesregierung im Bereich der
Regulierung und Angebotsreduzierung, und wann sollen diese starten?

2. Inwiefern plant die Bundesregierung die Umsetzung der – vom Suchtrat
empfohlenen – Nationalen Aktionsprogramme zur Tabak- und Alkoholprä-
vention (bitte mit Begründung)?

a) Welche der in den Nationalen Aktionsprogrammen vorgeschlagenen
Maßnahmen sollen konkret durch gesetzgeberische Maßnahmen in
Form von Gesetzen oder Rechtsverordnungen umgesetzt werden, und
wie?

b) Welchen Zeitplan gibt es jeweils für die in den Nationalen Aktionspro-
grammen umzusetzenden Maßnahmen?

c) Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung zur Förderung der
Tabakentwöhnung?

d) Liegt die Koordination der nationalen Drogen- und Suchtpolitik der
Bundesregierung sowie die Zuständigkeit für die Ausarbeitung und
Abstimmung der Vorhaben für die Nationalen Aktionsprogramme zur
Tabak- und Alkoholprävention weiterhin bei der Drogenbeauftragten der
Bundesregierung (falls nicht, bitte mit Begründung)?

e) Wird das Gremium des Drogen- und Suchtrats von der Bundesregierung
weiterhin unterstützt und dessen Expertise in die Drogen- und Sucht-
politik der Bundesregierung einfließen?

3. Wird der Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung fortgeführt?

Wenn ja, in welcher Form bzw. welchem Turnus?

4. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Häufigkeit, Ausprägung
sowie die Entwicklung in den letzten Jahren von Sucht im Alter?

Welche neuen Forschungsvorhaben sind in diesem Bereich geplant, und
wann starten diese?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung die Situation von Suchterkrankten im
Alter, und welche Maßnahmen will sie ergreifen, um eine verbesserte Daten-
lage für die über 64-Jährigen zu erzielen?

6. Welche neuen Maßnahmen plant die Bundesregierung im Bereich der Sucht-
prävention für suchtgefährdete Migrantinnen und Migranten, und wann star-
ten diese?

7. Welche neuen Maßnahmen plant die Bundesregierung im Bereich der Sucht-
prävention für Kinder und Jugendliche, und wann starten diese?

8. Welchen Stellenwert und welche finanziellen Förderungen sollen Selbsthilfe-
organisationen und ihre Verbände im Bereich der Drogen- und Suchtpolitik
erhalten?

9. Welche finanziellen Mittel soll die gesundheitliche Prävention im Bereich

der Drogen- und Suchtpolitik erhalten, und wie beurteilt die Bundesregierung
diese finanzielle Ausstattung?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1451

10. Wie beurteilt die Bundesregierung die Wirksamkeit von Werbe- und Spon-
soringverboten für Tabak und Alkohol?

Basiert diese Einschätzung auf einer wissenschaftlichen Grundlage, und
wenn ja, welcher?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung Verkaufsverbote für Alkohol an Tank-
stellen, Kiosken und Supermärkten zwischen 22.00 Uhr und 5.00 Uhr?

Basiert diese Einschätzung auf einer wissenschaftlichen Grundlage, und
wenn ja, welcher?

12. Wie beurteilt die Bundesregierung die Wirksamkeit von bildlichen Warn-
hinweisen auf Verpackungen bei Tabak und Alkohol?

Basiert diese Einschätzung auf einer wissenschaftlichen Grundlage, und
wenn ja, welcher?

13. Wie beurteilt die Bundesregierung die Wirksamkeit von Steuererhöhungen
für Tabak und Alkohol?

Basiert diese Einschätzung auf einer wissenschaftlichen Grundlage, und
wenn ja, welcher?

14. Welche Studien plant die Bundesregierung in den Bereichen Wirksamkeit
von Werbe- und Sponsoringverboten von Drogen und Suchtmitteln, Wirk-
samkeit von Steuererhöhungen für Drogen und Suchtmittel sowie Wirksam-
keit bildlicher Warnhinweise?

15. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Erfahrungen anderer
Länder für die Bereiche Wirksamkeit von Werbe- und Sponsoringverboten
von Drogen und Suchtmitteln, Wirksamkeit von Steuererhöhungen für Dro-
gen und Suchtmittel sowie Wirksamkeit bildlicher Warnhinweise?

16. Wie stellen sich die Alkohol- sowie Tabakpreise sowie die Besteuerung von
Alkohol und Tabak in Deutschland im Vergleich mit dem europäischen Aus-
land dar?

17. Wirbt die Bundesregierung gegenüber den Ländern für ein Werbe- und
Sponsoringverbot für Alkohol in Hörfunk und Fernsehen vor 20 Uhr, und
welche Ziele verfolgt sie in diesem Themenfeld (bitte mit Begründung)?

18. Plant die Bundesregierung eine Änderung der Arbeitsstättenverordnung,
um den Nichtraucherschutz zu verbessern?

Wenn nein, welche geeigneten Maßnahmen will die Bundesregierung er-
greifen, um Nichtraucher besser zu schützen (bitte mit Begründung)?

19. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Auswirkungen von
Drogenkonsum auf die Arbeitsleistung, Qualität und Produktivität der
Arbeit, und welche Maßnahmen zur Verbesserung der Datenlage und der
Forschung plant sie?

20. Wie beabsichtigt die Bundesregierung, die Sucht- und Drogenprävention in
den Betrieben zu stärken und zu verbessern?

21. Welche Möglichkeiten sieht und unterstützt die Bundesregierung, Betriebe
darin zu unterstützen, sucht- und drogenkranke Beschäftigte zu stabilisieren
und möglichst zu entwöhnen?

