BT-Drucksache 17/14386

Besonderheiten des Notkühlsystems im Atomkraftwerk Gundremmingen B und C (Nachfragen zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/14340)

Vom 16. Juli 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14386
17. Wahlperiode 16. 07. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Harald Ebner, Hans-Josef Fell,
Bettina Herlitzius, Bärbel Höhn, Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg),
Friedrich Ostendorff, Dr. Hermann E. Ott, Dorothea Steiner, Markus Tressel,
Daniela Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Besonderheiten des Notkühlsystems im Atomkraftwerk Gundremmingen B und C
(Nachfragen zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf
Bundestagsdrucksache 17/14340)

In der Vorbemerkung der Fragesteller in der Kleinen Anfrage der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 17/14048 wurde dar-
gelegt, dass die Notkühlstränge im Atomkraftwerk (AKW) Gundremmingen B
und C gegenüber allen anderen sieben deutschen AKW, die noch im Leistungs-
betrieb sind, eine Abweichung aufweisen. Das Notkühlsystem von Gundrem-
mingen wirft aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller ernsthafte Sicher-
heitsfragen auf.

Ergänzend zu der Vorbemerkung auf Bundestagsdrucksache 17/14048 weisen
die Fragestellerinnen und Fragesteller darauf hin, dass aus ihrer Sicht die bishe-
rige Regelung, wonach Gundremmingen bis zu zehn Stunden nur mit dem nicht
gegen das Bemessungserdbeben ausgelegten Notkühlstrang laufen darf, wenn
die beiden „erdbebensicheren“ Stränge nicht verfügbar sind, bevor es abgefah-
ren werden muss, nur beispielhaft genannt wurde (vgl. Plenarprotokoll 17/227,
Anlage 10). Durchaus bedenklich scheint auch, dass die Anlage bis zu sieben
Tagen laufen darf, wenn einer der beiden erdbebensicheren Stränge nicht ver-
fügbar ist. Denn gemäß dem in der deutschen Atomsicherheit üblichen so ge-
nannten Einzelfehlerkriterium ist zu unterstellen, dass der andere erdbeben-
sichere Strang jederzeit ausfallen könnte. In diesem Fall verbliebe nur der erste
Notkühlstrang, dessen Verfügbarkeit bei einem Bemessungserdbeben aber in-
frage gestellt ist. Es scheint fragwürdig, ob die o. g. Sieben-Tage-Regelung mit
den Maßstäben der deutschen Reaktorsicherheit vereinbar ist.

Im Übrigen stellt sich die Frage, warum die bayerische Atomaufsichtsbehörde,
das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit (StMUG), diese
Regelungen des Gundremmingen-Betriebshandbuchs (BHB) so lange zugelas-
sen hat. Die in der Antwort auf die Kleine Anfrage zu den Fragen 9 bis 11 auf
Bundestagsdrucksache 17/14340 genannte Prüfung ist anscheinend erst auf-

grund der diesjährigen parlamentarischen Fragen hin zustande gekommen. Die
Notwendigkeit einer erneuten Prüfung der Regelung deutet darauf hin, dass vom
StMUG anscheinend nicht klar dargelegt werden konnte, dass bei der bisherigen
BHB-Regelung zu zulässigen Nichtverfügbarkeiten der Notkühlsysteme vom
Zusätzlichen Nachwärmeabfuhr- und Einspeisesystem (ZUNA) mit nachweis-
lich ausreichender Sicherheit Kredit genommen werden kann.

Drucksache 17/14386 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wenig rühmlich ist, dass die Fragesteller sich mittlerweile zum dritten Mal
nach den konkreten Nichtverfügbarkeiten der Notkühlstränge und des ZUNA
in den letzten Jahren erkundigen müssen, weil diese immer noch nicht angege-
ben wurden. Und dies, obwohl es beim Betreiber seit über zwanzig Jahren eine
elektronische Erfassung dieser Nichtverfügbarkeiten gibt. Eine tabellarische
Auflistung wäre damit unkompliziert machbar, quasi mit wenigen Mausklicks
(vgl. Bundestagsdrucksache 17/14340, Antworten zu den Fragen 12 und 13). In
der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/14048
schrieben die Fragesteller, dass es ihnen bei der Frage „insbesondere“ um ein
bestimmtes Nichtverfügbarkeitsszenario geht, nämlich das aus ihrer Sicht gra-
vierendste. Das Wort „insbesondere“ bedeutet jedoch zweifellos nicht „aus-
schließlich“. Die in der Antwort der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksa-
che 17/14340 deutlich gewordene Interpretation der bayerischen Atomaufsicht
können sich die Fragesteller nur so erklären, dass sie ein aktives Desinteresse
an der Offenlegung der Nichtverfügbarkeiten hat. Ein derartiges Auskunfts-
verhalten zeugt nicht gerade von Respekt gegenüber dem Parlament, seiner
Kontrollfunktion und dem öffentlichen Interesse. Vorsorglich sei darauf hin-
gewiesen, dass die Fragesteller sich nicht damit abfinden werden, wenn die
konkreten Nichtverfügbarkeiten der letzten Jahre hier erneut nicht aufgeführt
werden sollten.

