BT-Drucksache 17/14495

Zulassung und Anwendung des Tierarzneimittels Kexxtone

Vom 1. August 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14495
17. Wahlperiode 01. 08. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Harald Ebner, Bärbel Höhn, Nicole
Maisch, Hans-Josef Fell, Bettina Herlitzius, Oliver Krischer, Stephan Kühn,
Dr. Hermann E. Ott, Dorothea Steiner, Daniela Wagner, Valerie Wilms und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zulassung und Anwendung des Tierarzneimittels Kexxtone

Im Januar 2013 wurde auf Antrag der Pharmafirma Eli Lilly nach Stellung-
nahme der Europäischen Arzneimittelagentur von der Europäischen Kommis-
sion das Tierarzneimittel Kexxtone neu zugelassen (ARD-Fernsehmagazin
Plusminus vom 12. Juni 2013, Süddeutsche Zeitung vom 25. Juni 2013).
Kexxtone ist ein Langzeitantibiotikum für Milchkühe, das bis zu 95 Tage konti-
nuierlich den antibiotischen Wirkstoff Monensin an das behandelte Tier abgibt
(K(2013)529 (endg.) vom 28. Januar 2013, Anhang I). Monensin wurde 2006
als Leistungsförderer im Rinderfutter EU-weit verboten (Verordnung (EG)
Nr. 1831/2003). Kexxtone soll die Stoffwechselerkrankung Ketose verhindern,
die vor allem bei Hochleistungskühen nach dem Kalben auftritt. Dazu wird
Kexxtone drei bis vier Wochen vor dem Abkalben verabreicht. Das Medikament
ist durch den Tierarzt verschreibungspflichtig. Allerdings wird Kexxtone pro-
phylaktisch verschrieben, die Tiere sind zum Zeitpunkt der Verschreibung und
Verabreichung von Kexxtone völlig gesund.

Im Zuge der Zulassung von Kexxtone wurde von Eli Lilly auch die Erhöhung
der maximal erlaubten Rückstandswerte von Monensin in tierischen Lebensmit-
teln beantragt. Diesem Antrag wurde ebenfalls im Januar 2013 stattgegeben und
die Rückstandshöchstmengen für Leber und Nieren von Rindern erhöht. Für die
Leber wurden die Werte um fast 70 Prozent angehoben, für Nieren um 400 Pro-
zent (Durchführungsverordnung (EU) Nr. 59/2013). Nach Aussage der Firma
Eli Lilly handelt es sich hierbei um ein völlig übliches Vorgehen.

Wir fragen die Bundesregierung:

Zulassung von Kexxtone

1. Wie ist der Ablauf bei der Zulassung neuer Veterinärarzneimittel auf EU-
Ebene, welche Stellen sind daran beteiligt, und welche Unterlagen werden
von wem vorgelegt bzw. beurteilt?

2. Welche Ausschüsse der Europäischen Arzneimittelagentur haben sich mit

dem Zulassungsantrag für Kexxtone beschäftigt?

3. Warum war der Ausschuss für Humanarzneimittel der EU-Arzneimittelagen-
tur mit der Zulassung von Kexxtone befasst?

Drucksache 17/14495 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Warum beurteilte der Ausschuss für Humanarzneimittel der EU-Arzneimit-
telagentur Monensin-Natrium als neuen Wirkstoff (K(2013)529 endg.), ob-
wohl der gleiche Wirkstoff bis 2006 als Leistungsförderer in der Rindermast
eingesetzt wurde und bis heute als Antikokzidia bei Geflügel verwendet
wird?

5. Wie unterscheidet sich die Formulierung von Kexxtone gegenüber den bis-
lang eingesetzten Antikokzidia bzw. gegenüber den bis 2006 eingesetzten
Leistungsförderern?

6. Hat sich die Formulierung des Wirkstoffes Monensin-Natrium verändert,
und wenn ja, wie?

Verschreibung und Verabreichung von Kexxtone

7. Wird Kexxtone pro Kilogramm Körpergewicht dosiert oder als Einheits-
dosis pro Tier, und wie hoch liegt die Dosierung?

8. Wie definiert die Bundesregierung Diagnose, insbesondere im Hinblick auf
ihre Antwort zu Frage 5 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache
17/14292?

9. Würde die Bundesregierung der Definition von Brockhaus zustimmen, nach
der das Wort „Diagnose“ die „Vorgenommene Zuordnung der gefundenen
Symptome zu einem Krankheitsbegriff“ beschreibt, und wenn nein, warum
nicht?

10. Wie kann nach Ansicht der Bundesregierung bei einem gesunden Tier „die
Zuordnung der gefundenen Symptome zu einem Krankheitsbegriff“ mög-
lich sein?

11. Welche Symptome muss der Tierarzt feststellen, um fachlich korrekt Kexx-
tone verschreiben zu können?

Auswirkungen von Kexxtone

12. Hat nach Kenntnis der Bundesregierung Monensin-Natrium Auswirkungen
auf andere bei Milchkühen auftretende Erkrankungen, wie z. B. Mastitis?

Wenn ja, auf welche Erkrankungen, und in welcher Weise?

13. Sieht die Bundesregierung gegebenenfalls die Gefahr, dass Betriebe, mit
Blick auf die Wirksamkeit von Kexxtone gegenüber weiteren Erkrankun-
gen, verstärktes Interesse an Kexxtone zeigen, und wenn ja, besteht hier aus
Sicht der Bundesregierung die Gefahr von Missbrauch?

14. Warum wurden 2006 antibiotische Wirkstoffe, wie z. B. Monensin, als Leis-
tungsförderer für Rinder auf EU-Ebene verboten?

