BT-Drucksache 17/14366

Datenkabel in Trinkwasserleitungen

Vom 11. Juli 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14366
17. Wahlperiode 11. 07. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Ralph Lenkert, Dorothee Menzner,
Sabine Stüber und der Fraktion DIE LINKE.

Datenkabel in Trinkwasserleitungen

Die Juni-Ausgabe des Newsletters des Berufsverbandes der Hygieneinspektoren
Baden-Württemberg e. V. berichtet von geplanten Datenhighways in Trinkwas-
serrohren. Nach einem Vorschlag für eine EU-Verordnung über Maßnahmen zur
Reduzierung der Kosten des Ausbaus von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die
elektronische Kommunikation vom 26. März 2013 sollen Telekommunikations-
kabel auch durch das Trinkwassernetz bis zu den Endverbrauchern geschoben
werden.

Nach Einschätzungen des Bundesverbandes der Deutschen Energie- und Was-
serwirtschaft e. V. (BDEW) könnten laut dem Newsletter dann Lichtwellenleiter
geschützt in einem „Mikrorohr“ in die Trinkwasserleitungen eingebaut werden.
Aus den Kabelsträngen und Mikrorohren könnten sich jedoch nicht nur uner-
wünschte Substanzen lösen – die Mikrorohre würden auch die innere Oberfläche
in den Wasserleitungen vergrößern, so dass sich zusätzliche Lebensräume für
Biofilme entwickeln könnten. Damit der Einbau von Lichtwellenleitern und Mi-
krorohren nicht auf „unnötige Hindernisse“ stoße, könnte auch veranlasst wer-
den, Schieber auszubauen. Das Abschiebern von Teilnetzen sei aber bei Rohr-
netzspülungen und bei Störfällen unumgänglich.

Laut dem Newsletter würden sich über die möglichen Auswirkungen einer sol-
chen Strategie neben dem BDEW auch andere Verbände der Wasserwirtschaft
alarmiert zeigen, etwa der Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) und
die Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft e. V. (AöW). Sie befürchteten vor
allem hygienische Risiken. So würden die Minimierungsgebote der Trinkwas-
serverordnung im Hinblick auf mikrobiologische und chemische Belastungen in
Frage gestellt werden.

Auch in der Trinkwasserkommission werde es laut dem Nachrichtenblatt als
widersprüchlich eingestuft, dass einerseits eine Minimierung des Risikos was-
serübertragbarer Erkrankungen (und daher auch immer ausgedehntere Analy-
sen) gefordert werde, dass man andererseits aber zusätzliche und nicht bere-
chenbare Risiken durch den Einbau von Datenkabeln in Trinkwasserleitungen
zulassen wolle.
Weitere Risiken sahen die oben genannten Verbände laut BDEW-Newsletter in
dem Fall, wenn die Wasserversorger ihre Planunterlagen über die Versorgungs-
netze gegenüber jedem Internetanbieter offenlegen müssten.

Darüber hinaus hätten es die Verbände als völlig unklar bezeichnet, welche
Befugnisse den Gesundheitsämtern zukommen, wenn es gilt, den Einbau von
Telekommunikationsleitungen in den Wasserversorgungsnetzen zu reglemen-
tieren. Denn möglicherweise habe künftig die Bundesnetzagentur als vorge-

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sehene „Schlichtungsstelle“ mehr zu sagen, als die Gesundheitsämter. In die-
sem Zusammenhang ist zu beachten, dass in der Novelle des deutschen Tele-
kommunikationsgesetzes (TKG) 2012 in § 77a Absatz 3 festgelegt worden ist,
dass Infrastrukturinhaber von Trinkwasser- Abwasser- und Gasleitungen, die
über Einrichtungen verfügen, die zu Telekommunikationszwecken genutzt wer-
den können, von der Bundesnetzagentur zur Datenlieferung verpflichtet werden
können. Wenn dabei eine technisch machbare Eignung für das Einschieben von
Datenkabeln festgestellt werde, könnte dies – so eine Befürchtung des BDEW –
„eine Rechtspflicht für Wasserversorger auslösen, eine solche Verlegung zu
dulden“.

Der BDEW habe zudem darauf aufmerksam gemacht, dass auch das Umwelt-
bundesamt in einem Schreiben vom 30. Januar 2013 beim derzeitigen Kennt-
nisstand den Einbau von Datenkabeln in Trinkwasserversorgungsnetzen abge-
lehnt habe, so der Newsletter.

Der Bundesrat lehnt in einer Stellungnahme (Bundesratsdrucksache 240/13
(Beschluss)) vom 3. Mai 2013 die Regelungen des Artikels 3 des Verordnungs-
vorschlags (Zugang zu bestehenden physischen Infrastrukturen) insoweit ab,
als die kommunalen Netzbetreiber letztlich dazu gezwungen werden können,
auch gegen ihren Willen den Zugang zu ihren „physischen Infrastrukturen“ zu
gewähren. Dies stelle einen „unangemessenen und unverhältnismäßigen Ein-
griff in die Eigentums- und Nutzungsrechte der kommunalen Versorgungsbe-
triebe dar“.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die hygienisch begründeten Sorgen und Bedenken
sowie die weiteren Bedenken von Bundesrat, BDEW, VKU, AöW und der
Trinkwasserkommission gegenüber dem Vorschlag für eine EU-Verordnung
über Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten des Ausbaus von Hochge-
schwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation vom 26. März
2013 bezüglich der Installierung von Breitbandkabeln im Trinkwassernetz?

2. Falls ja, welche Schritte unternimmt die Bundesregierung bei der Europä-
ischen Kommission, um die Trinkwasserversorgung aus dem Geltungsbe-
reich der geplanten Verordnung herauszunehmen?

3. Falls nein, wie begründet die Bundesregierung ihre gegenteilige Auffas-
sung?

4. Wurde das Telekommunikationsgesetz inzwischen geändert, um die hygie-
nisch begründeten Sorgen und Bedenken der Trinkwasserversorger und ihrer
Verbände auszuräumen, und wenn ja, wann, und in welchen Punkten?

Berlin, den 11. Juli 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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