Ansonsten erscheinen in der Antwort auf die Kleine Anfrage auf Bundestags-
drucksache 17/14340 insbesondere folgende Aspekte vertiefenswert: Erstens
hängt die fehlende Auslegung des jeweils ersten Notkühlstrangs von Gundrem-
mingen B und C gegen das Bemessungserdbeben mit der ursprünglich vom
AKW-Hersteller KWU nicht geplanten Realisierung des Zwischenkühlsystems
(so genanntes TF-System) zusammen (Antwort zu Frage 2). Die Kausalität ist
gleichwohl noch nicht bekannt. Dem soll hier weiter nachgegangen werden.
Zweitens erfolgte im Jahr 1991 eine Änderung am ersten Notkühlstrang, die
nicht genehmigt wurde, sondern nur im atomrechtlichen Aufsichtsverfahren
vorgenommen wurde (Antworten zu den Fragen 3 und 5). Hier stellt sich die
Frage, ob dieses Vorgehen für eine derartige Änderung rechtlich zulässig war.
Drittens besteht weiterer Fragebedarf bezüglich der Einrichtungen der Sicher-
heitsebene 3, die in blockgemeinsamen Gebäuden untergebracht sind.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Weshalb hat der Einbau des Zwischenkühlsystems TF, der auf Bundes-
tagsdrucksache 17/14340 in der Antwort zu Frage 2 genannt wird, dazu
geführt, dass der erste Notkühlstrang nicht gegen das Bemessungserdbe-
ben ausgelegt ist (bitte ausführliche Erläuterung und Angabe der Gründe
vor dem Hintergrund, dass die Erdbebenauslegung der Stränge 2 und 3
vom TF-System-Einbau unberührt blieb)?

2. Welche Beratungen, Stellungnahmen etc.

a) der Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) und

b) der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) mbH

gab es im Zusammenhang mit dem 1991 erfolgten Einbau eines Zwischen-
kühlkreises im ersten Notkühlstrang (bitte mit wesentlichen Daten wie Da-
tum, Titel oder Sitzungsnummer etc.; vgl. Bundestagsdrucksache 17/14340,
Antworten zu den Fragen 3 und 5)?

3. Liegen dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit (BMU) und/oder der RSK im Zusammenhang mit diesem Zwi-
schenkühlkreiseinbau von 1991 jeweils
a) der Betreiberantrag mit den Antragsunterlagen,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14386

b) der Zustimmungsbescheid der zuständigen Landesbehörde (damals
Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfra-
gen) mit den dazugehörigen Sachverständigenstellungnahmen vor?

Liegen sie der GRS vor?

4. Gab es damals im Zusammenhang mit diesem Zwischenkühlkreiseinbau
Schriftverkehr zwischen dem BMU und der Landesbehörde?

Falls ja, welchen (bitte möglichst vollständige Angabe), und hat der Bund
damals eine Stellungnahme zu der Maßnahme abgegeben?

Nichtverfügbarkeiten der Notkühlstränge und betreffende Regelung im BHB
von Gundremmingen

5. Wann genau (Datum bitte) haben sich BMU und StMUG darauf verstän-
digt, dass das StMUG die BHB-Regelungen zulässiger Nichtverfügbarkei-
ten der Notkühlstränge erneut prüfen wird (vgl. betreffende Aussage in der
Antwort zu den Fragen 9 bis 11 auf Bundestagsdrucksache 17/14340)?

6. Wann genau (Datum bitte) wurde das BMU gegenüber dem StMUG in die-
sem Jahr diesbezüglich aktiv?

7. Bis wann soll die StMUG-Prüfung voraussichtlich abgeschlossen sein?

Wird sie mit dem BMU abgestimmt werden, und falls ja, welcher Zeitplan
wurde dafür vereinbart?

8. Wann genau war – basierend auf der elektronischen Erfassung des Betrei-
bers oder anderweitigen schriftlichen Informationen (wie es dem StMUG
beliebt) – in den letzten zehn Jahren in Block B und C jeweils

a) der erste Notkühlstrang,

b) der zweite Notkühlstrang,

c) der dritte Notkühlstrang und

d) das ZUNA

nicht verfügbar (bitte alle Nichtverfügbarkeiten außer den bereits bekann-
ten Meldepflichtigen angeben; und bitte mit exaktem Beginn und Ende
aller Nichtverfügbarkeiten, also Datum und Uhrzeit sowie der Angabe des
Grundes, also geplant/ungeplant)?

Blockgemeinsame Einrichtungen

9. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellerinnen und Frage-
steller, dass es einen Widerspruch geben könnte zwischen der Aussage,
dass die „Systeme der Sicherheitsebene 3 […] jeweils separat und räumlich
getrennt“ aufgebaut seien und der Tatsache, dass für beide Blöcke das Zwi-
schenkühlsystem des jeweiligen Notkühlstrangs 1 in demselben Gebäude
und für beide Blöcke jeweils eine Nebenkühlwasserpumpe in demselben
Gebäude untergebracht ist (vgl. Antwort zu Frage 8 auf Bundestagsdruck-
sache 17/14340; bitte mit ausführlicher Begründung)?

10. Gibt es noch weitere Einrichtungen der Sicherheitsebene 3, die sich ganz
oder teilweise in blockgemeinsamen Gebäuden befinden, und falls ja, wel-
che?

Sonstiges

11. Erhält die bayerische Atomaufsichtsbehörde nach Kenntnis der Bundes-
regierung nicht nur vom Gundremmingen-Betreiber Technische Monats-

berichte und Technische Jahresberichte, sondern auch von den Betreibern

Drucksache 17/14386 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
der AKW Grafenrheinfeld, Isar 1 und Isar 2 (bitte differenzierte Angaben
nach Reaktor, Monats- und Jahresbericht)?

12. Welche dieser technischen Monats- und/oder Jahresberichte der anderen
bayerischen Anlagen außer Gundremmingen liegen auch der Bundesregie-
rung vor, insbesondere aus den letzten Jahren?

Berlin, den 16. Juli 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.