22. Wie beurteilt die Bundesregierung die unterschiedlichen rechtlichen Rege-
lungen in der Ländern im Bereich des Nichtraucherschutzes und die tatsäch-
liche Einhaltung und Überwachung dieser Regelungen in den einzelnen
Ländern?
23. Wie findet im Bereich der Drogen- und Suchtpolitik die Zusammenarbeit
zwischen der Bundesregierung und den Ländern statt?

Drucksache 17/1451 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

24. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Ausmaß und Ausprä-
gung des illegalen Zigarettenhandels?

25. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung im Bereich des illegalen
Zigarettenhandels, und wann starten diese?

26. Unterstützt die Bundesregierung die Durchführung eines Monitorings für
Alkoholwerbung (bitte mit Begründung)?

27. Unterstützt die Bundesregierung die Senkung der Promillegrenzen für
Autofahrer (bitte mit Begründung)?

28. Wie beurteilt die Bundesregierung die Wirksamkeit von Testkäufen durch
Jugendliche zur Überprüfung der Jugendschutzbestimmungen vor Ort ?

Inwiefern und gegebenenfalls wann plant die Bundesregierung in diesem
Bereich rechtliche Änderungen, und inwieweit wird dabei rechtlichen Be-
denken gegen den Einsatz jugendlicher Testkäufer Rechnung getragen?

29. Plant die Bundesregierung härtere Strafen gegen Händler, die Alkohol an
Minderjährige verkaufen?

Falls ja, wann, und wie soll dies umgesetzt werden (falls nein, bitte mit Be-
gründung)?

30. Plant die Bundesregierung eine Ausweispflicht für junge Alkoholkäufer?

Falls ja, wann, und wie soll dies umgesetzt werden (falls nein, bitte mit Be-
gründung)?

31. Wie beurteilt die Bundesregierung die Suchtgefahr durch Medikamente und
die Folgen von Medikamentenabhängigkeit, und welche Maßnahmen will
sie dagegen wann ergreifen?

32. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Häufigkeit, Ausprägung so-
wie die Entwicklung in den letzten Jahren von Medikamentenabhängigkeit?

Welche neuen Forschungsvorhaben sind in diesem Bereich geplant, und
wann starten diese?

33. Welche neuen Maßnahmen plant die Bundesregierung im Bereich der Prä-
vention und Bekämpfung von Medikamentenabhängigkeit, und wann star-
ten diese?

Inwiefern werden diese Maßnahmen Gender Mainstreaming berücksichti-
gen und Akteure wie die Alten- und Pflegeheime, Krankenkassen, Ärzte,
Apotheken, Pharmaindustrie, Heilbäder und Kurorte sowie die Selbsthilfe
einbeziehen?

34. Welche Nachfolgeprojekte zum Aktionsplan des Bundesministeriums für
Gesundheit (BMG) 2008/2009 zur Verbesserung der Arzneimitteltherapie-
sicherheit (AMTS) plant die Bundesregierung, und wann starten diese?

35. Wie beurteilt die Bundesregierung die Suchtgefahr durch Online- und Com-
puterspiele, insbesondere für Kinder und Jugendliche?

36. Wird die Bundesregierung die Forschung für die Bereiche Online- und Com-
puterspielsucht ausbauen, und wann startet dies (bitte mit Begründung)?

37. Inwieweit sieht die Bundesregierung eine mögliche Gefahr der Online- und
Computerspielsucht für Kinder und Jugendliche, und welchen gesetzgebe-
rischen Handlungsbedarf leitet die Bundesregierung daraus ab (bitte mit
Begründung)?

38. Wie sieht der Zeitplan für den im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU
und FDP angekündigten Nationalen Aktionsplan im Bereich des Jugend-
schutzes aus?
Welche Maßnahmen zur Suchtprävention soll der Aktionsplan beinhalten?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/1451

39. In welchem Rahmen wird die Bundesregierung die Webpräsenz „Schau hin!
Was Deine Kinder machen.“ weiterhin unterstützen, bekannter machen und
gegebenenfalls weiterentwickeln?

40. In welchem Rahmen wird die Bundesregierung die Webpräsenz „Ein Netz
für Kinder“, das u. a. die Software für einen sicheren Surfraum für Kinder
anbietet, weiterhin unterstützen, bekannter machen und gegebenenfalls wei-
terentwickeln?

41. Welche neuen Maßnahmen plant die Bundesregierung im Bereich der
Glücksspielsucht, und wann starten diese?

42. Inwieweit geht nach Ansicht der Bundesregierung eine Gefahr von Glücks-
spielen im Internet für Erwachsene, aber insbesondere auch für Kinder und
Jugendliche, aus, und inwieweit wird hier gesetzgeberischer Handlungsbe-
darf gesehen?

43. Wie bewertet die Bundesregierung die Substitutionsbehandlung mit Metha-
don sowie die Substitutionsbehandlung mit Diamorphin für Schwerstabhän-
gige?

Plant die Bundesregierung in diesem Bereich gesetzliche Veränderungen?

44. Wie beurteilt die Bundesregierung Cannabis in der medizinischen Verwen-
dung zur Schmerzlinderung?

Basiert diese Einschätzung auf einer wissenschaftlichen Grundlage, und
wenn ja, welcher?

45. Plant die Bundesregierung, Cannabis in der medizinischen Verwendung zur
Schmerzlinderung zuzulassen (bitte mit Begründung)?

46. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung im Bereich der illegalen
Drogen, und wann werden diese umgesetzt?

Berlin, den 21. April 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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