BT-Drucksache 17/14268

Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Sachverständigenkommission für den ersten Gleichstellungsbericht

Vom 26. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14268
17. Wahlperiode 26. 06. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Christel Humme, Petra Crone, Gabriele Hiller-Ohm, Caren
Marks, Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Franz Müntefering, Aydan Özog˘uz, Thomas
Oppermann, Sönke Rix, Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Stefan Schwartze,
Dagmar Ziegler, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Sachverständigenkommission
für den ersten Gleichstellungsbericht

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beauftragte
2008 eine interdisziplinär zusammengesetzte Kommission, Gleichstellung in
Deutschland zu analysieren, Zukunftsfelder für eine innovative Gleichstel-
lungspolitik zu identifizieren und Handlungsempfehlungen zur Gleichstellung
von Frauen und Männern zu formulieren.

Das Gutachten, welches als erster Gleichstellungsbericht der Bundesregierung
(Bundestagsdrucksache 17/6240) vorliegt, wurde am 25. Januar 2010 an die
Bundesregierung übergeben und enthält erstmalig eine umfassende Bestands-
aufnahme der Gleichstellung in Deutschland. Es werden zahlreiche Empfehlun-
gen formuliert, wie eine konsistente Gleichstellungpolitik über den Lebensver-
lauf von Frauen und Männern in Deutschland erreicht werden kann.

Als zentrales Ergebnis wurde von den Gutachterinnen und Gutachtern festge-
stellt, dass wir in Deutschland von einer tatsächlichen Gleichstellung von
Frauen und Männern noch weit entfernt sind. Es wird zu recht kritisiert, „dass
es der Gleichstellungspolitik in Deutschland unter dem Fokus Lebensverlaufs-
perspektive trotz erheblicher Fortschritte in den letzten Jahren an einem ge-
meinsamen Leitbild mangelt und Interventionen in unterschiedlichen Lebens-
phasen unverbunden nebeneinander stehen. Der Mangel an Konsistenz führt
dazu, dass gleichzeitig Anreize für ganz unterschiedliche Lebensmodelle ge-
setzt werden oder dass oft die Unterstützung in der einen Lebensphase in der
nächsten abbricht oder in eine andere Richtung weist.“

So bemängelt die Sachverständigenkommission, dass Frauen besser ausgebil-
det seien, als je zuvor, gleichzeitig aber Anreize gesetzt werden, ihre Potenziale
im Erwerbsleben nicht ausreichend zu nutzen. „Als wenig zukunftsweisend
sieht die Kommission dabei insbesondere die starke Förderung von Minijobs,
die in Deutschland besonders ausgeprägte Ertragsschwäche vieler typischer
Frauenarbeitsplätze und die geringe Zahl von Frauen in Führungspositionen.“
Ebenso im Widerspruch stehen nach Einschätzung der Kommission der Ausbau
der Ganztags- und Betreuungsplätze sowie das Elterngeld auf der einen Seite
und das Ehegattensplitting, die abgeleiteten Sozialversicherungen sowie die
Minijobs auf der anderen.

Drucksache 17/14268 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der Bericht macht des Weiteren deutlich, dass in Deutschland überholte Rol-
lenbilder bestehen, an denen sich Politik und Gesellschaft orientieren, diese
aber bei weitem nicht mehr der heutigen Lebenssituation von Frauen und Män-
nern entsprechen.

Gleichstellungspolitik hat die Aufgabe, zeitgemäße Antworten zu finden, um
Frauen und Männern zu ermöglichen, individuelle und variierende Lebensent-
würfe und -verläufe zu verwirklichen und strukturelle Benachteiligungen auf-
grund des Geschlechts abzubauen.

Nach nunmehr drei Jahren nach Vorlage des Gleichstellungsberichts hat die
Bundesregierung keine der dringenden Handlungsempfehlungen der Sachver-
ständigenkommission aufgegriffen und umgesetzt. Im Gegenteil sogar: Sie hat
das Betreuungsgeld beschlossen und die Minijobs gesetzlich ausgeweitet.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Gründe sprechen aus Sicht der Bundesregierung dafür, eine zeitge-
mäße Gleichstellungspolitik und eine präventiv ausgerichtete Sozialpolitik
auf die Unterstützung bei kritischen Übergangsphasen im Lebensverlauf zu
konzentrieren?