15. Wie beurteilt die Bundesregierung vor diesem Hintergrund, dass mit Kexx-
tone wieder ein über 95 Tage antibiotisch wirksames Medikament die Zu-
lassung erhalten hat?

16. Um wie viel Liter wird sich nach Kenntnis der Bundesregierung die
Milchleistung nach der Gabe von Kexxtone im Jahr und pro Tier erhöhen,
und wie hoch wird der daraus resultierende Gewinn für den Betrieb pro Tier
und Jahr in etwa ausfallen?

17. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung (u. a. im Plusminus-Beitrag
vom 12. Juni 2013 „Doping für Milchkühe“ geäußert), dass eine Steigerung
der Milchleistung um bis zu 500 Liter und damit 100 bis 200 Euro Mehrein-
nahmen pro Tier und Jahr möglich ist, also bei 100 Kühen 10 000 bis 20 000

Euro pro Jahr?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14495

18. Wie viel kostet nach Kenntnis der Bundesregierung die Behandlung mit
Kexxtone in etwa pro Tier (Tierarztkosten, Medikament)?

19. Ergibt sich daraus nach Einschätzung der Bundesregierung die Gefahr des
Missbrauchs von Kexxtone, und wenn nein, warum nicht?

20. Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass der Druck auf Tierärzte zur
Verschreibung von Kexxtone vonseiten der Betriebe erheblich ausfallen
kann?

Wenn nein, warum nicht?

Dokumentation des Einsatzes von Kexxtone

21. Wie viel Prozent der Milchkühe in Deutschland erkranken nach Kenntnis
der Bundesregierung pro Jahr an Ketose?

22. Wird der Einsatz von Kexxtone im Rahmen der jährlichen Verbrauchs-
mengenerfassung des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation
und Information dokumentiert, und wenn ja, nach Wirkstoffen oder als
Medikament?

23. Sieht die Bundesregierung mit Blick auf die Neuzulassung von Kexxtone
die Notwendigkeit, Antibiotikagaben an Milchkühe ebenfalls entsprechend
den Vorgaben des Sechzehnten Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgeset-
zes zu erfassen, und wenn nein, warum nicht?

Auswirkungen auf Bodenorganismen

24. Welche und in welcher Menge sind Rückstände von Monensin-Natrium
nach Kenntnis der Bundesregierung im Kot der behandelten Milchkühe ent-
halten?

25. Hat Eli Lilly Daten zur Bewertung einer möglichen Belastung von Boden-
organismen durch Rückstände von Monensin-Natrium vorgelegt, und wie
waren gegebenenfalls deren Inhalt und Ergebnis?

26. Waren mögliche Auswirkungen auf Bodenorganismen Teil der Bewertung
durch die EU-Arzneimittelbehörde?

Wenn ja, was waren die Inhalte und Ergebnisse, und wenn nein, warum
nicht?

27. Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang das Gutach-
ten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vom
13. September 2006 zum Medikament Elancoban der Lilly-Tochterfirma
Elanco mit dem Wirkstoff Monensin-Natrium zum Einsatz bei Rindern, in
dem die EFSA mögliche Auswirkungen auf Bodenorganismen befürchtet?

Änderung der Rückstandshöchstmengen in tierischen Lebensmitteln

28. Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung korrekt, dass auf Antrag von Eli
Lilly, dem Hersteller von Kexxtone, die Rückstandshöchstmengen für
Monensin in Lebensmitteln tierischen Ursprungs im Januar 2013 von der
Europäischen Kommission angepasst, d. h. erhöht wurden?

29. Ist es üblich, dass Rückstandshöchstmengen in tierischen Lebensmitteln auf
Antrag einzelner Unternehmen geändert werden, und wenn ja, wie beurteilt
die Bundesregierung diese Praxis?

30. Welche neuen Erkenntnisse wurden gewonnen, die eine Anhebung des
Grenzwertes rechtfertigen?

Drucksache 17/14495 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
31. Wie ist der genaue Ablauf bei der Änderung von Rückstandshöchstmengen,
und welche Stellen sind hier in welcher Form beteiligt?

32. Welche Unterlagen wurden hierzu von wem ausgewertet, und wer legte
diese Unterlagen vor?

33. Sind die als Grundlage für die Änderung vorgelegten Unterlagen öffentlich
einsehbar?

Wenn ja, wo, und wenn nein, warum nicht?

34. Gab oder gibt es Hinweise, dass sich Rückstände von Monensin-Natrium in
Niere und Leber von Rindern verstärkt anreichern?

War dies ein Grund für die Änderung der Rückstandshöchstmengen?

35. Gehen nach Kenntnis der Bundesregierung Leber und Nieren von Milch-
vieh, das aus der Produktion genommen wird, in die Lebensmittelverwer-
tung?

Wenn nein, was passiert mit diesen Organen?

Wenn ja, welche Bedenken gibt es, Organe mit Rückständen von antibio-
tischen Wirkstoffen, insbesondere Monensin, in Lebensmitteln zuzulassen?

36. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung weitere Unternehmen, die Mo-
nensin-Natrium für Tierarzneimittel einsetzen, und wenn ja, welche?

Sind nach Kenntnis der Bundesregierung weitere Zulassungen für Medika-
mente mit Monensin-Natrium beantragt, und wenn ja, wie viele und für wel-
che Medikamente?

37. Wie beurteilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund des gesellschaft-
lichen Konsens, dass der Antibiotikaeinsatz im Sinne der Minimierung von
Resistenzentwicklungen deutlich reduziert werden muss, die Zulassung ei-
nes bis zu 95 Tage wirksamen antibiotischen Wirkstoffes?

Berlin, den 1. August 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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