Lebensverlaufsperspektive

2. Mit welchen Maßnahmen hat die Bundesregierung auf die Kritik der Sach-
verständigen des Gleichstellungsberichts sowie der Sachverständigen in der
Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des
Deutschen Bundestages vom 15. Oktober 2012 reagiert, dass in der Gleich-
stellungspolitik in Deutschland unter dem Fokus der Lebensverlaufspers-
pektive kein konsistenter Politikansatz vorhanden ist?

3. Sieht die Bundesregierung politischen Handlungsbedarf bezüglich unter-
schiedlicher Biografiemuster bei Frauen und Männern aus den alten und
neuen Bundesländern, und wenn ja, welchen?

Recht

4. Hat die Bundesregierung die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform
des Sozial- und Einkommensteuerrechts geprüft, wie im Gleichstellungsbe-
richt empfohlen, und

a) wenn ja, welche Umsetzungsmöglichkeiten sieht sie, und

b) wenn nein, warum nicht (bitte detailliert begründen)?

5. Welche Ergebnisse liegen der Bundesregierung bezüglich der sogenannten
Gesetzesfolgenabschätzung (GFA) gleichstellungsrelevanter Auswirkungen
in der Steuergesetzgebung vor?

6. Hat die Bundesregierung die Notwendigkeit gesetzgeberischer Maßnahmen
hinsichtlich einer Reform des Ehegattensplittings hin zu einer Individualbe-
steuerung geprüft, wie im Gleichstellungsbericht empfohlen, und wenn ja,
welche Ergebnisse liegen vor?

Wenn nein, warum nicht?

7. Hat die Bundesregierung die Notwendigkeit gesetzgeberischer Maßnahmen
hinsichtlich einer Reform der Regelungen über Bedarfsgemeinschaften im
Recht der Grundsicherung geprüft, wie im Gleichstellungsbericht empfoh-
len, und wenn ja, welche Ergebnisse liegen vor?

Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14268

8. Hat die Bundesregierung die Notwendigkeit, die steuerliche Abzugsfähig-
keit der Kinderbetreuungskosten auszuweiten, geprüft (z. B. bis zur Höhe
der für einen Ganztagsplatz üblichen Kosten), und wenn ja, welche Ergeb-
nisse liegen vor?

Wenn nein, warum nicht?

Erwerbsleben

9. Hat die Bundesregierung – wie von der Sachverständigenkommission
empfohlen – die Abschaffung der Abgabenprivilegierung der geringfügi-
gen Beschäftigung geprüft, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Wenn nein, warum nicht?

10. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um Phasen der Er-
werbsarbeit und Zeiten der Verantwortungsübernahme für Sorgearbeit bes-
ser bewältigen zu können?

11. Welche dieser Maßnahmen können dabei verhindern, dass sich diese Zeiten
nicht nachteilig auf diejenigen auswirken, die diese Aufgaben überneh-
men?

12. Welche dieser Maßnahmen tragen dazu bei, dass die Übernahme entspre-
chender Verantwortung für Sorgetätigkeiten durch mehr Männer als bisher
erfolgt?

13. Sieht die Bundesregierung das Erfordernis, die Steuerklassenkombination
III/V abzuschaffen, und

a) wenn ja, welche Schritte hat sie hierzu unternommen, und

b) wenn nein, warum nicht (bitte begründen)?

14. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass das vorhandene Bewer-
tungsverfahren zur Prüfung der Lohngleichheit Logib-D der Weiterent-
wicklung bedarf (bitte begründen)?

15. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass angesichts der geringen Ta-
rifbindung in vielen typischen Frauenbranchen zur Herstellung von Ent-
geltgleichheit zwischen Männern und Frauen die Einführung eines gesetz-
lichen Mindestlohns nicht nur hilfreich, sondern erforderlich ist, und wenn
nein, warum nicht?

16. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache der fehlenden Transparenz
über Gehälter in Deutschland, und mit welchen Maßnahmen ließe sich
nach Auffassung der Bundesregierung hier Abhilfe schaffen, um so auch
Entgeltungleichheit zwischen Männern und Frauen zu bekämpfen (bitte
darlegen)?

17. Hat die Bundesregierung auf die Feststellung des Gleichstellungsberichts
reagiert, dass Frauen alleine aufgrund der Tatsache, dass sie Frauen sind,
schlechtere Einkommen erzielen, und wenn ja, wie?

18. Hält die Bundesregierung aufgrund dieser Tatsache weiterhin an ihrer Auf-
fassung fest, dass mit Freiwilligkeit auch Entgeltgleichheit erreicht werden
kann, und wann sieht sie dieses Ziel als erreichbar an (bitte begründen)?

19. Hat die Bundesregierung entsprechend der Empfehlung des Sachverstän-
digengutachtens die Möglichkeit geprüft, welche Verbesserungen der Ent-
geltgleichheit zwischen Männern und Frauen im Rahmen von Tarifver-
trägen möglich sind, und wenn ja, welche Schlussfolgerungen zieht sie dar-
aus?
Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 17/14268 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

20. Wie steht die Bundesregierung zu der Empfehlung des Sachverständigen-
gutachtens, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz um einen normierten
und rechtlichen Anspruch auf gleiches Entgelt für gleichwertige Tätigkei-
ten in Deutschland zu ergänzen, und wenn sie dies für sinnvoll erachtet,
warum ist dies nicht umgesetzt?

Wenn sie dies nicht für sinnvoll erachtet, warum nicht?

21. Mit welchen konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung auf die Tat-
sache reagiert, dass vor allem Frauen von Niedriglöhnen mit zum Teil unter
5 Euro pro Stunde, betroffen sind?

22. Sieht die Bundesregierung in der Abschaffung der Minijobs eine sinnvolle
Möglichkeit, die Ausweitung des Niedriglohnsektors zu stoppen und ins-
besondere Frauen eine existenzsichernde Arbeit bzw. Entlohnung zukom-
men zu lassen (bitte begründen)?

23. Wie erklärt die Bundesregierung, dass sie in Kenntnis der Ergebnisse einer
von ihr in Auftrag gegebenen Studie, die belegt, dass Minijobs vor allem
für Frauen einen hohen Klebeeffekt haben, die Minijobs gesetzlich auswei-
tet?

24. Wie erklärt sich die Bundesregierung die Tatsache, dass Teilzeitbeschäf-
tigte einen niedrigeren Stundenlohn haben als Vollzeitbeschäftigte, obwohl
das laut Teilzeit- und Befristungsgesetz nicht zulässig ist, und welche Maß-
nahmen hält sie für erforderlich, um darauf zu reagieren?

25. Hat die Bundesregierung die öffentliche Auftragsvergabe als ein Instru-
ment der Gleichstellungspolitik geprüft, und wenn ja, mit welchem Ergeb-
nis?

Wenn nein, warum nicht?

26. Hat die Bundesregierung – wie vom Sachverständigengutachten empfohlen
– die Überprüfung der Einstandspflichten innerhalb der Bedarfsgemein-
schaft überprüft, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Wenn nein, warum nicht?

27. Stimmt die Bundesregierung mit dem im Sachverständigengutachten er-
wähnten Abschlussbericht zur Bewertung der Umsetzung des Zweiten Bu-
ches Sozialgesetzbuch, der auf starke Defizite in der Umsetzung aus
gleichstellungspolitischer Perspektive hinweist, überein, und wenn ja, mit
welchen Maßnahmen hat sie darauf reagiert?

Wenn nein, warum nicht?

28. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Vorschlag
der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister,
-senatorinnen und -senatoren, die Zielförderquote (Frauenförderquote) im
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zentral durch die Bundesagentur für Ar-
beit überwachen zu lassen, und sieht sie darin eine Möglichkeit der besse-
ren Einhaltung der Quote, die bisher regelmäßig unterschritten wurde?

29. Hat die Bundesregierung Konsequenzen aus der Erkenntnis des Sachver-
ständigengutachtens gezogen, dass die Themen Gleichstellung und Fami-
lienfreundlichkeit in Tarifverträgen eine zu geringe Rolle spielen, und
wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

30. Sieht die Bundesregierung in Teilzeitmodellen für Führungskräfte ein ziel-
führendes Instrument zur Steigerung der Flexibilität und Familienfreund-

lichkeit im Unternehmen (bitte begründen)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/14268

31. Mit welchen Maßnahmen hat die Bundesregierung darauf reagiert, dem
wachsenden Bedürfnis von Männern/Vätern, die Vereinbarkeit von Familie
und Beruf zu verbessern, zu entsprechen (bitte einzeln benennen)?

32. Welche Schlussfolgerung hat die Bundesregierung aus der Erkenntnis des
Sachverständigengutachtens gezogen, dass Familienfreundlichkeit häufig
einer Leistungskultur gegenübersteht, die stark auf Präsenz der Arbeits-
kraft setzt, und ihr damit zuwiderläuft, und welche Maßnahmen hat sie als
Reaktion ergriffen?

33. Hat die Bundesregierung die Möglichkeit eines Wahlarbeitszeitgesetzes,
wie es von der Sachverständigenkommission vorgeschlagen wird, geprüft,
und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Wenn nein, warum nicht?

Zeitverwendung

34. Hat die Bundesregierung aus der Erkenntnis, dass Mütter und Väter ihre
Arbeitszeitvolumina einander angleichen wollen, Schlussfolgerungen ge-
zogen, und wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

35. Wie bewertet die Bundesregierung die Forderung nach einer Etablierung
von haushalts- und personenbezogenen Dienstleistungsagenturen, und
wenn sie dies für zielführend hält, welche konkreten Maßnahmen hat sie
zur Erreichung ergriffen?

36. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung zur Bekämpfung des Fach-
kräftemangels in den Sozial- und Gesundheitsberufen ergriffen?

37. Hält die Bundesregierung das Familienpflegezeitgesetz vor dem Hinter-
grund seiner bisher eher geringen Inanspruchnahme nach wie vor für ziel-
führend (bitte begründen)?

38. Wie bewertet die Bundesregierung die Notwendigkeit zusätzlicher Maß-
nahmen, die zur Flexibilisierung (hinsichtlich Ort und Zeit) von Kinderbe-
treuungseinrichtungen beitragen, und welche Maßnahmen hat sie diesbe-
züglich bereits ergriffen?

39. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, wie viel Prozent der
Alleinerziehenden bei Inanspruchnahme einer Ganztagsbetreuung einer Er-
werbstätigkeit nachgehen würden bzw. ihre Arbeitszeit verlängern könn-
ten, und wenn ja, welche?

Wenn nein, hat es hierzu Planungen gegeben?

40. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des El-
terngeldes, und wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

41. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung zur Entwicklung, Einführung
und Etablierung von Arbeitszeitkonten, die es den Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern in bestimmten Lebensphasen ermöglichen, die Arbeitszeit
zu reduzieren bzw. Arbeitszeit anzusparen, ergriffen (bitte erläutern), und
hält sie diese für ausreichend?

42. Welche der Maßnahmen, die in dem Sachverständigengutachten zum ge-
schlechtergerechten Umbau der Alterssicherungssysteme vorgeschlagen
wurden, hält die Bundesregierung für sinnvoll, und welche hat sie bereits
umgesetzt?

Drucksache 17/14268 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

43. Welche Erkenntnisse aus dem Gleichstellungsbericht haben die Bundes-
regierung erwogen, die sogenannte Lebensleistungsrente zu entwickeln
(bitte begründen)?

44. Gibt es seitens der Bundesregierung Überlegungen für eine Sachverstän-
digenkommission für den Zweiten Gleichstellungsbericht, und wenn ja,
welche (bitte entsprechend Zusammensetzung und möglicher Themen-
schwerpunkte darlegen)?

Berlin, den 26. Juni 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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